eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 26/2

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
31
2015
262 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Projektgovernance in etablierten Unternehmen & digitalen Start-ups

31
2015
Nancy Richter
Tobias Schneider
Thomas Schildhauer
Etablierte Unternehmen sind stark bei der Umsetzung inkrementeller Innovationen. Um das langfristige Überleben zu sichern, müssen sie sich radikalen Innovationen auch außerhalb der eigenen Grenzen öffnen. Eine Methode der Open Innovation ist die Kooperation mit Start-ups. Dabei kommen eine Reihe von Herausforderungen auf beide Partner zu, die unter anderem die Projektgovernance der Zusammenarbeit betreffen. Etablierte Unternehmen beherrschen bei der Umsetzung bekannter Geschäftsmodelle eher lineare Prozesse und haben eine hohe Durchführungssicherheit von Projekten. Start-ups hingegen gehen bei der Suche nach dem Nutzenversprechen iterativ vor und agieren im Angesicht höchster Unsicherheit. Durch Verständnis für die jeweils andere Seite stellt die Kooperation eine Win-win-Situation dar.
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WISSEN 23 projektManagementaktuell | AUSGABE 2.2015 Während etablierte Unternehmen sehr gut in der Umsetzung inkrementeller Innovationen sind, eignen sich ihre klassischen (Projektmanagement-)Strukturen weniger für die Umsetzung von radikalen Innovationen. Um im Wettbewerb zu bestehen, sind Unternehmen jedoch auf radikale Innovationen angewiesen. Daher lohnt sich für Unternehmen die Kooperation mit Start-ups (Open Innovation). Hierfür gibt es Instrumente, welche eine Win-win-Situation für beide Seiten herstellen können. Erste Studien unterstreichen jedoch die Schwierigkeiten, welche in Kooperationen auftauchen. Insbesondere im Projektmanagement weisen die Partner große Unterschiede auf. Wir zeigen die Besonderheiten des Projektmanagements bei Start-ups und wie es sich vom klassischen Projektmanagement etablierter Unternehmen unterscheidet. Radikale und inkrementelle Innovationen in etablierten Unternehmen und Startups Innovationen sind für die nationale und internationale Wettbewerbsfähigkeit eines Landes essenziell. Nur wenn ein innovationsfreundliches Klima geschaffen wird, ist langfristiges wirtschaftliches Wachstum gewährleistet. Eine zentrale Rolle in diesem Kontext spielen Unternehmen, die durch kontinuierliche Innovationskraft ihr langfristiges Überleben sichern können. Radikale Innovationen sind dabei die Quelle der Neuheit, die das Überleben von Unternehmen in wettbewerbsintensiven und dynamischen Umwelten ermöglicht [1]. Die Umsetzung von inkrementellen und radikalen Innovationen erfolgt typischerweise durch Projekte. Dabei basiert die Projektgovernance (Prinzipien, Richtlinien und Rahmenbedingungen, anhand derer Organisationen ihre Projekte leiten und steuern (ISO 21503)) in klassischen Unternehmen überwiegend auf Projektmanagementsystemen (Projektmanagement ist die Anwendung von Methoden, Hilfsmitteln, Techniken und Kompetenzen in einem Projekt. Es umfasst das … Zusammenwirken der verschiedenen Phasen des Projektlebenszyklus (DIN/ ISO E 21500: 2013-06)), die besonders für inkrementelle Innovationen geeignet sind. Im Gegensatz dazu sind radikale Innovationen in klassischen Unternehmen eher schwierig hervorzubringen, da dort oftmals kurzfristiger Erfolg und Risikominimierung an erster Stelle stehen. Darüber hinaus verfügen Unternehmen selten über die strategische Flexibilität, um radikalen Innovationen genügend Raum zu geben [2]. Burgelman [3] zufolge brauchen „etablierte Unternehmen ... sowohl Ordnung als auch Vielfältigkeit