eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 26/1

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0886
UVK Verlag Tübingen
11
2015
261 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Elektronische Akte & Co. – Die Hamburger Verwaltung bringt ihre IT-Projekte auf Kurs

11
2015
Oliver Steeger
Mit ihrem strategischen IT-Projektmanagement weckt die Verwaltung der Freien Hansestadt Hamburg das Interesse anderer Bundesländer. Die IT-Projekte der Behörden werden aus einem zentralen Fonds finanziert. Die Hansestadt hat IT-Portfoliomanagement aufgebaut. Und: Ausgebildete Projektmanager sind in einem Pool zusammengefasst. Diese Spezialisten können bei Weitem nicht alle IT-Projekte der Behörden bearbeiten. Doch wo sie tätig werden, da laufen die Projekte auf sicherem Gleis. Jörn Riedel ist bei der Freien und Hansestadt Hamburg als CIO zuständig für IT-Steuerung und E-Government. Im Gespräch bereichtet er über strategische PM-Ansätze, Chancen des Portfoliomanagements - und darüber, wie man Projekte in der öffentlichen Verwaltung (auch) durch die Brille des Betriebswirts betrachten kann.
pm2610015
Mit ihrem strategischen IT-Projektmanagement weckt die Verwaltung der Freien Hansestadt Hamburg das Interesse anderer Bundesländer. Die IT-Projekte der Behörden werden aus einem zentralen Fonds finanziert. Die Hansestadt hat IT-Portfoliomanagement aufgebaut. Und: Ausgebildete Projektmanager sind in einem Pool zusammengefasst. Diese Spezialisten können bei Weitem nicht alle IT-Projekte der Behörden bearbeiten. Doch wo sie tätig werden, da laufen die Projekte auf sicherem Gleis. Jörn Riedel ist bei der Freien und Hansestadt Hamburg als CIO zuständig für IT-Steuerung und E-Government. Im Gespräch berichtet er über strategische PM-Ansätze, Chancen des Portfoliomanagements - und darüber, wie man Projekte in der öffentlichen Verwaltung (auch) durch die Brille des Betriebswirts betrachten kann. Herr Riedel, die Verwaltung der Freien Hansestadt Hamburg geht bei ihrem IT-Projektmanagement seit einiger Zeit strategisch neue Wege. Andere Bundesländer betrachten Ihre Der zentrale Projektmanager-Pool gilt als Hamburger „PM-Spezialität“ Elektronische Akte & Co. - Die Hamburger Verwaltung bringt ihre IT-Projekte auf Kurs Autor: Oliver Steeger strategischen PM-Ansätze mit Interesse und Sympathie. Keines aber traut sich so recht, in puncto Projektmanagement von Ihnen zu lernen. Was machen Sie beim IT-Projektmanagement in Ihrer Landesverwaltung anders? Hamburg hat eine lange Tradition einer ganzheitlichen IT-Steuerung. Seit Mitte der 1980er-Jahre wurden alle IT-Projekte der Behörden in der Freien Hansestadt Hamburg aus einem zentralen Fonds finanziert. Diese zentrale Finanzierung der IT-Projekte in den einzelnen Behörden hat es uns ermöglicht, technologische und organisatorische Standards zu steuern. Diesen Fonds haben andere Bundesländer doch mittlerweile auch ... Richtig, andere Bundesländer haben von unseren Erfahrungen profitiert. In einem Punkt folgen uns viele aber nicht: In Hamburg haben wir einen zentralen Pool mit 17 Projektspezialisten für IT-Projekte. Die Behörden fordern für ihre IT-Projekte Projektleiter und Projektmitarbeiter bei uns an, die die Vorhaben führen oder unterstützen. Foto: IndustryAndTravel - Fotolia.com REPORT 15 projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2015 Jörn Riedel Jörn Riedel (Jahrgang 1959), Leitender Regierungsdirektor, ist als CIO zuständig für IT-Steuerung und E-Government der Freien und Hansestadt Hamburg. Der Diplom- Soziologe hat zuvor die Abteilung IT-Steuerung in der Finanzbehörde Hamburg geleitet. Zuvor hat er Großprojekte der Hamburger Innenbehörde