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PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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2014
255 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

„Drahtseilakt“ für Projektmanager

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2014
Oliver Steeger
Immer mehr Unternehmen schließen Partnerschaften und stemmen gemeinsam komplexe Projekte. Anders als in Netzwerken lassen sich große Projektherausforderungen kaum mehr meistern. „Heute finden nicht nur Unternehmen zu globalen Netzwerken zusammen, sondern auch andere Organisationen wie Gewerkschaften“, erklärt Experte Prof. Jörg Sydow (Freie Universität Berlin). Ein Trend, der zunehmend auch Projektmanager erreicht. Doch die Arbeit in diesen sogenannten interorganisationalen Netzwerken birgt Fallstricke. Geschickt müssen Projektmanager Partner auswählen, in Spannungsfeldern agieren und mit Hierarchien umgehen können. Im Interview erläutert Prof. Jörg Sydow Grundmechanismen solcher Netzwerke, stellt Erfolgsfaktoren für die Arbeit in Netzwerken vor – und erklärt, weshalb die viel gelobte Flexibilität dieser Netzwerke schnell in neue Abhängigkeiten führen kann.
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25 JAHRE PROJEKTMANAGEMENT aktuell 17 projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2014 Immer mehr Unternehmen schließen Partnerschaften und stemmen gemeinsam komplexe Projekte. Anders als in Netzwerken lassen sich große Projektherausforderungen kaum mehr meistern. „Heute finden nicht nur Unternehmen zu globalen Netzwerken zusammen, sondern auch andere Organisationen wie Gewerkschaften“, erklärt Experte Prof. Jörg Sydow (Freie Universität Berlin). Ein Trend, der zunehmend auch Projektmanager erreicht. Doch die Arbeit in diesen sogenannten interorganisationalen Netzwerken birgt Fallstricke. Geschickt müssen Projektmanager Partner auswählen, in Spannungsfeldern agieren und mit Hierarchien umgehen können. Im Interview erläutert Prof. Jörg Sydow Grundmechanismen solcher Netzwerke, stellt Erfolgsfaktoren für die Arbeit in Netzwerken vor - und erklärt, weshalb die viel gelobte Flexibilität dieser Netzwerke schnell in neue Abhängigkeiten führen kann. Herr Prof. Sydow, alle Welt spricht vom „Netzwerken“. Fachleute verbinden sich untereinander. Sie finden gemeinsame Ziele, tauschen sich aus und helfen einander. Verbände wie die GPM sind ein Paradebeispiel für die Bildung von persönlichen Netzwerken. In Ihren Forschungen gehen Sie einen Schritt weiter: Sie untersuchen Netzwerke zwischen Organisationen, beispielsweise Unternehmen. Was für Projektmanager daran interessant ist: Projektmanagement scheint bei diesen interorganisationalen Netzwerken eine wichtige Rolle zu spielen - oder täusche ich mich? Prof. Jörg Sydow: Der Eindruck ist richtig. Zwischen Projektmanagement und interorganisationalen Netzwerken gibt es viele Berührungspunkte. Wir können viel Wissen aus dem Projektmanagement übertragen auf das Management solcher Netzwerke - sofern wir Sensibilität wahren für die Besonderheiten dieser Organisationsform. „Spannungsfelder“ bilden Herausforderungen bei Projekten in Netzwerken „Drahtseilakt“ für Projektmanager Autor: Oliver Steeger Jörg Sydow Jörg Sydow ist Professor für Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Unternehmenskooperation am Management-Department