in ihrer Strategie, um langfristig zu überleben“. Deshalb müssen Unternehmen nach neuen Wegen suchen, radikale Innovationen zu schaffen. Dafür müssen sie über die eigenen Grenzen hinaus nach Kooperationen suchen, welche es ihnen ermöglichen, neben Ordnung auch Vielfältigkeit in ihre Prozesse zu integrieren. Laut Chesbrough [4] können „durch Open Innovation disruptive Ideen auch außerhalb der Grenzen des eigenen Unternehmens in den Innovationsprozess integriert werden“. Dem Konzept der „Open Innovation“, also der Suche nach Innovationen außerhalb der Unternehmensgrenzen, kommt sowohl von der Praxisseite als auch vom Standpunkt der wissenschaftlichen Forschung ein gesteigertes Interesse zu. Open Innovation in etablierten Unternehmen Open Innovation-Konzepte haben sich bereits in sehr vielen Unternehmen durchgesetzt. Laut einer Studie von Chesbrough & Brunswicker [5] haben bereits 78 Prozent der befragten Unternehmen Open Innovation-Modelle in ihren Innovationsprozess integriert. Dabei werden nach innen gerichtete (inbound) Modelle in Unternehmen deutlich häufiger angewendet als nach außen gerichtete (outbound). Das heißt, dass sich Unternehmen eher an Innovationen orientieren, die außerhalb des Unternehmens entstehen und dann integriert werden, als andersherum [5]. Obwohl eine Vielzahl von Open Innovation-Modellen in diesem Kontext existiert, möchten wir uns an dieser Stelle auf unternehmerische Aktivitäten beschränken, die eine Verbindung zu Entrepreneurship und Start-ups darstellen. Die Open Innovation-Studie nennt diesbezüglich hauptsächlich drei Modelle, die von Unternehmen angewendet werden, um mit Start-ups zu kooperieren: Startup Competitions, Business Incubation & Venturing und Spin-offs [5]. Projektgovernance in etablierten unternehmen & digitalen start-ups Autoren: Nancy Richter, Tobias Schneider, Thomas Schildhauer >> Für eilige Leser Etablierte Unternehmen sind stark bei der Umsetzung inkrementeller Innovationen. Um das langfristige Überleben zu sichern, müssen sie sich radikalen Innovationen auch außerhalb der eigenen Grenzen öffnen. Eine Methode der Open Innovation ist die Kooperation mit Start-ups. Dabei kommen eine Reihe von Herausforderungen auf beide Partner zu, die unter anderem die Projektgovernance der Zusammenarbeit betreffen. Etablierte Unternehmen beherrschen bei der Umsetzung bekannter Geschäftsmodelle eher lineare Prozesse und haben eine hohe Durchführungssicherheit von Projekten. Start-ups hingegen gehen bei der Suche nach dem Nutzenversprechen iterativ vor und agieren im Angesicht höchster Unsicherheit. Durch Verständnis für die jeweils andere Seite stellt die Kooperation eine Win-win-Situation dar. PM-aktuell_2-2015_Inhalt_01-60.indd 23 27.03.2015 10: 39: 45 Uhr projektManagementaktuell | AUSGABE 2.2015 24 WISSEN Unsicherheiten und Risiken in Projekten minimiert werden. Projekte in etablierten Unternehmen spielen sich vorwiegend innerhalb der eigenen Organisation ab, das bedeutet, dass die zentralen Rollen, wie die des Projektleiters, des Projektteams und des Kunden, innerhalb eines Projektes durch interne Ressourcen besetzt sind. Dadurch wird gewährleistet, dass das Verständnis für eine gemeinsame Projektmanagementmethodik vorhanden ist und Projekte einheitlich gesteuert werden und miteinander vergleichbar sind. Zudem setzen Projekte auf der vorhandenen und bekannten Infrastruktur des Unternehmens auf. Ein weiterer Vorteil von etablierten Unternehmen ist das meist weltumspannende Netzwerk und der damit verbundene großflächige Zugang zu existierenden Kunden. So können auch komplexe Produkte oder Technologien, die ganze Märkte oder Branchen