eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 26/1

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
11
2015
261 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Störfaktoren bei IT-Projekten

11
2015
Christoph Zahmt
Welche Ursachen führen zu Störungen bei Auftragsprojekten zur Einführung von Standardsoftware bei mittelständischen Vertragspartnern? Dazu wurden Projektmitarbeiter auf der Auftragnehmerseite befragt. Risikoträger ist der Mensch, der Bedenken beiseiteschiebt und das Projektmanagement vernachlässigt. In Auftragsprojekten wurde gefragt, welche Verhaltensweisen auf der eigenen Seite das höchste Risikopotenzial haben. Das ist die Überschätzung der eigenen Ressourcen und Konfliktscheuheit.
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projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2015 50 WISSEN Das Ergebnis (Tab. 1) [2] zeigt, dass ein erheblicher Teil der Ursachen vom Vertragsabschluss her mitgebracht wird, nämlich 38 Prozent, und dass kaum die Technik, sondern vielmehr der Mensch der Risikoträger ist. Viele Menschen sind bereit, bei Vertragsabschluss Bedenken hinsichtlich der Termine, des Preises, der Klarheit über die Ziele, die Aufgabenstellung und über die Fähigkeit, diese Ziele zu erreichen, beiseite zu schieben. (Das zeigt auch die zweite Untersuchung.) In der Phase der Durchführung steht mangelhaftes Projektmanagement auf beiden Seiten im Vordergrund. Technische Schwierigkeiten führen kaum unmittelbar zu Krisen. Software ist zwar bekanntermaßen fehlerhaft; die Kunden sind aber daran gewöhnt, und seriöse Auftragnehmer haben das Thema Fehlerbeseitigung ziemlich im Griff. Echte Probleme informationstechnischer Art, die In der Ausgabe 4/ 2013 der projektManagement aktuell wurden die Ergebnisse einer Studie zu Misserfolgsfaktoren in der Projektarbeit veröffentlicht. Diese Ergebnisse sollen durch die Ergebnisse von zwei Befragungen ergänzt werden. In Seminaren über IT-Projektverträge habe ich für die Auftragnehmerseite zwei Befragungen zu Störfaktoren durchgeführt. Im Vergleich mit der Studie der GPM über Misserfolgsfaktoren (projektManagement aktuell 4/ 2013, S. 33 ff.) habe ich nur die Auftragnehmerseite befragt. Es ging immer um externe Projekte, meist um solche mit mittelständischen Auftraggebern/ Kunden und damit proportional zu solchen mit großen Kunden. Die Projekte bezogen sich stets auf IT; der Schwerpunkt lag bei der Einführung von Standardsoftware. Die Teilnehmer waren weit überwiegend Projektleiter oder andere Projektmitarbeiter, in geringem Umfang auch andere Funktionsträger von Softwarehäusern. Erstellungsprojekte (mit typischerweise großen Kunden) dürften normal repräsentiert sein. [1] 1 Befragung zu Ursachen für Krisen oder das Scheitern von Projekten zur Einführung von Standardsoftware Jeder Teilnehmer sollten aus seinen eigenen Erfahrungen die Ursachen bei fünf Projekten dafür angeben, dass konkrete Projekte in eine Krise geraten oder sogar gescheitert sind. Jeder sollte also starke Störfaktoren nennen. Die Ursachen wurden gemeinsam drei Phasen zugeordnet: den Vertragsverhandlungen, der Projektdurchführung und dem Projektstart. Dieser stellt sozusagen den zweiten Vertragsabschluss dar (der erste, offizielle, erfolgt typischerweise mit der Geschäftsführung des Kunden, der zweite mit denjenigen Mitarbeitern, die das Projekt auf Kundenseite durchführen sollen). Störfaktoren bei IT-Projekten Autor: Christoph Zahrnt >> Für eilige Leser Welche Ursachen führen zu Störungen bei Auftragsprojekten zur Einführung von Standardsoftware bei mittelständischen Vertragspartnern? Dazu wurden Projektmitarbeiter auf der Auftragnehmerseite befragt. Risikoträger ist der Mensch, der Bedenken beiseiteschiebt und das Projektmanagement vernachlässigt. In Auftragsprojekten wurde gefragt, welche Verhaltensweisen auf der eigenen Seite das höchste Risikopotenzial haben. Das ist die Überschätzung der eigenen Ressourcen und Konfliktscheuheit. schon bei Vertragsabschluss erkennbar sind, sind als unmittelbare Ursache vernachlässigbar (0,3 %). Fehlerhafte Leistungen (einschließlich der von Vorlieferanten der einen oder der anderen Seite) machen nur etwa 8 Prozent der Ursachen aus [3]. 