eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 26/1

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
11
2015
261 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

500 Projekte in der „Umsetzungspipeline“

11
2015
Oliver Steeger
Den Flughäfen zwischen Kiel und München steht ein Wandel ins Haus. Die Kosten steigen, doch die Politik setzt dem weiteren Wachstum immer mehr Grenzen. Gesetze schränken den Ausbau von Terminals, Startbahnen und Cargocentern ein. Die Folge: Durch zusätzliche Passagiere können die Verkehrsflughäfen kaum noch den Kostendruck bremsen. Spitzen-Airports wie der Flughafen München schmieden deshalb neue Strategien. Sie setzen auf mehr Effizienz, sie wollen bei Passagieren durch besseren Service punkten oder in völlig neue Geschäftsfelder vordringen. Dafür brauch sie Projektmanagment. „Bei uns befinden sich derzeit rund 500 Projekte in der Umsetzungspipeline für die nächsten drei Jahre”, erklärt Claudia Donig, Leiterin Projektmanagement und Inhouse Consulting bei der Flughafen München GmbH. Ihr PMO wirkt heute an der Strategie des Flughafens mit - und hat dem Projektmanagement zu einer Spitzenposition verholfen.
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Den Flughäfen zwischen Kiel und München steht der Wandel ins Haus. Die Kosten steigen, doch die Politik setzt dem weiteren Wachstum immer mehr Grenzen. Gesetze schränken den Ausbau von Terminals, Startbahnen und Cargocentern ein. Die Folge: Durch zusätzliche Passagiere können die Verkehrsflughäfen kaum noch den Kostendruck bremsen. Spitzen-Airports wie der Flughafen München schmieden deshalb neue Strategien. Sie setzen auf mehr Effizienz, sie wollen bei Passagieren durch besseren Service punkten oder in völlig neue Geschäftsfelder vordringen. Dafür brauchen sie Projektmanagement. „Bei uns befinden sich derzeit rund 500 Projekte in der Umsetzungspipeline für die nächsten drei Jahre“, erklärt Claudia Donig, Leiterin Projektmanagement und Inhouse Consulting bei der Flughafen München GmbH. Ihr PMO wirkt heute an der Strategie des Flug- Beim Projektmanagement startet der Flughafen München durch 500 Projekte in der „Umsetzungspipeline“ Autor: Oliver Steeger hafens mit - und hat dem Projektmanagement zu einer Spitzenposition verholfen. Frau Donig, die knapp 20 deutschen Verkehrsflughäfen können kaum noch wachsen. Gesetze und Regulierungen engen den Spielraum ein. Großprojekte wie neue Startbahnen werden immer seltener genehmigt. Auch andere Bauprojekte, die die Kapazität eines Flughafens erhöhen, finden nicht immer Gegenliebe in Politik und Bevölkerung. Kurz, für viele deutsche Airports scheint die Grenze des Wachstums vorerst erreicht. Eine Vermutung liegt nahe: Damit wird an Flughäfen auch weniger Projektmanagement gebraucht - eben weil es weniger Projekte geben wird. Claudia Donig: Das Gegenteil ist richtig: Wir brauchen mehr Projekte und damit Projektmanagement, um Strategien für Wachstum und Effizienz umzusetzen sowie um zusätzliche Ge- REPORT 05 projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2015 Claudia Donig Claudia Donig ist Leiterin Projektmanagement und Inhouse Consulting bei der Flughafen München GmbH. Die studierte Diplom- Mathematikerin mit dem Nebenfach Informatik arbeitete über 15 Jahre in der IT-Abteilung des Flughafens als Projektleiterin und Softwareentwicklerin. 2007 begann ihr Auftrag, Projektmanagement konzernweit zu standardisieren und in der Steuerung des Unternehmens zu etablieren. Allein gestartet, umfasst ihr Bereich heute über zehn Mitarbeiter. Ihr PMO-Team aus drei Mitarbeitern verantwortet das Konzernprojektportfolio und ist Teil der Planung und Steuerung des Unternehmens. Mit ihren sieben Projektleitern des Inhouse Consulting verantwortet sie im Auftrag der Geschäftsführung jedes Jahr erfolgreich konzernweite Projekte und Programme. Sie ist Gewinnerin des Deutschen Project Excellence Awards und für ihre Aufbauarbeit in der Fachwelt bekannt. Foto: FMG Foto: FMG projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2015 06 REPORT Diese Vielfalt macht das Projektmanagement nicht einfach. Ihr Konzern hat früh sein Projektmanagement zu standardisieren begonnen ... ... wir haben deshalb 2007 ein Competence Center Projektmanagement eingerichtet. Zwischenzeitlich hat sich dieses Competence Center etabliert und zu einem Project Management Office für den Konzern weiterentwickelt. VOM „COMPETENCE CENTER“ ZUM PMO Bei seiner Tätigkeit geht es mittlerweile weit über eine Servicestelle für Projekte hinaus. An dieser Stelle bitte keine Missverständnisse! Die klassische Unterstützung von Projekten zählt nach wie vor zu unseren Aufgaben, sie ist einer der vier Bausteine unserer Tätigkeiten. Wir erarbeiten zentral Methoden und Tools für das Einzelprojektmanagement und Multiprojektmanagement. Es ist unser direkter Kontakt zu den Menschen in den Projekten. Hier können wir sehr schnell und konkret helfen. Der zweite Baustein ist die Schulung den. Dies ist eine hervorragende Einsatzmöglichkeit für Projektmanagement. Anders gefragt: Viele Ihrer Projekte haben mit dem klassischen Flughafenwesen kaum noch etwas zu tun? Ja, die Projektlandschaft hat sich in den vergangenen Jahren deutlich gewandelt. Die Vielfalt an Themen ist breiter geworden - in München noch viel extremer als an anderen Flughäfen; dies liegt an unserem integrierten Geschäftsmodell. Konkret? Unser Konzern besteht aus vierzehn Tochtergesellschaften. Bei uns befinden sich derzeit rund fünfhundert Projekte in der Umsetzungspipeline für die nächsten drei Jahre. Das Projektportfolio ist sehr weit gefächert. Neben der Infrastruktur, Technik und IT befassen sich unsere Projekte beispielsweise auch mit Themen wie Gastronomie oder Einzelhandel - also auch mit Geschäftsfeldern, die auf den ersten Blick scheinbar wenige Berührungspunkte mit unserem Kerngeschäft haben. schäftsfelder zu finden. Ich beobachte, dass gerade jetzt Projektmanagement an Flughäfen noch mehr an Bedeutung gewinnt. Kleinere Verkehrsflughäfen kämpfen bereits finanziell ums Überleben. Sie können die steigenden Kosten nicht mehr durch Wachstum bei Passagierzahlen und Flugverkehr ausgleichen. Politische Auflagen und öffentliche Gesellschaftsstrukturen machen es vielen Flughäfen schwer, überhaupt betriebswirtschaftlich in den vorgegebenen Rahmenbedingungen agieren zu können. Mit dieser Aussage liegen Sie richtig. Begrenztes Wachstum führt bekanntlich zu begrenzten Ressourcen, auch dies ist richtig. Was also tun? Flughäfen müssen sich wie andere Wirtschaftsunternehmen umorientieren. Sie müssen Optimierungsprogramme starten und sich zusätzliches Geschäft jenseits des klassischen Verkehrs von Passagieren und Fracht erschließen. Solche strategischen Initiativen und Programme müssen bei bereits knappen Ressourcen gestartet wer- Mit über 38 Millionen Passagieren steht der Münchner Flughafen europaweit an siebter Stelle beim Fluggastaufkommen. Foto: FMG REPORT 07 projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2015 Zur Erklärung: Die Sterne stehen für Komfort und Service - ähnlich wie bei Hotels. Im internationalen Ranking haben der Hong Kong International Airport und der Singapore Changi Airport fünf Sterne erhalten. Die Messlatte für Sie hängt sehr hoch. Was bedeutet es für das Projektmanagement? Aus unserer strategischen Initiative leiten wir als zentrales Planungsteam mit dem verantwortlichen Bereich ganze Maßnahmenpakete ab. Diese Pakete überführen wir in eine Projektlandschaft, die sich hinsichtlich dieses Zieles genau steuern lässt. In dieser Landschaft finden Sie Innovationsprojekte, Prozessoptimierungsprojekte oder auch kleinere Umbauprojekte, die uns dem Ziel näher bringen werden. IN „15-JAHRE-HORIZONT“ GEDACHT Verstanden! Nochmals zu Ihrem Competence Center Projektmanagement. Sie haben 2009 mit der Standardisierung des Einzelprojektmanagements den Preis „Deutscher Project Excellence Award“ der GPM gewonnen. War damals bereits die Einbindung des