geleitet und war beispielsweise für die Automationsprojekte im Bußgeldwesen oder in der Ausländerbehörde tätig. Foto: privat projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2015 16 REPORT Zunächst zum Begriff Projekt: Die Scheu gibt es immer wieder. Sie ist häufig Ausdruck der Sorge, dass ein Projekt mehr sichtbar ist und man viel nach Erfolg oder Misserfolg gefragt wird - vielleicht anders als bei der Linienaufgabe. Aber ...? Nach und nach hat sich aber doch die Erkenntnis durchgesetzt: Es ist egal, wie man das „Ding“ nennt, wenn man eine Veränderung angeht, so muss man sie managen. ERFOLGSFAKTOR „BEHÖRDENKULTUR“ Nochmals zu meiner Frage, wie es Ihnen gelungen ist, dem IT-Projektmanagement in Hamburg eine strategische Richtung zu geben. Der Erfolg hängt vermutlich auch mit der Kultur der Hamburger Behörden zusammen. Die Hamburger Verwaltung hatte im Vergleich zur Verwaltung anderer Länder schon immer starke behördenübergreifende Organisationseinheiten. Rechtlich unterscheidet sich die Hamburger Verfassung kaum von anderen Landesverfassungen. Trotzdem gibt es im Führungspersonal der Hamburger Verwaltung einen Grundkonsens: Die Leistung der Verwaltung ist nur gut, wenn sie insgesamt gut ist. Es reicht nicht, dass nur eine Behörde gut ist. Unsere Kunden differenzieren in der Wahrnehmung der Verwaltungsleistung nicht nach Behörden. Dieser Grundkonsens überwindet dann häufig das Ressortprinzip, also die Eigenständigkeit jeder Behörde. Die Offenheit für behördenübergreifende Lösungen mag hilfreich sein. Trotzdem muss es noch andere Gründe dafür gegeben haben, dass Sie Ihre PM-Strategie umsetzen konnten. Wir haben vor einigen Jahren einen umfangreichen Prozess zur Formulierung einer IT-Strategie durchlaufen. Wir wollten wissen, in welche Richtung sich die IT-Unterstützung für die Hamburger Behörden entwickeln kann. In dem damals entwickelten Strategiepapier finden sich Angaben zur Technik, aber auch zu Fragen der Projektabwicklung. Wie organisieren wir den IT-Bereich? Projektmanagement ist ja kein Selbstzweck; es geht am Ende darum, Projekte richtig umzusetzen. Also: Wie wollen wir mit Projekten umgehen? Wie wollen wir über sie entscheiden und sie steuern? Antworten auf diese Fragen waren damals ein wichtiges Element unserer IT-Strategie. Projekte für die einzelnen Behörden durch, dies ist nicht unsere Aufgabe. Die Behörde kann aber für ihre Projekte qualifizierte Projektmanager aus unserem Pool anfordern. Der Pool - also eine Art interne Unternehmensberatung? So ungefähr. Projektmanagementqualifikationen fehlen in den einzelnen Behörden - oder sie sind nicht in ausreichendem Maße vorhanden. Unsere Spezialisten sind sehr beliebt, dies können Sie sich vorstellen! Mit Ihrer PM-Strategie bohren Sie dicke Bretter in der Verwaltung. Zum einen: Ein zentraler Pool von Projektmanagern ist vielen Behörden suspekt. Man meidet generell zentralistisches Denken. Viele Behörden wollen für sich autark bleiben. Sie wollen Einfluss und Regie bei ihren Projekten nicht abgeben. Zum anderen: In vielen öffentlichen Verwaltungen scheut man den Begriff „Projekt“ noch immer. Man spricht von Vorhaben oder Maßnahmen - nicht von Projekten. Entsprechend reserviert steht man vielfach professionellem Projektmanagement gegenüber. Meine Frage: Wie ist es Ihnen gelungen, das IT-Projektmanagement in Hamburg voranzubringen und ihm eine strategische Richtung zu geben? Liegen die IT-Projekte nicht in Ihrer Hand? Dies müssen wir sauber unterscheiden. Die finanziellen Mittel für IT-Projekte in unseren Landesbehörden werden durch uns zentral bewilligt. Die Verantwortung für das Gesamtbudget liegt bei uns. Die fachliche Verantwortung