der Freien Universität Berlin. Nach einem viermonatigen Forschungsaufenthalt an der Columbia University in New York erforscht er derzeit die Rolle interorganisationaler Netzwerke beim Management von Desastern. Ein weiteres Forschungsthema ist die Organisation von Kreativität, gerade auch im Rahmen von Projektnetzwerken. Seit mehreren Jahren ist Jörg Sydow zudem Gastprofessor an der Graduate School of Business der Strathclyde University in Glasgow und lehrt im Rahmen eines Executive MBA-Programms der Wirtschaftsuniversität Wien. Foto: Freie Universität Berlin Foto: vege - Fotolia.com PM-aktuell_5-2014_Inhalt_01_104.indd 17 03.12.2014 11: 22: 37 Uhr projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2014 18 25 JAHRE PROJEKTMANAGEMENT aktuell Bei diesen Kooperationen ergeben sich einerseits hervorragende Synergien. Andererseits stehen diese Unternehmen in scharfem Wettbewerb zueinander. An diesem Beispiel können Sie ein weiteres Spannungsfeld erkennen: Kooperationen in Netzwerken, mit deren Hilfe Unternehmen auf Märkten Autonomie gewinnen möchten, führen zwangsläufig in gewisse Abhängigkeiten. Hier entsteht zwischen der Abhängigkeit und der Autonomie ein Spannungsfeld. Wie weit wollen sich die Partner in Abhängigkeit begeben? Ähnlich verhält es sich mit anderen Spannungsfeldern, etwa Stabilität versus Fragilität oder Vielfalt versus Einheit. Man muss achtgeben, dass man einen der beiden Pole dieser Spannungsfelder nicht aus dem Blick verliert. Doch wie gesagt, dies ist alles nicht grundsätzlich neu für Projektmanager. „ReziPRozität“ als schlüsseltugend Betrachten wir interorganisationale Netzwerke näher. Persönliche Netzwerke werden von Vertrauen zusammengehalten. Vertrauen ist der „Kitt“ dieser Beziehungen. Gilt dies auch für Netzwerke etwa zwischen Unternehmen? Vertrauen wurde und wird immer wieder als Grundlage für interorganisationale Netzwerke ins Gespräch gebracht, in der Unternehmenspraxis wie in der Wissenschaft. Doch ich bezweifle, dass Vertrauen die Basis für solche Netzwerke bildet. Denn verwendete man Vertrauen als Kriterium für interorganisationale Netzwerke und folgte man diesem Kriterium streng, so gäbe es keine Netzwerke zwischen Unternehmen! Wie bitte? Vertrauen als Basis von interorganisationalen Netzwerken scheidet aus? Zu solchen Netzwerken gehört immer auch gegenseitige Kontrolle. Allein schon deshalb scheidet nach meiner Einschätzung Vertrauen als der zentrale Koordinationsmechanismus von Netzwerken aus, obwohl es natürlich wichtig bleibt. Allein Vertrauen kann keine Basis bilden. Zur Erklärung bietet sich ein besserer Kandidat an, den wir in der Wissenschaft diskutieren - nämlich die Reziprozität … … die Norm der Gegenseitigkeit. Ich tue dir was Gutes, du tust mir etwas Gutes. Die Erwartung eines Tauschhandels. Der Gebende erwartet, dass er irgendwann wieder etwas zurückbekommt. Unklar bleibt, ob der Tausch für ihn wirklich aufgeht. Ja! Eine schöne Formulierung! Ich bin der Überzeugung, dass Projektmanager solche Situationen gut bewältigen können. Damit sind wir bei einer weiteren Besonderheit von interorganisationalen Netzwerken. Sie sind mit gewissen Spannungsfeldern verbunden - oder Drahtseilakten, wie Sie sagen. Auch hier: Projektmanager verstehen sich darauf, solche Spannungsfelder zu identifizieren und damit umzugehen. Damit sind sie gut auf die Arbeit in interorganisationalen