Projektmanagements in die strategische Arbeit des Konzerns geplant? Nein, nicht geplant - aber als Vision in unseren Köpfen. Ich habe mir von Anfang an zum Ziel gesetzt, dass unser PMO in der Zukunft über die Auswahl der Projekte mitbestimmt. Es sollte verantwortlich eine Governance-Rolle übernehmen - also mit wichtigen Informationen die Entscheidung unterstützen, welche Projekte durchgeführt werden. Das PMO sollte zentraler Bestandteil der Planung und Steuerung unseres Unternehmens werden. Ich dachte damals mit einem Horizont von 15 Jahren. Letztlich ging es deutlich schneller. Erfreulicherweise! Diese Integration in die Strategie setzt einem zentralen PMO quasi den Schlussstein ein. Damit wird das PMO zu einem unverzichtbaren Bestandteil im Unternehmen. So werden das PMO und dessen Informationen aus der Projektelandschaft quasi zu einem Spiegel für die Umsetzung der strategischen Vision des Unternehmens. Ein Spiegel - das heißt? Wir werden künftig vier Mal im Jahr den aktuellen Stand der Projekte zurück ans Topmanage- und Weiterbildung von Führungskräften und Projektmitarbeitern. Wir verfügen über eine eigene Airport Academy, in der unser Schulungsprogramm zu Projektmanagement integriert ist. Der dritte Baustein ist ebenfalls klassisch: direkte Beratung und Unterstützung in Projekten, von der Projektplanung über Workshops bis hin zum Coaching von Projektleitern. Einige unserer Projektleiter sind für uns im externen Geschäft weltweit tätig. So weit, so gut. Der vierte Baustein im Quartett Ihrer PMO-Tätigkeit fällt allerdings aus dem klassischen Rahmen. Denn Ihr PMO wirkt an der Strategie, Planung und Steuerung Ihres Konzerns mit. Es ist fest in die Abläufe für die Konzernplanung integriert - und in diesem Punkt unterscheidet es sich von vielen anderen PMOs. Richtig! Unser Konzern verfügt über einen integrierten Planungsprozess. Unser Unternehmen weiß genau, welchen strategischen Handlungssträngen es folgen will. Es kennt die dafür benötigten Finanzen und Ressourcen, und es hat die Übersicht, welche Projekte zur Umsetzung dafür erforderlich und sinnvoll sind. Wir haben für diese Planung im Konzern ein sogenanntes „Planungsteam“ etabliert. Diesem Team gehören Vertreter unter anderem aus den Bereichen Strategie, Personal, Finance sowie aus dem PMO an. Gemeinsam mit dem Konzern planen wir auf Basis unserer Strategie, welche Initiativen und Maßnahmen mittelfristig umgesetzt werden sollen und welche Projekte sich daraus ergeben. Wesentlicher Bestandteil dieser Planung ist der Konzern- Projektportfolioplan, den wir regelmäßig aktualisieren und fortschreiben. STRATEGIE IN PROJEKTE „ÜBERSETZEN“ Ihr PMO beteiligt sich also daran, strategische Initiativen quasi in Projekte zu übersetzen - natürlich immer zusammen mit den verantwortlichen Bereichen. Es entscheidet mit, durch welche Projekte die Strategie verwirklicht wird. Habe ich das richtig verstanden? Ich möchte dies an einem aktuellen Beispiel verdeutlichen. Eines unserer wichtigsten strategischen Ziele besteht darin, dass wir dieses Jahr einer der ersten Five Star Airports in Europa werden wollen. Dies hat im Schwerpunkt sehr viel mit Servicequalität zu tun, und es betrifft viele Bereiche im Konzern. Projektmanagement und Business Analyse Training Unser Trainings-Tipp! 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DEN GESAMTKONZERN IM BLICK Mit diesem neuen Blickwinkel auf die Projektlandschaft änderte sich für Sie vieles? Einiges, nicht vieles. Wir bekamen den Auftrag, ein Konzern-PMO aufzubauen, um das Konzernprojektportfolio in den Blick zu nehmen. Wir sollten transparent machen, welche Projekte der Konzern verfolgt. Hatte man bei den Projekten die Übersicht verloren? In Summe ja - bei der thematischen Vielfalt, über die wir eingangs gesprochen haben. Für das Topmanagement wurde es zunehmend schwieriger, zielgerichtet zu steuern. Der Konzern erwirtschaftete zwischenzeitlich rund eine Milliarde Euro Umsatz. Mit Konzern-Projektportfoliomanagement wieder