für die Projekte und die Steuerungsverantwortung für Budget und Zielerreichung in den einzelnen Projekten liegt in der jeweiligen Fachbehörde. Die Projektmanager aus unserem Pool steuern und unterstützen allerdings nur ausgewählte Projekte. Unsere Kapazität würde bei Weitem nicht ausreichen, Projektpersonal in alle Projekte zu entsenden. MIT PM-STRATEGIE „DICKE BRETTER BOHREN“ Einen Moment, bitte! In den Hamburger Behörden werden IT-Projekte unterschiedlicher Art durchgeführt. Jede Behörde ist für ihre eigenen Projekte verantwortlich. Jedoch werden die Projekte zentral finanziert. Und manche Vorhaben werden auch von Spezialisten aus dem zentralen Projektmanager-Pool gesteuert. Richtig verstanden? Ein Beispiel dazu: Ein Projekt zur Steuerung der Gesundheitsämter wird von den Gesundheitsämtern selbst geleitet. Wir führen also keine Jörn Riedel (links) im Gespräch mit GPM Vorstand Dr. Wolfram von Schneyder; Foto: Oliver Steeger REPORT 17 projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2015 projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2015 18 REPORT Das heißt, Sie wirken überall dort mit, wo in Hamburger Behörden etwas verändert wird? Ja, die IT-Bereiche der Hamburger Verwaltung sind in einem Großteil des Projektgeschehens dabei. Die IT hat heute in der Verwaltung einen ähnlich hohen Stellenwert wie in der Wirtschaft - und vielleicht sogar noch einen höheren. Einen höheren Stellenwert - weshalb? Ein Beispiel ist die Bedeutung der Aktenführung. Wir leben - glücklicherweise! - in einer rechtsstaatlichen Demokratie. In einem Rechtsstaat ist sorgfältige Aktenführung eine sehr wichtige öffentliche Aufgabe. Man kann Bürgern nur dann eine rechtsstaatliche Verwaltung bieten, wenn sie sich vor Gericht etwa gegen Entscheidungen von Behörden wehren können. Dafür muss die Verwaltung ihr Handeln dokumentieren - und zwar in Akten. Außerdem kontrollieren Parlamente in einer Demokratie die Verwaltung. Dafür müssen Parlamentarier Akten studieren können. An diesem Punkt kommt die IT ins Spiel. Sie trägt heute in vielen Bereichen zur sorgfältigen Aktenführung bei. „PROJEKTGEWINN NICHT IN GELD MESSBAR“ Nochmals zu Ihrer PM-Strategie. Viele Unternehmen der Wirtschaft haben stark in ihre PM-Strategie investiert. Wer gutes Projektmanagement will, muss beispielsweise qualifizierte Projektmanager finanzieren ... … dies tun auch wir. Als wir damals die Strategie beschlossen haben, waren wir überzeugt davon, dass sich die Maßnahmen rentieren würden. Trotzdem haben wir den Pool zunächst als temporäres Projekt gebildet. Nach drei Jahren haben wir die Maßnahmen evaluiert. Wir haben festgestellt, dass sich die erwarteten positiven Ergebnisse eingestellt haben, und den Pool dann in die Linie als Daueraufgabe überführt. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist dies sinnvoll. Doch Behörden arbeiten anders, nämlich stark kameralistisch. Dies sind bekanntlich zwei unterschiedliche Perspektiven. Ein Beispiel dafür: Werden beispielsweise Projekte abgebrochen oder ziehen sie sich in die Länge, wird ein betriebswirtschaftlich geführtes Unternehmen Verluste verbuchen. Bei Behörden ist dieser Vergezielt einsetzen. Die Behörden werden eher gestärkt, weil sie sich auf die fachliche Steuerung von Projekten konzentrieren können. Durch den fachlichen Erfolg erhalten sie Spielraum für weitere Projekte. Auch entsteht durch die Mitarbeit in den Projekten dezentrales Projektwissen. Sie sprachen eben von Erfahrungswissen. Manche Unternehmen der Wirtschaft bereiten die in einzelnen Projekten gesammelten Erfahrungen systematisch auf und stellen sie allen Projektmanagern zu Verfügung. Dies tun wir auch - und zwar schon