PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.„Kompetenz geht über Wissen hinaus“
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Oliver Steeger
Wissen, Erfahrung und Qualifikation entscheiden häufig allein bei der Personalauswahl. Fachleute mahnen, dass der Blick auf diese drei Merkmale zu eng ist. Nur wenige Unternehmen erfassen auch die Kompetenzen ihrer Mitarbeiter, etwa Kommunikationsfähigkeit, Kreativität oder Detailgenauigkeit. „In Anlehnung an den Philosophen Precht: Kompetenz ist das, was man braucht, wenn man mit Wissen oder Arbeitstechniken nicht weiterkommt“, erklärt Experte Dr. Sven Grote (Inhaber der Unternehmensberatung Kompetenzmanagement). Deshalb sind Kompetenzen besonders für das Projektmanagement wichtig, wie er gemeinsam mit Monika Wastian darlegt („Kompetenzen systematisch messen, modellieren, entwickeln: Chancen für das Projektmanagement?“ ab Seite 54 in diesem Heft). Im Kurzinterview führt Dr. Sven Grote in dieses Thema ein. Er berichtet über Kompetenzmodelle, Fehler bei der Personalauswahl – und darüber, weshalb das Bauchgefühl vieler Projektmanager nicht immer bei der Personalsuche hilft.
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22 l projekt MA N A G E M E N T aktuell 4/ 2014 54 KARRIERE Herr Dr. Grote, Unternehmen entdecken immer mehr die Kompetenz ihrer Mitarbeiter als „Rohstoff“ des Unternehmenserfolgs. Wie können Unternehmen sicherstellen, dass ihnen dieser „Rohstoff“ nicht ausgeht und sie auf dem Arbeitsmarkt Mitarbeiter mit den Kompetenzen finden, die sie wirklich brauchen? Dr. Sven Grote: Arbeitgeber sollten sich nach außen erkennbar positionieren und die benötigten Kompetenzen klar benennen - im Sinne des „Employer Branding“. Interne Schwerpunkte bilden dabei die systematische Einarbeitung und die Kompetenzentwicklung. Auch sollten Mitarbeiter individuelle Chancen zur Entwicklung finden, sodass die Kompetenzen auch im Unternehmen bleiben. Unternehmen arbeiten vermehrt mit sogenannten „Kompetenzmodellen“. Was versteht man darunter? Ein Kompetenzmodell ist ein unternehmensspezifischer Pool von etwa 20 bis 40 exakt beschriebenen Kompetenzen, die das Unternehmen für seine Arbeit und Weiterentwicklung benötigt. Also eine Zusammenstellung, eine Art Katalog von besonders wichtigen Kompetenzen? Ja. Hinter einem derartigen Modell steht das Ziel, die strategische Unternehmensentwicklung und die Personalarbeit zu synchronisieren - quasi wie ein Getriebe. Aus der Strategie werden die erforderlichen Kompetenzen ermittelt, und die Personalarbeit sorgt dafür, dass diese Kompetenzen eingeholt und entwickelt werden. Ja. Konkret heißt dies: Auswahlverfahren, Seminare, Laufbahnmodelle nehmen diese Kompetenzen auf und beziehen sich darauf. Den Begriff „Kompetenz“ verwenden Sie in anderem Sinne als er landläufig benutzt wird. Im alltäglichen Sprachgebrauch nennt man beispielsweise Wissen, wie eine Risikoanalyse im Projektmanagement funktioniert, eine Kompetenz. Dies ist eher eine Grundlage. Wissen allein ist noch keine Kompetenz. Kompetenz geht über Wissen hinaus. „Kompetenz geht über Wissen hinaus“ Kompetenzmodelle und Tests unterstützen die Mitarbeiterauswahl Wissen, Erfahrung und Qualifikation entscheiden häufig allein bei der Personalauswahl. Fachleute mahnen, dass der Blick auf diese drei Merkmale zu eng ist. Nur wenige Unternehmen erfassen auch die Kompetenzen ihrer Mitarbeiter, etwa Kommunikationsfähigkeit, Kreativität oder Detailgenauigkeit. „In Anlehnung an