Netzwerken vorbereitet. Projektmanager sollten allerdings wissen, wie interorganisationale Netzwerke zustande kommen, wie sie funktionieren, was diese Netzwerke zusammenhält und welche Besonderheiten sie mitbringen. „KlassiKeR“ deR sPannungsfeldeR Mit welchen Spannungsfeldern sollten Projektmanager rechnen? Ein Klassiker für solch ein Spannungsfeld ist das Verhältnis von Kooperation und Wettbewerb. Bei Netzwerken denkt man automatisch an Kooperation. Es wird häufig allerdings gedanklich der Wettbewerb verdrängt, dem die am Netzwerk beteiligten Unternehmen auf Absatz- oder Beschaffungsmärkten ebenfalls unterliegen können. Dieser Wettbewerb bleibt wichtig. Anderenfalls werden Netzwerke zu starr. Sogar Konkurrenten schließen sich zusammen, die sich bislang einen Markt geteilt haben. Welche Besonderheiten? In interorganisationalen Netzwerken erleben Projektmanager eine Reihe von Spannungsfeldern. Zudem können Projektmanager die Partner solcher Netzwerke nicht einmal im Schatten der Möglichkeit zur hierarchischen Weisung koordinieren. Die Netzwerke unterliegen zwar den Hierarchien der beteiligten Organisationen. Aber: Projektmanager können sich beim Management des Netzwerks - also der Anbahnung und Entwicklung der Kooperation - nicht auf Hierarchie stützen. Mit anderen Worten: Projektmanager unterliegen den Hierarchien der Partner, können aber bei der Steuerung der Zusammenarbeit keine Hierarchien nutzen - beispielsweise, um „durchzugreifen“, wenn das Projekt stockt. Projektmanagern ist diese Situation nicht ganz unbekannt. Nehmen Sie als Beispiel eine Projektmanagerin, die im Auftrag ihres Unternehmens bei einem Kunden ein Softwareprojekt leitet. Sie muss zuweilen für den Kunden und für das Projekt Entscheidungen treffen, die ihre Vorgesetzte im eigenen Unternehmen nicht unbedingt mitträgt; nicht selten kann die Vorgesetzte nicht einmal nach ihrer Meinung gefragt werden. Die Projektmanagerin bewegt sich an der Grenze des von ihrer Firma Erlaubten und des für das Projekt Zuträglichen. Dies gleicht einem Drahtseilakt. Der Projektmanager muss in diesem Spannungsfeld laufend die Balance wiederfinden. Weltweit die Kompetenz von Spezialisten nutzen und Know-how zusammenführen - mit dieser Strategie schließen sich Unternehmen zu Netzwerken zusammen, um gemeinsam Projekte zu stemmen. Foto: apops - Fotolia.com PM-aktuell_5-2014_Inhalt_01_104.indd 18 03.12.2014 11: 22: 38 Uhr projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2014 PROJEKTMANAGEMENT aktuell 19 über Bereichsleiter bis hin zu Inhabern von Koordinationsstellen, wie sie an Hochschulen üblich sind. Zum einen kooperieren diese Menschen als Individuen, zum anderen als Repräsentanten ihrer Organisation. Das kann wunderbar Hand in Hand laufen. Persönlich gute Beziehungen unterstützen die organisationalen Beziehungen. Und aus mancher reinen Arbeitsbeziehung ist eine persönliche Beziehung geworden. Aber? Organisationale Beziehungen können auch darunter leiden, dass die persönliche Beziehung der Repräsentanten zu eng geworden oder aber zerbrochen ist. Oder es kommen persönliche Beziehungen zustande, die durch die Organisation nicht widergespiegelt werden können. Der Projektmanager muss also auch hier ein Spannungsfeld im Auge behalten? Ja, dies muss er. syneRgien duRch netzWeRKe Sprechen wir über die Vorteile von interorganisationalen Netzwerken. Welchen