von der Bildfläche. Die Türe zur Geschäftsführung bleibt ihnen verschlossen. Wie ist es Ihnen gelungen, aus Ihrem PMO ein Erfolgsmodell zu machen? Jeder Weg hat einen Anfang. Für den Weg unseres Projektmanagements bildete ein konzernweites Projekt den Startpunkt - und auch die Grundlage. In diesem Projekt ging es um Strategie, Ergebnisverbesserung und Reorganisation. Wir haben bei diesem Projekt festgestellt: Um dieses große, komplexe Vorhaben bewältigen zu können, brauchen wir im Konzern ein einheitliches Verständnis von Projektmanagement. Dabei ging es um einfache Fragen - beispielsweise um die Aufgaben des Projektmanagers, um die Art und Weise der Steuerung, um PM-Instrumente. Das alles mussten wir speziell für dieses eine Projekt entwickeln und auf ein gemeinsames Verständnis bringen. Nur so konnte dieses Projekt über mehrere Jahre gesteuert werden. Und danach? Nach Ende des Projekts wollte man dieses Wissen behalten. Auch hat man erkannt, wie notwendig einheitliche Standards für das Einzelprojektmanagement sind. So ist das Competence Center Projektmanagement entstanden, das ich aufbauen konnte - anfangs als eine „One-Woman- Show“. Zunächst haben wir uns um diesen Standard und konkret um einzelne Projekte gekümmert, später dann interessierten Konzernbereichen Bausteine für Multiprojektmanagement angeboten - alles ohne Verpflichtungen. Wer Interesse hatte, seine Projekte zu optimieren oder seine ment spiegeln: Wo stehen wir mit unseren Projekten? Was ist gelungen? Wo stocken vielleicht noch Projekte? Laufen genügend Projekte zu einem strategisch wichtigen Thema? Vernachlässigen wir aus strategischer Sicht keine geplanten Themen? Behindern sich Projekte gegenseitig? Können sich weitreichende Folgen für Projekte ergeben, die uns wichtig sind? Solche Informationen braucht die Unternehmensspitze, um den Konzern strategisch zu steuern. PMO ALS ERFOLGSMODELL Betrachten wir das PMO durch die Brille Ihrer Geschäftsführung. Wie kann die Geschäftsführung die Projektlandschaft mittels Ihres PMOs steuern und gestalten? Einiges haben wir ja bereits besprochen. Das PMO gibt der Geschäftsführung einen Überblick über die Projekte des Konzerns - und zwar in Form eines Konzernprojektportfolios, das wir nach Bereichen und Töchtern des Konzerns filtern können. Auf dieser Basis besprechen unsere Geschäftsführer quartalsweise mit jedem Bereich die Portfoliosteuerung. Aus diesen Gesprächen ergeben sich eventuell Korrekturen der mittelfristigen Planung, an der wir vom PMO beteiligt sind. Die Position Ihres PMOs im Konzern dürfte manch andere PMO-Leiter vor Neid erblassen lassen. Viele PMOs bleiben Servicestellen für Projekte, müssen Tag für Tag ihre Existenz rechtfertigen und verschwinden trotzdem bald Das PMO-Team ist Teil der Planung und Steuerung des Unternehmens. Foto: FMG REPORT 09 projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2015 Sie haben damit auch die Diskussion über den Mehrwert in Gang halten, den ein PMO bietet ... Diesen Mehrwert können Sie beim stufenweisen Vorgehen auch stufenweise zeigen. Wir sind gezielt vorgegangen und haben immer wieder kleinere Hilfen, Lösungen und Unterstützungen gezeigt, von denen man sofort profitiert. Also spürbare Verbesserungen etwa bei der Transparenz und durch qualitativ bessere Entscheidungen. VERTRAUEN AUFBAUEN Eine große Rolle spielt Vertrauen. Wie kann ein PMO Vertrauen aufbauen? Neben meinen Spezialisten im PMO verantworte ich auch einen Pool von Projektleitern. Diese Projektleiter leiten selbst große und komplexe Projekte von hoher strategischer und politischer Bedeutung. Sie haben Erfahrung mit solchen Aufgaben. In diesem Punkt haben wir einen sehr hohen Qualitätsanspruch an uns selbst, und wir haben spürbaren Erfolg erzielt. Damit zeigen wir als Organisationseinheit, dass wir etwas von Projektmanagement verstehen ... ... also keine Bademeister ohne Wasserberührung sind. Wir wissen, wovon wir sprechen - dies hat man im Konzern erkannt. Unsere Erfolge bei