PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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2015
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Systemeisches Projektmanagement
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2015
Helmut Strohmeier
Heinrich, H.: Systemisches Projektmanagement. Grundlagen, Umsetzung, Erfolgskriterien. Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG, München 2014, ISBN: 978-3-446-44284-9, 290 S., EUR 49,99
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Wissen 53 projektManagementaktuell | ausgabe 3.2015 Heinrich, H.: Systemisches Projektmanagement. Grundlagen, Umsetzung, Erfolgskriterien. Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG, München 2014, ISBN: 978 - 3 - 446 - 44284 - 9, 290 S., EUR 49,99 Der Titel macht neugierig und weckt Hoffnung. Wagt es ein Autor, endlich die weitgehend in sich gekehrte, bisweilen recht selbstverliebt anmutende Projektmanagementlehre mit dem zu verheiraten, was hochdekorierte Autoren (Frederic Vester, Dietrich Dörner, Peter M. Senge, Fredmund Malik, Peter F. Drucker, Eliyahu M. Goldratt, Gareth Morgan, um nur ein paar zu nennen) längst über soziale Systeme und ihre Eigenschaften herausgefunden haben? Will er womöglich gar das mit Anwendungspraktikabilität füttern, was zwar von großen, bestaunten Systemtheoretikern (Maturana & Varela, Luhmann) der Nachwelt überlassen, aber von uns Normalsterblichen eher mäßig verstanden worden ist? Nun - man wird Ansprüche dieser Dimension schnell zurückschrauben, sobald das Buch vor einem liegt. Schon der Seitenumfang von 270 Seiten, vergleicht man ihn mit Werken besagter Größen, legt nahe, dass es sich hier wohl eher um eine ziemlich eng gefasste systemische Ausschnittbetrachtung handeln wird. Und so führt der Autor auch nur kurz in allgemeine systemtheoretische Grundlagen ein, was das erneute Zurückschrauben von Ansprüchen unvermeidlich macht. Gerne hätte man mehr über Systemträgheit und -robustheit, über Selbstreferenz sozialer Systeme oder über Paradoxien gelesen, um nur ein paar Merkmale und Besonderheiten sozialer Systeme zu nennen, die uns in Projekten unentwegt begegnen, aber in der gängigen Projektmanagementlehre bislang eher vernachlässigt worden sind. Dagegen findet der Autor schnell zu den üblichen Themen einer Projektmanagementlehre zurück, wie Projektauftrag und Projektstrukturplan. Damit aber wird deutlich, was er primär unter dem Begriff „systemisch“ versteht - eine Ordnung im Zusammenwirken von Menschen, geregelt durch aufbauorganisatorische Strukturen mit klar definierten Rollen und ergänzt um Verhaltensprinzipien, ausgerichtet an Bedürfnissen beteiligter Personen. Deshalb stört es den Autor auch nicht, dass er sich bei seinen Ausführungen im Widerspruch zu dem befindet, was Luhmann als den zentralen Punkt seiner bislang unwidersprochen gebliebenen Theorie nennt - soziale Systeme bestehen aus Kommunikation und nur daraus, was in letzter Konsequenz bedeutet, dass ein Mensch als Ganzes nie Teil eines sozialen Systems sein kann. Zum System kann nur das zählen, was er diesem in Form von Kommunikation bereitwillig, manchmal auch unbewusst zur Verfügung stellt. Man muss daher das vorliegende Werk aus einem anderen Blickwinkel als einem aus der Systemtheorie entsprungenen betrachten, will man seinen Wert erkennen, den es zweifellos hat. Dem Autor liegt daran, Projektorganisationen so auszuleuchten, dass sie erkennen lassen, wann sie dem sozialen System „Projekt“ zur Stärke verhelfen und wann eher nicht. Und so nennt er in Kapitel 5, dem Highlight seines Werkes, wichtige Prinzipien, die Stärke bewirken und fördern. Es geht u. a. um Nichtleugnung der Wirklichkeit, um Zugehörigkeitsregelung, um Systemwachstum, um Immunkraftbildung und um die Individuation der Leistungs- und Lernbereitschaft. Auf diese Weise gelingt es dem Autor, einige sehr wertvolle Aspekte in die Diskussion, wie sich das soziale System „Projekt“ in all seiner Komplexität leichter beherrschen lässt, einzustreuen. Jeder Projektverantwortliche darf und sollte sich gern an diesen Prinzipien orientieren, will er seinem Projekt höchstmögliche Wahrscheinlichkeit zu größtmöglichem Erfolg injizieren. Der Autor stellt damit ein Denkwerkzeug bereit, das, falls es die Verantwortlichen nutzen, die Selbstreflektion eines Projektes fördern wird. Auch erfahrene Projektleiter finden also manches Interessante im Buch, auch wenn sie einige Seiten ungestraft werden überblättern dürfen, auf denen sich reichlich Bekanntes, manchmal sogar - mit Verlaub - ziemlich Banales findet. Mancher noch wenig erfahrene Kollege mag sich hingegen über die vielen Anregungen zur Gestaltung funktionstüchtiger Projektorganisationen freuen, falls er sie in noch keiner anderen Quelle entdeckt hat. Es ist nur schade, dass der Autor andere bekannte Denkwerkzeuge zur Durchleuchtung von Systemen gänzlich unberücksichtigt lässt. Ich denke beispielsweise an Maliks Struktur lebensfähiger Systeme, an Senges Archetypen oder an die Logik des Misslingens von Dörner. Glaubt der Autor tatsächlich von Ganzheitlichkeit sprechen zu dürfen, wenn er Projekten lediglich ein einziges, sein eigenes Denkwerkzeug überstülpt? Dass er davon überzeugt ist, kann ich mir nicht vorstellen, aber genau deswegen wirkt der Titel des Buches, setzt man ihn ins Verhältnis zu seinen Inhalten, auf mich ziemlich anmaßend. Reinhard Wagners Aussagen im Vorwort kann man hingegen uneingeschränkt zustimmen. Ein Anfang, was die systemische Betrachtung von Projekten betrifft, ist mit dem Werk von Heinrich gemacht. Aber es wird noch vieler Gedanken und Ergänzungen bedürfen, um Projekte tatsächlich als besondere Art sozialer Systeme erkennen, begreifen und beschreiben zu können. Dabei gilt es, zuallererst bislang sträflich Vernachlässigtes nachzuholen, was mit Heinrichs Werk leider so gut wie nicht geschehen ist. Die Projektmanagementlehre ist um das anzureichern, was in seiner Umwelt (Systemtheorie, allgemeine Management- und Organisationslehre, Organisationspsychologie) schon längst bekannt ist. Ganz ungewollt sind wir so auf eine ebenso bedeutende wie mahnende Erkenntnis aus der Systemtheorie gestoßen: Die Umwelt und nur sie verleiht einem System Existenzberechtigung - Heinrich bestätigt das. Begreift man also die Projektmanagementlehre selbst als System, so wird sie sich schleunigst an dieses Gesetz erinnern und sich dementsprechend fortentwickeln müssen, will sie weiterhin von ihrer Umwelt als nützlich anerkannt bleiben. Autor: Helmut Strohmeier Buchbesprechung Systemisches Projektmanagement PM-aktuell_3-2015_Inhalt_01-64.indd 53 29.05.2015 6: 11: 27 Uhr