Gewinn ziehen beispielsweise Unternehmen aus diesen Netzwerken? Ich könnte eine lange Liste von Vorteilen zusammenstellen. Über die Vorteile wird in der Forschung seit Langem viel diskutiert. Einige Schlaglichter reichen mir. Durch interorganisationale Netzwerke können komplementäre Wissensgebiete - oder generell gesagt: Ressourcen - zusammengebracht werden. Bleiben wir beim Beispiel der Pharmabranche. Das kleine Biotech-Unternehmen kann sein Know-how mit dem Kapital und der Marktmacht eines Pharmakonzerns kombinieren. Solche Vorteile sind Klassiker. Jeder kennt sie. Darüber hinaus beobachte ich einen zentralen und spannenden Vorteil, der vielen unbekannt ist. Es geht um das, was eine Kollegin von mir an der Strathclyde Business School in Glasgow, Chris Huxham, unlängst „Making of aims“ genannt hat: Unternehmen stellen durch die Kooperation überhaupt erst fest, was sie miteinander machen können. Moment! Dies verstehe ich nicht. Während der Kooperation entwickeln die Partner ganz neue Ziele. Allein dadurch, dass sie im Netz- Diese Norm kennt jeder aus persönlichen Netzwerken. Reziprozität funktioniert auch in interorganisationalen Netzwerken. So, wie Menschen in Vorleistung treten, wenn sie Verbindungen in ihrem Netzwerk aufbauen - so tun dies auch Unternehmen. Wie soll dies funktionieren? Beobachten Sie Start-up-Unternehmen, die mit Konzernen kooperieren wollen. Sie werden feststellen, dass diese Start-ups schon früh ungewöhnlich viel Know-how preisgeben. Sie erwarten, dass der Konzern früher oder später reagiert, etwa indem er Zugang schafft zu Kapitalmärkten oder Absatzmärkten - oder zu beidem. In der Pharmabranche werden Sie gute Beispiele dafür finden. Kleine Biotech- Unternehmen, die für die Fortführung eines Forschungsprojekts Kapital benötigen, wenden sich an Pharmakonzerne. Sie machen den ersten Schritt, indem sie Wissen preisgeben - ohne sicher zu sein, ob der Konzern den nächsten Schritt tut und etwas für diese Vorleistung zurückgibt. Eine riskante Strategie! Durchaus, aber sie ist auch clever. Manche mögen eine Strategie, die auf Reziprozität setzt, unter ökonomischen Kriterien vielleicht verwerfen. Doch diese Strategie eröffnet auch Wege zum Tausch: Chancen, die man sonst nicht hätte. Vielleicht würde ohne diese Strategie das Technologiewissen des Kleinen und die Verschaffung des Marktzugangs durch den Großen nie hinreichend bewertet werden. soziale KontRolle in netzWeRKen Wer garantiert einem Unternehmen, dass sich ein anderes ebenfalls an die Norm hält? In der Welt sind bekanntlich nicht nur anständige Menschen unterwegs. Unterschätzen Sie nicht die soziale Kontrolle! In einem Netzwerk spricht sich schnell herum, wenn jemand einem anderen den Teil verwehren will, den er laut Norm der Reziprozität schuldet. Ich spitze die Frage zu: Vielleicht will sich der Vertreter der Partnerorganisation an diese Norm halten. Er mag guten Willens sein. Doch seine Organisation spielt nicht mit. Der Vertreter muss sich fügen. Damit sprechen Sie ein weiteres Spannungsfeld an. Organisationen werden durch Menschen repräsentiert, etwa vom Geschäftsführer eines Unternehmens Lassen Sie sich von Ihren Projekten nicht überrollen! Schillstraße 150 · 86169 Augsburg Call: +49 (0) 821 - 815-6548 Fax: +49 (0) 821 - 815-1993 Mail: info@dynamis-web.com Web: www.dynamis-web.com Level D Frühjahr 2015 in Augsburg Start