eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 26/2

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0886
UVK Verlag Tübingen
31
2015
262 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Claims in Projekten: Vorschlag für eine Begriffserklärung

31
2015
Reinhard P. Oechtering
Der Claim-Begriff erfreut sich in der Theorie häufiger Verwendung, aber fragt man nach einer Definition des Begriffs, schweigt die Theorie noch lauter als die Praxis. Es ist nicht etwa so, dass der Claim-Begriff mit völlig unterschiedlichen Bedeutungen verwendet wird, aber häufig verschwimmen bspw. die Unterschiede zum angrenzenden Change Request Management. Dies führt in der Projektabwicklung zu unnötigen Missverständnissen. Der Change Request wird in der Regel ex ante gestellt, um eine absehbare Abweichung der Projekt- arbeit mit den vertraglichen Abmachungen in Einklang zu bringen. Im Kontext des Claim Managements wird der Change Request im Nachgang zu beiderseitig akzeptierten Claims gelegentlich als nachträglicher „Reparaturmechanismus“ benutzt, um erfolgte Abweichungen von Vertrag und Projektarbeit ex post in Einklang zu bringen. Im Text wird eine Claim-Definition vorgeschlagen, die sich klar zum Change Request abgrenzt und eine konsistente Gestaltung der Projektmanagementprozesse erlaubt.
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WISSEN 39 projektManagementaktuell | AUSGABE 2.2015 Professionelles Claim Management ist in den letzten Jahren für projektorientiert arbeitende Firmen immer wichtiger geworden. Obwohl das Wissen um Claim Management inzwischen eine gewisse Verbreitung erfahren hat, gibt es noch immer keine einheitliche oder akzeptierte Definition dafür, was ein Claim überhaupt ist. Dies führt in der Praxis immer wieder zu Verwirrung, da es gerade mit dem verwandten Änderungsmanagement (Change Request Management) zu unklaren Überschneidungen kommt. In diesem Artikel wird eine vom Autor in mehreren Seminaren erprobte Claim-Definition vorgeschlagen, die zweckdienlich und kompatibel zum klassischen CR-Management ist. Ein High-level- Prozess-Modell und Beispiele sollen zum schnellen Verständnis beitragen. Claim Management liegt im Trend Vertrags- und Claim Management haben in den letzten Jahren in Europa und speziell in Deutschland an Bedeutung gewonnen. Die Hauptursache ist im stärkeren Wettbewerb (mehr Wettbewerber durch globale Märkte) und dem damit einhergehenden Margendruck zu sehen. Ein gutes Vertrags- und Claim Management wird in vielen Unternehmen als Möglichkeit gesehen, die Wirtschaftlichkeit der abzuliefernden Projektleistungen abzusichern. Eine weitere Ursache für die Intensivierung der Claim Management-Aktivitäten liegt in der zunehmenden Bedeutung kurzfristig zu erzielender Unternehmensergebnisse. Der Druck, kurzfristig Gewinne auszuweisen, führt dazu, dass die Pflege der Kunden-/ Lieferantenbeziehung hinter die Wirtschaftlichkeit der laufenden Projekte zurücktreten muss. Drückte man früher bei vertraglichen Minderleistungen oder unvorhergesehenen Problemen, die vom Kunden oder Lieferanten verantwortet wurden, eher ein Auge zu, um dann mit dem Folgeauftrag eine gewisse Kompensation zu erlangen, ist dies in der heutigen Zeit immer weniger möglich. Wirtschaftlichkeitsziele (immer den günstigsten Lieferanten auswählen), Compliance-Vorschriften und der schnelle Wechsel von Ansprechpartnern in den Zuständigkeiten sowie kleiner geschnittene Verantwortungsbereiche erlauben die Steuerung von Lieferanten über