eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 26/1

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0886
UVK Verlag Tübingen
11
2015
261 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Ohne Kapazitätsmanagement kein Projekterfolg

11
2015
Christian Schneider
David Stein
Wie hoch ist die projektbezogene Auslastung von Mitarbeitern, welche Projekte des Portfolios ließen sich zusätzlich realisieren? Nicht jede Organisation kann diese Fragen beantworten. Produzierende Unternehmen optimieren schon seit Jahren Produktionsprozesse durch ein effizientes und zielorientiertes Kapazitätsmanagement, viele Finanzdienstleister tun dies noch nicht. Aber mit Blick auf bevorstehende regulatorische Anforderungen sollten gerade sie die Frage klären, ob sie bei gegebenen Kapazitäten zukünftig in der Lage sind, einerseits die zahlreichen aufsichtsrechtlichen Auflagen umzusetzen und andererseits die internen operativen und auch strategischen Vorhaben im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit weiter voranzutreiben. Was sie also zwingend brauchen: eine geeignete Ressourcensteuerung.
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projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2015 32 ERFAHRUNG dabei häufig die Verschiebung von Arbeitspaketen infolge nicht oder nur bedingt zur Verfügung stehender Ressourcen. Diese oft erst kurzfristig identifizierte Unterdeckung mündet letztlich in ein Ad-hoc-Management von Projektressourcen, sodass Engpässe eher verwaltet als aktiv ausgesteuert werden. Dies wirkt sich unter anderem auch auf die ohnehin als kritisch zu bewertenden Kopfmonopole im Unternehmen aus, die durch ihre Einbindung in zahlreiche Projekte noch intensiver beansprucht werden. Es ist daher wichtig, vor allem die restriktive Gruppe von Know-how-Trägern ex ante zu planen und zu steuern. Auch die zeitliche und einsatzbezogene Planung von Ressourcen findet häufig nur unzureichend und isoliert statt. Das heißt, Mitarbeiter werden konkret auf Einzelprojektebene und ungeachtet der Anforderungen aus Parallelprojekten verplant (fehlende Multiprojektbetrachtung). Als Konsequenz orientiert sich die Allokation von Ressourcen weniger an den strategischen Zielen des Unternehmens (Projektpriorisierung), sondern vielmehr an den kurzfristigen Anforderungen aus vermeintlich wichtigeren Projekten - das sogenannte „Big Picture“ geht damit weitestgehend verloren. Weiterhin hat sich gezeigt, dass in Organisationen häufig kein klares Bild über die aktuelle Auslastung und Projekteinbindung von Mitarbeitern vorliegt (fehlende Transparenz). Der Dialog und die Zuordnung von Ressourcen zwischen Fachbereich und Projektleitung erfolgen deshalb meist oberflächlich und nur wenig quantifiziert. Die Erkenntnis, dass zugesagte Ressourcen plötzlich doch überlastet sind, zeigt sich dann erst im fortgeschrittenen Projektstadium und führt erneut zum ungewünschten Ad-hoc-Management. Bei ungenügender Betrachtung des Gesamtportfolios kann sich dieser Effekt, teilweise auch über mehrere Kaskaden, auf andere Projekte auswirken. Wie hoch ist die projektbezogene Auslastung von Mitarbeitern? Welche Projekte des Unternehmensportfolios lassen sich derzeit bzw. zusätzlich realisieren? Nicht jede Organisation kann diese Fragen beantworten - und tappt sprichwörtlich im Dunkeln. Unternehmen des produzierenden Gewerbes gelingt es seit Jahren, Produktionsprozesse durch ein effizientes und zielorientiertes Kapazitätsmanagement zu verbessern und deren Wertschöpfung zu optimieren. Erfahrungswerte bei Finanzdienstleistern zeigen dagegen, dass der Erfolgsfaktor einer personenbezogenen Kapazitätsplanung in Projektorganisationen sehr oft unterschätzt wird - die Ursache für Intransparenz und ein zu kurz greifendes Ad-hoc-Management. Was Finanzdienstleistungs-Unternehmen daher dringend benötigen, ist eine funktionierende Ressourcensteuerung. Die Beobachtung, dass das Ressourcenmanagement von Finanzdienstleistern noch oft unterschätzt werde, gründet auf der eingehenden Betrachtung von rund zehn kleinen bis mittelgroßen Finanzdienstleistungs-Unternehmen. Dabei sollte gerade ein effizientes