am 06. - 07.03.2015 20. - 21.03. / 17. - 18.04.2015 08. - 09.05. / 12. - 13.06.2015 Prüfung am 20.06.2015 Kosten: 3.550,- € zzgl. MwSt + Prüfungsgebühren Level C/ B GPM/ IPMA in Augsburg Start am 21.03.2015 24. - 25.04. / 22. - 23.05.2015 Prüfung am 11. - 13.06.2015 Kosten: 2.250,- € zzgl. MwSt + Prüfungsgebühren Unsere aktuellen Termine Level C/ B und Level D GPM/ IPMA Weitere Kurse auf unserer Website! Bild: fotolia.de Mark Reuter Personalmanagement & Projektmanagement GmbH Dynamis_Lawine_76x297_2014.indd 1 16.09.14 15: 56 Anzeige PM-aktuell_5-2014_Inhalt_01_104.indd 19 03.12.2014 11: 22: 38 Uhr projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2014 20 25 JAHRE PROJEKTMANAGEMENT aktuell Ja. Das Unternehmen hat im Netzwerk quasi einen Entwicklungspfad beschritten, in dem es nun feststeckt. Es wollte flexibel werden. Dafür hat es beispielsweise Entwicklungsarbeit an Partner ausgegliedert und seine eigene Entwicklungsabteilung verkleinert. Die Sache lief gut. In der Partnerschaft wurden Routinen ausgebildet und Erfahrungen gesammelt. Auf eine veränderte Situation kann es dann allerdings nicht mehr flexibel reagieren. Beispiel Elektromobilität: Manche Automobilhersteller haben weder eigene Kompetenz noch Partner im Netzwerk, die sich mit Elektroantrieben auskennen. Vielleicht haben sie nicht einmal mehr eine eigene Forschungsabteilung, die sich so weit mit Elektroantrieben beschäftigt hat, sodass man nun neue kompetente Partner für das Netzwerk suchen muss. In der Wissenschaft wird dafür auch der Begriff „locked in“ verwendet. Die Situation ist gewissermaßen verriegelt. Was tun? Bei gutem Netzwerkmanagement behält man solche Entwicklungen im Auge. Gute Netzwerkmanager betrachten nicht allein die strategische Flexibilität und den sparsamen Umgang mit Ressourcen. Sie achten auch auf die dadurch entstehenden Abhängigkeiten. Beispielsweise könnte ein Automobilhersteller genug eigene Forschung und Entwicklung für Elektromotoren aufbauen, dass er kompetent wird und zumindest eine, wie ich es gerne nenne, Beurteilungskompetenz aufbaut. Setzt sich dann der Trend zur Elektromobilität durch, ist er auf Ge- Bei diesem Beispiel wird das Spannungsfeld von Kooperation und Wettbewerb offenbar virtuos gestaltet. Richtig. Ich möchte jedoch auf einen anderen Punkt hinaus, nämlich auf die Flexibilität. Zunächst ging es dem Hersteller bei dieser Strategie allein um Preis oder Qualität. Später erkannte er, dass ihn zwei Lieferanten unabhängiger machen als ein einziger. Angenommen, in Asien kommt es, wie es infolge des Fukushima-Desasters passiert ist, zu Engpässen bei der Belieferung: Der Hersteller ist froh, wenn er auf Lieferpartner in Europa ausweichen kann. Diese Strategie hat allerdings auch ihren Preis. Der Hersteller muss dafür sorgen, dass die Vorteile erhalten bleiben, die er aus seinem Netzwerk zieht. Er muss sein Netzwerk aktiv managen. Vorteile erhalten bleiben - wie darf ich dies verstehen? Die enge Kooperation, die die Partner strategisch flexibel halten soll, kann wiederum in Abhängigkeiten führen. Dies habe ich eben schon angedeutet. Es kann sein, dass ein Unternehmen aus einem bestimmten Entwicklungspfad nicht mehr herauskommt. auf abhängigKeit achten! Beispielsweise wenn ein Vergaserlieferant gelernt hat, gut mit einem Automobilhersteller zusammenzuarbeiten. Dann wird es für den Automobilhersteller