eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 26/2

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0886
UVK Verlag Tübingen
31
2015
262 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Das institutionelle Scheitern von Projekten – Public Project Management

31
2015
Andreas Schmid
Bastian Hanisch
Im öffentlichen Sektor scheitern Projekte regelmäßig und besonders öffentlichkeitswirksam. Da das Projektmanagement in den letzten Jahrzehnten einen Quantensprung erfahren hat, verwundert dieser Befund. Der Beitrag liefert einen Überblick über die Gründe für das Scheitern von Projekten. Diese sind im Wesentlichen auf die konstituierenden Eigenschaften des öffentlichen Sektors und die innewohnenden politischen Prozesse zurückzuführen. Es werden die Zusammenhänge und Herausforderungen des Projektmanagements im öffentlichen Kontext dargestellt. Anhand dieser können konkrete Empfehlungen für ein erfolgreiches Projektmanagement im öffentlichen Sektor gegeben werden.
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ERFAHRUNG 15 projektManagementaktuell | AUSGABE 2.2015 Projekte der öffentlichen Verwaltung scheitern regelmäßig und unabhängig davon, ob es sich um Infrastrukturprojekte oder Verwaltungsreformvorhaben handelt. Da das Projektmanagement in den letzten zwei Jahrzehnten theoretisch und praktisch einen Quantensprung erfahren hat, verwundert dieser Befund. Naheliegend ist, dass die konstituierenden Eigenschaften des öffentlichen Sektors und die innewohnenden politischen Prozesse ein adäquates Projektmanagement bewenn nicht sogar verhindern. Nachfolgend sind die Zusammenhänge und Herausforderungen in diesem Kontext dargestellt. Hierauf basierend sind Handlungsempfehlungen expliziert, die sich in der Praxis bewährt haben. 1. Scheitern von Projekten im Kontext des Politischen Es lassen sich viele Beispiele von Projekten im öffentlichen Sektor anführen, deren ursprüngliche Ziele nicht erreicht wurden (z. B. Projekt ELENA, „Elektronischer Entgeltnachweis“), deren Finanzrahmen und Zeitplan nicht gehalten werden können (z. B. Flughafen Berlin) oder deren Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit nachgewiesenermaßen inexistent sind [1] (z. B. Projekt NSI „Neue Steuerungsinstrumente“ [2]). Zusammengefasst identifizieren die Beobachter vier wesentliche Ursachen für das Scheitern der Projekte: • Durch die politische Besetzung von Projektfunktionen mangelt es an inhaltlichem Sachverstand. Die Sachebene tritt zugunsten der politischen Ebene in den Hintergrund [3, 4]. Die wissenschaftliche Literatur spricht im deutschen Kontext vom Staat der Juristen [5], da die verwaltungspolitische Elite aus diesem Wissenschaftszweig besteht. Luhmann stellt in diesem Kontext bereits 1966 fest, dass sich Zweck/ Mittel-Logiken wirtschaftlicher Planung einem Juristen nicht erschließen können [6]. Eine schlechte Voraussetzung, um Projekte adäquat zu besetzen. • Das öffentliche Vergaberecht wird oftmals mit dem Hinweis kritisiert, dass es die Lösung mit dem geringsten Preis bevorzugt, anstatt das wirtschaftlichste Angebot anzunehmen [7, 8]. Bei Bauprojekten werden Angebote gestückelt, was die Projektkomplexität treibt und sich als Einfalltor für Nachträge herausstellt [8]. • Durch fehlendes Fachwissen ist der öffentliche Auftraggeber gegenüber dem privaten Auftragnehmer im Nachteil. Informationsasymmetrien sind die Folge, wodurch Kostenüberschreitungen u. a. als systembedingt und unvermeidbar deklariert werden können [9]. • Politik und Verwaltung definieren sich über Gemeinwohlziele, Legislaturperioden bestimmen das politische Handeln. Öffentliche Projekte müssen die Wohlfahrt politischer Entscheider steigern. Projekte mit dem Ziel „Zustimmung“ möglichst „klein“ zu rechnen, um von der (öffentlichkeitswirksamen) Entscheidung zu profitieren, ist reizvoll. Spätere Kostensteigerungen bleiben selten am eigentlichen Initiator hängen [10]. Alle vier Ursachen ließen sich durch das Handeln von Akteuren (Politik, Verwaltung, Aufsichtsgremien etc.) zumindest beeinflussen bzw. in eine gewünschte Richtung lenken. Personelle Besetzungen könnten anders erfolgen, das Vergaberecht lässt Spielräume, Informationsasymmetrien ließen sich mittels geeigneten Projektmanagements beseitigen und das Gemeinwohl muss „richtig“ verfolgt werden. Es ist daher offensichtlich, dass es am notwendigen Veränderungswillen oder Veränderungskönnen fehlt. Grund hierfür sind die konstituierenden Eigenschaften des Polidas institutionelle scheitern von projekten - Public Project Management Andreas Schmid, Bastian Hanisch >> Für eilige Leser Im öffentlichen Sektor scheitern Projekte regelmäßig und besonders öffentlichkeitswirksam. Da das Projektmanagement in den letzten Jahrzehnten einen Quantensprung erfahren hat, verwundert dieser Befund. Der Beitrag liefert einen Überblick über die Gründe für das Scheitern von Projekten. Diese sind im Wesentlichen auf die konstituierenden Eigenschaften des öffentlichen Sektors und die innewohnenden politischen Prozesse zurückzuführen. Es werden die Zusammenhänge und Herausforderungen des Projektmanagements im öffentlichen Kontext dargestellt. Anhand dieser können konkrete Empfehlungen für ein erfolgreiches Projektmanagement im öffentlichen Sektor gegeben werden. PM-aktuell_2-2015_Inhalt_01-60.indd 15 27.03.2015 10: 39: 42 Uhr projektManagementaktuell | AUSGABE 2.2015 16 ERFAHRUNG • nichtstandardisierte Technologie und konstruktive Ausführung • oft Festlegung auf eine Lösungsvariante zu einem frühen Zeitpunkt; daraus resultierend „Lock-in“-Effekte bzw. unzureichende Berücksichtigung von Lösungsalternativen • Probleme aus der Prinzipal-Agenten-Beziehung aufgrund des hohen Projektvolumens [32] • signifikante Veränderung des Projektumfangs („Scope“) über die Laufzeit • mangelhafte Berücksichtigung von Komplexität und ungeplanten Vorkommnissen bei Budget- und Zeitpuffer • falsche Informationen über Kosten, Zeitpläne, Nutzen und Risiken während Projektplanung und Entscheidungsfindung • Kostenüberschreitungen und Nutzenminderungen bis hin zur Gefährdung der Durchführbarkeit des Projekts Gerade bei Projekten mit langer Laufzeit existiert eine Unsicherheit über die Erreichung der Projektziele, bspw. aufgrund von Veränderungen im Umfeld, technologischer Unsicherheit oder nicht absehbaren Risiken. Trotzdem werden grundlegende Risikomanagementtechniken in Projekten oft nicht genutzt [33]. Governance und klare Verantwortlichkeiten sind ein wesentlicher Erfolgsfaktor in Projekten. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Projekterfolg alleine in der Hand des Projektteams liegt. Der Auftraggeber ist mitverantwortlich für Planung, Durchführung und Zielerreichung des Projekts [34]. Turner nennt vier notwendige (aber nicht hinreichende) Bedingungen für den Projekterfolg [35]: • Vor dem Start des Projekts sollten Erfolgskriterien mit den Stakeholdern vereinbart und zu festgelegten Review-Terminen während der Projektlaufzeit überprüft werden. • Zwischen Auftraggeber und Projektleiter sollte eine auf Zusammenarbeit basierende Arbeitsbeziehung gepflegt werden: Beide sehen das Projekt als partnerschaftliches Unterfangen. • Der Projektleiter sollte genügend Handlungsspielraum haben, um mit unvorhergesehenen Entwicklungen umzugehen, während der Auftraggeber im Sinne von Leitlinien vorgibt, wie aus seiner Sicht die Projektziele am besten erreicht werden können. • Der Auftraggeber sollte aktives Interesse am Fortgang des Projekts zeigen. Als Folge der spezifischen Anforderungen an Projekte bzw. Projektteams wurden umfassende Projektmanagementstandards [37, 38, 39], -normen [40] und -werkzeuge (z. B. Projektmanagementanerkannten Regeln guten Projektmanagements beherzigen und die Instrumente im Kontext des Politischen adäquat justieren. 2. Grundlagen des Projektmanagements Projekte unterscheiden sich durch spezifische Charakteristika von Standardprozessen in permanenten Organisationen. Aufgrund ihrer zeitlichen Beschränkung und der Einzigartigkeit der Aufgabeninhalte ergeben sich z. B. wechselnde Personalkonstellationen, fehlende organisationale Routinen, Kurzfristorientierung sowie interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen internen und externen Experten [16, 17, 18, 19]. Projekte werden oft jenseits traditioneller Hierarchien durchgeführt und benötigen deshalb spezifische Anreizsysteme sowie Mechanismen der Personalführung und Koordination [20, 21, 22, 23]. Zur Messung des Projekterfolgs gilt in der klassischen Projektmanagementliteratur das „goldene“ bzw. „eiserne“ Dreieck aus Zeit - Kosten - Ergebnis/ Qualität als ultima ratio [24]. In neueren Beiträgen wird oft feiner differenziert in [25, 26, 27, 28]: • Projektmanagementerfolg: Einhaltung der Rahmenvorgaben (z. B. Zeit, Kosten, Ergebnis, Qualität); effizienter Einsatz der Projektressourcen • Projekterfolg: Erfüllung der - von unterschiedlichen Stakeholdern vorgegebenen - expliziten und impliziten Ziele des Projekts (z. B. Kundenzufriedenheit); effektives Projektergebnis Der Projektmanagementerfolg trägt zum Projekterfolg bei, ist aber von nachrangiger Bedeutung, wenn der Projekterfolg nicht erzielt wird. Umgekehrt kann der fehlende Projektmanagementerfolg in den Hintergrund rücken, wenn der Projekterfolg gegeben ist. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist das Sydney Opera House: Trotz 14-facher Budgetüberschreitung und einer dreimal längeren Bauzeit als geplant zieht das Bauwerk Touristen aus aller Welt an und gilt als das Sinnbild für Sydney; auch der wirtschaftliche Erfolg durch eine hohe Auslastung des Hauses ist gegeben [29, 30]. Bei derartigen Großprojekten sind besondere Herausforderungen zu bewältigen [31]: • hohe Risiken aufgrund langer Planungshorizonte und komplexer Schnittstellen • Interessenkonflikte bei Entscheidungsfindung, Planung und Management durch eine hohe Anzahl von Beteiligten tischen, die eine effiziente und effektive Projektsteuerung bebzw. verhindern. Zwei Elemente des Politischen können als allgemein anerkannt angesehen werden: „Gemeinwohl“ und „Macht“ [11]. In der wissenschaftlichen Literatur wird oftmals das „Gemeinwohl“ mit der Bearbeitung „gesellschaftlicher Probleme“ gleichgesetzt. Es geht dabei „… um den gesamten politischen Prozess von der Problemwahrnehmung und Problemdefinition, Agendagestaltung …“ [12]. Ob und in welcher Form Gemeinwohlziele mit politischen Entscheidungen im konkreten Fall wirklich verfolgt werden, ist ein viel diskutiertes Thema. Der „Macht“ kommt im politischen System eine zentrale Bedeutung zu, denn sie ist der Garant für die gesamtgesellschaftliche Verbindlichkeit von politischen Entscheidungen [13]. Ohne das Zurückgreifen auf eine durchsetzungsfähige und verfassungskonforme Gewalt sind Sanktionierungen und damit das Durchsetzen von Entscheidungen unmöglich. Neben dieser formalen Voraussetzung geht es in der praktischen Politikgestaltung jedoch um mehr als um den Einsatz der Macht für die Zwecke des Gemeinwohls: „Tatsächlich geht es in der Politik keineswegs immer und primär um Aufgabenerfüllung, Leistungsorientierung und Problemlösung, sondern oft in erster Linie um Gewinn und Erhalt von politischer Macht. Politische Parteien ebenso wie einzelne Politiker suchen Macht nicht nur, um bestimmte kollektive Ziele zu erreichen bzw. Probleme zu lösen, sondern auch, um