Projekten hatten eine große Wirkung auch in Richtung der Geschäftsführung. Die Antwort ist recht einfach: Unser Unternehmen musste bei jedem Schritt verstehen, welche Lösungen und Beiträge unser PMO bieten kann. Dies ist ein Lernprozess, er findet nicht von heute auf morgen statt. Wir sind mit unserer PMO- Entwicklung dem Reifegrad des Unternehmens gefolgt. Bis es zuletzt reif für ein PMO war, das an der strategischen Planung und Steuerung teilhat? Ein PMO, das nicht mehr nur für einzelne Projekte zuständig ist, sondern auf der Ebene von Führung und Steuerung agiert - dies ist schon ein echter „Change“, eine kleine Revolution, die das Unternehmen verdauen muss. Dies hat geduldige Überzeugungsarbeit über die Jahre gebraucht. Es gibt noch einen weiteren Vorteil für das stufenweise Vorgehen. Wir hatten dadurch die Zeit, uns das PM-Instrumentarium so zurechtzuschneidern, wie wir es brauchen. Wir haben nicht aus dem Lehrbuch Standardlösungen übernommen, sondern etwa Einzelprojektmanagement oder Multiprojektmanagement so entwickelt, wie es unsere projektlastigen Konzernbereiche benötigen. Das Gleiche gilt für das Projektportfoliomanagement. Wir haben immer wieder nach Rückkopplung mit dem Unternehmen gesucht. Wir haben geschaut, wo das Unternehmen steht, welche Bedürfnisse es hat, wo der Schuh im Projektmanagement drückt - und dann haben wir Lösungen angeboten. Ich bin überzeugt, dass ein PMO nur mit dieser Strategie auf Dauer überleben und wachsen kann. und der damit verbundenen Transparenz wollten wir die thematische Planung des Unternehmens verbessern. Damit ergab sich für Sie eine Kehrtwende. Vorher haben Sie mit Ihrem PMO Projekte unterstützt. Jetzt steht die Ermittlung von Daten aus und zu den Projekten im Vordergrund, also ein gewisses Controlling beim Portfoliomanagement. Nein, noch kein Controlling. So weit sind wir noch nicht. Wir arbeiten an der Datenqualität, diese muss noch wachsen. Aber Planung: Wir haben den Überblick über unsere Projekte gewonnen. Wir spiegeln zurück und geben Handlungsempfehlungen. „AUF DER EBENE VON FÜHRUNG AGIEREN“ Wenn ich ein Resümee ziehen darf: Beim Aufbau Ihres PMOs sind Sie stufenweise vorgegangen und haben sich für jeden Schritt Zeit gelassen, obwohl Sie persönlich gedanklich weit voraus waren. Zunächst Dienstleistung für Einzelprojekte. Dann Dienstleistung für Multiprojektmanagement, um damit einzelne Konzernbereiche zu steuern. Zuletzt Dienstleistung für das Portfoliomanagement mit dem Ziel, das Gesamtunternehmen zu planen und zu steuern. Meine Frage: Welche Vorteile haben Sie aus dieser gestuften Vorgehensweise gezogen? Service für Passagiere ist heute ein wichtiger Wettbewerbsfaktor für Flughäfen. Foto: FMG projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2015 10 REPORT Der Projektmanager muss nicht selbst mühsam den Ausschuss einrichten und rechtfertigen? Richtig. Der Ausschuss gehört standardmäßig zum Projekt. Durch die Schärfung der Rollen verbessert sich zudem die Zusammenarbeit zwischen Projektmanagern und der Linienorganisation. Die Zusammenarbeit ist klarer und lebhafter. „BESTIMMTE ROLLEN SIND ETABLIERT“ Der Projektmanager braucht also nicht mehr um Verantwortung und Befugnisse zu kämpfen. Nein, dies braucht er nicht mehr. Vermutlich erleichtert das konzernweite Portfoliomanagement, an dem Sie arbeiten, zusätzlich die Arbeit Ihrer Projektmanager? Mit dieser Vermutung liegen Sie richtig. Alle Bereiche im Unternehmen wissen, welche Themen auf der Agenda stehen und welche Projekte zu erwarten sind. Projekte können also niemanden mehr überraschen. Man hat sich in den Planungsgesprächen darüber ausgetauscht. Jeder weiß also, was auf ihn zukommt, wie dies seine Interessen berührt, was er beizutragen hat und wie er seine Aufgaben lösen kann. Für den Projektmanager heißt dies: Vieles ist bereits geklärt und abgestimmt, wenn er den Projektauftrag bekommt. Gerne! Sorgfältig entwickelte Projekte sind besonders klar im Auftrag. Der Grund für den Auftrag