schwierig, Ersatz für diesen Partner zu finden. werk zusammengekommen sind, entstehen Ideen und Pläne. Aus der Kooperation heraus entwickeln sich Projekte. Es gab über lange Zeit Förderprogramme der Politik, die diesen Effekt nutzten. Mit vergleichsweise geringem Aufwand konnten Unternehmen Fördergelder beantragen, um auszuloten, was sie zusammen Innovatives gestalten konnten. Erst im nächsten Schritt wurde genau fokussiert, was die Kooperation erbringen soll. Diesen Ansatz, Impulse für Kooperationen zu setzen, finde ich sehr sympathisch. Er hilft Unternehmen, sich zu öffnen und an externes Wissen zu gelangen. Sich öffnen - damit sprechen Sie einen wunden Punkt an. Einige Unternehmen wollen sich gar nicht öffnen. In manchen Fällen gibt es gute Gründe für die „Closed Innovation“, also den klassischen Weg der Innovation. Dies mag zum Beispiel für mittelständische Unternehmen gelten, die wenig Erfahrung damit haben, Know-how patentieren zu lassen. Oder aber wenn das Wissen gar nicht schützbar ist. KooPeRation - bei WettbeWeRb? Zurück zu den Vorteilen interorganisationaler Netzwerke. Vor einigen Monaten haben wir bereits diese Frage diskutiert (Interview „Drum prüfe, wer sich bindet …“, projektManagement aktuell Heft 2/ 2014). Sie sagten damals, dass Unternehmen in Netzwerken strategische Flexibilität finden bei gleichzeitig sparsamem Umgang mit Ressourcen. Was ist genau damit gemeint? Ich beschreibe dies an einem Beispiel aus der Automobilbranche. Ein Automobilhersteller kooperiert mit zwei Lieferanten, die ihn mit den gleichen Modulen beliefern. In der Fachsprache nennen wir dies Dual- Sourcing-Strategie. Beide Lieferanten produzieren für den Hersteller die Gleichteile in einer sehr engen Kooperationsbeziehung. Derjenige mit den günstigsten Preisen oder der besseren Qualität bekommt das größere Stück vom Kuchen. Es herrscht also - trotz intensiver Kooperation - Wettbewerb. Kooperation der Partner bei gleichzeitigem Wettbewerb - in diesem Spannungsfeld müssen viele Netzwerkmanager agieren. Auch Organisationen, die in Konkurrenz zueinander stehen, findenheute zu Projekten in Netzwerken zusammen. Foto: pressmaster - Fotolia.com PM-aktuell_5-2014_Inhalt_01_104.indd 20 03.12.2014 11: 22: 39 Uhr 25 JAHRE PROJEKTMANAGEMENT aktuell 21 projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2014 kommen können? Welche Kriterien sind anzulegen? Solche Entscheidungen sind von großer Reichweite. Derlei Fragen kann man nicht immer zu Anfang sicher beantworten. In der Praxis geht man deshalb häufig einen Mittelweg. Nach zwei Jahren wird die Entscheidung, welche Partner mitwirken, auf den Prüfstand gestellt. Dann kann man sehen, ob das Netzwerk erweitert werden soll. Wesentlich aber ist: Bei der frühen Selektion kann sehr viel vorgesteuert werden. Davon hängt ab, was später noch nachjustiert werden muss, etwa durch Regulation, also die Weiterentwicklung der Spielregeln für die Zusammenarbeit. Aber zurück zur Selektion: Idealerweise startet man mit Partnern, die das gleiche Verständnis vom Geschäft haben. In solchen Fällen braucht man später keine Regeln zu formulieren, wie das Geschäft zu verstehen ist. Wie wichtig die Auswahl richtiger Partner ist, dies können Sie hervorragend studieren an den großen Allianzen der Airlines. Mit viel Energie und großer Sorgfalt werden die Partner gesucht, geprüft und auf die Zusammenarbeit