eine ganze Weile. Parallel zum Aufbau unseres Pools haben wir unsere Projektgrundsätze geschärft. In diesen Zusammenhang gehört auch unser Projektwissenscenter, das von zwei Kollegen gemanagt wird. Dort werden Erfahrungen gesammelt und aufbereitet. Darüber hinaus wurde von dort ein gut funktionierendes Netzwerk von Projektexperten aufgebaut. PROJEKTE TERMINTREUER, „LERNKURVE“ GESUNKEN Projektmanager-Pool, Wissenscenter, Netzwerk - ziehen wir eine Zwischenbilanz: Welche Vorteile haben Sie daraus gezogen? Aus meiner fachlichen Sicht handelt es sich um drei wichtige Vorteile. Erstens, die Projekte sind termintreuer geworden. Zweitens, die Lernkurve je Projekt ist deutlich gesunken. Fehler werden also seltener wiederholt ... Ja, genau! Und dies führt drittens dazu, dass die fachlichen Erfolge einer neuen Lösung schneller eintreten. Eine IT-Lösung wird am Arbeitsplatz besser und schneller akzeptiert. IT-Abteilungen haben in der Wirtschaft häufig einen hohen Stellenwert und eine beachtliche Machtfülle. Wer beispielsweise Arbeitsabläufe oder die Organisation verändert, kommt an der IT-Abteilung kaum vorbei. Ist dies in Behörden ähnlich? Überspitzt gesagt, vielleicht haben heute nur noch Umzugsprojekte keinen Bezug zur IT. Bei vielen anderen Projekten kommen Sie ohne IT nicht aus. Nach meiner Beobachtung dürften 85 bis 90 Prozent der Projekte in der öffentlichen Verwaltung die IT berühren - also alles, was mit Veränderung der Behörden und auch unserer Stadt zu tun hat. Ein Beispiel? Wir haben analysiert, weshalb die Geschwindigkeit bei der Umsetzung der IT-Projekte aus unserer Sicht nicht hoch genug war. Neben einigen anderen Punkten hat sich dabei eine zentrale Botschaft ergeben: Es fehlte an Personal, das temporär die erforderliche Projektkompetenz in die jeweiligen Bereiche trägt. Es mangelte also in den einzelnen Behörden an qualifiziertem Projektpersonal. Diese Analyse hat strategisch dazu geführt, dass wir unseren Projekt-Pool installierten. Sie hätten auch in den jeweiligen Behörden Projektmanager ausbilden können ... Nein, dies wäre aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht sinnvoll. ZENTRALER PROJEKTMANAGER-POOL Weshalb nicht sinnvoll? Das Personal wäre nicht ausgelastet. Aus diesem Grund hätte es nicht funktioniert, dezentral - also in den einzelnen Behörden - Fachpersonal für Projektmanagement aufzubauen. Bedenken Sie: Es stehen ja nicht in jeder Behörde laufend Projekte an. Der dezentrale Projektmanager hätte kaum eine Chance, durch regelmäßige Praxis das für Projektmanagement erforderliche Erfahrungswissen aufzubauen. Aber durch einen zentralen Pool machen sich Behörden möglicherweise abhängig? Nein, ich denke, nicht. Der zentrale Projektmanager-Pool ist gut angenommen worden. Wir haben weit mehr Nachfragen, als wir bewältigen können. Wir müssen also die wesentlichen Projekte herausfischen und unser Personal sehr Sorgfältige Aktenführung ist eine Kernaufgabe für Behörden. Dies stellt an die IT der Verwaltungen hohe Anforderungen. Foto: Wolfilser - Fotolia.com REPORT 19 projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2015 All dies dürfte das strategische Portfoliomanagement recht schwierig machen. Wie wählen Sie in der Praxis sinnvoll Projekte aus? In der Praxis versuchen wir dies mit speziellen IT-Verfahren in den Griff zu bekommen. Dafür füllen die Behörden einen elektronischen Antragsvordruck aus und beschreiben darin den Rahmen des Projekts. Ein wichtiger Punkt dabei ist: In welchem strategischen Zusammenhang steht dieses Projekt mit den Aufgaben, die der Behörde vorgegeben sind? Aus dieser Richtung betrachtet sind natürlich nicht alle Projekte gleich