Folgeaufträge immer weniger. In den letzten Jahren erlebten aber gerade deutsche mittelständische Unternehmen in Zusammenarbeit mit angelsächsisch geführten Geschäftspartnern so manch negative Überraschung, die durch ein unerwartet stringentes Claim Management bzw. aggressive Claim Management-Strategien verursacht wurden. Jede noch so kleine vermeintliche Vertragsabweichung in der Projektabwicklung wurde protokolliert und in Rechnung gestellt. Dieses Vorgehen führte zu Irritationen, da man aufgrund anderer Erwartungshaltungen der Meinung war, kaufmännisch übervorteilt worden zu sein. Das heißt, man muss sich mit Claim Management auseinander setzen, allein um die Entstehung von Ansprüchen zu kennen und diese ggf. auch abwehren zu können oder eben auch durchsetzungsfähige Claims selbst zu stellen. Probleme mit dem Begriff des Claims Der Begriff des Claims im Kontext des Projektmanagements ist in der Literatur nicht oder nicht eindeutig definiert, möglicherweise, weil er zwischen die Disziplinen der Betriebswirtschaft und der Rechtswissenschaft fällt. Eine handhabbare Definition ist aber durchaus zweckmäßig, da es bei der Einführung von Claim Management-Prozessen in Unternehmen immer wieder zu Verwirrung und Irritationen kommt, zumal es eine enge Verwandtschaft zum CR-Management gibt. So sucht man vergebens im Glossar des Standardwerks des Project Management Institutes, Das aktuelle Stichwort: Claims in Projekten: vorschlag für eine Begriffsklärung Autor: Reinhard P. Oechtering >> Für eilige Leser Der Claim-Begriff erfreut sich in der Theorie häufiger Verwendung, aber fragt man nach einer Definition des Begriffs, schweigt die Theorie noch lauter als die Praxis. Es ist nicht etwa so, dass der Claim-Begriff mit völlig unterschiedlichen Bedeutungen verwendet wird, aber häufig verschwimmen bspw. die Unterschiede zum angrenzenden Change Request Management. Dies führt in der Projektabwicklung zu unnötigen Missverständnissen. Der Change Request wird in der Regel ex ante gestellt, um eine absehbare Abweichung der Projektarbeit mit den vertraglichen Abmachungen in Einklang zu bringen. Im Kontext des Claim Managements wird der Change Request im Nachgang zu beiderseitig akzeptierten Claims gelegentlich als nachträglicher „Reparaturmechanismus“ benutzt, um erfolgte Abweichungen von Vertrag und Projektarbeit ex post in Einklang zu bringen. Im Text wird eine Claim-Definition vorgeschlagen, die sich klar zum Change Request abgrenzt und eine konsistente Gestaltung der Projektmanagementprozesse erlaubt. PM-aktuell_2-2015_Inhalt_01-60.indd 39 27.03.2015 10: 39: 53 Uhr projektManagementaktuell | AUSGABE 2.2015 40 WISSEN in einer Verhandlung beizulegen ist. Im Fall, dass die erbrachte Leistung für beide Parteien offensichtlich vom Vertrag (anwendbaren Recht) abweicht und die aus der Abweichungsdifferenz resultierende Forderung angemessen erscheint, kann eine Claim-Vereinbarung ohne Kontroverse herbeigeführt werden. Das PMBOK™ des Project Management Institutes kennt in seinen knappen Ausführungen zum Claim Management scheinbar nur die strittige Variante des Claims und unterscheidet in den sogenannten (potential) „Constructive Change“ und „Contested Change“ [1, S. 384]. Beim „Constructive Change“ sind sich die Vertragsparteien uneinig darüber, ob überhaupt eine Vertragsabweichung vorliegt, und beim „Contested Change“ sind sich die Parteien uneinig über die Kompensation der Folgen der Vertragsabweichung. „Constructive“ und „Contested Changes“ werden im