vorbereitet. Projektmanager können bei der Tagesarbeit auf viele Werkzeuge zugreifen. Gibt es solche Werkzeuge auch für das Netzwerkmanagement? Nicht im ausreichenden Umfang. Warum werden PM-Werkzeuge nicht übernommen? Etwa das Portfoliomanagement? Um beim Portfoliomanagement zu bleiben: Die Ansätze des Portfoliomanagements passen nicht ganz. Als Wissenschaftler würde ich sagen, bei nen oder Praktiken des Netzwerkmanagements. Erstens die Selektion geeigneter Kooperationspartner. Wer soll ins Netzwerk aufgenommen werden? Wer soll im Netzwerk verbleiben? Zweitens die Regulation der Aktivitäten und Beziehungen: Wie soll die Erledigung der Aufgaben abgestimmt werden? Drittens die Evaluation: Wie sollen Kosten und Nutzen verteilt werden? Viertens die Allokation von Aufgaben, Ressourcen, Zuständigkeiten und Verantwortungen. Wie sollen diese im Netzwerk verteilt werden? Solche Funktionen dürften einem Projektmanager bekannt vorkommen. Sie gehören zu seinem Tagesgeschäft. Die Aufgaben sind für ihn nicht neu, es handelt sich um klassisches Management. Nur die Begriffe sind anders gewählt, um die Besonderheiten hervorzuheben. seleKtion deR netzWeRKPaRtneR Es heißt, die Auswahl der Partner - die Selektion - sei ein wesentlicher Erfolgsfaktor für interorganisationale Netzwerke. Weshalb? Es handelt sich in der Tat um einen extrem wichtigen Erfolgsfaktor. Zwar müssen nicht zwangsläufig direkt zu Beginn alle Partner ausgewählt sein. Doch müssen Entscheidungen getroffen werden, etwa eine Antwort auf die augenscheinlich triviale Frage gefunden werden, wie offen oder geschlossen das Netzwerk sein soll. Sollen später noch zusätzliche Partner hinzuspräche mit neuen Partnern vorbereitet. Allgemein gesagt: Der Netzwerkmanager muss darauf achten, dass die durch diese Form der Zusammenarbeit angestrebte Flexibilität auch erhalten bleibt. netzWeRKManageMent als eRfolgsfaKtoR Man weiß, dass viele interorganisationale Kooperationen scheitern. Sechzig bis siebzig Prozent dieser Kooperationen sollen die gewünschten Ziele nicht erreichen. Solche Zahlen werden immer wieder genannt. Sie sind nicht gut belegt. Im Übrigen: Die Alternativen zur Kooperation in Netzwerken schneiden bei der Erfolgsquote nicht besser ab. Welche Alternativen meinen Sie? Netzwerke sollen Unternehmen helfen, bestimmte Kompetenzlücken zu schließen. Ein Unternehmen mit diesem Ziel könnte auch andere Unternehmen kaufen oder mit anderen verschmelzen. Da sind wir bei der bekannten Strategie von Mergers & Acquisitions. Die Erfolgsquote dieser Strategie ist bekanntlich auch nicht besser als die der Kooperation oder Netzwerkbildung. Ich stelle die Frage anders: Welche Erfolgsfaktoren spielen für die Arbeit in interorganisationalen Netzwerken eine Rolle? Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist - das wird Sie nach dem Gesagten nicht überraschen - gutes Netzwerkmanagement. Ich unterscheide gerne vier Funktio- Anzeige PM-aktuell_5-2014_Inhalt_01_104.indd 21 03.12.2014 11: 22: 40 Uhr projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2014 22 25 JAHRE PROJEKTMANAGEMENT aktuell werke dagegen sind flexibler. Die Partner können sich besser trennen, wenn es sein muss. Wie gesagt, man sollte die beiden strategischen Wege - und auch den internen Aufbau von Kompetenzen - nicht gegeneinander ausspielen, sondern als Alternativen verstehen, die es in Netzwerken möglichst virtuos zu kombinieren gilt. Es wäre viel gewonnen, wenn interorganisationale Netzwerke dabei ein fester Bestandteil im Alltagsdenken von Managern würden. Zudem sollte man nicht nur an und in Netzwerken denken, sondern auch in ihnen wirksam handeln können.  