betreffen, leichter eingeführt werden [2]. Aufgrund dieser Faktoren eignet sich eine klassische Projektorganisation in Unternehmen besonders gut für die Umsetzung inkrementeller Innovationen. Lean Project Management in digitalen Start-ups Wie eingangs erwähnt, finden radikale Innovationen eher außerhalb der Grenzen etablierter Unternehmen statt - zum Beispiel in Start-ups. Bei einer Kooperation im Sinne der Open Innovation müssen sich Unternehmen deshalb auf eine grundlegend andere Steuerung von Projekten in Start-ups einlassen. So betont Blank [8]: „Startups sind keine kleineren Versionen von etablierten Unternehmen.“ und Ries [9] geht sogar noch einen Schritt weiter und sagt, dass die Anwendung von Best Practices aus Unternehmen in Start-ups tendenziell disruptive Innovationen verhindert. Den zentralen Unterschied zwischen beiden Organisationsformen stellt Blank [8] besonders deut- Zuerst geht es darum, die strategischen Lücken zu identifizieren, die durch eine Partnerschaft mit Start-ups geschlossen werden sollen. Sowohl aus strategischer als auch aus kultureller Sicht sollten Kooperationen mit Start-ups vorwiegend in verwandten Themenbereichen unternommen werden. Die Evaluierung und Auswahl des geeigneten Partners für die Kooperation ist für beide Seiten von hoher Bedeutung. Zudem stellen die kulturellen Unterschiede zwischen etablierten Unternehmen und Start-ups eine große Herausforderung dar, denn es geht vor allem darum, Strukturen zu schaffen, die hohe Geschwindigkeit und freien Handlungsspielraum gewährleisten. Projektgovernance wird an der Schnittstelle zwischen Unternehmen und Start-up als zentrale Herausforderung genannt. Es muss eine spezielle Projektmanagementmethodik gefunden werden, die der Kooperation förderlich ist, ohne der Entrepreneurship-Kultur, die bewusst kreiert werden soll, hinderlich zu sein. Dies soll der Fokus der folgenden Kapitel sein. Wir interessieren uns für die Frage, wie Start-ups im Gegensatz zu etablierten Unternehmen arbeiten und welche Implikationen das für Unternehmen aus der Perspektive des Projektmanagements hat. Ein Verständnis für die Unterschiede in der Projektdurchführung dieser beiden Akteure hat schließlich bedeutende Auswirkungen für den Erfolg ihrer Kooperation. Klassisches Projektmanagement und die Vorteile von etablierten Unternehmen Projektmanagementmethoden haben sich über viele Jahre hinweg in Unternehmen etabliert. Die Durchführung von Projekten zeichnet sich besonders durch Linearität und planbare Prozessabläufe aus, wie in Abbildung 1 dargestellt. Die Abschnitte des GPM Phasenmodells sehen einen eher linearen, wasserfallartigen Durchführungsprozess in Projekten vor. Durch eine Vielzahl von Ressourcen und große Erfahrung in der Projektdurchführung können Insgesamt handelt es sich hierbei um einen neuen Trend in der Open Innovation-Praxis: „Innovationen sind ein entscheidender Wettbewerbsfaktor für Unternehmen - aus der Zusammenarbeit mit jungen, dynamischen Start-ups und ihren disruptiven Innovationen entstehen für Unternehmen neue Impulse“ [6]. Die Kooperation zwischen Start-ups und etablierten Unternehmen im Sinne von Open Innovation stellt eine Win-win-Situation für beide Partner dar [7], da die Vorteile beider Welten vereint werden können. Start-ups bekommen schnellen Zugang zu finanziellen Mitteln, Ressourcen und der Infrastruktur des Unternehmens und gegebenenfalls leichteren Zugang zu ersten Kunden. Manche Start-ups können ohne die Kooperation mit etablierten Unternehmen gar nicht existieren (z. B. Zugriff auf einzigartige Infrastruktur). Unternehmen können sich mit relativ geringen finanziellen Mitteln radikalen