gruppenspezifische Partikularinteressen zu fördern, ihre Patronagechancen zu erweitern, Pfründe zu erwerben und die Ausübung von Macht zu genießen“ [14]. Zu den Elementen „Gemeinwohl“ und „Macht“ tritt die Öffentlichkeit des politischen Raumes. Das politische System in Deutschland ist als ein Netzwerk aus Parteien, Bürgern, Gewerkschaften, Lobbyisten etc. zu verstehen. Der Staat ist nur noch „primus inter pares“, da die Vorbereitung von exekutiven und legislativen Entscheidungen delegiert werden kann und ein Zusammenwirken von staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren unabdingbar wird [15]. Projekte des Staates stehen damit immer in der Öffentlichkeit - anders, als dies bei Projekten im privaten Sektor der Fall ist. „Gemeinwohl“, „Macht“ und „Öffentlichkeit“ spielen in staatlichen Projekten eine zentrale Rolle. Sie interagieren mit allgemeinen Projektherausforderungen. Erfolgreiche öffentlichen Projekte müssen daher methodisch ansetzen: die PM-aktuell_2-2015_Inhalt_01-60.indd 16 27.03.2015 10: 39: 42 Uhr ERFAHRUNG 17 projektManagementaktuell | AUSGABE 2.2015 Vorgehen widerspricht der Projekteigenschaft „Einmaligkeit“. Eine kompetenzgetriebene Projektbesetzung findet nicht statt. • Die Gemeinwohlorientierung blendet die betriebswirtschaftliche Perspektive aus. Die Gewinnerzielungsabsicht und die Endlichkeit von Ressourcen führen in der Privatwirtschaft zum permanenten Hinterfragen der Kosten-Nutzen-Relationen von Projekten. Mit dem Hinweis auf das „Gemeinwohl“ liegt bei öffentlichen Projekten hingegen immer eine Begründung für mögliche Unwirtschaftlichkeiten parat. Zudem sind steigende öffentliche Projektkosten im Gegensatz zur privaten Wirtschaft immer finanzierbar. Ein wirtschaftliches Handeln ist unter diesen Bedingungen nicht zu erwarten. • Macht führt zu dysfunktionalen Projektergebnissen. Jedwedes Scheitern wird im öffentlichen Sektor als Machtverlust verstanden. Daher ist „Scheitern“ keine Projektoption. Es wird wider besseres Wissen an Projekten weitergearbeitet und damit Ressourcen verschwendet. Im privaten Sektor wird der Abbruch eines Projekts z. B. als Führungsstärke anerkannt und kann karrierefördernd wirken. • Fehlende Anreizsysteme behindern ein effektives Projektmanagement. Aufgrund des öffentlichen Vergütungsrechts und des fehlenden politischen Willens sind monetäre Projektanreize unterentwickelt. Die Motivation, sich typischen Projektverläufen zu stellen (z. B. Mehr- und Wochenendarbeit), ist eingeschränkt. Hinzu trifft, dass die formalisierten einem Projektmanagement im öffentlichen Sektor nicht nur berücksichtigt, sondern aktiv bearbeitet werden müssen. Die nachfolgenden Sachverhalte machen deutlich, dass der Einsatz einer anerkannten Projektmanagementmethodik immer hilfreich ist, das politische Umfeld jedoch ein konkretes Eingreifen erfordert: • Die Personalauswahl erfolgt unter politischen Gesichtspunkten. Die Qualifikationen des Projektpersonals spielen bei der Auswahl eine untergeordnete Rolle. Um einen Einfluss in Projektentscheidungsprozessen zu sichern, sind taktische Überlegungen der Organisationsführung zu beobachten. Es existieren z. B. persönliche Bindungen zum designierten Projektleiter, um ein Projekt möglichst konfliktarm durchführen zu lassen. Die Motivation für eine solche Personalauswahl ist in der Machtsicherung und Bequemlichkeit der Entscheider zu suchen. Hierbei spielen Netzwerke innerhalb öffentlicher Organisationen eine große Rolle. Diese werden über lange Betriebszugehörigkeiten und eine fehlende Fluktuation gefördert. • Die hierarchische Organisation fördert Inkompetenz. Entlang der Projekthierarchie, z. B. Lenkungsausschuss - Projektleitung - Teilprojektleitung, verläuft bei öffentlichen Projekten in fast identischer Weise die Linienhierarchie. Im Lenkungsausschuss sitzen Politiker und/ oder Spitzenbeamte, auf unterster Ebene im Projektteam ist die Sachbearbeitung vertreten. Was in der Linie scheinbar funktioniert, muss daher auch im Projekt funktionieren. Dieses software) [41] entwickelt. Deren Auswirkungen auf den Projekterfolg sind nicht unumstritten [42]. Grundsätzlich gilt, dass diese Lösungen und Techniken nur unterstützend wirken können und nicht automatisch zum Projektmanagementerfolg (geschweige denn zum Projekterfolg) führen. Das Bundesverwaltungsamt als zentraler Dienstleister des Bundes hat ebenfalls eine eigene Methodik entwickelt: 2012 wurde die „S-O-S- Methode © für Großprojekte“ vorgestellt [43]. Die S-O-S-Methode gruppiert 13 Erfolgsfaktoren in drei Kategorien und ordnet diesen Kategorien jeweils die in Tabelle 1 dargestellten methodischen Lösungsdisziplinen zu. Zu jeder Lösungsdisziplin werden Hinweise für den korrekten und vollständigen Einsatz gegeben. Bei genauerem Hinsehen unterscheiden sich die Inhalte nicht wesentlich von anderen Projektmanagementmethoden, wie sie zur effektiven Steuerung auch in kleineren Projekten eingesetzt werden sollten. Die Problematik in der praktischen Anwendung ist, wie bei anderen Projektmanagementmethoden auch, dass es eine formale Arbeitshilfe ist, die in der konkreten Anwendung kaum einen inhaltlichen Mehrwert liefert. Sie ist daher in einem komplexen politischen Umfeld eher eine Absicherung denn ein Entscheidungs- oder Impulsgeber. 