PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Bürgerkompetenz Projektmanagement
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2015
Benedikt Gross
Projektmanagement wird zu einer Bürgerkompetenz, zunehmend Lehrgegenstand in Schulen und auch an Hochschulen professionalisiert sich das Fach.
Die steigende Selbstverständlichkeit des Themas und staatliche Breitenschulung im Projektmanagement werden auch Veränderungen im Wirtschaftsleben und für die öffentliche Wahrnehmung der Disziplin bedeuten.
Die GPM hat in ihrer Strategie die Weichen für diese zukünftige Entwicklung im Grunde schon gestellt und wird weiter das Themen- und Serviceprofil aktiv ausbauen müssen.
Die Bildungsinitiative „Projektmanagement macht Schule“ und die Fachgruppe „PM an Hochschulen“ sind zwei konkrete Aktivitäten, die großes Potenzial haben.
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projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2015 42 STRATEGIE ihrem Lehrplan, wobei „P“ natürlich für Projekt steht. Kulturministerien und Bildungspolitiker haben erkannt, dass das Arbeiten in Projekten nicht nur Lehrmethode sein kann, sondern auch grundlegende Kompetenz des Schulabgängers sein muss. Das Magische Dreieck? Stakeholder und Risiken? Solche Begriffe gehören zum Standardvokabular zukünftiger Berufseinsteiger, in vielen Fällen ist es das schon heute. Ziele definieren und mit gegebenen Mitteln erreichen, das muss ein Schüler eigentlich schon können. Eigentlich. Aber was bedeutet es, wenn Berufseinsteiger zukünftig wirklich schon die Grundlagen des Projektmanagements beherrschen? Der Projektbegriff hat in jedem Fall den Alltag vieler Menschen erreicht, ebenso wie die Projektmanagementausbildung an Schulen und Hochschulen angekommen ist. Dieser Beitrag wirft ein Licht auf einige stille, aber sehr potente Entwicklungen unserer Arbeitswelt. Ist Projektifizierung schlimm? „Mach es zu deinem Projekt! “, ist ein Slogan, mit dem ein Baumarkt vor einigen Jahren prominent Werbung gemacht hat. Gleichzeitig wird schon länger die sogenannte „Projektifizierung der Gesellschaft“ beklagt. Dieser Begriff beschreibt die Krankheit, dass inzwischen alles und jedes noch so kleine Vorhaben als „Projekt“ bezeichnet wird [1]. Ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Appell an die Heimwerker und dem gesellschaftlichen Phänomen besteht wohl kaum, hin. Grundlagen des Projektmanagements etablieren sich als bürgerliche Alltagskompetenz: Der Begriff „Projektifizierung“ ist daher vielleicht zu Unrecht ausschließlich negativ konnotiert und könnte auch Ausdruck eines immanenten Wandels der Gesellschaft sein. Das Denken in abgegrenzten Vorhaben, Liefergegenständen und Verständnis für die klassischen PM-Dimensionen Zeit - Kosten - Leistung wird Allgemeinwissen. Vor Kurzem brachte es ein Gesprächspartner wie selbstverständlich auf den Punkt: Jeder ist doch Projektmanager seines eigenen Lebens. Schüler als Projektmanager Ferne Zukunftsvision? Keineswegs. Schon heute haben bayerische Elftklässler „P-Seminare“ in Das kann die spätere Ausbildung im Projektmanagement grundlegend ändern. Hatten bisher Hochschulabgänger oft ihren ersten Kontakt mit Projektmanagement in einem Grundlagentraining, nachdem sie mehrere Jahre Fachkarriere gemacht haben, so sind jetzt immer mehr Berufseinsteiger Anfang 20 schon auf einem soliden Basislevel im Projektmanagement und das unabhängig davon, ob sie für eine Verwendung als Projektleiter designiert werden oder nicht. Diese wusst und vorgebildet, sie kommen mit erster praktischer Erfahrung und nicht mehr als Einsteiger mit Bedarf für Begriffsdefinitionen. Um durch diese Entwicklung keine Nachteile zu erleiden, müssen Ausbildungsunternehmen im Projektmanagement sich von