2 Verhaltensweisen der Projektmitarbeiter, die den Projekterfolg besonders stark gefährden Den Teilnehmern wurde eine Tabelle vorgegeben, in der Verhaltensweisen der eigenen Seite aufgeführt waren, die den Projekterfolg besonders stark gefährden [4]. Befragt wurden insgesamt 195 Teilnehmer. Bei einigen Verhaltensweisen war von vornherein damit zu rechnen, dass sie nur selten genannt werden würden. Diese dienten der Kontrolle hinsichtlich der Plausibilität der Nennungen. Unbeschadet dessen sind einige Verhaltensweisen überraschend oft genannt worden. Die Teilnehmer sind zwar aufgefordert worden, die Antworten aus möglichst allgemeiner Erfahrung zu geben; sie haben aber, wie die Gespräche ergaben, doch stark an sich oder ihre Umgebung gedacht. Entgegen meinen Erwartungen ist die Verhaltensweise, dass der Kunde, wenn man ihm jetzt entgegenkommt, später auch einmal einem entgegenkommen werde, nur relativ wenig genannt worden. Die Teilnehmer haben das so erklärt, dass diese Erwartung bereits so oft enttäuscht worden sei, dass sie diese aufgegeben hätten. Der Satz „Bei Nichtgelingen der Lösung: Mehr desselben Lösungsansatzes! “ stammt von Paul Watzlawik („Anleitung zum Unglücklichsein“) [6]. Gemeint ist die Situation, dass man mit seinem Ansatz, ein Problem zu lösen, nicht weiterkommt. Dann handelt es sich nicht um ein normales Problem, in der Sprache von Watzlawik nicht um ein Problem erster Ordnung, sondern um ein Problem zweiter Ordnung. Man muss also einen Lösungsansatz suchen, der den bisherigen Ansatz ver- WISSEN 51 projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2015 lässt/ sprengt. Die Zahl der Nennungen zeigt, dass es solche Situationen nicht nur gibt, sondern dass sie auch erkannt werden. Ein beliebtes Beispiel für ein Problem der zweiten Ordnung liegt in folgendem: Durchfahren Sie mit vier Strichen alle Punkte, ohne dabei abzusetzen. Die Lösung liegt darin, dass man mit seinen Strichen über den Rahmen hinausgeht. Anmerkungen [1] Bei Projekten zur Erstellung von Programmen liegt die Arbeitslast (Programmieren, Testen) durchschnittlich stärker beim Auftragnehmer, als das bei Einführungsprojekten (Aufbereiten der Altdaten, bspw. der Stücklisten und Arbeitspläne) der Fall ist. Deswegen kommt es weniger auf die Mitwirkung des Kunden an; der Projektleiter des Auftragnehmers hat auch nicht so viele Schwierigkeiten, den Kunden zu führen. Dementsprechend werden die Ursachen „Mitwirkung des Kunden“ und „mangelnde Projektleitung des Auftragnehmers“ weniger häufig genannt. [2] Eine Detaillierung dieser Statistik findet sich unter www.zahrnt.de, ergänzende Texte zu den Büchern/ IT-Projektverträge: Erfolgreiches Management, Kapitel 1.2.2. [3] Die Punkte 1.6, 3.3.2 (eigentlich nur mit Einschränkungen), 3.4 und 3.5 meiner Statistik (Tab. 1). [4] Die Teilnehmer konnten auch andere Verhaltensweisen nennen, haben das aber kaum getan. Das dürfte auf die Situation des Seminars (Zeitdruck) zurückzuführen sein. [5] Die aus meiner Sicht geringe Zahl an Nen- Ursachen für Krisen oder Scheitern von Projekten i % i.j % i.j.k % 1. Bei Vertragsabschluss gesetzt 38 1.1 Ziele/ Aufgabenstellung 17,7 