ist deutlich. Der Projektmanager erkennt den Zusammenhang, in dem das Projekt steht. Verantwortlichkeiten sind im Vorfeld geklärt - durch das Projektportfolio als Umsetzung des strategischen Programms. Sind solche Informationen für den Projektmanager hilfreich? Selbstverständlich! Es geht um den strategischen Bezug des Projekts, um den Zusammenhang, in dem die Aufgaben und Ziele des Vorhabens stehen. Mit diesem Wissen können Projektmanager besser mit ihrer Führung oder der Linie über ihr Projekt kommunizieren und Entscheidungen herbeiführen. Auch die Identifizierung und Analyse der Stakeholder wird erleichtert. Außerdem sind die Rollen im Projekt geklärt. Jeder weiß, wer welche Rolle im Projekt hat - bis hin zur Führungsebene. Auf dieser Grundlage können Projektmanager sehr gut arbeiten und professionell agieren. Einige unserer fachlich reifen Projektmanager wussten schon immer, dass wir ein PMO brauchen. Wir hatten also bei dieser Gruppe nie Akzeptanzprobleme. Konkret nachgefragt: Wie hat sich die Arbeit Ihrer Projektmanager durch das PMO verändert? Bestimmte Rollen im Projekt sind fest etabliert, dies hilft dem Projektmanager. Ein typisches Beispiel ist der Lenkungsausschuss, der für das Projekt Entscheidungen trifft. Ein Beispiel? Eines unserer ersten Projekte nannte sich „Eurotrade - Fit für die Zukunft“. Unsere Handelstochter sollte sich nach dem Wechsel der Geschäftsführung strategisch neu aufstellen. Es war ein wirklich großes Projekt, das damals von uns mit der Handelstochter entwickelte Programm wird seit zwei Jahren erfolgreich umgesetzt. Ein anderes Projekt war die Optimierung der Konzernzentrale, bei der sämtliche Bereiche einbezogen waren, etwa Personal, Finance, Konzernentwicklung oder Unternehmenskommunikation. AKZEPTANZ BEI DEN PROJEKTMANAGERN PMOs brauchen Vertrauen und Akzeptanz nicht nur bei der Geschäftsführung, sondern auch bei den Projektmanagern selbst. Wie haben Sie diese Akzeptanz hergestellt? Gut ausgebildete Projektmanager erkennen schnell die Vorteile einer Organisation, die sauber in Projekten denkt, Projekte sorgfältig entwickelt und Instrumente für die tägliche Arbeit anbietet. Hinzu kommt: Wir haben unseren Projektmanagement Award etabliert, mit dem wir konzernweit alle zwei Jahre exzellente Projekte und Projektleiter auszeichnen und ins Rampenlicht stellen. Projektmanager ziehen somit in vielerlei Hinsicht Nutzen aus der Arbeit eines PMOs. Von diesem Nutzen aus sind schnell Brücken zur Akzeptanz geschlagen. - Ein weiteres Beispiel für den Nutzen? Weiterflug vom Münchner Flughafen: Der Airport gilt als wichtiger „Umsteige- Flughafen“ in Deutschland. Foto: FMG REPORT 11 projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2015 Ja! Projekte zu leiten oder verantwortlich im zentralen PMO tätig zu sein, dies ist ein sinnvoller Zwischenschritt in der Karriere. Von dieser Position aus kann man sowohl in die Linie wechseln als auch in Projekten immer größere Verantwortung übernehmen. TEAMMIX AUS FRAUEN UND MÄNNERN Beim Flughafen München sind auffallend viele Projektmanagerinnen tätig. Ihren Award für exzellentes Projektmanagement, den wir eben angesprochen haben, hat zuletzt eine Projektmanagerin gewonnen. Im Jahr davor war ebenfalls eine Frau Gewinnerin. Dies ist keine Besonderheit in unserem Konzern. Rund 28 Prozent aller im Konzern Beschäftigten sind Frauen. Im Management liegen wir bei einem Frauenanteil von etwa 20 Prozent, also knapp darunter. Im Projektmanagement bilden wir den Konzernmix gut ab. Verändert sich bei diesem Anteil von Projektmanagerinnen die Projektkultur? Ich möchte diesen Mix generell auf das Unternehmen beziehen, also nicht allein auf das Projektmanagement. Ein Mix aus Frauen und Männern ist produktiv und fördernd. Dies stelle ich fest an der Zusammenarbeit und am Umgang miteinander. Wie könnte ein solcher Karrierepfad künftig gestaltet sein? Wir verfügen über mehrere Pools von Projektleitern, etwa in der IT, im Bauwesen oder in meiner Einheit mit