Ressourcenmanagement als Chance und Stellschraube mit hoher Hebelwirkung für den Projekterfolg verstanden werden. Dies stellt sich insbesondere vor dem Hintergrund der zukünftigen Flut regulatorischer Anforderungen im Finanzumfeld als erfolgskritische Herausforderung dar, die es mit gegebenen Kapazitäten zu managen gilt. Der im Folgenden skizzierte Weg zu einer geeigneten Kapazitätsanalyse gründet nicht zuletzt auf den Erfahrungen aus einem entsprechenden Projekt der European Energy Exchange AG zum Thema Projektportfoliomanagement, das mit Unterstützung der Severn Consultancy GmbH umgesetzt wurde. Finanzdienstleister profitieren von zielgenauer Ressourcensteuerung Ohne Kapazitätsmanagement kein Projekterfolg Autoren: Christian Schneider, David Stein 1 Ursache-Wirkungs-Beziehungen in der Praxis Die Wirkungskette eines fehlenden Ressourcenmanagements ist vielfältig, stellt sich im Ergebnis aber meist als Projektscope-Anpassung, mangelhafte Ergebnisqualität und insbesondere als Projektverzögerung dar. Ausgangspunkt ist >> Für eilige Leser Wie hoch ist die projektbezogene Auslastung von Mitarbeitern, welche Projekte des Portfolios ließen sich zusätzlich realisieren? Nicht jede Organisation kann diese Fragen beantworten. Produzierende Unternehmen optimieren schon seit Jahren Produktionsprozesse durch ein effizientes und zielorientiertes Kapazitätsmanagement, viele Finanzdienstleister tun dies noch nicht. Aber mit Blick auf bevorstehende regulatorische Anforderungen sollten gerade sie die Frage klären, ob sie bei gegebenen Kapazitäten zukünftig in der Lage sind, einerseits die zahlreichen aufsichtsrechtlichen Auflagen umzusetzen und andererseits die internen operativen und auch strategischen Vorhaben im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit weiter voranzutreiben. Was sie also zwingend brauchen: eine geeignete Ressourcensteuerung. ERFAHRUNG 33 projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2015 3 Verzahnung von Ressourcenmanagement und Projektpriorisierung Grundvoraussetzung für ein zielführendes Ressourcenmanagement ist neben der Transparenz über die Auslastung und Verteilung von Mitarbeiterkapazitäten vor allem die strategische Steuerung gegebener Ressourcen und damit verknüpft die enge Verzahnung mit einer Projektpriorisierung. Nur wenn Ressourcen den für den Unternehmenserfolg wichtigsten Projekten zugewiesen werden, kann von einem effizienten und wertschöpfenden Ressourcenmanagement die Rede sein. Für die operative Umsetzung bedeutet dies, dass Projekte entsprechend ihres Nutzenbeitrags zur Unternehmensstrategie zu gewichten und in eine Prioritätsrangfolge zu bringen sind. Die zur Verfügung stehenden Kapazitäten werden dann nach einem Wasserfallmodell von oben beginnend auf die Projekte verteilt. Diese Methode offenbart in der Regel sehr schnell, dass a) lediglich eine begrenzte Anzahl an Projekten des Portfolios ausreichend besetzt und realisiert werden kann und b) Verzögerungen in wichtigen Projekten verringert oder sogar vermieden werden können, wenn eine Reallokation von Ressourcen aus niedtegischen Ressourcenplanung mit Fokus auf zukünftige Konfliktpotenziale zu sehen. Statisches Ressourcenmanagement ist nicht ausreichend, da es Risiken birgt, die durch die hohe Dynamik des jeweiligen Projektumfelds bedingt sind. Flexibilität im Projektmanagement gilt deshalb gleichermaßen für die Steuerung von Ressourcen, sodass Kapazitätsplanungen kontinuierlich und prospektiv aktualisiert werden sollten. Best Practice-Ansätze zeigen, dass bereits monatliche Intervalle zur Aussteuerung potenzieller Engpässe je nach Organisation sehr gut geeignet sein können. Spricht man mit Abteilungs- und Bereichsleitern, so äußern sie häufig, dass Projekte einen erheblichen Einschnitt in die interne Mitarbeiterplanung darstellen und hauptursächlich für die oft zitierte chronische Überlastung der Einheiten sind. Konkrete Überlastungscharakteristika zu hinterfragen und das „Wer, wie, wann und warum“ zu analysieren, führt jedoch oftmals nicht zu eindeutigen Ergebnissen. Der Anspruch an ein effektives Projektmanagement verlangt deshalb, Informationen über