eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 25/4

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
101
2014
254 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Kompetenzlandkarten

101
2014
Sebastian Disterer
Rolf Stübbe
Aufgrund des stets wachsenden globalen Wettbewerbsdrucks müssen viele Unternehmen große Herausforderungen bewältigen, um ihre marktführende Stellung zu erhalten. Dazu ist die kontinuierliche Entwicklung und Aktualisierung von Unternehmens- und Bereichsstrategien unerlässlich. Diese bilden die Basis für Strategie-Umsetzungsprojekte, in denen es häufig um den Ausbau von Kernkompetenzen, das Outsourcing von Commodity-Leistungen oder das Management und den Schutz von erfolgskritischem Know-how geht. Im Folgenden wird eine Methode zur systematischen Identifikation und Visualisierung von erfolgskritischen Kompetenzen in Unternehmen beschrieben. Das Ergebnis stellt die Kompetenzlandkarte dar, in der die Vielfalt und Komplexität der gewonnenen Informationen übersichtlich strukturiert sind.
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projekt MA N A G E M E N T aktuell 4/ 2014 l 37 Warum Kompetenzlandkarten? „Im Bereich moderner Unternehmen spielen die Messung und das Management von Kompetenzen eine schnell zunehmende Rolle. Zum einen werden Erkennen, Verstehen, Messen und Managen von Kompetenzen zu einem immer wichtigeren Teil des betrieblichen Personalmanagements. … Zum anderen spielt die Kompetenzmessung eine schnell zunehmende Rolle, weil sie für die Bewertung der immateriellen Vermögenswerte in modernen Unternehmen immer wichtiger wird. In diesen verlieren die traditionellen Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital an Bedeutung, während Wissen in einem weiten, Kompetenzen einschließenden Sinne zunehmend als wertvolle Ressource und Wettbewerbsvorteil anerkannt wird.“ [1] Diese Erkenntnis von J. Erpenbeck wird in der Praxis bestätigt. Mehr denn je kommt es auf die im Unternehmen verfügbaren Kompetenzen an, wenn es darum geht, zukünftigen Herausforderungen wie dem stetig steigenden Kosten-, Zeit- und Innovationsdruck erfolgreich zu begegnen und so die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten (Abb. 1). Die Ursachen für diese Herausforderungen liegen unter anderem im steigenden Anspruch der Kunden und Konsumenten am Markt. Zudem verfolgen viele Schwellenländer das Ziel, sich von der „verlängerten Werkbank“ zu Innovatoren zu entwickeln. Für die Unternehmen ergibt sich aus diesen Rahmenbedingungen die Notwendigkeit, ein höheres Augenmerk auf die Entwicklung und das permanente Controlling ihrer Strategie zu legen. Strategie meint in diesem Zusammenhang zunächst die Unternehmensstrategie mit Fokus auf den Markt oder den Marktzugang. Für die erfolgreiche Umsetzung ist es jedoch erforderlich, Bereichs- oder Abteilungsstrategien von der Unternehmensstrategie abzuleiten. Darüber hinaus ist ein systematisches Projektportfoliomanagement erforderlich, das in den vergangenen Jahren als adäquates Werkzeug zum Umsetzen von Strategien in die Unternehmen Einzug gehalten hat. Kompetenzlandkarten setzen auf der Ebene der Bereichs- oder Abteilungsstrategien auf. Sie geben Antworten auf folgende Fragen: ❑ Welches sind die erfolgskritischen Kompetenzen, die ein Bereich oder eine Abteilung zur Umsetzung der Strategie benötigt? ❑ Sind im Bereich oder der Abteilung ausreichend Mitarbeiter mit den benötigten erfolgskritischen Kompetenzen vorhanden? ❑ Welche Kompetenzen sind nicht erfolgskritisch und können von extern zugekauft werden? Sebastian Disterer, Rolf Stübbe Kompetenzlandkarten Visualisierung erfolgskritischer Kompetenzen in Organisationen Aufgrund des stets wachsenden globalen Wettbewerbsdrucks müssen viele Unternehmen große Herausforderungen