3. Projektmanagement im politischen Spannungsfeld „Gemeinwohl“, „Macht“ und „Öffentlichkeit“ führen zu verschiedenen Herausforderungen, die von Erfolgskategorie Erfolgsfaktoren Methodische Lösungsdisziplin S - Strategische Ausrichtung • Klare Projektziele • Nutzen und Wirtschaftlichkeit sind wohldefiniert • Alignment der maßgeblichen Stakeholder • Minimaler, stabiler Projektumfang • Robuste Vertragsgrundlage • Festlegung/ Überprüfung Projektrahmenbedingungen • Vergabe- und Vertragsmanagement O - Organisatorisches Umfeld und Projektmitarbeiter • Unterstützung durch Organisationsleitung • Erfahrener Projektleiter • Erfahrenes und motiviertes Projektteam • Ausgewogener Mix aus internen und externen Mitarbeitern • Einbeziehung der Nutzer • Festlegung/ Überprüfung Projektorganisation • Personalmanagement • Kommunikationsmanagement • Veränderungsmanagement S - System- und Methodenunterstützung • Verlässliche Schätzungen und Pläne, Mindesttransparenz zum Projektstatus • Angemessene Methoden, Verfahren und Werkzeuge • Standardisierte, bewährte Technologien • Projektplanung • Anforderungs- und Änderungsmanagement • Qualitätsmanagement • Risikomanagement Tab. 1: S-O-S-Methode © für Großprojekte: Erfolgskategorien, Erfolgsfaktoren und methodische Lösungsdisziplinen PM-aktuell_2-2015_Inhalt_01-60.indd 17 27.03.2015 10: 39: 42 Uhr projektManagementaktuell | AUSGABE 2.2015 18 ERFAHRUNG nungshofberichten finden sich nicht selten Anmerkungen, die vielleicht aus formaler Perspektive nachvollziehbar sind, aber keinen wirklichen Mehrwert liefern. 4. Ansatz eines Public Project Management Die Anforderungen an ein öffentliches Projektmanagement führen zu der Frage, wie ihnen adäquat begegnet werden kann. Aus den Erfahrungen zahlreicher Projekte lässt sich ein Ansatz für ein Public Project Management ableiten, der in Abbildung 1 dargestellt ist. Es handelt sich dabei um eine Sammlung von Projektstruktur und -inhalt gebenden sowie Instrumente gestaltenden Empfehlungen, um den Projekten im politischen Spannungsfeld eine Hilfestellung zu geben. Struktur steht für den Aufbau und den Ablauf eines Projekts. In den meisten öffentlichen Organisationen existieren hierzu definierte Vorgaben. Diese umfassen u. a. die Gremienbildung (z. B. den Lenkungsausschuss), die Rollenbeschreibungen (z. B. Projektleitung, Teilprojektleitung), die Informations- und Kommunikationswege (z. B. Sitzungszyklen) und schließen oftmals sogar Formalien (z. B. Statusberichte, Formblätter) mit ein. Projekte sind durch ihre Einmaligkeit gekennzeichnet, trotzdem gehen öffentliche Organisationen mit einem Standardbaukasten an Projekte heran. Diese allgemeinen Vorgaben sind als „Grund-Setting“ sicherlich hilfreich, gleichwohl unterstützen und fördern sie im öffentlichen Sektor die Absicherung der Projektverantwortlichen mittels Formalismus. Wenn die Formalien eingehalten wurden, kann nichts falsch gemacht worden sein. Dieser Habitus behindert innovative Lösungen und das Festhalten an den initialen, zwischenzeitlich vielleicht gar nicht mehr erreichbaren, Projektzielen. Ein Lösungsansatz ist nicht, reaktive Vorgaben für den Aufbau und den Ablauf eines Projekts zu machen, sondern im Sinne eines Profiling projektspezifische Lösungen zu entwickeln. Hierzu gehört ein Customizing der Aufbau- und Ablauforganisation und der zugehörigen Instrumente. Es kann z. B. sinnvoll sein, bei einem großen Projekt mit externer Beteiligung zwei Lenkungsausschüsse zu bilden. Einen mit Externen und einen ausschließlich intern. Die Kommunikations- und Interaktionsvorteile liegen auf der Hand. Projektspezifischer Customizing- Bedarf ist offensichtlich, aufwendig, aber für das richtige Aufsetzen von Projekten unabdingbar. • Die Macht der Veto-Akteure befördert Widerstände und führt zu dysfunktionalen Projektergebnissen. Projekte im öffentlichen Sektor werden durch Veto-Positionen von Akteuren beeinflusst. Hierzu zählen beispielsweise Betriebs- und Personalräte sowie Datenschutzbeauftragte. Auch in privaten Organisationen existieren Veto-Positionen, die sich jedoch dadurch von öffentlichen Veto-Positionen unterscheiden, dass sie den Blick für das Machbare nicht aus dem Auge verlieren dürfen. Die „privaten“ Veto-Akteure würden sonst am Ast sägen, auf dem sie sitzen. Diese Existenzangst haben „öffentliche“ Veto-Akteure nicht. Ergebnis sind zahlreiche Projekte mit dysfunktionalen Projekteergebnissen (z. B. Business Intelligence-Projekte ohne Nutzen aufgrund des Datenschutzes, Verwaltungsreformprojekte ohne Nutzen aufgrund fehlender Anreizsysteme). • Die Öffentlichkeit der Projekte führt zu vorsichtigem Agieren. Im demokratischen Rechtsstaat muss jedes staatliche Handeln einer öffentlichen Wahrnehmung und Kontrolle unterworfen sein. Daher stehen Projekte immer im Fokus der Öffentlichkeit, was im privaten Sektor so nicht der Fall ist. Diese explizite öffentliche Wahrnehmung ist Projektverantwortlichen bekannt. Dies führt dazu, dass vorsichtig agiert wird und Projektentscheidungen mehrfach abgewogen werden. Schnelles Agieren ist unter diesen Bedingungen kaum möglich. • Die Macht der Rechnungshöfe kann kontraproduktiv sein. Die Rolle und Funktion der Rechnungshöfe ist nicht infrage zu stellen. Gleichwohl werden sie Projekte immer bemängeln müssen, weil dies schließlich der eigenen Existenzberechtigung dient. In Rech- Vergütungsgruppen einen wirklichen Entwicklungspfad aufgrund z. B. guter Projektarbeit nicht hergeben. Es gibt keine Laufbahnperspektive „Projektmanagement“. • Der Formalismus des Juristenstaates behindert gutes Projektmanagement. Projekte verlaufen bekanntermaßen selten wie geplant. Im Projektverlauf muss auf unvorhergesehene Ereignisse schnell und sachgerecht reagiert werden. Die Konditionierung des öffentlichen Sektors in Deutschland auf Rechtmäßigkeit („Juristenstaat“) verklärt im Projektverlauf den Blick für das Machbare und Sinnvolle. Es wird aus formalen Gründen an initialen Zielen festgehalten, weil diese beschlossen und damit unangreifbar sind. Dies fördert den Formalismus (z. B. Länge und Inhalt von Protokollen) und das