Innovationen öffnen und neue Geschäftsmodelle entdecken. Allerdings birgt die Kooperation zwischen Unternehmen und Startups auch einige Herausforderungen. Herausforderungen bei der Kooperation zwischen etablierten Unternehmen und Start-ups Im Bericht des World Economic Forums [7] wurde eine Liste mit Herausforderungen erarbeitet, die bei der Kooperation zwischen etablierten Unternehmen und Start-ups für beide Seiten relevant sind: • strategische Lücken benennen, • potenzielle Partner identifizieren, • richtige Partner zur Zusammenarbeit auswählen, • die Notwendigkeit hoher Geschwindigkeit und dafür bürokratische Hürden reduzieren, • kulturell auf die Zusammenarbeit mit dem Partner einstellen, • Projektmanagement definieren, das die Zusammenarbeit unterstützt, ohne die Entrepreneurship-Kultur zu behindern. Abb. 1: GPM Phasenmodell nach DIN 69901-2 (2009) PM-aktuell_2-2015_Inhalt_01-60.indd 24 27.03.2015 10: 39: 46 Uhr WISSEN 25 projektManagementaktuell | AUSGABE 2.2015 Gegenüberstellung der Projektgovernance in etablierten Unternehmen und Start-ups Grundlegende Unterschiede zwischen etablierten Unternehmen und Start-ups sind an vielen Stellen im Arbeitsablauf zu identifizieren. Am auffälligsten ist dabei die unterschiedliche Menge vorhandener Ressourcen bezogen auf Mitarbeiter, Infrastruktur und finanzielle Mittel. Während sich Gründerteams meist aus zwei bis drei Personen zusammensetzen und Start-ups in Deutschland durchschnittlich 16,8 Mitarbeiter beschäftigen [11], ist die Mitarbeiteranzahl in etablierten Unternehmen ungleich höher. Daraus resultiert ein wesentlich größerer Erfahrungsschatz bei der Durchführung von Projekten. Allerdings bezieht sich die Erfahrung meist auf existierende Produkte, Technologien oder Services und ziehlt somit sehr stark auf die Weiterentwicklung bestehender Lösungen bzw. auf inkrementelle Innovationen ein [2]. Im Gegensatz dazu stehen radikale Innovationen, die aufgrund hoher Unsicherheit und großer Risiken seltener in etablierten Unternehmen umgesetzt werden. Mithilfe eines iterativen Vorgehensmodells begegnen Start-ups Unsicherheiten, die radikale Innovationen mit sich bringen. Durch die iteraentwicklung einzuholen (Learn). Häufig haben MVPs auch noch einen prototypischen Charakter. • Customer Development (Validierung): Der Kunde steht im Fokus des Start-ups und wird möglichst schnell in den Produktentwicklungsprozess integriert. Über den Kunden werden getroffene Hypothesen validiert bzw. basierend auf dem Kunden-Feedback neue Hypothesen aufgestellt. • Pivot (Umschwenken): Das Produkt wird auf Basis von Kunden-Feedback iterativ verbessert und das zu entwickelnde Geschäftsmodell stetig hinterfragt. Dabei wird gegebenenfalls ein Richtungswechsel/ Schwenk vollzogen (Pivot). Insgesamt gilt es, die Geschwindigkeit durch den EML-Zyklus zu maximieren, um schnell ein marktfähiges Produkt zu entwickeln und Umsätze zu generieren. Start-ups gehen also eher iterativ vor und arbeiten im Angesicht großer Unsicherheit. Sie nutzen aber auch häufig die Möglichkeit, ihr Geschäftsmodell im Laufe der Produktentwicklung anzupassen und sogar grundlegend zu verändern (Pivot). Infolge grundlegend verschiedener Voraussetzungen und Bedingungen werden Startups und klassische Projekte in Unternehmen also höchst unterschiedlich gesteuert. lich heraus: „Einer der größten Unterschiede zwischen Projekten in klassischen Unternehmen und Start-ups ist, dass Projekte ein Nutzenversprechen umsetzen und Start-ups ihr Geschäftsmodell und das damit verbundene Nutzenversprechen erst noch entwickeln und testen müssen.