PMBOK™ auch als Claims, Disputes oder Appeals bezeichnet. Das heißt, in der PMBOK™- Beschreibung ist die Uneinigkeit (Disagreement) zwischen den Vertragsparteien ein zwingendes Merkmal von Claims [6, S. 110 f. und S. 125 ff.], während die hier vorgeschlagene Definition auch durch die andere Partei unmittelbar akzeptierte Ansprüche (d. h. ohne Verhandlung) abdeckt. Beispiel für einen Claim Ein typisches Beispiel für einen Claim: Der bestellende Vertragspartner hat eine vereinbarte Mitwirkungsleistung in Form einer Baustellenräumung nicht erbracht. Der Auftragnehmer zeigt die Problematik beim Auftraggeber an und räumt die Baustelle, um mit seinen Arbeiten beginnen zu können, und stellt daraufhin einen Claim auf Mehrleistung in Höhe der Räumungskosten. Wie in diesem Beispiel ersichtlich, entstehen Claims u. a. wegen Zeitdrucks. Der Lieferant, der mit seinem Trupp die Arbeiten auf der Baustelle beginnen möchte, wartet nicht, bis der Auftraggeber die Verantwortlichkeiten geklärt und die Räumung herbeigeführt hat, da die Kosten der Wartezeit für den Lieferanten voraussichtlich über den Räumungskosten liegen. Der Auftraggeber wird die Vertragslage und die Höhe der Kompensationsforderung prüfen, die Forderung akzeptieren oder seine Sicht der Dinge dem Lieferanten in einer Stellungnahme zur Kenntnis bringen. Bei unvereinbaren Standpunkten kommt es dann zu periodischen Verhandlungen der offenen Claims mit dem Ziel, eine Vereinbarung zu finden. er sie dem Umstand nach begründet und die Rechtsfolgen (Kompensationszahlungen, Änderung von Terminvereinbarungen und/ oder sachliche Forderungen) bewertet, sodass der andere Vertragspartner Stellung nehmen kann. Dieser (Ausgleichs-)Forderung liegt die Vorstellung zugrunde, dass die fordernde Partei aufgrund von vertragsabweichenden, in der Regel ungeplanten Tätigkeiten Nachteile erlitten hat und diese gern kompensieren möchte. Dies sollte schriftlich (geltend machen) erfolgen, allein auch um diesen Vorgang von den unzähligen Diskussions- und Koordinationsvorgängen, in denen ad hoc Problemlösungen gefunden werden, zu unterscheiden, die oft auch Claim- Charakter aufweisen 1) . Folgt man der Definition, bedeutet sie auch, dass der Claim (geltend gemachter Anspruch) zunächst offen ist, d. h., es liegt noch keine Vereinbarung vor, sodass der Claim geschlossen werden könnte (Settlement of Claim). Für einen geschlossenen Claim muss also immer eine akzeptierte Claim-Vereinbarung (Vertrag im juristischen Sinne) vorliegen. Das anwendbare Recht bezieht sich hier in unserer Definition in erster Linie auf den von den Parteien geschlossenen Vertrag inklusive seiner projektbegleitenden vertragsrelevanten Dokumentation. Im deutschen Recht zählt auch das (anwendbare) Privatrecht (sofern im Vertrag kein anderes Recht vereinbart wurde) und die Rechtsprechung dazu. Findet sich bspw. in einem Werkvertrag keine Regelung bzgl. einer Abnahme der Projektleistung, so kann man sich im deutschen Recht auf den Paragrafen § 640 BGB beziehen. Im angelsächsischen Recht (Common oder Case Law), das kein Privatrecht kennt, können Präzedenzfälle zur Begründung herangezogen werden. Die wahrgenommene Differenz vom anwendbaren Recht zur Leistungserfüllung besteht nun in der Wahrnehmung eines Vertragspartners, dass die im Rahmen des Projektes erbrachte Leistung nicht dem Vertragsinhalt (anwendbares Recht) entspricht. Die Differenz kann sowohl vertraglich relevante Minderals auch Mehrleistungen betreffen. Sowohl in der Begründung der