bewältigen, um ihre marktführende Stellung zu erhalten. Dazu ist die kontinuierliche Entwicklung und Aktualisierung von Unternehmens- und Bereichsstrategien unerlässlich. Diese bilden die Basis für Strategie-Umsetzungsprojekte, in denen es häufig um den Ausbau von Kernkompetenzen, das Outsourcing von Commodity-Leistungen oder das Management und den Schutz von erfolgskritischem Know-how geht. Im Folgenden wird eine Methode zur systematischen Identifikation und Visualisierung von erfolgskritischen Kompetenzen in Unternehmen beschrieben. Das Ergebnis stellt die Kompetenzlandkarte dar, in der die Vielfalt und Komplexität der gewonnenen Informationen übersichtlich strukturiert sind. Das Erkennen und Bewerten von erfolgskritischen Kompetenzen innerhalb der Unternehmen ist wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung von Strategieprojekten. Aufgrund der Informationsflut und der Vielzahl von Schnittstellen in Unternehmen fällt ein transparenter Überblick über die relevanten Kernkompetenzen meist schwer. Der Artikel beschreibt, wie mithilfe von Kompetenzlandkarten Informationen dazu gewonnen, strukturiert und selektiert werden können. Darüber hinaus wird erklärt, wie der Wert der Kompetenzen für das Strategie-Zielbild identifiziert und die Risiken für dessen Umsetzung bewertet werden. +++ Für eilige Leser +++ Für eilige Leser +++ Für eilige Leser +++ Abb. 1: Welche Kompetenzen sind erfolgskritisch? PM_4-2014_1-80: Inhalt 22.08.2014 9: 56 Uhr Seite 37 ❑ Welche erfolgskritischen Kompetenzen können ggf. über die Einbindung von spezialisierten Partnern oder Lieferanten erworben werden? ❑ Welche Umsetzungsrisiken hat das Unternehmen bezogen auf die benötigten Kernkompetenzen? Wenn diese Fragen mithilfe der Kompetenzlandkarte beantwortet werden, kann das Unternehmen darauf die „Roadmap der Kernkompetenzen“ aufbauen (Abb. 2). Diese Roadmap weist für den geplanten Zeitraum der Strategieumsetzung - meist drei bis fünf Jahre - den Weg zum Aufbau und Erhalt der benötigten Kernkompetenzen eines Bereichs oder einer Abteilung. Wie werden Kompetenzlandkarten erstellt? Die mehrstufige Methodik der Kompetenzlandkarte basiert auf einer strukturierten Interviewtechnik. In einem ersten Schritt werden Experteninterviews mithilfe eines Interviewleitfadens durchgeführt. Hierbei werden Informationen über erfolgskritische Kompetenzen gewonnen, strukturiert und selektiert. Die Integration der Mitarbeiter auf allen Unternehmensebenen steht dabei im Vordergrund. Die Methodik bietet zahlreiche Vorteile: Die aktive Mitarbeiterintegration verschafft Akzeptanz für das Strategieprojekt, die Umsetzung ist je nach Anforderungen skalierbar und die Organisation wird aus einem ganzheitlichen Blickwinkel betrachtet. Das Ergebnis ist eine Kompetenzlandkarte (Abb. 3). Die Kompetenzlandkarte stellt so die Vielfalt und Komplexität der gewonnenen Informationen in einem übersichtlichen Poster dar. Die dargestellten Informationen sind je nach Zielsetzung des jeweiligen Anwendungsfalls konfigurierbar. Es ist auch möglich, in der Kompetenzlandkarte verschiedene Perspektiven eines Anwendungsfalls zu visualisieren (Abb. 4). Welche Maßnahmen ergeben sich aus der Kompetenzlandkarte? Basierend auf der Kompetenzlandkarte wird im Rahmen der Entwicklung von Bereichs- oder Abteilungsstrategien die „Roadmap der Kernkompetenzen“ erstellt. Diese enthält konkrete Maßnahmen zum Aufbau und Erhalt der benötigten Kernkompetenzen. Typische Maßnahmen können in der Regel folgenden Clustern zugeordnet werden: 1. Cluster „Organisationsentwicklung“: Bei der Organisationsentwicklung geht es im Rahmen der „Roadmap der Kernkompetenzen“ darum, die Mitarbeiter eines Bereichs oder einer Abteilung systematisch zu entwickeln. Die Kompetenzlandkarte liefert die aktuelle Situation bezüglich der Verteilung der Kernkompetenzen innerhalb der Abteilung und der jeweiligen Levels der Kernkompetenzen bei den einzelnen Mitarbeitern. Die Bereichsstrategie liefert das Zielbild bezüglich Quantität und Qualität der jeweiligen Kernkompetenz. Aus diesen Informationen kann das Delta zwischen dem heutigen und dem angestrebten Zustand abgeleitet werden. Für das Schließen dieser Lücke werden meist mehrere Qualifizierungsstufen definiert. 