den Philosophen Precht: Kompetenz ist das, was man braucht, wenn man mit Wissen oder Arbeitstechniken nicht weiterkommt“, erklärt Experte Dr. Sven Grote (Inhaber der Unternehmensberatung Kompetenzmanagement). Deshalb sind Kompetenzen besonders für das Projektmanagement wichtig, wie er gemeinsam mit Monika Wastian darlegt („Kompetenzen systematisch messen, modellieren, entwickeln: Chancen für das Projektmanagement? “ ab Seite 54 in diesem Heft). Im Kurzinterview führt Dr. Sven Grote in dieses Thema ein. Er berichtet über Kompetenzmodelle, Fehler bei der Personalauswahl - und darüber, weshalb das Bauchgefühl vieler Projektmanager nicht immer bei der Personalsuche hilft. Oliver Steeger Dr. Sven Grote ist Inhaber der Unternehmensberatung Kompetenzmanagement. Bis 2012 war er Professor für Personal- und Organisationsentwicklung an der Fachhochschule für angewandtes Management, Erding; zuvor war er unter anderem als Organisationsentwickler in einem Automobilunternehmen tätig. Auszug aus seinen Arbeits- und Forschungsschwerpunkten: Messung, Entwicklung und Management von Kompetenz, Personal- und Organisationsentwicklung sowie Führung, Training und Transfer. Zudem hat Sven Grote zahlreiche Fachartikel und Bücher verfasst. Kontakt: E-Mail: sven_grote@web.de Foto: Unternehmensberatung Kompetenzmanagement PM_4-2014_1-80: Inhalt 22.08.2014 10: 46 Uhr Seite 54 Wie steht es mit der Fähigkeit, diese Risikoanalyse durchzuführen? Das kann man sicher als Kompetenz werten. Oder die Fähigkeit, sich selbst im Arbeitsalltag zu organisieren - eine Kompetenz? Damit liegen Sie noch besser! Selbstorganisation ist in der Tat eine Kompetenz. Der Begriff der Selbstorganisation nimmt ja neuartige, mehrdeutige, unvorhergesehene und ergebnisoffene Situationen in den Blick, die Raum für Kreativität und schöpferische Fähigkeiten lassen. Das alles tritt natürlich auch bei Risikoanalysen auf. Weshalb wird der Begriff der Kompetenz so verengt? Es geht nicht um eine Verengung, sondern um eine Präzisierung. An dem Punkt, an dem Fachwissen, Erfahrungen und bisherige Routinen nicht mehr weiterhelfen, da wird es interessant. Man könnte frei sagen, Kompetenz ist das, was man braucht, wenn man mal nicht weiterweiß. Wie kann man solche Kompetenz, die weiterhilft, wenn man eigentlich nicht mehr weiterweiß, sicher erfassen und messen? Es bieten sich viele Messverfahren an, die Bandbreite reicht von praxisbezogenen bis zu wissenschaftlich überprüften Instrumenten. Über sechzig Verfahren sind in einem Handbuch von Erpenbeck und Rosenstiel [1] beschrieben. In Unternehmen werden zudem auch eigene Instrumente und Rating-Verfahren entwickelt, mit denen sich die jeweiligen Kompetenzen erfassen lassen. Was tun Unternehmen konkret? Sie setzen meistens eine Kombination verschiedener Vorgehensweisen ein. Sie verwenden erstens eigene Skalen und Verfahren für ihre Kompetenzmodelle. Zweitens arbeiten sie zusätzlich mit psychometrisch überprüften Tests und Assessment-Centern, vor allem bei der Auswahl externer Mitarbeiter und Führungskräfte. Und drittens haben sie praxisorientierte Fragebögen, etwa für Teamtrainings. Und natürlich arbeiten auch viele kleinere Unternehmen ohne explizite Modelle und Instrumente, also eher intuitiv: „Herr Müller könnte ganz gut in das Projektteam passen.