Vertragsabweichung als auch in der Bewertung der Folgen kann Konfliktpotenzial liegen, das anschließend A Guide to the Projectmanagement Body of Knowledge [1], nach einer Definition, aber auch in spezieller Claim Management-Literatur, z. B. im Claim Management von Gregorc und Weiner [2] wird man auf über 200 Seiten nicht fündig. In der International Competence Baseline [3] der International Project Management Association findet man unter dem Legal-Paragrafen lediglich die Erwähnung des Claims „as a result of actions that breach the contract“ [3, S. 152]. Es braucht also ein wenig mehr Inhalt, um zweckmäßig mit dem Begriff „Claim“ umgehen zu können. Winfried Huck weist darauf hin, dass der Claim- Begriff nicht mal in den sehr umfangreichen Mustervertragstypen für den Anlagenbau der FIDIC (Fédération Internationale des Ingénieurs) definiert ist [4]. In der DIN 69901-5: 2009-1 wurde Claim als „Nachforderung“ übersetzt und folgendermaßen definiert: „von einem Vertragspartner erhobener Anspruch aufgrund von Abweichungen bzw. Änderungen“. Diese Definition erscheint unvollständig, denn hier fehlen die Bezugsgrößen, auf die sich die Änderungen oder Abweichungen beziehen. Im Folgenden wird hier eine Claim-Definition vorgeschlagen, die voraussetzt, dass die Parteien eine Vertragsbeziehung haben. Damit sind bspw. Nachbarn, die ja auch gelegentlich rechtliche oder vermeintliche Ansprüche gegeneinander geltend machen, aus der Definition ausgeschlossen, da sie keine Vertragsbeziehung haben. Wörtlich lässt sich Claim am besten mit „Anspruch“ oder „Anspruch geltend machen“ übersetzen. Die direkte Übersetzung verweist auch in das BGB, § 194: (1) Das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen [5]. Die interessante Frage, die sich unmittelbar aus der BGB-Definition ergibt ist: „Aufgrund wessen“ bzw. auf welcher Anspruchsgrundlage lässt sich ein Tun oder Lassen verlangen oder ein Anspruch erheben? Definitionsvorschlag Claim Ein Claim ist eine von einer Vertragspartei geltend gemachte und bewertete Forderung, die sich auf eine wahrgenommene Differenz zwischen anwendbarem Recht und Leistungserfüllung bezieht. Das bedeutet im Einzelnen: Ein Vertragspartner macht gegenüber einem anderen Vertragspartner eine bewertete Forderung geltend, indem 1) Das Protokollieren von Diskussionsergebnissen, die Folgen für den Projektverlauf haben könnten, ist eine zentrale Aufgabe des Projektmanagements. Für die Abwehr oder auch Durchsetzung von Claims haben diese Protokolle oft zentrale Bedeutung. PM-aktuell_2-2015_Inhalt_01-60.indd 40 27.03.2015 10: 39: 53 Uhr Wissen 41 projektManagementaktuell | ausgabe 2.2015 Eine Abweichung der Leistungserbringung vom Vertrag liegt aktuell nicht vor, wäre aber für die Zukunft absehbar bzw. gewünscht. In diesem Fall bedient man sich eines Change Request-Verfahrens, indem die Änderung beschrieben wird, die Folgen, insbesondere Kosten, vom Auftragnehmer bewertet werden und beide Parteien ihre Unterschrift bei Einigkeit unter den vereinbarten Change Request setzen. Abgrenzung von Claim und Change Request Der Change Request (Antrag zur Änderung des Vertrages) wird im Gegensatz zum Claim meist ex ante gestellt, das heißt, i. d. R. sehen beide Parteien eine Anpassung des Vertrages als sinnvoll an, um die zu erbringende Leistung vertragskonform zu erstellen. Mit anderen Worten: Aufgaben des Claim Managements Es gibt viele praxisorientierte Definitionen zu den Aufgaben des Claim Managements, die im Wesentlichen sehr ähnlich