Absicherungsverhalten von Projektverantwortlichen, die ein sinnvolles und effizientes Projektmanagement verhindern. • Macht führt zu einem Missbrauch öffentlicher Projektmanagementinstrumente. Es gibt zahlreiche externe und interne Richtlinien, die in öffentlichen Projekten als Managementinstrumente zu nutzen sind. An dieser Stelle sei in aller Kürze nur auf eine der prominentesten, die IT-Wirtschaftlichkeitsbetrachtung (IT-WiBe), kurz eingegangen. Mit der IT-WiBe erfolgen eine Vor-, regelmäßige Zwischen- und eine Abschlusskalkulation nach definierten Vorgaben zur Ermittlung der Wirtschaftlichkeit von Projekten. Die Praxis zeigt, dass politisch gewollte Projekte ex-ante immer ihre Wirtschaftlichkeit beweisen, auch wenn sie ex-post unwirtschaftlich sind. Kriterien der IT- WiBe werden in der Projektanbahnungsphase so lange verändert („schöngerechnet“), bis sich ein positiver Kapitalwert einstellt. Abb. 1: Ansatz für ein Public Project Management PM-aktuell_2-2015_Inhalt_01-60.indd 18 27.03.2015 10: 39: 44 Uhr ERFAHRUNG 19 projektManagementaktuell | AUSGABE 2.2015 maximierung betrieben, die zu einem hieraus resultierenden unangebrachten Einsatz Externer führt. Vorhandene Budgets werden konsequent ausgegeben. Die Eigenleistungsfähigkeit wird ignoriert, wodurch Projektmittel verschwendet werden. Plastisch zu beobachten ist dies in Projekten, in denen das Projektbüro durch Externe besetzt ist, Externe Protokolle schreiben, Präsentationen durch Externe vorbereitet werden und, nicht zu vergessen, Externe den Projektausflug und/ oder die Weihnachtsfeier organisieren. Diese „Leistungen“ haben nichts mit Expertenwissen für die erfolgreiche Durchführung von Projekten zu tun. Aus einer Position der Bequemlichkeit heraus verlassen sich interne auf die externen Dienstleister, was einen mangelhaften Wissenstransfer zur Folge hat. Dieser Wissensnachteil kombiniert sich nicht selten mit einem für die öffentliche Hand typischen Habitus der hierarchischen Machtposition: Der Interne verfügt über die finanziellen Ressourcen. Projektmitarbeiter denken, dass sie das Heft des Handelns in der Hand halten, in Wirklichkeit haben sie es längst verloren. Zu dieser Einsicht kommt es erst, wenn ein Projekt scheitert und selbstverständlich der Externe die alleinige Verantwortung trägt. Ein Lösungsansatz ist, die richtige Balance zwischen Externen und Internen herzustellen. Dies bedeutet z. B. die Eigenleistungsfähigkeit zu hinterfragen und zu bestimmen sowie die Schlüsselpositionen im Projekt so weit wie möglich intern zu besetzen oder zumindest intern abzusichern. Wesentkein Lösungsgremium mehr, sondern ein Gremium der „Political Correctness“ mit einer klaren Hierarchie. Halbwahrheiten, Fehlinformationen und geschönte Zahlen sind vorprogrammiert. Ein Lösungsansatz ist eine fundamental andere Auswahl von Personal und Verantwortlichkeiten. Auf Basis des Projektinhalts müssen geeignete Profile beschrieben werden. Diese sind im Anschluss in der eigenen Organisation zu suchen. Für einen Großteil der Projekte finden sich die geeigneten Skills in der eigenen Organisation nicht. Hierbei unterscheidet sich die öffentliche Hand kaum von der privaten. Konsequenz wäre, sich Experten zu bedienen, die entsprechende Kenntnisse und Fähigkeiten besitzen. Es hat sich beispielsweise bei vielen öffentlichen Projekten gezeigt, dass die zeitlich befristete Besetzung einer Projektleitung durch einen Externen sehr fruchtbar sein kann. Ihr fehlt es an Betriebsblindheit, an persönlichen Beziehungen und die Fokussierung (inkl. der Incentivierung) liegt auf dem Projekt. Ein Scheitern im Projekt ist nicht gleichbedeutend mit einem Scheitern in der Organisation, was den Druck deutlich mindert. Balance steht für eine ausgeglichene Besetzung von Projektteams durch Interne und Externe. Heutzutage können Projekte kaum noch ohne externes Expertenwissen auskommen, was in weiten Teilen auch für den privaten Sektor gilt. Im öffentlichen Sektor wird oftmals unter dem Vorwand der Gemeinwohlorientierung Budget- Auswahl steht für eine geeignete Personalauswahl und die adäquate Besetzung von Gremien. Dieser Sachverhalt ist deshalb so wichtig, weil in öffentlichen Organisationen die Besetzung von Schlüsselpositionen in Projekten nicht von fachlichen, sondern von politischen Motiven geleitet wird. Aus diesem Grund ist es keine Seltenheit, dass - unabhängig vom Projektgegenstand - die gleichen Personen in verschiedenen Lenkungsausschüssen Verantwortung übernehmen. Veto-Positionen und Konsenskulturen werden gefördert, da Persönliches das Projektfachliche überlagert. Hinzu tritt das Problem, dass die stark eingeschränkten Möglichkeiten der Incentivierung von Projektverantwortlichen dazu führen, dass die grundsätzliche Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, systemimmanent beschnitten ist. Folge ist, dass geeignetes Personal, insbesondere solches mit Projekterfahrungen, keine Projektverantwortung mehr übernehmen will. Die fehlerhafte Besetzung von Projektgremien und Schlüsselpositionen ist eine der häufigsten (unbewussten) Fehlerquellen beim Aufsetzen von Projekten. Je größer und wichtiger ein Projekt ist, umso besser lässt sich dies veranschaulichen. In Projekten mit ministerieller Beteiligung im Lenkungsausschuss besteht seitens ihrer Vertreter ein Habitus von Kunde (Ministerium) und Lieferant (Projekt). Hier kommt politische Macht zum Ausdruck, die sich auf unser politisches System und die zugehörige Verwaltungshierarchie stützt. Damit ist der Lenkungsausschuss von vornherein Seminare für Projektmanager: «Projektmanagement - Methodik und Instrumente» vom 4. - 6. Mai 2015; «Process Engineering mit Lean Six