“ Betrachten wir bitte die Kompetenzmodelle durch die Brille von Projektmanagern. Projektmanager stehen vor einer ähnlichen Aufgabe wie Unternehmen. Sie stellen ein Team zusammen und benötigen dafür einen geeigneten Kompetenzmix. Was können sie tun, um alle nötigen Kompetenzen durch Mitarbeiter abzudecken? Eine sehr konkrete Möglichkeit: Unternehmen können besonders erfolgreiche Projekte in ihrem Unternehmen auswerten: Welche Kompetenzen waren dort im Projektteam „an Bord“? Was war anders als in anderen Projekten? Unternehmen sollten also diese Erfahrung nutzbar machen für ihre Projektleiter. Einige erfahrene Projektmanager wählen Mitarbeiter auch aufgrund eines „Bauchgefühls“, also intuitiv aus. Ein Fehler? Vorsicht vor verzerrter Wahrnehmung Es ist zumindest eine einseitige Betrachtung. Die intuitive Auswahl birgt Gefahren. Bestimmte Wahrnehmungsverzerrungen, wie Sympathie- und Halo-Effekt, können den klaren Blick bei der Mitarbeiterauswahl trüben. Kleine Verständnishilfe: Der Halo-Effekt beschreibt, wie wir von bekannten Eigenschaften einer Person auf unbekannte Eigenschaften schließen. Angenommen, einem Projektmanager sind konsensorientierte Mitarbeiter sympathisch. Die mögliche Folge: Er übersieht bei konsensorientierten Mitarbeitern wichtige andere persönliche Aspekte; diese werden quasi von der Konsensorientierung „überstrahlt“. Durch solche Wahrnehmungsverzerrungen kann es beispielsweise dazu kommen, dass dieser Projektmanager eher auf konsensorientierte Mitarbeiter fokussiert. Ihm fehlen im Projekt dann Mitarbeiter, die auch Klartext sprechen. Deshalb halte ich die Kombination aus wohlüberlegter verstandesgemäßer Entscheidung mithilfe von professionellen Instrumenten und Intuition für sinnvoll. Vor einer ähnlichen Aufgabe stehen auch Unternehmen. Sie müssen Projektmanager mit geeigneten Kompetenzen auswählen. Welche Kompetenzen sollten Projektmanager aus Ihrer Sicht haben? Bislang werden wenig umfassende empirische Studien zu dieser Frage berichtet. Unternehmen müssen sich für ihre spezifische Situation hilfreiche Modelle zusammenstellen. Aus meiner Sicht geht es um eine gute Balance von Fach- und Methodenkompetenzen sowie sozialkommunikativen Kompetenzen, zudem von Aktivitätskompetenzen (auch „Treiberkompetenzen“) sowie persönlichen Kompetenzen, wie Glaubwürdigkeit, Loyalität und Vertrauen. Ich frage anders: Wie können Kompetenzmodelle bei dieser Aufgabe unterstützen? In einem Kompetenzmodell gebündelt werden die Sichtweisen, Anforderungen und Erfahrungen der Stakeholder, des Topmanagements, der Projektmanager selbst, der Projektmitarbeiter und vielleicht auch der Kunden. Das Kompetenzmodell wirkt dabei wie ein Brennglas für die verschiedenen Perspektiven. Was hat ein Unternehmen bei der Entwicklung von Kompetenzmodellen zu beachten? Unternehmen sollten ihre Kompetenzmodelle für Projektmanager in einem eigenen Projekt aufbauen. Das heißt, die Ziele für dieses Projekt sind genau zu beschreiben und das Projektteam wohlüberlegt zusammenzusetzen. Erfahrene Stakeholder, Projektmanager, Mitarbeiter und Kunden sind zu befragen. Die richtigen Fragestellungen zur Ermittlung des Modells sind ebenso wichtig. Externe Begleitung kann hilfreich sein; Organisationen können beim Blick auf ihren eigenen Kompetenzbedarf „blinde Flecken“ haben. ■ Literatur [1] Erpenbeck, John/ Rosenstiel, Lutz von (Hrsg.): Handbuch Kompetenzmessung: Erkennen, verstehen und bewerten von Kompetenzen in der betrieblichen, pädagogischen und psychologischen Praxis. 2., überarbeitete Auflage 2007, Schäffer-Poeschel projekt MA N A G E M E N T aktuell 4/ 2014 l 55 PM_4-2014_1-80: Inhalt 22.08.2014 10: 46 Uhr Seite 55