der Breitenschuzu individuellen und hochkarätigen Führungsakademien entwickeln. Die Kunden werden vermehrt fragen, was denn nach einer Zertifizierung auf Senior Level noch kommen kann. Vielleicht bees den reinen Projektmanager als Berufsbild (auch) zukünftig nicht geben wird. Projektmanagement ist schließlich allgemeine Bürgerkompetenz. Die Zeiten, in denen Fachverbände ihr Profil in minologie, Buchvertriebe oder als Prüfinstitute prägen konnten, sind jedenfalls vorbei. Zweck und Auftrag einer modernen Gesellschaft für Projektmanagement müssen heute weiter gedacht werden, um relevant und attraktiv für Mitglieder zu sein. Die GPM hat das erkannt und als Vision für das Jahr 2020 formuliert: „Die GPM ist das Kompetenznetzwerk der Projektwirtschaft in Deutschland.“ [2] Diese Vision soll Richtschnur und Maßstab sein für sämtliche Projekte und Maßnahmen mit strategischer Bedeutung innerhalb der GPM. In der Konsequenz entwickeln sich dadurch auch Zielgruppen und Inhalte weiter. Die vielen Fach- Bürgerkompetenz Projektmanagement Autor: Benedict Gross >> Für eilige Leser Bürgerkompetenz, zunehmend Lehrgegenstand in Schulen und auch an Hochschulen professionalisiert sich das Fach. - Breitenschulung im Projektmanagement werden auch Veränderungen im Wirtschaftsleben und für die öffentliche Wahrnehmung der Disziplin bedeuten. die Weichen für diese zukünftige Entwicklung im Grunde schon gestellt und wird weiter das ausbauen müssen. management macht Schule“ und die Fachgruppe „PM an Hochschulen“ sind zwei konkrete Aktivitäten, die großes Potenzial haben. PM-aktuell_4-2015_Inhalt_01-84.indd 42 24.08.2015 8: 32: 01 Uhr projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2015 STRATEGIE 43 und Regionalgruppen der GPM sprechen schon heute nicht mehr nur Projektmanager im engeren Sinn an, und auch bei den Inhalten geht es nun darum, ein „Fachverband für Management in und um Projekte“ zu sein. Darin liegt ein feiner Unterschied: Die Betonung der Wortkomposition „Projektmanagement“ geht dabei von „Projekt“ auf „Management“ und löst sich in dem Zuge aus einer Beschränkung auf die Abwicklung von Einzelvorhaben, die nicht mehr zeitgemäß ist. Das könnte auch ein Motiv der nächsten Vision men- und Serviceprofil der GPM eine notwendige Evolutionsstufe einläuten. Diese Entwicknur an die (wirtschafts-)politische Rolle und Repräsentanz, die zukünftig vom Verband erfüllt werden will und muss. Neue Stakeholder werden auch neue Anforderungen an professionelle Formate, Leistungen und Veranstaltungen stellen. Zwei unscheinbare Zukunftsinitiativen der GPM Abseits solch abstrakter Überlegungen zu Strategien und Visionen kann man den Wandel andernorts schon konkret erahnen. Eher unter dem Radar der breiten Fachöffentlichkeit laufen schon seit einiger Zeit zwei Initiativen mit nicht zu unterschätzendem Zukunftspotenzial. Sie sind nicht besonders sichtbar, was daran liegen mag, dass sie sich nicht um physische Projektergebnisse drehen, keine Bagger fahren, keine Grundsteine gelegt und keine Feuerwerke gezündet Abb. 1: Projektmanagement ist in den Schulen angekommen. Künftige Schulabgänger werden die Grundbegriffe des Projektmanagements beherrschen und schon erste Erfahrungen gesammelt haben. Abbildung: Luisa Rachbauer Projektmanagement. Prozessorientiert. Durchdachte Prozesse geben in den Unternehmen die Abläufe vor. So werden be- Projektabwicklung im gesamten Projektportfolio. C O N T A C T Hannover | 24.09. Stuttgart | 21.10. Jetzt kostenlos anmelden! Anzeige PM-aktuell_4-2015_Inhalt_01-84.indd 43 24.08.2015 8: 32: 02 Uhr 44 STRATEGIE nicht mehr bevorsteht, sondern bereits eingeschulischen Lehrpläne von immer mehr Bundesländern hält. Schulen und Universitäten drängen damit nicht in einen neuen