sind. Sie haben aber alle das Problem, dass sie mit einem implizit definierten Claim-Begriff operieren, der dann insbesondere zur Abgrenzung verwandter Disziplinen wie dem des Change Request Management unscharf bleibt. Claim-Management beschäftigt sich in Übereinstimmung mit obiger Claim-Definition mit • der gezielten Entdeckung, Analyse und Dokumentation von Claims, • der Geltendmachung und Durchsetzung von Claim-Forderungen (Aktiv-Claims) beim Vertragspartner, • der Abwehr von Claim-Forderungen (Passiv- Claims) des Vertragspartners durch Analyse und zeitnahe Stellungnahme, • der Vermeidung von Claims durch gutes (Projekt-)Management entlang der vertraglich versprochenen Leistung (Baseline), • der Verhandlung, Lösung und Dokumentation von Claims. Der Claim Management-Prozess Ein gut ausgehandelter und gelebter Vertrag reduziert das strittige Claim-Potenzial und ist gleichzeitig die Basis für ein solides Claim Management. Allerdings können Verträge für komplexe Leistungen nicht im Vorhinein alles regeln, sie sind also zwangsläufig unvollständig und bergen immer Potenzial für (strittige) Claims auf beiden Seiten. Der Vertragspartner, der einen Claim aktiv stellt, bezieht sich auf eine wahrgenommene Abweichung zwischen Vertrag und Leistung (i. d. R. zu seinen eigenen Ungunsten). Mit der einseitigen Wahrnehmung kommt ein strittiges Element ins Spiel, welches für Claims charakteristisch, aber nicht zwingend ist. Auch die aus dem Claim hervorgehende Höhe der Kompensationsforderung oder weitere Folgen wie bspw. der Zeitraum einer reklamierten Terminverschiebung entspringen oft einer Einschätzung mit subjektiver Färbung, sofern die Folgen für Vertragsbrüche im Vertrag nicht festgelegt sind (sogenannter pauschalierter Schadeersatz oder auch Liquidated Damages, die im Vorhinein vertraglich festgelegt sind, befreien den Anspruchsteller von der Glaubhaftmachung der Schadenshöhe). Abb. 1: Entstehung von Claims im Projektverlauf (Ex-post-Betrachtung) Abb. 2: Integrierter CR-Prozess (Ex-ante-Betrachtung) PM-aktuell_2-2015_Inhalt_01-60.indd 41 01.04.2015 11: 42: 55 Uhr projektManagementaktuell | AUSGABE 2.2015 42 WISSEN [6] Halbleib, Matthias: Claim-Management, Eine Konzeption für die Beschaffung großindustrieller Anlagen als Referenzobjekte investiver Kontraktleistungsbündel. Peter Lang Europäischer Verlag der Wissenschaften, Frankfurt am Main 2000 [7] Pinnells, James/ Kühnel, Wolfgang: Zeit, Verzögerung und Claim. VDMA Verlag, Frankfurt 2004 Schlagwörter Anspruch, Change Request, Change Request Management, Claim, Claim Management, CR, Forderung Kompetenzelemente der NCB 3.0 4.1.14 Beschaffung und Vorträge, 4.1.15 Änderungen Autoren Reinhard P. Oechtering, Dipl.-Informatiker und Dipl.-Volkswirt, arbeitet als Projektmanagementberater und Trainer. An der TU Kaiserslautern studierte er 2006/ 2007 „Systemisches Management“. Er ist selbstständig und Inhaber der merathor Informatik Projektberatung und nimmt gelegentlich nebenberuflich Lehraufträge für Projektmanagement an der Hochschule wahr. Zuvor leitete er IT-Projekte bei internationalen Unternehmen, unter anderem bei der Swiss Bank Corporation (Schweiz) und der IBM Deutschland. Dort sammelte er in über zehn Jahren umfassende Erfahrungen als Projektmanager und Berater. Anschrift: merathor Informatik Projektberatung, Ziegeleiweg 105, D-40591 Düsseldorf, Tel.: 0170/ 2 36 88 00, E-Mail: R.Oechtering@merathor.de Das Verfahren, über ausgehandelte Change Request-Nachforderungen ex post in den Vertrag