wichtig. STRATEGISCHES PORTFOLIOMANAGEMENT Ist der Zusammenhang erkennbar, so bekommt das Projekt quasi ein Sternchen? Es kann drei Sternchen bekommen. Erstens dafür, dass es zum Kernbestand der Strategie des Regierungsprogramms gehört. Zweitens dafür, dass es - neben dem von uns entsandten Projektmanager - ausreichend Personal hat. Und drittens für einen hohen Return of Investment, also eine große Wirkung. VIELE ASPEKTE BEI DER PRO- JEKTAUSWAHL BETRACHTET Also doch wieder betriebswirtschaftliche Betrachtung? Das ist immer Teil der Betrachtung. Für den Auswahlprozess müssen Behörden den Nutzen geplanter Projekte sehr detailliert beschreiben. Aus den fiskalisch bewertbaren Daten wird automatisch eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung generiert. Aber wie gesagt: Viele Aspekte bei der Auswahl können Sie nicht beziffern, sondern nur beschreiben. Wie geht es nach der Antragstellung weiter? Anhand der Angaben und Einschätzungen bewerten wir das Projekt unter Betrachtung der Gesamtheit aller Anträge für IT-Projekte unserer Stadt. Dieses Ergebnis spiegeln wir dem Antragsteller zurück, und dann versuchen wir einen Konsens zu erzielen. Meistens gelingt dieser Konsens auch. Wir stellen den Kolleginnen und Kollegen, die in ihrer Behörde ein Projekt durchführen wollen, viele Fragen. Dieser Prozess führt dann auch bei den Antragstellern zur Einsicht, ob ein Projekt nötig und sinnvoll ist. eingeführt haben. Früher, in der Welt des Papiers, konnte die Polizei beispielsweise Einbrüche in verschiedenen Teilen einer großen Stadt kaum in Zusammenhang bringen … … und etwa Serientäter verfolgen? Es war sehr schwierig, Schemata zu erkennen. Dies geht mit den heutigen Systemen deutlich besser. Aber: So sehr Bürger und Politiker dieses System begrüßen, betriebswirtschaftlich auf den Haushalt der Stadt bezogen ist es keine Kostensenkung. Ich unterstelle, dass die Polizei dank des Systems der Staatsanwaltschaft bessere Unterlagen übergibt. Es kommt zu mehr Verurteilungen. All dies kostet mehr Geld. Ein extremes Beispiel! Aber es illustriert die Logik. Nicht immer kann die reine Kostenbetrachtung beim Portfoliomanagement den Ausschlag geben. Das höhere Sicherheitsgefühl der Bürger durch besseren Schutz vor Einbrüchen können Sie nicht in Euro und Cent aufrechnen, Sie können dies nicht den erhöhten Kosten entgegensetzen. Ich will damit sagen: Entscheidend für die Auswahl von Projekten ist das Gespräch meiner Mitarbeiter mit den Kollegen in den verschiedenen Behörden - und natürlich der gesunde Menschenverstand, der mir sagt, dass es sich um ein vernünftiges Projekt handelt. Daneben gibt es natürlich auch viele Projekte, die nicht die Leistung der Verwaltung verbessern, sondern die gleiche Aufgabenwahrnehmung zu niedrigeren Kosten ermöglichen. Da kann man dann sehr ähnliche Metriken wie in der Privatwirtschaft anwenden. lust weniger deutlich. Manchmal wird das durch stillstehende Projekte gesparte Geld sogar als Erfolg bewertet. Kann man bei Behörden überhaupt davon sprechen, dass eine PM-Strategie sich betriebswirtschaftlich rentiert? Vielleicht ist der Unterschied nicht so groß, wie Sie ihn darstellen. Hinter unseren Projekten steht ein geplanter „Gewinn“. Dieser Gewinn lässt sich vielleicht nicht immer in Geld messen, aber in einer Leistung. So gesehen ist es auch in Behörden teurer, Projekte nicht umzusetzen, als sie zügig durchzuführen. Ich frage anders: In der deutschen Wirtschaft, so schätzt man, wird ein Drittel der Projekte abgebrochen … … dies werden Sie in der Verwaltung so nicht finden. In der Verwaltung gibt es keine abgebrochenen Projekte - oder nur sehr, sehr wenige. In den letzten zehn Jahren sind von