“ Aufgrund dessen verfolgen insbesondere digitale Start-ups ein anderes Projektgovernance-Modell, welches von Experten wie Ries und Blank als „Lean Start-up-Methode“ (Abb. 2) bezeichnet wird [9, 10]. Das von Ries entwickelte und durch Blank erweiterte Modell (Abb. 2) besteht im Kern aus den Elementen „Entwickeln, Messen, Lernen“ (EML). Das Konzept des EML-Zyklus ist, dass ein Produkt mit minimalem Funktionsumfang (Minimum Viable Product) erstellt wird (Entwickeln), welches dann ersten Kunden vorgestellt wird. Deren Feedback wird strukturiert gesammelt und ausgewertet (Messen) und in den weiteren Entwicklungszyklus integriert (Lernen). Das Ziel ist die iterative Entwicklung eines Produktes, das am besten den Kundenbzw. Marktanforderungen entspricht (bester Product/ Market Fit). Im Fokus des Modells steht die Geschwindigkeit, mit der sich ein Start-up durch diesen Zyklus bewegt. Die Optimierung der Kosten steht eher im Hintergrund. Grundsätzlich stehen bei der Lean Start-up-Methode folgende Begriffe im Zentrum: • Iteration: Start-ups bewegen sich bei der Produktentwicklung nicht anhand eines linearen Prozesses, sondern durchlaufen die Phasen immer wieder, so lange, bis das Geschäftsmodell und das Produkt klar sind. • Unsicherheit: Start-ups agieren im Angesicht größter Unsicherheit. Dies betrifft einerseits das Geschäftsmodell, welches zu Anfang noch sehr unklar ist, und andererseits die Umsetzungsfähigkeit des zu entwickelnden Produktes und die Akzeptanz am Markt. • Hypothesen: Bedingt durch die Unsicherheit können speziell zu Anfang nur Hypothesen aufgestellt werden, wie Kunden auf das Produkt reagieren. Deshalb gilt es in wiederkehrenden Zyklen die aufgestellten Hypothesen zu testen. Dabei kommt es vor allem auf die Geschwindigkeit an, mit der sich ein Start-up durch den Zyklus bewegt. • Minimum Viable Product (MVP): Es wird iterativ ein Produkt mit minimalem Funktionsumfang bzw. minimaler Funktionserweiterung erstellt (Build), um anhand dessen Kunden- Feedback (Measure) für die weitere Produkt- Abb. 2: Entwickeln, Messen, Lernen - EML-Zyklus der „Lean Star-tup“-Methode PM-aktuell_2-2015_Inhalt_01-60.indd 25 27.03.2015 10: 39: 47 Uhr projektManagementaktuell | AUSGABE 2.2015 26 WISSEN nehmen können einerseits strategische Lücken schließen und andererseits neue strategische Felder erschließen und so für das langfristige Überleben der Organisation sorgen. Start-ups bekommen durch die Zusammenarbeit schneller Zugriff auf Ressourcen, finanzielle Mittel, Technologien oder sogar einzigartige Infrastruktur, was ohne eine Kooperation nicht möglich wäre. Auch der Marktzugang und der erste Kontakt zu Kunden werden durch das bestehende Netzwerk etablierter Unternehmen oft erheblich vereinfacht. Dadurch werden Unsicherheiten im Start-up-Prozess reduziert. Eine geeignete Methode für die Projektgovernance an der Schnittstelle zwischen etablierten Unternehmen und Start-ups muss tendenziell den Erwartungen beider Partner entsprechen. Durch ihre Vormachtstellung sind dennoch eher die etablierten Unternehmen aufgefordert sich bei der Kooperation methodisch auf das Start-up einzustellen als andersherum [7]. Dem Start-up muss ein hoher Grad an Flexibilität und das Leben einer Entrepreneurship-Kultur zugesprochen werden. Denn wenn etablierte Unternehmen nach dem Motto: „Nah genug dran, aber weit genug weg“ agieren, kann die Kooperation mit Start-ups eine Win-win-Situation für beide Seiten darstellen.  