aufzunehmen, erfreut sich in der Unternehmenspraxis einer gewissen Beliebtheit, da es „geräuschloser“ ist. Das heißt, es gibt Unternehmen und auch Kulturkreise, die alle etwaigen Ansprüche als Change Request verhandeln, ohne die Begriffe Claim, Forderung oder Anspruch auszusprechen. So vermeiden sie, die mit der Nutzung des Begriffs aufkommenden negativen Konnotationen, die oft reflexartig zur unproduktiven Suche nach Verantwortlichen führen. Gerade mit Vertragspartnern aus östlich-asiatischen Kulturkreisen hat die geräuschlose Form, Claims als CRs zu behandeln, den Vorteil, dass sie die Gesichtswahrung erleichtert. Fazit Der Autor hat die Hoffnung, mit der Definition und Einordnung des Claim-Begriffs den Aufbau von Claim Management-Prozessen in Unternehmen zu erleichtern, denn mit der Entwirrung der Begriffe ist die Voraussetzung für den Aufbau konsistenter Prozesse gelegt. Für ein erfolgreiches Claim Management sind noch weitere Faktoren zu beachten, wie der Kulturbezug (länderwie branchenbezogen), die Kommunikations-, Vertrauens- und natürlich rechtlichen Aspekte. Dem geneigten Leser seien die Ausarbeitungen von Wolfgang Kühnel [5, 7], James Pinnells [7], Winfried Huck [4] und für die ausführliche Beleuchtung aller Claim-Aspekte die Dissertation von Matthias Halbleib [6] empfohlen.  Literatur [1] A Guide to the Project Management Body of Knowledge. 5 th Edition, Project Management Institute USA, Pennsylvania 2013 [2] Gregorc, W./ Weiner, K. L.: Claim Management - Ein Leitfaden für Projektmanager und Projektteam. Publicis Corporate Publishing, Publicis Corporate Publishing Verlag, Erlangen 2005 [3] ICB IPMA Competence Baseline. Version 3.0, IPMA International Project Management Association, June 2006 [4] Huck, Winfried: Prozess- und Ergebnisoptimierung durch Claim Management. In: projekt- Management aktuell 1/ 2006 [5] Kühnel, Wolfgang: Claimsmanagement - ungeliebtes, aber unverzichtbares Element im Projektmanagement. In: projektmagazin 8/ 2008 Change Requests als Instrument zur Umsetzung von Claim- Vereinbarungen (Settlements) In der Praxis gibt es noch eine weitere Beziehung zwischen Change Request und Claims, die vermutlich die Hauptquelle aller Irritationen bildet: Man nutzt das Change Request-Verfahren, um den Vertrag nachträglich (ex post) mit der realen Projektarbeit in Deckung zu bringen. Dieses Verfahren bietet sich an, wenn zum Beispiel zukünftige Vertragstermine aufgrund einer Claim-Vereinbarung verschoben werden. Es ist eine der Grundvoraussetzungen für gutes Projektmanagement, das vertragliche Leistungsversprechen (Baseline) jederzeit genau zu kennen bzw. rekonstruieren zu können. Dazu benötigt der Projektmanager in erster Linie den Vertrag und die vertragsrelevante Dokumentation. Zu ihr gehören u. a. alle genehmigten Change Request- und Claim-Vereinbarungen, sofern sie nicht in Change Requests überführt wurden. Betriebswirtschaftlich ist es nicht sinnvoll, alle Claims über genehmigte Change Requests zu implementieren: Wenn z. B. eine einfache Kompensationszahlung für nicht erbrachte Mitwirkungsleistungen ausgehandelt wurde, reicht eine einfache dokumentierte Claim-Vereinbarung ohne die aufwendige Durchführung eines CR-Verfahrens. Ein weiterer Administrationsvorteil liegt in der Nichteinbeziehung solcher einfachen Claims für die Rekonstruktion der aktuell gültigen vertraglichen Baseline. Abb. 3: CR-Prozess als Lösung für Claims (Ex-post-Betrachtung) PM-aktuell_2-2015_Inhalt_01-60.indd 42 27.03.2015 10: 39: 58 Uhr