1.1.1 Ziele unklar 1,4 1.1.2 Aufgabenstellung (Anforderungen des Kunden) unklar 12,6 1.1.3 Leistungsumfang unklar 3,7 1.2 Aufwand zu niedrig angesetzt 4,6 1.3 Termine zu eng gesetzt 5,0 1.4 Sonstige Einflüsse auf Auftragnehmerseite (insbesondere fehlende oder mangelhafte Produkte) 8,0 1.5 Sonstige Einflüsse auf Kundenseite 0,7 1.6 Tücken der Informationstechnik 0,3 1.7 Sonstige Ursachen 1,7 2. Beim Projektbeginn gesetzt 5,2 3. Bei der Durchführung aufgetreten 56,8 3.1 Bei gemeinsamer Projektarbeit 6,8 3.1.1 Projektleitung einschl. gemeinsamer Qualitätssicherung 2,2 3.1.2 Menschliche Faktoren 3,6 3.1.3 Streit über Anforderungen 1,0 3.2 Einflüsse auf Kundenseite 23,7 3.2.1 Mangelnde Bejahung des Projekts oder der Zielsetzung 5,0 3.2.2 Aufgabenstellung umstritten 3,5 3.2.3 Mitarbeit des Kunden nicht ordnungsgemäß 12,7 3.2.4 Andere Gründe auf Kundenseite 2,5 3.3 Einflüsse auf Auftragnehmerseite 22,2 3.3.1 Mangelhafte Projektleitung (einseitig) 11,9 3.3.2 Fehlerhafte Leistung (auch Zwischenergebnisse) 3,4 3.3.3 Nicht genügend (qualifizierte) Mitarbeiter 3,8 3.3.4 Sonstige Ursachen 3,1 3.4 Komplexität des Projekts 0,2 3.5 Externe technische Einflüsse 3,9 Insgesamt 1.000 Nennungen 100 100 100 Tab. 1: Ursachen für Krisen oder das Scheitern von Projekten Verhaltensweisen Genannt in % Technologieverliebtheit der Mitarbeiter 22 Methodenverliebtheit der Mitarbeiter 9 Die Mitarbeiter streben nach Harmonie mit denen des Kunden. 41 Die eigenen personellen Ressourcen werden qualitativ und/ oder quantitativ überschätzt. 60 Die vorhandenen Produkte werden hinsichtlich der Abdeckung der vereinbarten Anforderungen des Kunden überschätzt. 15 Man macht sich vor, dass der Kunde, wenn man ihm jetzt entgegenkomme, einem später auch entgegenkommen werde. [5] 33 Menschen tendieren dazu, die Probleme zu lösen, die sie lösen können, aber nicht die, die sie lösen sollen. 46 Bei Nichtgelingen der Lösung: Mehr desselben Lösungsansatzes! (Watzlawik) 16 Man ignoriert, dass Menschen in einer Krise die Schuld bei anderen suchen (und verzichtet deswegen auf Absicherung). 31 Mangelnder Mut, negative Faktoren, die beim Kunden oder bei einem selber auftreten, anzusprechen und Probleme zu klären. 70 Tab. 2: Nachteilige menschliche Verhaltensweisen projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2015 52 WISSEN Projektmanagement (PM3)“ das Kapitel 3.11 „Rechtliche Aspekte: Besonderheiten bei Auftragsprojekten von Kunden“ geschrieben und diese Besonderheiten ausführlich in seinem Buch „IT-Projektverträge: Erfolgreiches Management für Auftragnehmer“ beschrieben. Anschrift: Dr. Christoph Zahrnt, Wiesenbacher Straße 2, D-69151 Neckargemünd, Tel.: 0 62 23/ 86 00 60, Fax: 0 62 23/ 86 00 66, E-Mail: RA-Zahrnt@t-online.de, www.zahrnt.de Ursachen für Störungen, Verhaltensweisen in Projekten Kompetenzelemente der NBC 3.0 4.1.1 Projektmanagementerfolg, 4.1.14 Beschaffung und Verträge, 4.2.10 Beratung, 4.2.12 Konflikte und Krisen Autor Dr. Christoph Zahrnt, Diplom-Volkswirt und Rechtsanwalt, hat sich ganz auf die Beratung von IT-Projektverträgen spezialisiert. Er hat in „Kompetenzbasiertes nungen ist von den Teilnehmern so erklärt worden, dass diese Erwartung bereits oft genug enttäuscht worden sei, sodass man sie aufgegeben habe. [6] Watzlawik beschreibt das in etwa wie folgt: Ein Betrunkener sucht unter einer Straßenlaterne seinen Schlüssel. Ein Polizist hilft ihm bei der Suche. Als der Polizist nach langem Suchen wissen will, ob der Mann sicher sei, den Schlüssel hier verloren zu haben, antwortet jener: „Nein, nicht hier, sondern dort hinten - aber dort ist es viel zu finster.