dem Inhouse Consultant. Wir haben die Vision, diese Pools miteinander zu vernetzen und zu verknüpfen. Dies wäre ein guter Schritt. Dann könnten unsere Projektmanager zwischen den Bereichen rotieren. Im kleinen Rahmen und in Einzelfällen gibt es diesen Austausch bereits. - Einen Karrierepfad, nach dem Sie gefragt haben, haben wir in Planung, aber noch nicht umgesetzt. Wie bieten Sie derzeit - also ohne diese Pfade - für Projektmanager am Flughafen München attraktive Aufstiegsmöglichkeiten? Ich kann nur für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unseres PMOs und unseres Inhouse Consultings sprechen. Sie alle wirken an strategisch bedeutsamen Projekten mit, haben Verantwortung für das Konzernprojektportfolio und finden dabei die Aufmerksamkeit unserer Geschäftsführung. Beides wird ja im Auftrag der Geschäftsführung durchgeführt. Der Kontakt ins oberste Management ist für uns bei dieser Tätigkeit damit selbstverständlich. Aus diesen Verbindungen dürften sich wiederum gute Chancen für Ihre Mitarbeiter ergeben, später in die Linie zu wechseln und dort weiter aufzusteigen? Wo Licht ist, herrscht bekanntlich auch Schatten. Über die Vorteile für Ihre Projektmanager haben wir gesprochen. Welchen Preis müssen sie für diese Vorteile entrichten? Wie gesagt, vor dem Projektstart ist vieles bereits bestimmt und im System angelegt. Mancher Projektmanager kann dies als Beschneidung seiner Freiheit empfinden. Er kann nicht mehr sein Projekt komplett neu definieren oder völlig autark arbeiten. Er muss die Notwendigkeiten erkennen und sich mit der Linie und dem Projektportfolio abstimmen. Auch braucht er mehr Disziplin etwa im Berichtswesen und der Meldung von Projektdaten. Der Statusbericht braucht beispielsweise eine Struktur, die ins Portfolio überspielt werden kann. Solche Pflichten werden dem Projektmanager nun abverlangt. Dafür bekommt er aber auch den kompletten Blick auf die Projektlandschaft, so er ihn braucht. EIN ZIEL: PROJEKTLEITER- POOLS VERBINDEN In der PM-Szene wird immer mehr auf die Bedeutung von Laufbahnen für Projektmanager hingewiesen - also auf Karrierepfade in Unternehmen. Verfügen Sie beim Flughafen München über solche Karrierepfade? Wir befinden uns hinsichtlich der Karrierepfade in der konzeptionellen Phase. Dies alles braucht seine Zeit. Viele Flughäfen haben sich mit Projekten auf das Abfertigen von Großraumflugzeugen vorbereitet. Auch am Münchner Flughafen gehören die gewaltigen Passagierflugzeuge zum alltäglichen Bild. Foto: FMG projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2015 12 REPORT Diese Anlagen einzubringen ist nicht leicht. Dies behaupte ich auch nicht. Manche Frauen tun sich schwer damit, diese Anlagen in sich zu finden. Frauen zweifeln mehr an sich als Männer. Selbstzweifel scheinen eine typisch weibliche Eigenschaft zu sein. Ich glaube, dass es für Frauen wichtig ist, stark bei sich zu bleiben und weniger an sich zu zweifeln. Eine Projektmanagerin sollte klar darin sein, was sie will und braucht - und dies mutig einfordern. Augenblick! Managementtugenden wie Durchsetzungsfähigkeit werden bei Männern geschätzt, aber bei Frauen häufig missbilligt und ihnen negativ ausgelegt. Wir haben in der Wirtschaft vielfach noch eine männlich geprägte Kultur. Aber ich glaube, dass sich diese Kultur verändern wird, je mehr Frauen in der Führung arbeiten. Diese Aussicht ist erfreulich, hilft jedoch Frauen in Führungspositionen derzeit wenig. Kluge Frauen können damit umgehen. Sie gehen ihren Weg, verkaufen dies aber so gut, dass sie mit ihrem Verhalten auf keine Kritik stoßen. Hilf- Viele Frauen wünschen sich mehr Flexibilität im Beruf, etwa bei der Arbeitszeit. Haben Frauen in diesem Punkt andere Erwartungen als Männer? Projektmanagerinnen müssen heute immer noch mehr persönliche Verantwortung übernehmen als ihre männlichen Kollegen. Die klassische Rolle der Frau wirkt immer noch nach. Frauen wünschen sich in der Tat mehr Flexibilität, Angebote in dieser Richtung wären