Markt, vielmehr werden sie vermehrt ihrer berufsvorbereitenden Aufgaben gerecht. Eine Lücke, die bisher von Unternehmen auf eigene Kosten geschlossen werden musste. Ein vielversprechender Ansatz, die Freiheit und Vielfalt der Lehre zuzulassen, andererseits aber qualitative Grundsätze sowie methodische und terminologische Standards zu garantieren, ist das „Basiszertifikat im Projektmanagement“ der - senzstunden können sich für die zweistündige schlussklausur im Projektmanagement. Durch die Prüfung ist sichergestellt, dass die Grundlagen und wichtigsten Standards im Projektmanagement bekannt sind und sich die Lehrveranstaltung daran orientiert hat. Projektmanagement für alle Die Gesellschaft projektifiziert sich, und das ist auch gut so, wenn eine Professionalisierung damit einhergeht. Auch die Gesellschaft für Projektmanagement verändert und öffnet sich, hin zu einem Kompetenznetzwerk für Projektmanagement (gleich welcher Art) oder einer modernen „Gesellschaft für Management in und um Projekte“. Die staatlichen Bildungsinstitutionen Unterrichtsinhalt schlicht lange nicht gesehen haben, entstand an Universitäten vielerorts ein Wildwuchs der Lehrangebote. Dafür mitverantwortlich sind wohl zwei Merkmale der deutschen Hochschullandschaft, die eigentlich Garanten für deren Qualität sein sollten: die Freiheit der Lehre einerseits und der Zwang zu hoher Fachspezialisierung während einer akademischen Karriere andererseits. Erstere führt dazu, dass es einem Hochschullehrer überlassen bleibt, wie er seine Vorlesung gestaltet und mit welchen Inhalten er den grob vorgegebenen Rahmen für sein Lehrfach füllt. Zusätzlich erfordern die akademischen Karrierepfade bis zur Professur eine tief gehende Konzentration auf sehr spezifische Fachthemen. Das steht meistens im Gegensatz zum generalistischen und interdisziplinären Ansatz des Projektmanagements und bedeutet auch, dass nicht selten eine massive Latenz zwischen praktischer Erfahrung und Lehrtätigkeit besteht. Planungstechniken können zwar noch theoretisch erschlossen und vermittelt werden, Führungskompetenzen lassen sich jedoch nur durch Erfahrungen entwickeln. Diese konzeptionelle Herausforderung an Lehre und Lehrpersonal haben Hochschulen ebenso wie Schulen. Erst langsam zeigen sich Änderungen, und in dem Maße, wie Projektmanagement sich als eigenes Studienfach durchsetzt, etabliert es sich auch als eigenes Fachgebiet der akademischen Forschung und Lehre. Es kann davon ausgegangen werden, dass eine Phase der Emanzipation und Professionalisierung von Projektmanagement an Hochschulen und Universitäten werden. Stattdessen beschäftigen sie sich mit der Ausbildung von Zielgruppen, die nicht prominent, einflussreich oder pressewirksam sind: Schüler und Studenten. Nach gründlicher Pilotierung in den letzten Jahdie auf den Erfahrungen der beiden Fachgruppen „Projektmanagement macht Schule“ und „Projektmanagement an Hochschulen“ aufbaut. (Vgl. den Artikel „Bildungsinitiative ,Projektmanagement macht Schule (GPM)‘“ von Harald Wehnes sem Heft.) Sie stellt erprobte Leitfäden und Unterrichtsmaterialien zur Verfügung und kann mittlerweile auf einen Stab von 20 Lehrtrainern zurückgreifen. pädagogischen Gesichtspunkten fort, damit sie Projektmanagement nicht nur als Unterrichtsfach vermitteln, sondern auch Projekte als Unterrichtsform einsetzen können, wie das immer häufiger Die Fachgruppe „Projektmanagement an Hochschulen“ konzentriert sich andererseits darauf, ein Netzwerk der Hochschullehrer im Projektmanagement zu bilden, auf dessen Plattform gemeinsame Materialien und Best Practices geteilt Fachgruppen ähnliche Ansatzpunkte haben und die in Ausbildung befindlichen zukünftigen Leistungsträger in Gesellschaft und Wirtschaft adressieren, müssen