Ressourcenkapazität (Angebot) und Ressourcennachfrage zusammenzutragen und diese zeitbezogen gegenüberzustellen (Abb. 1). Neben der Mitarbeiterauslastung stellt sich vor allem aber auch die inhaltliche Aufteilung der Mitarbeiterkapazitäten als Mehrwert dar. So fehlt nicht selten die Information, welche Kapazitäten durch die Mitarbeiter im Tagesgeschäft, im Projektgeschäft und ggf. im Rahmen sonstiger Aufgaben erbracht werden können. Entsprechend dem Leitsatz „Was ich nicht kenne, kann ich nicht steuern“ sollte deshalb zwingend Klarheit darüber geschaffen werden, wann und zu welchem Anteil Mitarbeiter überhaupt für Projektaktivitäten zur Verfügung stehen. Nur so lässt sich gewährleisten, dass Ressourcenzusagen verbindlich eingehalten werden. 2 Transparenz der Ressourcenallokation Aus den vorab dargestellten Aspekten ergibt sich in der Praxis häufig der Anspruch, eine Kapazitätsanalyse im Sinne einer Standortbestimmung durchzuführen - mit dem Ziel, mehr Transparenz im projektübergreifenden Ressourcenmanagement zu schaffen. Die Kapazitätsplanung als Momentaufnahme dient der Identifikation von Defiziten und der Ableitung von Maßnahmen, sie ist allerdings nicht als Instrument einer stra- Abb. 1: Kontinuierlicher Kapazitätsabgleich projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2015 34 ERFAHRUNG zuliefernden Parteien wie Abteilungs- und Projektleiter. Hierbei ist darauf zu achten, diese frühzeitig in die Konzeption der Ressourcensteuerung einzubinden. Nur so wird sichergestellt, dass ein gemeinsames Verständnis über die zu erhebenden Informationen und vor allem über die zu modifizierenden Prozesse der Ressourcenabstimmung geschaffen wird. Zudem gilt es, das Kernargument des administrativen Mehraufwands zu entkräften. Hierzu eignen sich Templates und standardisierte Lösungsansätze im Sinne von prozentualen Aufteilungen der Mitarbeiterkapazitäten bspw. nach Tages- und Projektgeschäft. Damit wird neben einer Vereinfachung auch eine Vereinheitlichung der bislang heterogenen Planung von Mitarbeiterressourcen erreicht. „Keep it simple“ ist das Stichwort, da es hinsichtlich des strategischen Mehrwerts und Aktualitätsgrades der Planung wichtig ist, die Datenerhebung im Rahmen der Ressourcensteuerung regelmäßig durchzuführen und den manuellen Aufwand moderat zu halten. Auch der Umfang der verwendeten Tool-Lösung sollte überflüssige Funktionalitäten vernachlässigen und sich an essenziell benötigten Informationen ausrichten - bspw. dungen wie etwa Excel generieren. So lassen sich bei überschaubarem manuellen Aufwand sowohl Transparenz über die vorliegende Ressourcensituation erreichen als auch erste Entlastungen der Projektmitarbeiter. Der oft durch Abteilungs- und Projektleiter bemängelte administrative Mehraufwand durch die Meldung von Kapazitäten wird dabei sehr schnell durch die Vorteile der Transparenz, verbunden mit einer effektiveren Allokation von Projektressourcen, kompensiert. Ohnehin sollte die Erwartungshaltung bei allen Beteiligten verankert werden, die Verfügbarkeit von Ressourceninformationen als selbstverständlich zu betrachten, was das Argument eines Mehraufwands an dieser Stelle entkräftet. Gleiches gilt für die Ansätze der Projektpriorisierung, die sich ebenfalls leicht und verständlich in Office- Anwendungen implementieren lassen. 5 Erfolgsfaktoren für die Umsetzung Ausschlaggebend für den Erfolg des Ressourcenmanagements ist vordergründig die Akzeptanz der tangierten Mitarbeiter - insbesondere der rig priorisierten Projekten stattfindet. Dies trägt dem Anspruch an eine möglichst effiziente Verwendung der ohnehin knappen Ressourcen Rechnung. 