hundert Projekten bei uns vielleicht zwei oder drei wirklich abgebrochen worden, weil man möglicherweise den falschen Lösungsansatz gewählt hat. Wir dürfen bei dieser Diskussion eines nicht vergessen: Der Anlass für IT-Projekte in der Verwaltung ist häufig ein Gesetz. Zum Beispiel will die Politik, dass wir die elektronische Akte in der Ausländerbehörde umsetzen. Damit kann den bei uns lebenden ausländischen Mitbürgern dezentral Service erbracht werden. Sie sind nicht mehr gezwungen, in eine wohnortferne zentrale Ausländerbehörde zu fahren. Gerät so ein Projekt in eine Schieflage, wird man alles daransetzen, die Probleme des Projekts zu lösen. FAHNDUNGSSYSTEM BEI DER POLIZEI Anders als ein Unternehmen würde eine Behörde ein Projekt nicht abbrechen, weil es zu teuer wird? Ein Unternehmer fragt sich, ob er weiteres Geld in dieses Projekt investieren will und ob sich das Projekt dann noch für ihn lohnt, um den Gewinn seines Unternehmens zu erhöhen. Diese Frage kann sich eine Behörde so nicht stellen. In unserem fiktiven Beispiel verwaltet die Ausländerbehörde ja nicht, um damit Gewinn zu erzielen. Manche erfolgreichen Projekte können sogar den Haushalt von Ländern zusätzlich belasten. Völlig richtig. Mein Lieblingsbeispiel ist ein Fahndungssystem der Polizei, das wir vor vielen Jahren Der „Return of Investment“ bei IT-Projekten in Behörden lässt sich nicht immer in Euro und Cent beziffern. Beispiel IT-gestützte Fahndungssysteme: Werden dank besserer Polizeiarbeit mehr Straftäter verurteilt, kann dies - rein betriebswirtschaftlich betrachtet - den Landeshaushalt sogar belasten. Foto: nmann77 - Fotolia.com projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2015 20 REPORT rem Verständnis erklären nicht, wie man Projektaufgaben löst; sie steuern selbst die Projekte. Das Projektwissenscenter dagegen gibt Hilfe zur Selbsthilfe. Nur ein kleiner Teil der IT-Projekte wird durch Ihre Spezialisten betreut, dies haben Sie mehrfach betont. Wie können Sie das Wissen, das in Ihrem Wissenscenter und in Ihrem Pool gesammelt wird, für alle IT-Projekte in den Hamburger Behörden nutzbar machen? In der Hamburger Politik und Verwaltung hat man die Debatte um eine Richtlinie zu kostenstabiler IT geführt. Der Senat, also die hamburgische Landesregierung, wird voraussichtlich einen Auftrag an die Verwaltung beschließen, eine solche Richtlinie zu entwerfen. Unser Projektwissenscenter hat eine Art Baukasten vorgelegt. Aus diesem Baukasten können wir einige Elemente mit einer solchen Richtlinie als verbindlich für alle Projekte erklären. Wir könnten also sagen: Gestuft nach kleinen, mittleren und großen Vorhaben müssen bestimmte Aufgaben in jedem Projekt bearbeitet werden. Dies ließe sich dann auch noch mit dem Finanzcontrolling verknüpfen, um so die Wirksamkeit weiter zu erhöhen. Wir sind jetzt beauftragt, diesen Weg zu gehen, und hierdurch wird dann das Wissen „zwangsweise“ weiterverbreitet. WISSENSCENTER SICHERT PROJEKTERFAHRUNG Eingangs sagten Sie, dass andere Bundesländer Ihre PM-Strategie nachvollziehbar und sympathisch finden, sich aber scheuen, von Ihrem Beispiel zu lernen. Was kann die GPM als Verein dazu beitragen, dass Ihr Beispiel mehr Schule macht? Eine gute Frage. Ich fürchte jedoch, dass ich sie nicht richtig beantworten kann. - Wichtig ist, dass dieses Modell kommuniziert wird. Darüber hinaus brauchen wir Strukturen, in denen unser Weg ausprobiert werden kann. Wir reden über relativ überschaubare Investitionen - verglichen mit dem, was dadurch bewegt werden kann. Angenommen, der Bund würde an zentraler Stelle einen Pool von 400 Projektmanagern bilden. Die Investition würde vermutlich weniger als ein