sie unterschiedlich vorgehen. Während Schulen die Notwendigkeit von Projekt- Abb. 2: Ein Fachverband für „Management in und um Projekte“ könnte die nächste Evolutionsstufe im Themen- und Serviceprofil der GPM sein. Abbildung: Luisa Rachbauer PM-aktuell_4-2015_Inhalt_01-84.indd 44 24.08.2015 8: 32: 03 Uhr projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2015 STRATEGIE 45 glücklicherweise schon gelegt und die Strategie 2021 der GPM noch nicht geschrieben. n Literatur gren, M.: Projectification and its consequences: Narrow and broad conceptualisations. In: South African Journal of Economic and Management [2] Kurs auf 2020 - Strategische Grundausorganisation.html oder direkt als PDF: www. GPM_Strategische-Grundaussagen_web.pdf Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V., www.pm-schule.de Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement hochschulen.html schen Hochschulen. In: projektManagement Schlagwörter PM an Hochschulen, PM an Schulen, PM und Gesellschaft, Projektifizierung, Stakeholder, Strategie der GPM Autor Benedict Gross hat schon in der Schule gerne Dinge organisiert und realisiert, anschließend vier Studiengänge an fünf Hochschulen in drei deutschen Bundesländern und in England land besucht - und dabei niemals Projektmanagement auf dem Lehrplan gefunden. Auf die Zertifizierungen nach IPMA und PMI hat er sich dann autodidaktisch vorbereitet. Neben der benagement ist er Leiter des Deutschen Project Anschrift: Abb. 3: Das Basiszertifikat im Projektmanagement ist ein vielversprechender Ansatz, um Standards der Projektmanagementausbildung an Hochschulen sicherzustellen, ohne dabei in die Freiheit der Lehre einzugreifen. Abbildung: Luisa Rachbauer erkennen ebenfalls die Zeichen der Zeit und integrieren Projektmanagement in ihre Lehrcurricula. tral koordiniert. Die Initiativen „Projektmanagement macht Schule“ und „PM an Hochschulen“ setzen an Stellen an, deren Potenzial und Breitenwirkung gewaltig sein können. Auch der innere Wandel der GPM als größter deutschsprachiger Fachverband für Projektmanagement ist wichtig, aber allenfalls marginal, verglichen mit dem volkswirtschaftlichen Nutzen, der entsteht, wenn alle Schulabgänger Ziele definieren und diese mit gegebenen Mitteln erreichen können. Aber muss denn wirklich jeder Bürger Projektmanagement können? Oder geht die Forderung lament und Rat dazu eine klare Antwort formuliert, indem sie acht Schlüsselkompetenzen als Europäischen Referenzrahmen definiert haben, an dem sich die Mitgliedsstaaten bei den Zielen der Grund- und Ausbildung junger Menschen orientieren sollen - Fähigkeiten, die alle Schulabgänger in Europa haben sollen. Neben mathematischen Grundkenntnissen, Sprach-, Sozial- und Computerkompetenz findet sich dort auch Projektmanagement: „An Fähigkeiten gefordert ist aktives Projektmanagement (wozu beispielsweise die Fähigkeit zur Planung und Organisation, zum Management, zur Führung und Delegation, Analyse, Kommunikation, Einsatzbesprechung, Beurteilung und Aufzeichnung gehört), erfolgreiches Auftreten und Verhandeln sowie die Fähigkeit, sowohl eigen- lung des Europäischen Parlamentes und des Warum beschäftigt sich das Europaparlament überhaupt mit Projektmanagement? Vielleicht weil aus größerer Flughöhe eine gesamtgesellschaftliche Bedeutung sichtbar wird, denn „Schlüsselkompetenzen sind diejenigen Kompetenzen, die alle Menschen für ihre persönliche Entfaltung, soziale Integration, Bürgersinn und Beschäftigung benötigen (...), da jede von ihnen zu einem erfolgreichen Leben in einer Wissensgesellschaft beitragen kann.“ (ebenda) In diese Dimensionen muss ein Fachverband freilich erst hineinwachsen. Die Grundsteine sind PM-aktuell_4-2015_Inhalt_01-84.indd 45 24.08.2015 8: 32: 04 Uhr