4 Pragmatische Ressourcenmanagementprozesse Wer glaubt, die beschriebenen Ansätze ließen sich ausschließlich mithilfe der zahlreichen am Markt präsenten Projektmanagement-Softwarelösungen umsetzen, der irrt. Sicher ist man als Manager eines großen Projektportfolios sehr gut beraten, wenn man eine toolbasierte Unterstützung hat, insbesondere vor dem Hintergrund des automatisierten Abgleichs schier unendlicher Informationen und der hohen Anforderungen an das Projekt(portfolio)-Reporting. Auch das Zusammenspiel und die Verzahnung zwischen Ressourcenmanagement und Projektpriorisierung lassen sich durch die Verwendung spezieller Projektmanagementsoftware sicherlich sehr gut umsetzen. Quick Wins mit einschlägigen Effizienzgewinnen kann man aber auch über gängige Office-Anwen- Abb. 2: Verzahnung von Ressourcenmanagement und Projektpriorisierung ERFAHRUNG 35 projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2015 trie stattfinden muss. Die Vorteile einer effizienten Ressourcenplanung sind deutlich. Es liegt im Eigeninteresse von Finanzdienstleistern, sie möglichst effektiv und zugleich pragmatisch zu nutzen. Schlagwörter Einsatzmittelplanung, Kapazitätsplanung, Ressourcensteuerung, Projektpriorisierung, Erfolgsfaktoren Elemente der NCB 3.0 4.1.12 Ressourcen, 4.1.16 Überwachung und Steuerung, Berichtswesen, 4.3.3 Portfolioorientierung Autoren Christian Schneider leitet die Produktentwicklung und das PMO der European Energy Exchange AG. Er ist Projektportfolio-Manager und zertifizierter PMP mit Erfahrung im Management internationaler Projekte in der Finanz- und Energiewirtschaft. Anschrift: European Energy Exchange AG, Augustusplatz 9, D-04109 Leipzig, Tel.: 03 41/ 2156-5 20, Fax: 03 41/ 2156-109, E-Mail: Christian.Schneider@eex.com, www.eex.com David Stein hat im Laufe seiner Karriere als Berater zahlreiche renommierte Banken und Spezialinstitute bei der Umsetzung regulatorischer Anforderungen und Change-Vorhaben unterstützt. Derzeit ist er Manager bei der Severn Consultancy GmbH, Frankfurt. Anschrift: Severn Consultancy GmbH, Hansa Haus, Berner Straße 74, D-60437 Frankfurt am Main, Tel.: 0 69/ 95 09 00-0, Fax: 0 69/ 95 09 00-50, E-Mail: David.Stein@severn.de, www.severn.de Kapazitäten für Tagesgeschäft, Projektgeschäft und sonstige Aufgaben, Projektnachfrage etc. Einfache und verständliche Strukturen der Templates zur Datenerhebung sowie eine direkte und begleitende Unterstützung für die Mitarbeiter, insbesondere in der Anfangsphase, sind in diesem Zusammenhang wichtig, um ein hohes Maß an Benutzerfreundlichkeit zu erzielen und für eine erfolgreiche Umsetzung des Ressourcenmanagements zu sorgen. 6 Fazit Finanzdienstleister sollten sich mit Blick auf die bevorstehenden regulatorischen Anforderungen die Frage stellen, ob sie bei gegebenen Kapazitäten zukünftig in der Lage sind, einerseits die zahlreichen aufsichtsrechtlichen Auflagen umzusetzen und andererseits die internen operativen wie auch strategischen Vorhaben im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit weiter voranzutreiben. Um diese Frage beantworten zu können und insbesondere die effiziente Umsetzung aller geplanten Projekte zu gewährleisten, ist die Kenntnis über die Performance und Kapazität der Organisation zwingend notwendig. Pragmatische Ansätze auf Basis von Office-Anwendungen können helfen, erste Schritte hin zur erforderlichen Transparenz und (Re-)Allokation von Mitarbeitern zu gehen und die Ressourcensteuerung zielgerichtet in Einklang mit der Unternehmensstrategie zu bringen. Die unternehmensinternen Interessengruppen einer funktionierenden Ressourcensteuerung sind vielfältig, und signifikante Nutzeneffekte lassen sich bereits bei überschaubarem Aufwand generieren. So profitieren Abteilungsleiter nicht nur von der gestiegenen Transparenz über die Auslastung der eigenen Mitarbeiter, sie werden auf Grundlage der erarbeiteten Datenbasis auch in die Lage versetzt, Ressourcenanfragen verbindlicher zu beantworten. Letzteres wirkt sich vor allem positiv auf die Ressourcenplanung der Projektleiter aus. Der Mehrwert für Programmleiter ergibt sich im Wesentlichen aus der strategischen Aussagekraft der Kapazitätserhebung. Neben der Einschätzung, welche Projekte aktuell geleistet werden können, sind nunmehr auch Aussagen über die zukünftige Umsetzung von Vorhaben bei gegebenen Kapazitäten möglich. Damit ist ein einfaches Werkzeug gegeben, um das Gesamtprojektportfolio an der Unternehmensstrategie auszurichten. Abschließend lässt sich festhalten, dass ein Umdenken über das Management von Ressourcen in der Finanzindusprojekt management shop.de Innerhalb Deutschlands portofrei bestellen! Anzeige