eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 26/1

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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2015
261 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Psst ... schon gehört? Die „Guten“ ins Kröpfchen und die „Schlechten“ ins Töpfchen

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2015
Jacqueline Irrgang
In einem fernen Land lebt ein fleißiger Mann, der jeden Tag pünktlich zur Arbeit erscheint, der nie krank ist und in time and budget seine Projektarbeit erledigt. Sein Name ist Fritz Fleißig. Er ist ein sehr guter und motivierter Projektmitarbeiter und sein Chef ist sehr zufrieden mit ihm. Doch eines Tages liest der Chef einen Bericht in einem Wirtschaftsmagazin über Effizienz und höheren Gewinn. Und er denkt sich: „Hm, wenn Fritz schon jetzt so gut arbeitet, ohne dass ihm einer auf die Finger schaut, wie produktiv wäre er erst, wenn ein zertifizierter Projektmanager ihn an die Kandare nähme?“
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projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2015 56 WISSEN sonell überbesetzt ist und Entlassungen unvermeidlich sind. Und wer muss gehen? Natürlich Fritz Fleißig. Er wird fristlos entlassen weil er „Motivationsdefizite und eine negative Arbeitseinstellung“ im Projekt hat. Die Berater bekommen einen fetten Auftrag, das notleidende Projekt abzuwickeln, und leiern gleich eine Restrukturierung des gesamten Unternehmens an. Kurze Zeit später geht das Unternehmen in die Insolvenz und wird mit Steuermillionen gerettet. Und die Moral von der Geschicht? Im Märchen „Aschenputtel“ kommen die „Guten“ ins Töpfchen und die „Schlechten“ ins Kröpfchen. Doch leider besteht die Arbeitswelt nicht aus Märchen. Autorin Jacqueline Irrgang managt mit Herz und Verstand Projekte und hat sich auf Kundenservice spezialisiert. Sie ist studierte Wirtschaftsinformatikerin, diplomierter systemischer Coach sowie Executive Interimsmanagerin und schaut auf über 30 Jahre Projektarbeit zurück. Nach dem Motto „Projektmanagement mal ganz anders“ hat sie das Buch „Tatort Projekt“ veröffentlicht. Ihr Lebensprojekt: Sie möchte Service-Päpstin von Deutschland werden. Anschrift: E-Mail: j.irrgang@ccq.de Der Projektmanager macht sich sogleich an die Arbeit. In der ersten PowerPoint-Präsentation stellt er wunderbar dar, dass die Ampel auf Gelb und das Projekt somit auf dem kritischen Pfad ist. Aber er als Retter hat natürlich die Lösung parat und erklärt mit kurzen Worten, wie er das ändern will. Und einen Projektablaufplan hat er auch gleich erstellt. Aufbereitet in eine schöne Grafik zur besseren Visualisierung der Produktivität und des Projektfortschritts, schickt er dies zum Chef per E-Mail. Der Chef ist hin und weg. Damit kann er nun in der Vorstandssitzung glänzen und wird bald ein noch wichtigerer Chef mit einem noch höheren Bonus sein. Ganz im Rausch bewilligt der Chef alles, was der Projektmanager will. Denn das Project Office bewältigt die immer neu erfundenen Auswertungen nicht mehr. Es wird vergrößert und sogar ein großer Farblaserdrucker wird angeschafft. Das Projekt, in dem Fritz arbeitet, wird zu einem traurigen Ort, wo niemand mehr lacht und alle nur Angst haben. Fritz Fleißig bildet hier keine Ausnahme. Denn wo er früher seine Arbeitszeit mit dem Projekt verbracht hat, muss er heute an endlosen Sitzungen teilnehmen und irgendwelche Formulare ausfüllen. Dem Projektmanager ist diese schlechte Stimmung nicht entgangen, und er überzeugt den Chef, eine Umfrage zur Erhebung der Mitarbeiterzufriedenheit durchzuführen. Der Chef fackelt nicht lange und beauftragt eine amerikanische Unternehmensberatung, um Verbesserungen in dem notleidenden Projekt vorzuschlagen. Die weisen Berater verbringen fast ein Jahr mit ihrem Projektaudit bei Fritz und seinen Kollegen und erstellen einen umfassenden Bericht. Im Bericht steht, dass das Projekt per- In einem fernen Land lebt ein fleißiger Mann, der jeden Tag pünktlich zur Arbeit erscheint, der nie krank ist und in time and budget seine Projektarbeit erledigt. Sein Name ist Fritz Fleißig. Er ist ein sehr guter und motivierter Projektmitarbeiter und sein Chef ist sehr zufrieden mit ihm. Doch eines Tages liest der Chef einen Bericht in einem Wirtschaftsmagazin über Effizienz und höheren Gewinn. Und er denkt sich: „Hm, wenn Fritz schon jetzt so gut arbeitet, ohne dass ihm einer auf die Finger schaut, wie produktiv wäre er erst, wenn ein zertifizierter Projektmanager ihn an die Kandare nähme? “ Beflügelt von dem Gedanken, noch mehr Effizienz und somit noch mehr Geld im eigenen Säckli zu haben, sucht der Chef einen zertifizierten Projektmanager mit langjähriger Führungserfahrung. Viele Bewerbungsgespräche später findet er den idealen Kandidaten. Der ist nicht nur führungserfahren, sondern er liebt Zahlen über alles und kann Berichte unterschiedlicher Couleur erstellen. Außerdem führt er konsequent nach Zahlen. „Perfekt, da kann ja nichts mehr schiefgehen“, denkt sich der Chef und lässt dem neu eingestellten Projektmanager freie Hand. Eine Woche lang weicht der Projektmanager nicht von Fritzchens Seite. Und nachdem er sich alles genau angeschaut hat, ist ihm sehr schnell klar, was die ersten Schritte sein müssen: 1. Einführung einer Stempeluhr 2. Einführung eines Project Office für die Aufbereitung von Projektberichten und Erstellung von PowerPoint-Folien 3. Änderung der Berichtslinie: Fritz Fleißig berichtet ab sofort an den Projektmanager und nicht mehr an seinen Chef. Projektgeflüster Psst … schon gehört? Die „Guten“ ins Kröpfchen und die „Schlechten“ ins Töpfchen Autorin: Jacqueline Irrgang