für viele Frauen sehr hilfreich. KLASSISCHE ROLLE DER FRAU WIRKT NACH Eben sprachen Sie davon, dass Frauen ihre persönlichen Stärken ins Projektmanagement einbringen. Ich plädiere dafür, dass Frauen sich nicht Männern anpassen und sich in die männlichen Strukturen von Kommunikation und Entscheidungen hineinziehen lassen. Frauen haben andere Anlagen als Männer, und diese Anlagen sind für das Projektmanagement wertvoll. Aber? Dafür müssen Frauen die Stärken einbringen, die sie als Frau haben. Zum Beispiel? Ein Beispiel ist das Einfühlungsvermögen bei der Kommunikation, über das viele Frauen verfügen. Bei einem gut gemischten Team wird längst nicht mehr einseitig technisch und strukturell diskutiert, da haben Frauen - und Projektmanagerinnen - viel verändert. Ich will aber eines deutlich sagen: Ich ordne Frauen und Männern nur sehr ungerne pauschal spezielle Eigenschaften zu. Aber meiner Überzeugung nach ist der gesunde Mix im Projekt und im Unternehmen eine gute Lösung. Richten Frauen andere Erwartungen an die Rolle der Projektleitung - verglichen mit ihren männlichen Kollegen? Bei den Erwartungen habe ich noch keine Unterschiede festgestellt. Frauen wie Männer leiten gerne Projekte. Sie wollen über Projektarbeit ihr Unternehmen kennenlernen und mit neuen Themen in Berührung kommen - soweit ich dies vom PMO aus beobachten kann. Das Terminal unter vollem Betrieb. Foto: FMG REPORT 13 projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2015 hin zur Integration bei der Planungs- und Steuerungsverantwortung ihres Unternehmens. Derzeit wird eher defensiv diskutiert. Wie kann es PMOs gelingen, sich mit der Zeit nicht überflüssig zu machen? Diese Diskussion irritiert mich. Unternehmen müssen zwischenzeitlich eine große Themenvielfalt bei Projekten beherrschen und transparent machen, wir am Flughafen München bilden damit gewiss keinen Sonderfall. Alle PM-Studien belegen die wachsende Vielfalt. PMOs schaffen Unternehmen die Möglichkeit, Projektinformationen zu erheben und mit diesen Informationen das Geschäft zu steuern. Damit können Unternehmen ihre Reaktionsfähigkeit steigern und die erforderlichen Veränderungen ihres Geschäftsmodells initiieren. Unter diesen Rahmenbedingungen sind PMOs aus Unternehmen nicht mehr fortzudenken. Heute stellt niemand mehr die Notwendigkeit etwa von Controllern infrage. In Zukunft wird auch niemand mehr über ein PMO diskutieren. Aber? Im PMO dürfen keine Verwalter sitzen, denen es nicht gelingt, den Mehrwert ihres PMOs deutlich zu machen. Im PMO muss man strategisch denken können und auch bereit sein, an der Strategie seines Unternehmens mitzuwirken. Dann hat das PMO gute Chancen, ein Erfolgsmodell zu werden. reich dafür sind übrigens weibliche Vorbilder innerhalb und außerhalb des Unternehmens. NETZWERKE FÜR DAS PROJEKTMANAGEMENT Einige Unternehmen versuchen Frauen durch Mentoring und Netzwerke zu unterstützen. Die erfahrene Projektmanagerin hilft einer jungen Kollegin, die sich in ihre Führungsaufgaben einfinden will. Solche Netzwerke versuchen wir über das PMO einzurichten. Unser Projektleiter-Frühstück lebt wieder auf, eine Veranstaltung, die das Networking fördert. Auch unser interner Award lädt unsere Projektmanager ein, sich mit erfolgreichen Teams in Verbindung zu setzen. Hinter allem steht die Aufforderung, sich auszutauschen. Auch bieten unsere Inhouse Consultants Mentoring an. Aber - diese Programme richten sich sowohl an Frauen als auch an Männer. Das Thema „PMO“ ist im Projektmanagement mittlerweile ein viel diskutierter Klassiker. In der GPM arbeitet eine Fachgruppe zu diesem Thema, jährlich findet die Fachtagung „PMO Tag“ statt. Welche Trends sehen Sie allgemein für PMOs? PMOs müssen sich in die Richtung bewegen, in die wir unser PMO auch bewegt haben - nämlich Anzeige Dr. Michael Kerkloh, Vorsitzender der Geschäftsführung und Arbeitsdirektor der Flughafen München GmbH, bei der Verleihung des unternehmensinternen Awards für Spitzenprojektmanagement. Foto: FMG