1. Es gilt nun, die Mitarbeiter des Bereichs den Qualifizierungsstufen zuzuordnen (Abb. 5). Mit den Informationen aus der Kompetenzlandkarte fällt dieser Schritt leicht, da sie bereits die Informationen enthält, welcher Mitarbeiter auf welcher Qualifizierungsstufe des jeweiligen Kompetenzfeldes steht (Abb. 4). Der Vorteil dieser Vorgehensweise besteht darin, dass den Mitarbeitern damit konkrete Entwicklungsperspektiven aufgezeigt werden können. Für die Führungskräfte bietet sich der Vorteil der Transparenz bezüglich der Verteilung und des Niveaus der erfolgskritischen Kompetenzen ihrer Mitarbeiter. 1. Das wiederum ist unter anderem auch vor dem Hintergrund der fortschreitenden Projektorientierung in den Unternehmen ein Vorteil. Es fällt somit leichter, Projekte mit den passenden Mitarbeitern zu besetzen. 1. Aus der Qualifizierungsmatrix können individuelle Entwicklungspfade definiert werden, die in Mitarbeitergesprächen einfach zu kommunizieren sind und sich für Zielvereinbarungen eignen. 1. Ein weiterer Bestandteil der Organisationsentwicklung ist das Konzept zum Sicherstellen der Kontinuität von Kernkompetenzen. Dieses Konzept enthält den Recruiting-Plan, der aufzeigt, wann welche Mit- 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 4/ 2014 38 WISSEN Abb. 2: Roadmap der Kernkompetenzen Abb. 3: Beispiel einer Kompetenzlandkarte PM_4-2014_1-80: Inhalt 22.08.2014 9: 57 Uhr Seite 38 arbeiter in welchem Lebensalter und mit welcher Kompetenz eingestellt werden müssen, um Kompetenzlücken zu vermeiden. Auch hier bietet die Kompetenzlandkarte die benötigten Informationen. 2. Cluster „Aufbau eines Kompetenznetzwerks“: Der Aufbau eines Kompetenznetzwerks stellt oft ein weiteres Maßnahmencluster der „Roadmap der Kernkompetenzen“ dar. Hier handelt es sich um Maßnahmen, die sich aus der Analyse der Fragen ergeben, welche der nicht erfolgskritischen Kompetenzen zugekauft werden können und welche der erfolgskritischen Kompetenzen über spezialisierte Partner erworben werden müssen. 1. Leitlinie dieser Überlegungen ist, sich auf die wirklich erfolgskritischen Kompetenzen im Bereich oder in der Abteilung zu konzentrieren und „Commodity-Leistungen“ zuzukaufen. Andererseits kann die Delta- Analyse der Kernkompetenzen auch ergeben, dass spezielle Kompetenzen nicht selbst aufgebaut werden können oder nur in einem bestimmten Zeitraum benötigt werden. Eventuell werden Spezialisten oder spezialisierte Lieferanten benötigt, deren Kompetenzen anderweitig nicht zu haben sind. 1. Für diese Analyse stellt die Kompetenzlandkarte die notwendigen Basisinformationen zur Verfügung. 3. Cluster „Wissensmanagement“: Das dritte Maßnahmencluster umfasst das Management erfolgskritischer Kompetenzen im Unternehmen im Sinne eines „Wissensmanagements“. Hier geht es darum, adäquate Möglichkeiten zum Vermitteln und Transferieren erfolgskritischen Wissens zu schaffen. Die Kompetenzlandkarte enthält Informationen dazu, ob das Wissen bzgl. der erfolgskritischen Kompetenzen implizit oder explizit vorliegt („Erfahrung“ vs. „Dokumentation“) und auf welche Art erfolgskritische Kompetenzen vermittelt werden können („Voneinander lernen“ oder „Studieren“). Darauf aufbauend werden im Rahmen der „Roadmap der Kernkompetenzen“ die Vorgehensweisen und Prozesse zum Kompetenzaufbau definiert. Abb. 4: Beispiel