PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Die Analogie – im digitalen Zeitalter noch immer voll wirksam
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Jens Köhler
Die Kolumne „Ehrlich und Priesberg“ möchte mit unterhaltsamen Dialogen rund um das Thema „Mensch – Kommunikation, Verhalten, Entscheidungen“ Denkanstöße für den PM-Alltag geben.
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WISSEN 55 projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2015 „Hier kommt die Kategorisierung zum Zug. Natürlich kreisen die Anforderungen, die von verschiedenen Menschen unterschiedlich ausgedrückt werden, letztendlich um die gleichen Funktionalitäten, und diese lassen sich festhalten, in Bildern und Text, aber verknüpft mit den erzählten Geschichten. Die Geschichten lassen sich wesentlich besser transportieren“, erläutert Ehrlich. „Also ist das ‚Rumlabern‘ in Workshops kein lästiges Übel, sondern zwingend notwendig? “, stichelt Priesberg. „Ja, so ist es. Paraphrasierungen sind dazu da, um an Begriffe anzuknüpfen. Dies kann dadurch geschehen, dass die Teilnehmer ihre Sicht der Dinge schildern. Das sollte nicht sofort abgewürgt, sondern in vielen Fällen unterstützt werden. Natürlich muss es später auf ein gewünschtes Ergebnis moderiert werden“, beruhigt Ehrlich. „Man wird der analogen Sprachkultur des Menschen gerecht, hat unterhaltsame Workshops und Geschichten in der Hand, die transportiert werden können, wenn man sich davon verabschiedet, Sprache als reine Informationsübermittlung aufzufassen“, resümiert Priesberg. Autor Dr. Jens Köhler ist bei der BASF SE beschäftigt. Sein Spezialgebiet ist die Erforschung der Effizienz- und Effektivitätssteigerung von Projektteams durch die gezielte Steuerung über Soft Skills und Kommunikationsprozesse. Anschrift: BASF SE, GOI/ WH-C6, D-67056 Ludwigshafen, E-Mail: Jens.Koehler@basf.com schließt? Also etwa Begriffsatome oder von mir aus auch Begriffs-Bits? Versuch es mal mit dem Begriff ‚Vogel‘. Wie kann man ihn klassifizieren? “ Priesberg überlegt: „Es gibt viele Vögel - Adler, einbeinige Vögel, schräge Vögel, Greifvögel, Singvögel, Vögel mit starren Flügeln, also Flugzeuge ...“ „Und dies sind alles Begriffe, die aus unterschiedlichen Vorstellungswelten der jeweiligen Menschen entspringen: Der Jäger denkt an den Adler, der Musiker an den Singvogel, der Komiker an den schrägen Vogel ... Und wo ziehst du die Grenze? Was gehört in die Kategorie ‚Vogel‘ und was nicht? Du siehst hier schon, dass diese Grenze nicht scharf ist“, fällt ihm Ehrlich ins Wort. Er nickt stumm und Ehrlich fährt fort: „Und trotzdem gibt es die Begriffskategorie ‚Vogel‘. Sprache entsteht durch Verknüpfung individueller Erfahrungen und Emotionen mit der Außenwelt. Wer den Blick erweitert, stellt fest, dass unsere ganze Sprache aus solchen analogen Begriffskategorien besteht, die sich auch permanent wandeln. Du siehst, es ist also völlig normal, wenn deine Anforderungen nochmals erhoben oder hinterfragt werden sollen. Es fehlen die Verknüpfungen und die Veranschaulichung.“ „Ja, und? “, unterbricht ihn Priesberg. „Lass deine Benutzer die Anwendungsfälle erzählen. Storytelling ist wesentlich eingänglicher und unterhaltsamer als das Durchlesen von Information. Und ganz nebenbei verknüpfst du die Erfahrungswelten mit den analogen Begriffskategorien. Du erreichst also, dass der Adler und der einbeinige Vogel in derselben Kategorie beschrieben werden und trotzdem jeder seine Vorstellungswelt bedienen kann.“ „Wie lassen sich dann deine Geschichten trotzdem in harten Computer-Code gießen? “, wirft Priesberg ein. Die Kolumne „Ehrlich und Priesberg“ möchte mit unterhaltsamen Dialogen rund um das Thema „Mensch - Kommunikation, Verhalten, Entscheidungen“ Denkanstöße für den PM-Alltag geben. Ehrlich betritt Priesbergs Büro und findet ihn dort kurz angebunden vor. Es geht um die Erweiterung eines IT-Systems. „Weshalb mache ich einen Workshop zur Anforderungsermittlung, wenn zwei Wochen später die Aufforderung kommt, erneut die Anforderungen ermitteln zu wollen? Und das, obwohl wir diesmal den Prozess genau eingehalten haben und alle Dokumente termingerecht erstellt und verteilt haben“, ruft Priesberg laut in den Raum, „sind die Leute immer so begriffsstutzig? “ „Vielleicht hast du die Anforderungen nicht richtig vermittelt“, stichelt Ehrlich. „Wieso? Ich habe mit den Beteiligten die notwendigen Informationen ausgetauscht und diese dann in mehrseitigen Dokumenten zusammengefasst und an das Implementierungsteam verteilt, wie ich es doch eben geschildert habe. Und jetzt kommt diese aus meiner Sicht nicht nachvollziehbare Rückmeldung, einen erneuten Workshop machen zu wollen“, resümiert Priesberg. „Du meinst also, dass Information bei allen Teilnehmern sofortiges und gleiches inhaltliches Verstehen auslöst? “, grinst Ehrlich. Priesberg kratzt sich am Kopf. „Wenn du so fragst, ist sicherlich wieder ein Haken an der Sache.“ Ehrlich überlegt, während eine Krähe am Fenster vorbeifliegt: „Gibt es für Begriffe eine kleinste Einheit, die sich für jeden gleichermaßen er- Projektgeschichten und Fallstudien Die Analogie - im digitalen Zeitalter noch immer voll wirksam 1) Autor: Jens Köhler 1) Siehe auch: Douglas Hofstadter, Emmanuel Sander: Die Analogie: Das Herz des Denkens. Klett-Cotta, 2014