Prozent der Personalkosten ausmachen … … doch der Effekt wäre gigantisch! Davon bin ich überzeugt. ausgewirkt? Werden Projekte jetzt effizienter durchgeführt - effizienter in welche Richtung auch immer? Solche Verbesserungen bei der Effizienz können wir natürlich nur nachmessen bei Projekten, die mit Spezialisten aus unserem Pool gesteuert wurden. Dies haben wir auch nachgeprüft. Ob es sich dabei um Messungen im reinen Sinne handelt, darüber kann man natürlich streiten. EFFIZIENZ DER PROJEKTE GESTEIGERT Konkret - was ist herausgekommen? Die Mitarbeiter unseres Pools setzen in Projekten eine bestimmte Struktur durch, beispielsweise bestimmte Formen der standardisierten Auftragsklärung und Zieldefinition. Jeder weiß, dass diese Methoden bei der täglichen Projektarbeit gelegentlich vernachlässigt werden ... Eben! Ich habe festgestellt: Sind diese standardisierten Vorgehensweisen von Anfang an im Projekt durchgesetzt, laufen diese Vorhaben auf sicherem Gleis. Dagegen treten bei vielen Projekten, in denen standardisierte Vorgehensweisen nicht von Anfang an durchgesetzt waren, später Probleme auf. In diesem Sinne stellen wir für den kleinen Ausschnitt der Projekte, die durch unseren Pool unterstützt werden, eine Effizienzsteigerung fest. Vorhin sprachen Sie von Ihrem Wissenscenter, also einer kleinen Einheit, die Erfahrungen aus Ihren Projekten sammelt, auswertet und aufbereitet. Wie darf ich mir dies genau vorstellen? Wird dort Ihr Projektmanagement vereinheitlicht? Dort werden Projektgrundsätze erarbeitet. Stellen Sie sich dies am besten als großen Werkzeugkasten vor. Es wird gezeigt, welches Problem wie von einem Projektmanager gelöst werden kann. Hält der Projektmanager sich an die Standards, findet er technische Unterstützung - etwa Tools, Vordrucke oder Templates. Das Projektwissenscenter leistet also methodische Unterstützung für dezentrales Projektpersonal. Also handelt es sich bei dem Projektwissenscenter um interne Berater? Sagen wir besser: um Coaches. Unter Beratern verstehen wir externe Umsetzer. Berater in unse- Werden nach dieser Diskussion auch Projektanträge zurückgezogen? Auch dies - etwa mit der Begründung, dass man das Projekt vielleicht terminlich doch nicht schafft, es an Personal fehlt oder die Zeit einfach noch nicht reif ist dafür. Wir sollten in diesem Zusammenhang eines nicht vergessen: Wir sprechen hier über jährlich rund 200 bis 300 Vorhaben, über die wir bei der Finanzierung mitentscheiden. Nur für einen kleinen Teil dieser Projekte stellen wir Spezialisten aus unserem Projekt-Pool zur Verfügung. Gut zwei Drittel unserer Projekte sind vergleichsweise einfache Vorhaben, etwa eine Erneuerung von Software für einen Fachbereich mit wenigen Mitarbeitern ohne Veränderung der Geschäftsprozesse. Ein solches Vorhaben gilt bei uns als Projekt, aber es ist nicht sonderlich kompliziert und würde daher auch aus dem Pool nicht unterstützt werden. Zwei Drittel Ihrer Projekte sind einfach. Das restliche Drittel Ihrer Projekte kann schwierig sein - aus welchen Gründen …? … weil die Projekte umfangreich sind oder besonders wichtig. Oder weil einem Projekt der Projektmanager verloren gegangen ist, der sich vielleicht auf eine andere Stelle beworben hat. Für diese Projekte beantragt man häufig Expertenhilfe aus unserem Pool. In den vergangenen Jahren haben Sie beim Projektmanagement in den Hamburger Behörden viel bewegt. Ziehen wir eine Bilanz. Wie hat sich Ihre Strategie auf das Projektmanagement Blick auf das Hamburger Rathaus, in dem der Senat tagt. Die Verwaltung der Hansestadt arbeitet traditionell behördenübergreifend zusammen - auch beim IT-Projektmanagement. Foto: powell83 - Fotolia.com