Literatur [1] The Startup Revolution: Why It Matters for Corporations. UP Global, 8/ 2013, http: / / blog. up.co/ 2013/ 08/ 02/ the-startup-revolutionwhy-it-matters-for-corporations/ , access: December 8, 2014 [2] McDermott, C. M./ O’Connor, G. C.: Managing radical innovation: an overview of emergent strategy issues. In: Journal of Product Innovation Management, 19, 6, 2002, p. 424-438 [3] Burgelman, R. A.: Corporate Entrepreneurship and Strategic Management: Insights from a Process Study. In: Management Science, 29, 12, 1983, p. 1349-1364 [4] Chesbrough, H. W.: Open Innovation: The New Imperative for Creating and Profiting from Technology. Harvard Business School Press 2006 [5] Chesbrough, H. W./ Brunswicker, S./ Iao, S. F.: Managing open innovation in large firms: survey report; executive survey on open innovation 2013. Fraunhofer-Verlag 2013 [6] Collaborate to Innovate: Wie etablierte Unternehmen von der Zusammenarbeit mit Start-ups profitieren. UnternehmerTUM, 2014, schwinden. Deshalb ist die Erfolgsquote bei der Kooperation zwischen Start-ups und etablierten Unternehmen speziell aus kultureller Sicht eine sehr große Herausforderung. Der Unterschied ist jedoch nachvollziehbar, wenn man die Unterschiede beider Organisationsformen hinsichtlich des Geschäftsmodells in Betracht zieht. Während etablierte Unternehmen ihr Geschäftsmodell durch Projekte umsetzen, müssen Start-ups das Nutzenversprechen bzw. das Geschäftsmodell erst noch testen und validieren, wobei die Erfolgsunsicherheit entsprechend höher ist. Ein weiterer Unterschied im Projektmanagement liegt in der Akzeptanz von Änderungen in der Durchführung von Projekten. Während Änderungen im Management von Innovationsprojekten in Unternehmen immer noch eher negative Assoziationen auslösen und oft als Indikator für schlechte Projektplanung interpretiert werden, ist der Umgang mit Änderungen in Start-ups grundlegend verschieden. Durch die Iteration in der Suche bzw. der Umsetzung des Geschäftsmodells sind Änderungen (Pivots) gewünscht, wenn sich herausstellt, dass Eigenschaften des Produktes oder des Geschäftsmodells nicht den Anforderungen des Marktes entsprechen. Trotz aller Unterschiede in der Struktur von Startups und etablierten Unternehmen und trotz der höchst unterschiedlichen Herangehensweise bei der methodischen Umsetzung von Projekten birgt die Kooperation viele Vorteile. Etablierte Untertive Produktentwicklung (Minimum Viable Product) können Unsicherheiten nach und nach reduziert und Produkteigenschaften optimal an den Kundenanforderungen ausgerichtet werden (Produkt/ Markt-Fit). Durch einen vergleichsweise geringen Bedarf finanzieller Mittel in Start-ups (mehr als 65 % aller Start-ups benötigen zum Gründungszeitpunkt 150.000 Euro oder weniger) [12] können etablierte Unternehmen durch die Kooperation mit wenig Aufwand neue strategische Felder neben der Unternehmensstrategie und bestehenden Geschäftseinheiten erschließen. Dabei ist die Betrachtung des Umsetzungserfolges speziell im Vergleich zwischen der Durchführung klassischer Projekte und Start-ups interessant. Einer Studie von PwC [13] zufolge geben mehr als 70 Prozent aller befragten Unternehmen an, nie oder nur in absoluten Ausnahmefällen Projekte abzubrechen. Wenn Projekte einmal angefangen haben, werden sie in der Regel auch zu Ende geführt. Dies ist natürlich nicht mit einer wirtschaftlichen oder kommerziellen Erfolgsquote gleichzusetzten, ist aber ein Indikator dafür, dass Projektabbrüche in Unternehmen eher als Misserfolg gewertet werden. In Start-ups ist der Anteil nicht erfolgreicher Gründungen wesentlich höher. Nur ca. 20 Prozent aller Gründungen sind erfolgreich, wobei 80 Prozent der Start-ups schnell wieder vom Markt ver- Kategorien Unternehmen Start-ups Prozessmodell Linear Iterativ Innovationsform Inkrementell Radikal Sicherheit Hohe Durchführungssicherheit Geringe Durchführungssicherheit