Sigma» vom 5. - 6. Mai 2015; «Selbstmanagement im Projekt» startet am 7. Mai 2015; «Scrum für Entscheidungsträger/ innen» am 8. Mai 2015; «Frühjahrstagung Projektmanagement: Robin Hood im Project Forest» am 19. Mai 2015. Details unter: www.bwi.ch Trauen Sie sich ein komplexes Projekt zu? Anzeige PM-aktuell_2-2015_Inhalt_01-60.indd 19 27.03.2015 10: 39: 44 Uhr projektManagementaktuell | AUSGABE 2.2015 20 ERFAHRUNG der Ankündigung, dass zukünftig für alle großen Vorhaben regelmäßige Statusberichte erstellt würden. Warum dies nicht längst geschehe, begründete er damit, dass derartige Statusberichte sehr technisch und deshalb nicht für Politiker geeignet seien [47]. Dies lässt folgende Schlüsse zu: Entweder Politiker oder die verwendeten Statusberichte sind für die effektive Steuerung derartiger Projekte ungeeignet - oder beides. Generell sind Projektmanagementinstrumente und -methoden heute in diversen Ausprägungen verfügbar. Der entscheidende Punkt ist nicht die Nutzung, sondern die konsequente Anwendung der Instrumente. Sie sind nämlich nur Hilfsmittel, ohne die ein Projekt nicht effektiv gesteuert werden kann: A fool with a tool is still a fool! Als Lösungsansatz bietet sich eine Auswahl der einzusetzenden Instrumente nach deren Steuerungsrelevanz für das jeweilige Projekt an. Zusätzlich müssen die Projektbeteiligten qualifiziert in der steuerungsunterstützenden Anwendung der Werkzeuge sein, d. h. gegebenenfalls vor Projektbeginn entsprechend geschult werden. Die Etablierung eines Steuerungskreises in Projekten kann mit einfachen Mitteln wie Statusberichten, Protokollen und Aktionslisten durchaus gelingen, wenn sie effektiv genutzt werden. Ein weiterer effektiver Steuerungsmechanismus ist die Nutzung sogenannter „Quality Gates“. Bei der Projektplanung wird definiert, welche Projektergebnisse zu welchen Zeitpunkten in welcher Qualität (inklusive messbarer Qualitätskriterien) vorliegen müssen. Zu diesen Meilensteinen erfolgt die Prüfung der Ergebnisse - bei einem hohen Bedarf an Unabhängigkeit gegebenenfalls durch externe Gutachter. Diese können neben den Projektergebnissen gegebenenfalls auch den Grad der Einhaltung der Projektmanagementmethodik auditieren. Ein weiteres wichtiges Instrument in Projekten ist das Risikomanagement. Projekte arbeiten per definitionem unter Unsicherheit. Effektives Risikomanagement ist aufwendig, kann jedoch Vorkommnisse wie Kostensteigerungen oder die Nichterreichung der Projektziele zumindest eindämmen. Ein Beispiel hierfür ist die Planung der Olympischen Spiele 2012 in London. Auf Basis einer detaillierten Risikobetrachtung aller ca. 14.000 Einzelposten des Projekts wurde zusätzlich zu den errechneten Kosten von 6,3 Mrd. GBP ein Risikopuffer in Höhe von 2,8 Mrd. GBP eingeplant und die Gesamtsumme an die Öffentlichkeit kommuniziert. Der Aufwand für das Risikomanagement hat sich ausgezahlt: Die „Olympic Delivery Authority“ stellte das Proweiter verzerren. Für den Flughafen Berlin- Brandenburg (BER) wurde zuerst eine Generalunternehmerschaft zum Festpreis ausgeschrieben. Bei Festpreisangeboten liegt das Risiko für Kostensteigerungen beim Bieter, der diesen Faktor bei der Kalkulation berücksichtigt. Im Fall des BER war der hohe Festpreis politisch nicht opportun, weshalb in einem neuen Verfahren einzelne Bauabschnitte separat nach Aufwand ausgeschrieben wurden. Damit wurde das Risiko möglicher Kostensteigerungen auf den Auftraggeber verlagert und zusätzlich der Aufwand für die Gesamtsteuerung und -koordination über alle Bauabschnitte und Auftragnehmer nicht ausreichend berücksichtigt. Die Kosten für den Flughafen BER sind inzwischen von 1,7 Mrd. EUR auf 5,4 Mrd. EUR gestiegen, die ursprünglich für 2007 geplante Eröffnung ist inzwischen auf 2016-2018 datiert [45, 46]. Ein weiterer nicht zu unterschätzender Punkt ist die Qualität der Ausschreibung. Ungenaue Leistungsbeschreibungen können von Bietern genutzt werden, um im Projektverlauf durch Änderungsanträge mit „Erweiterungen“ des Projektauftrags höhere Kosten zu provozieren und so gegebenenfalls den im Angebot kalkulierten Billigpreis zu relativieren. Ein Lösungsansatz, um Mehrkosten bei öffentlichen Ausschreibungen möglichst gering zu halten, kann in der Praxis stellenweise bereits beobachtet werden: Zunehmend werden Festpreisangebote verlangt und Generalunternehmerschaften ausgeschrieben. Um Nachforderungen aufgrund unklar definierter Leistungen zu vermeiden, ist unbedingt sicherzustellen, dass bei der Ausschreibung alle notwendigen Experten einbezogen werden. Falls das entsprechende Wissen in der ausschreibenden Organisation nicht vorhanden ist, müssen bereits bei der Ausschreibungsvorbereitung externe Experten einbezogen werden. Darüber hinaus ist zu prüfen, ob eine Reform des Vergaberechts sinnvoll ist, welche die Eignung der Bieter stärker in den Vordergrund rückt - zum Beispiel durch Elimination des Bieters mit dem niedrigsten Preis. In der Schweiz wird diese Vorgehensweise bereits erfolgreich angewendet. Anwendung bedeutet die konsequente Umsetzung von Projekt- und Risikomanagementinstrumenten. Betrachtet man den öffentlichen Sektor, so könnte man meinen, es bestünde ganz erheblicher Nachholbedarf. So reagierte der damalige Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière nach dem Scheitern der EuroHawk-Drohne mit liches Steuerungsinstrument ist ein konsequentes Controlling (bis hin zur Kontrolle Externer), das die Analyse und Bewertung des Mehrwerts der Unterstützungsleistungen ermöglicht. Diese Art von Controlling amortisiert sich in kürzester Zeit! Wirtschaftlichkeit bedeutet, aus der Vielzahl an Projektideen die Initiativen auszuwählen, die einen