“ Schlagwörter Auftragsprojekte, Erfolgsfaktoren, IT-Projekte, Konflikte in Projekten, Misserfolgsfaktoren, Projektkrisen, Scheitern von Projekten, Ein Unverwüstlicher wird 80! Zu dieser Überschrift fällt einem doch sofort Klaus Pannenbäcker ein, ein Unverwüstlicher der GPM und der IPMA. Klaus Pannenbäcker ist also 80 Jahre alt geworden. Dazu zuallererst unser herzlichster Glückwunsch. Klaus Pannenbäcker, GPM Mitglied sei 1982, langjähriges Vorstandsmitglied von 1983 bis 1994, IPMA-Präsident von 1994 bis 1996, PM-ZERT-Ur-Assessor und Ehrenvorsitzender der GPM. Klaus war nach seinem Examen ab 1959 als Diplom-Elektroingenieur bei der Siemens AG im Bereich KWU und dort sowohl mit technischen wie auch kaufmännischen Aufgaben im internationalen Anlagenbau für Kraftwerke betraut. Ab 1981 war er Geschäftsführer der von ihm gegründeten GABO GmbH (Anlagentechnik und Prozessmanagement). Unter seiner Leitung wurde die Software für „Re-Dokumentation“ entwickelt, die sich der „As-built“-Dokumentaton in Kraftwerken widmete. Der „Anlagenschlüssel“ als Ordnungsrahmen entstand. Seit dem Beginn seiner Mitgliedschaft widmete er sich mit großem Elan dem Aufbau der GPM, in den 80er-Jahren noch ein kleiner Verband mit wenigen Hundert Mitgliedern, wo noch jeder jeden kannte. Sein besonderes Anliegen war, zusammen mit seinem Vorstandskollegen Dr. Motzel, die Entwicklung der heute breit eingeführten PM-Zertifizierung, verbunden mit systematischem Training. So entstand in Zusammenarbeit mit REFA der erste Wissensspeicher für Projektmanagement. Diese Entwicklungen wurden dann in der GPM kontinuierlich unter tätiger Mitarbeit von Klaus weitergeführt, um letztlich in der heutigen PM-Zertifizierung zu münden. Auch im Export dieses Erfolgsprodukts war er intensiv engagiert und arbeitete mit vielen Ländern in der Welt und deren PM-Organisationen zur Einführung der Zertifizierung zusammen. Dies mündete, wie schon erwähnt, in der Präsidentschaft der IPMA (von 1994 bis 1996). Der Umfang dieses Heftes von projektManagement aktuell würde nicht ausreichen, um alle erfolgreich angepackten und ausgeführten Aufgaben und Projekte aufzuführen, geschweige denn gebührend zu würdigen. Entgegen dem Mainstream, wo mit Erreichen des 70. Lebensjahrs oft der Rückblick intensiver wird, hat Klaus immer noch und immer weiter nach vorne geblickt, neue Aufgaben und Projekte mit dem Elan eines 40-Jährigen angepackt und, an welchem Ort auch immer seine Expertise und sein Drive verlangt waren, realisiert. Seinen damaligen Kollegen im GPM Vorstand ist er ein treuer Freund geworden, ein ideenreicher, immer positiv denkender und tatkräftiger Kollege, der in vielen Situationen richtungweisend war und manche Konflikte auf sehr verträgliche Weise zu lösen vermochte. Die Vergangenheitsform stimmt so eigentlich nicht, denn das ist immer noch sein Naturell. Als guter Familienvater hat er seine drei Kinder gebildet und zu dem gemacht, was sie heute sind, zu beruflich und privat erfolgreichen Menschen. Und eines sollte nicht vergessen sein: Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine tatkräftige Frau, die ihren Mann partnerschaftlich unterstützt (das gilt natürlich auch genau umgekehrt). So feiern wir heute das 80. Lebensjahr von Klaus Pannenbäcker, wünschen ihm die Gesundheit und die Kraft, weiter in interessanten Themen im Projektmanagement zu wirken. Unser herzlicher Dank aus der gesamten GPM und vor allem von seinen früheren Vorstandskollegen und heutigen Freunden gilt ihm für dieses Lebenswerk im Projektmanagement. Danke an Dich, Klaus, und danke an Deine Frau Gisela! Ein Freund aus Vorstandstagen, der Dich bereits 33 Jahre auf Deinem Lebensweg begleiten durfte und hoffentlich noch lange begleiten kann. Hasso Reschke