Erfahrung Viel Erfahrung Wenig Erfahrung Ressourcen(-aufwand) Hohe Verfügbarkeit/ hoher Aufwand Geringe Verfügbarkeit/ geringer Aufwand Nutzenversprechen (Geschäftsmodell) Umsetzung Suche/ Validierung Erfolgsquote Hohe Abschlussquote 20 % Erfolgswahrscheinlichkeit Durchführung Innerhalb der Organisation Direkte Einbeziehung von externen Kunden Änderungen (Pivot) Eher negative Assoziationen Positive Assoziationen Tab. 1: Gegenüberstellung der Unterschiede zwischen etablierten Unternehmen und Start-ups PM-aktuell_2-2015_Inhalt_01-60.indd 26 27.03.2015 10: 39: 47 Uhr WISSEN 27 projektManagementaktuell | AUSGABE 2.2015 Tobias Schneider studierte Wirtschaftsingenieurwesen an der TU Berlin und ist seit 2014 Doktorand im Bereich Innovation und Entrepreneurship am Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft. Außerdem ist er im Project Office der Telekom Innovation Laboratories tätig. Anschrift: Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft gGmbH, Oberwallstraße 9, D-10117 Berlin, Tel.: 030/ 20 07 60 82, E-Mail: Tobias.Schneider@hiig.de Prof. Thomas Schildhauer - Informatiker, Marketingexperte und Internetforscher - ist Direktor des Alexander von Humboldt Institutes für Internet und Gesellschaft und Inhaber der Universitätsprofessur Marketing mit Schwerpunkt Electronic Business an der Universität der Künste in Berlin. Anschrift: Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft gGmbH, Oberwallstraße 9, D-10117 Berlin, Tel.: 030/ 20 07 60 82, E-Mail: Schildhauer@hiig.de Schlagwörter etablierte Unternehmen, Kollaboration, Lean, Open Innovation, Projektmanagement, radikale und inkrementelle Innovationen, Start-ups Kompetenzelemente der NCB 3.0 4.1.8 Problemlösung, 4.1.11 Projektphasen, Ablauf und Termine Autoren Dr. Nancy Richter promovierte in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Bauhaus-Universität Weimar und leitet seit März 2014 den Bereich Innovation und Entrepreneurship am Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft. Anschrift: Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft gGmbH, Oberwallstraße 9, D-10117 Berlin, Tel.: 030/ 20 07 60 82, E-Mail: Nancy.Richter@hiig.de www.unternehmertum.de/ pdf/ Handbuch_ Collaborate.pdf, Stand: 26.1.2015 [7] Enhancing Europe’s Competitiveness Fostering Innovation-driven Entrepreneurship in Europe. World Economic Forum, 1/ 2014, www.weforum.org/ reports/ enhancing-europes-competitiveness-fostering-innovation-drivenentrepreneurship-europe, access: October 14, 2014 [8] Blank, S.: Why the Lean Start-Up Changes Everything. In: Harvard Business Review, 91, 5, 2013, p. 63-72 [9] Ries, E.: The Lean Startup: How today’s entrepreneurs use continuous innovation to create radically successful businesses. Random House Digital, Inc., 2011 [10] Blank, S./ Blank, S. G./ Dorf, B.: The Startup Owner’s Manual: The Step-by-step Guide for Building a Great Company. K & S Ranch, Incorporated, 2012 [11] Bundesverband Deutsche Startups e. V.: Deutscher Startup Monitor 2014. Berlin [12] Bundesverband Deutsche Startups e. V.: Deutscher Startup Monitor 2013. Berlin [13] Lohnen sich Ihre Projekte wirklich? PricewaterhouseCoopers AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, 11/ 2011, www.pwc.de/ de/ prozessoptimierung/ pwc-studie-unternehmenfragen-zu-selten-nach-nutzen-von-projekten. jhtml, Stand: 24.1.2015 Projektmanagement. Prozessorientiert. Durchdachte Prozesse geben in den Unternehmen die Abläufe vor. So werden be- Projektabwicklung im gesamten Projektportfolio. 25 Jahre Bremen | 17.-18. Juni Open World User Meeting 2015 Anzeige PM-aktuell_2-2015_Inhalt_01-60.indd 27 27.03.2015 10: 39: 48 Uhr