für Informationen in einer Kompetenzlandkarte Anzeige PM_4-2014_1-80: Inhalt 22.08.2014 9: 57 Uhr Seite 39 1. Je nach Konfiguration der Kompetenzlandkarte kann sie auch zur Bestandsaufnahme der Quellen expliziten Wissens genutzt werden. So wird transparent, wo das dokumentierte Wissen im Unternehmen aktuell abgelegt ist. Diese Art der Ergebnisse der Kompetenzlandkarte kann dann zum Aufbau von zentralen „Wissensmanagement-Softwarelösungen“ genutzt werden. Solche Lösungen eignen sich zum Zentralisieren bisher verteilter Dokumentationen und zur einfachen und steuerbaren Vermittlung expliziten Wissens. 1. Da die Kompetenzlandkarte einen guten Überblick über die Verteilung der Kompetenzen bei den Mitarbeitern gibt, ergeben sich im Zusammenhang mit „Wissensmanagement-Softwarelösungen“ konkrete Anknüpfungspunkte zur Vergabe von Themenverantwortlichkeiten oder Redaktionsaufgaben an die entsprechenden Kompetenzträger. Welchen Nutzen haben Kompetenzlandkarten? Die Keyplayer der jeweiligen Branchen machen es vor: Um wettbewerbsfähig zu bleiben, ist eine strategische Ausrichtung nicht nur des Unternehmens, sondern auch der Bereiche und Abteilungen unerlässlich. In diesem Rahmen und vor dem Hintergrund des aktuell vorherrschenden Fachkräftemangels („War of Talents“) spielt die Entwicklung der erfolgskritischen Kompetenzen bei den eigenen Mitarbeitern eine immer größere Rolle. Hier leisten Kompetenzlandkarten einen entscheidenden Beitrag, um erfolgskritische Kompetenzen mit vertretbarem Aufwand zu identifizieren und zu bewerten. Sie bieten die ideale Ausgangsbasis für eine gezielte Organisationsentwicklung und den Aufbau von Partnernetzwerken. Zudem schaffen sie die Voraussetzungen für ein systematisches Wissensmanagement. Die hier beschriebene Methodik der Kompetenzlandkarten wurde in global operierenden Industrieunternehmen erfolgreich angewandt. Die Rückmeldungen der beteiligten Kompetenzträger sind durchweg positiv. Besonders hervorgehoben wird das mit der Methodik einhergehende Buy-in der Mitarbeiter, die eine hohe Wertschätzung ihres Wissens empfinden. Das Management schätzt die mit der Methodik erzielbaren Ergebnisse, weil sie konkrete Ausgangspunkte für zielgenaue Maßnahmen im Rahmen ihrer Strategie-Umsetzungsprojekte liefern. ■ Literatur [1] Erpenbeck, J: Das Unermessliche messbar machen. Lernkultur und Kompetenzmessung im Unternehmen. In: Arbeitsgemeinschaft Betriebliche Weiterbildungsforschung e.V. (Hrsg.): Kompetenzmessung im Unternehmen. Lernkultur- und Kompetenzanalysen im betrieblichen Umfeld. Münster 2005, S. 13-14 Schlagwörter Bereichs- und Abteilungsstrategien, Kompetenzen, Projektmanagement, Roadmap, Strategieumsetzung, Transparenz, Visualisierung Kompetenzelemente der NCB 3.0 4.1.12 Ressourcen, 4.1.14 Beschaffung und Verträge, 4.3.8 Personalmanagement Autor Sebastian Disterer ist als Berater bei UNITY tätig. Er verantwortet Projekte zur Organisationsentwicklung im Konzernumfeld und Mittelstand und begleitet globale Strategie- und Prozessimplementierungen. Innerhalb der UNITY AG ist Sebastian Disterer Themenverantwortlicher im Bereich Wissensmanagement. Autor Rolf Stübbe, Partner bei UNITY, ist als Managementberater, Projektmanager und Trainer tätig. Er verantwortet Programme und Projekte zur Effizienzsteigerung und begleitet die Umsetzung von Transformationsprojekten. Er entwickelt Qualifizierungs- und Trainingskonzepte und führt aktiv Weiterbildungen durch. Anschrift der Autoren UNITY AG Lindberghring 1 D-33142 Büren Tel.: 0 29 55/ 74 34 16 Fax: 0 29 55/ 74 32 99 E-Mail: Sebastian.Disterer@unity.de E-Mail: Rolf.Stuebbe@unity.de 22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 4/ 2014 40 WISSEN Abb. 5: Qualifizierungsübersicht Stephan PM_4-2014_1-80: Inhalt 22.08.2014 9: 57 Uhr Seite 40