Literatur [1] Sydow, J./ Duschek, S.: Management interorganisationaler Beziehungen - Netzwerke, Cluster, Allianzen. Kohlhammer, Stuttgart 2011 [2] Koch, J./ Sydow, J. (Hrsg.): Organisation von Temporalität und Temporärem. Springer Gabler, Wiesbaden 2013 [3] Sydow, J./ Duschek, S. (Hrsg.): Netzwerkzeuge. Tools für das Netzwerkmanagement. Springer Gabler, Wiesbaden 2013 Präzise gesagt: Ich warne vor dem unreflektierten Einsatz dieser Werkzeuge und davor, diese als Rezeptwissen zu begreifen. Manager sollten hinreichend prüfen, ob ein Werkzeug in einer konkreten Situation wirklich hilfreich ist. So manche Routineentscheidung, dass eine Aufgabe mit dem und dem Werkzeug gelöst wird, ist unvorteilhaft. Ich warne vor dem Automatismus in der Anwendung - davor, nicht auch andere Alternativen vor einer Entscheidung zu prüfen und solche Instrumente wenn nötig an die spezifischen Einsatzbedingungen anzupassen. Eine Abschlussfrage: Welche Zukunftstrends sehen Sie für interorganisationale Netzwerke? Keine dramatischen Trends. Organisationen werden zukünftig wohl noch im wachsenden Maße Kompetenzen vorweisen müssen, um auf Märkten erfolgreich zu sein. Jedes Unternehmen hat grundsätzlich drei Wege, um zusätzliche Kompetenz aufzubauen. Entweder baut es eigene Kompetenz auf, kauft Kompetenz aus einem anderen Unternehmen durch Mergers & Acquisitions hinzu oder es begibt sich in Netzwerke. Wichtig ist, dass das Management diese drei Möglichkeiten im Blick hat. Welche Vorteile haben Mergers & Acquisitions, die Netzwerke nicht bieten können? Bei Mergers & Acquisitions hat man den vollen hierarchischen Durchgriff, ein großer Vorteil. Netz- Typische Falle bei der Arbeit in Netzwerken: Unternehmen machen sich abhängig von ihren Partnern im Netzwerk. Deshalb setzen sie bei Projekten beispielsweise zwei Lieferanten ein - zur Sicherheit für den Fall, dass ein Partner ausfällt. Foto: endostock - Fotolia.com Netzwerken habe ich eine andere Analyseebene. Die Betrachtung setzt halt nicht mehr bei einer einzelnen Organisation mit ihren Projekten an, sondern bei einem ganzen Netzwerk mit seinen Projekten. Im Übrigen ist das Portfoliomanagement in solchen Projektnetzwerken bereits anzutreffen - wenn auch nicht unter diesem Begriff. Aha? In der Filmindustrie beispielsweise. Die Unternehmen der Film- und Fernsehindustrie würden nie sagen, sie arbeiten in ihren Netzwerken mit Projektportfolios. Dennoch versuchen die Unternehmen in ihren Netzwerken dafür zu sorgen, dass sie immer ein Portfolio von Projekten haben, die einerseits Innovationen möglich machen, andererseits auch zu kommerziellen Erfolgen führen. Dies ist nichts anderes als die von der Einzelorganisation auf ein Netzwerk übertragene Idee des Projektportfolios. Solche Werkzeuge - oder Netzwerkzeuge, wie ich sie auch nenne - muss man allerdings noch weiterentwickeln. Zudem gibt es nicht viele. PRojeKte in netzWeRKen - ein zuKunftstRend? Einerseits sprechen Sie von dem Bedarf an Netzwerkzeugen. Andererseits habe ich Sie vor diesen Werkzeugen warnen gehört … PM-aktuell_5-2014_Inhalt_01_104.indd 22 03.12.2014 11: 22: 40 Uhr