nachhaltigen und größtmöglichen Nutzen stiften. Wirtschaftlichkeit ist dabei nicht allein im monetären Sinn zu verstehen, sondern es werden im Rahmen der erweiterten Wirtschaftlichkeit in der Regel zusätzliche Faktoren wie Dringlichkeit, externe Effekte und strategischer Nutzen (vgl. IT- WiBe) betrachtet. Sowohl die Kriterien der erweiterten Wirtschaftlichkeit als auch monetäre Kriterien wie „erwartete Kosteneinsparungen“ bieten Ansatzpunkte, um Projekte „schönzurechnen“. Initiatoren können so gemäß ihrer politischen Logik eine Projektdurchführungsentscheidung formal sauber begründen, obwohl die Wirtschaftlichkeit objektiv nicht gegeben ist - auch weil die getroffenen Annahmen und Bewertungen für Außenstehende oft intransparent sind. Ein Lösungsansatz ist der Ex-ante-Einsatz externer Gutachter im Rahmen der Projektauswahl. Ähnlich der Ex-post-Prüfung durch Rechnungshöfe oder Rechnungsprüfungsämter könnten externe Gutachter die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung für Projekte vornehmen. Neben der Unabhängigkeit vom politischen Initiator der Projekte und der damit verbundenen Prüfungsfunktion ist die externe Perspektive besonders unbestechlich. Würden alle Projekte des öffentlichen Sektors exante begutachtet, hätten wir im Ergebnis deutlich weniger, aber erfolgreichere Projekte. Vergabe bedeutet, das deutsche Vergaberecht richtig anzuwenden. Auch wenn das „wirtschaftlichste“ Angebot gewinnen soll, ist in der Praxis die Wahl des billigsten Anbieters angesagt. Dies ist in vielen Kommunen der schwierigen Haushaltslage geschuldet. Auf allen Gebietskörperschaftsebenen ist daneben zu beobachten, dass die Entscheidung für einen teureren Anbieter so viel formale Kraft (Vergabebegründungen etc.) und persönliches Risiko des Entscheiders bedeutet, dass man einfach hierauf verzichtet. Dies führt zu einem Phänomen, das Bent Flyvbjerg (Professor für Planung an der Universität von Aalborg, Dänemark) als „survival of the unfittest“ [44] bezeichnet: Nicht der am besten geeignete Bieter wird ausgewählt, sondern der billigste. Die Ausschreibung einzelner Gewerke statt einer Gesamtleistung kann die Kosten PM-aktuell_2-2015_Inhalt_01-60.indd 20 27.03.2015 10: 39: 45 Uhr ERFAHRUNG 21 projektManagementaktuell | AUSGABE 2.2015 jekte wie der BER? In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.4.2013 [4] Diekmann, F./ Kröger, M./ Reimann, A.: Desaster bei öffentlichen Projekten: Wie die Politik die Bürger täuscht. In: Spiegel, 9.1.2013, www.spiegel.de/ politik/ deutschland/ grossprojekte-der-politik-warum-ber-s21-undco-so-teuer-werden-a-876311.html [5] Gröpl, C.: Haushaltsrecht und Reform - Dogmatik und Möglichkeiten der Fortentwicklung der Hauhaltswirtschaft durch Flexibilisierung, Dezentralisierung, Budgetierung, Ökonomisierung und Fremdfinanzierung. Tübingen 2001, s. n., S. 356 [6] Luhmann, N.: Theorie der Verwaltungswissenschaften, Bestandsaufnahme und Entwurf. s. l., University of California, 1966, S. 14 [7] Hägler, M.: Bauverband über mehr Transparenz bei Großprojekten. „Die ganze Welt lacht über uns“. In: Süddeutsche Zeitung, 17.12.2012 [8] Wrede, I.: Deutsche Großprojekte: Teurer und später. s. l., Deutsche Welle, 2012 [9] Ilgmann, G./ Polatschek, K.: Der wahre Fluch des Transrapid. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.9.2006 [10] Diekmann, F./ Kröger, M./ Reimann, A.: Desaster bei öffentlichen Projekten: Wie die Politik die Bürger täuscht. In: Spiegel, 9.1.2013, www.spiegel.de/ politik/ deutschland/ grossprojekte-der-politikwarum-ber-s21-und-co-so-teuer-werden-a- 876311.html [11] Meyer, T. (Hrsg.): Was ist Politik? 2. Auflage, Opladen 2003, s. n. [12] Minsch, J., et al.: Institutionelle Reformen für eine Politik der Nachhaltigkeit. Enquete- Kommission, Heidelberg 1998 [13] Meyer, T. (Hrsg.): Was ist Politik? , 2. Auflage, Opladen 2003, s. n. [14 + 15] Mayntz, R.: Governance im modernen Staat. In: Benz, A. (Hrsg.): Governance-Regieren in komplexen Regelsystemen. Wiesbaden 2004, s. n., S. 65-75 [16] Lundin, R. A./ Söderholm, A.: A theory of the temporary organization. In: Scandinavian Journal of Management, Nr. 12/ 1995, 11, 4, S. 437-455 [17] Pich, M. T./ Loch, C. H./ Meyer, A. D.: On Uncertainty, Ambiguity, and Complexity in Project Management. In: Management Science, Nr. 48, 8/ 02, S. 1008-1023 [18] Prencipe, A./ Tell, F.: Inter-project learning: processes and outcomes of knowledge Strukturen wird typischerweise nur reaktiv kommuniziert - wenn überhaupt. Aufsichtsorganen, wie zum Beispiel den Rechnungshöfen, werden so wenige Informationen wie möglich gegeben. Dabei könnten die umfangreichen Evaluationserfahrungen von Aufsichtsorganen den Projekten Hilfestellung geben. Die Gründe für die unzureichende Kommunikation sind in den ausgeprägten hierarchischen Strukturen und der Angst vor Verantwortung zu suchen. Vielen Projektherausforderungen könnte man noch rechtzeitig begegnen, wenn ehrliche Informationen rechtzeitig zur Verfügung gestanden hätten. Zudem lässt sich durch eine proaktive Kommunikation das Meinungsbild von Veto-Spielern positiv beeinflussen. Es ist zum Beispiel regelmäßig zu beobachten, dass der frühzeitige Einbezug der Personalvertretungen sich positiv auf deren Entscheidungsverhalten auswirkt. In hochpolitischen Projekten hat es sich zum Beispiel bewährt, sich vor einer Lenkungsausschusssitzung mit den beteiligten Parteien abzustimmen und schonungslos die Projektwahrheit zu berichten. Dies führt dazu, dass der Lenkungsausschuss dann als Lösungsgremium und nicht als Schuldzuweisungsgremium zusammentritt. Der Lösungsansatz ist, durch ehrliche, proaktive und adressatengerechte Kommunikation Betroffene zu Beteiligten zu machen. Wenn alle verfügbaren Ressourcen an der Lösung von Projektherausforderungen mitarbeiten, dann steigt die Erfolgswahrscheinlichkeit erheblich. 5. Zusammenfassung Die aufgezeigten Empfehlungen können aufgrund der Komplexität von Projekten und der Besonderheiten des öffentlichen Sektors nicht abschließend sein. Aus diesem Grund sind sie als Ansatz für ein Public Project Management deklariert. Gleichwohl hätte die Berücksichtigung einzelner Empfehlungen viel Schaden verhindern können. Bei neuen Projekten sind sie ein Beitrag zur Risikominimierung und zur richtigen Stellung von Projektweichen.  Literatur [1] Rechnungshof Baden-Württemberg 2011 [2] Baden-Württemberg, R.: Wirtschaftlichkeit der Projekte NSI in der Landesverwaltung. Rechnungshof des Landes Baden-Württemberg, Stuttgart 2007 [3] Brönstrup, C.: Ramsauer sucht Rat gegen Pleiten und Pannen. Warum scheitern Großprojekt pünktlich fertig und unterschritt den geplanten Kostenrahmen um mehrere Hundert Millionen Pfund [48]. Methodik steht für die inhaltliche Vorgehensweise im Projekt. Es existieren verschiedene, teilweise verbindliche Vorgehensmodelle im öffentlichen Sektor. Das IT-spezifische V-Modell beginnt im ersten Schritt mit der Systemanforderungsanalyse und endet nach dem achten Schritt mit der Abnahme. Die S-O-S-Methode fokussiert ganz allgemein auf Großprojekte und sieht dafür weniger Vorgehensschritte vor. Für den öffentlichen Sektor ist die sog. „Agile“-Vorgehensweise eher neu. Sie versucht, allgemein gesprochen, mit weniger bürokratischen Einzelschritten und einem iterativen Vorgehen Strukturformalismen im Projekt abzubauen. Letzteres ist z. B. ein Kritikpunkt am V-Modell, welches trotz Projekt-Customizing formalen Schritten folgt. Es ist daher nicht verwunderlich, dass das V-Modell aus dem öffentlichen Sektor stammt und dadurch eine formale DNA in sich trägt. Gleichwohl ist auch das agile Vorgehen nicht die Lösung aller Probleme, da es u. a. eine besondere Interaktionsfähigkeit des Projekts (und im Projekt) erfordert. Dies stellt hohe Anforderungen an die Akteure und kann schnell zu Überforderung führen. Insbesondere die iterativen Arbeitsschritte verlangen nach Quality Gates bei Übergaben, die ein ganz anderes Projektmanagementbewusstsein erfordern. An allen Instrumenten, auch an den an dieser Stelle nicht genannten, gibt es berechtigte Kritikpunkte („no size fit´s it all“). Die Verantwortlichen setzen sich unzureichend mit der Fragestellung des Vorgehensmodells auseinander, was oftmals zur Wahl der falschen führt. Ein Lösungsansatz ist, die oft stiefmütterlich behandelte Anforderungsanalyse zu nutzen, um das richtige Vorgehensmodell für ein Projekt auszuwählen und zu designen. Dies wird in der Praxis nicht gemacht, was u. a. dem Umstand geschuldet ist, dass in dieser Phase viele Formalien zu erfüllen sind (z. B. erste WiBe erstellen, Projektunterlagen zusammenstellen, Projektenscheidung herbeiführen). Das Erfüllen von Formalien behindert das Denken in der richtigen Lösung, für die entsprechender Freiraum geschaffen werden muss. Es sollte zumindest darüber nachgedacht werden, eine methodische Analyse und Bewertung obligatorisch zur Projektgenehmigung den Entscheidern zukommen zu lassen. Proaktiv steht für eine adäquate Projektkommunikation, die maßgeblich zum Gelingen des Projekts beiträgt und gemeinhin unterschätzt wird. Durch die politischen Prozesse und die hierarchischen PM-aktuell_2-2015_Inhalt_01-60.indd 21 27.03.2015 10: 39: 45 Uhr projektManagementaktuell | AUSGABE 2.2015 22 ERFAHRUNG und Geld. In: Süddeutsche Zeitung, 7.1.2013 [45] Beeger, B.: Flughafen BER: Eine Chronik des Scheiterns. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8.8.2014 [46] DPA: Hauptstadtflughafen: Kosten steigen auf 5,4 Milliarden. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.6.2014 [47] Borchers, D.: EuroHawk: Ein „fundamentales Missverständnis“. Auf: Heise online, 5.6.2013 [48] Hägler, M.: Bauverband über mehr Transparenz bei Großprojekten. „Die ganze Welt lacht über uns“. In: Süddeutsche Zeitung, 17.12.2012 Schlagwörter öffentlicher Sektor, Politik, Projekterfolg, Projektherausforderungen, Projektscheitern, Public Project Management, S-O-S-Methode Kompetenzelemente der NCB 3.0 4.1.1 Projektmanagementerfolg, 4.1.6 Projektorganisation Autoren Andreas Schmid war 15 Jahre als Unternehmensberater in einer Führungsposition tätig. Zum Wintersemester 2014 wurde er als Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt des öffentlichen Haushalts- und Rechnungswesens an der Hochschule Harz berufen. Dr. Bastian Hanisch ist Managementberater bei Horváth & Partners Management Consultants. Er hat Projekte u. a. in der Automobil- und Telekommunikationsbranche sowie im öffentlichen Sektor geleitet, vornehmlich in den Finanz- und IT-Bereichen großer Unternehmen. Kontaktanschrift der Autoren: Prof. Dr. Andreas Schmid, Breiter Weg 19, D-38820 Halberstadt, E-Mail: draschmid@outlook.de Management. Oxford University Press, Oxford 2011, S. 321-344 [32] Für nähere Informationen siehe z. B. Holmström, 1979, und Jensen/ Meckling, 1976 [33] Raz, T./ Shenhar, A. J./ Dvir, D.: Risk management, project success, and technological uncertainty. In: R&D Management, Nr. 32, 2/ 02, S. 101-109 [34] Crawford, L., et al.: Governance and support in the sponsoring of projects and programs. In: Project Management Journal, Nr. 39, 1/ 08, S. 43-55 [35] Turner, J. R.: Five necessary conditions for project success. In: International Journal of Project Management, Nr. 22, 5/ 04, S. 349-350 [37 + 38] Association for Project Management: APM Body of Knowledge. 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