eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 26/4

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
101
2015
264 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Projektmanagement – Wissen für den Profi

101
2015
Oliver Linssen
Jenny, Bruno: Projektmanagement. Das Wissen für den Profi. 3. Auflage, vdf Hochschulverlag, Zürich 2014, ISBN 978-3728135650, 1.007 Seiten, EUR 122,-
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Jenny, Bruno: Projektmanagement. Das Wissen für den Profi. 3. Auflage, vdf Hochschulverlag, Zürich 2014, ISBN 978-3728135650, 1.007 Seiten, EUR 122,- Beim Anblick dieses Werks wird ein bibliophiles Herz höherschlagen. Es ist das aufwendigste und schönste Buch über Projektmanagement, welches ich in den letzten Jahren in den Händen gehalten habe. Auf über 1.000 Seiten stellt Bruno Jenny seinen Projektmanagementansatz in durchgehend farbiger Gestaltung dar. Dabei stehen. Laut Einleitung ist Jennys Zielgruppe der Projektmanagementprofi. Das Buch soll das Wissen beinhalten, welches ein PM-Profi benötigt. Es will gleichzeitig Nachschlagewerk und Lehrbuch sein. An diesem Anspruch muss es dann auch gemessen werden. Eigentlich handelt es sich nicht um ein Nachschlagewerk über Projektmanagement, sondern um ein eigenes Projektmanagementsystem, welches von Jenny entwickelt wurde. In großer inhaltlicher Breite befassen sich elf Kapitel mit institution, Projektportfolio, Projektführung, Promanagement, Risikomanagement, Ressourcenmanagement, Changemanagement und Konfigudie Prozesse des Projektportfoliomanagements dargestellt. Die Projektmanagementphasen (Initiierung, Planung, Steuerung, Abschluss) werden ten behandelt. Die Projektdurchführung (Konzeption, Anforderungsentwicklung, Realisierung ment, Ressourcenmanagement, Changemanagement und Konfigurationsmanagement gewidmet Büchern ja zu kurz, machen hier aber fast ein Drittel des Gesamtumfangs aus. Allein das Inhaltsverzeichnis umfasst 22 Seiten und gliedert den Inhalt teilweise bis zu sechs Ebenen tief. Eine durchgängig farbige Codierung erleichtert die Navigation im Buch. Jedes Kapitel beginnt mit einer Aufzählung der Lernziele. Am Ende von jedem Kapitel findet sich eine Aufzählung der Lieferobjekte. Außerdem sind am Ende herstellen. Das Layout ist übersichtlich und gut lesbar. Allerdings ist der im Buch verwendete lebende Kolumnentitel in der vorliegenden Form nicht besonders wertvoll: Bei über 220 Seiten Anhang wäre es z. B. sinnvoll gewesen, den tatsächlichen Inhalt des jeweiligen Abschnitts zu erwähnen. Der Hinweis, dass der Leser sich im Anhang befindet, nutzt recht wenig. Bei einem Nachschlagewerk wären außerdem Marginalien wesen, um Inhalte schneller aufzufinden. visualisieren den Inhalt. In der Regel referenziert viele Grafiken zu klein und deshalb schlecht lesbar. Bei einer solchen Menge an Grafiken wäre ein Abbildungsverzeichnis wünschenswert ge- zeichnet, aber nicht immer. Dies kann den Leser durch Kästen hervorgehoben. Diese finden sich dann zusätzlich gebündelt im Anhang. Sehr gut gefällt mir, dass im Buch durchgängig allerdings nicht deutlich, wo Bezug auf dieses Beispiel genommen wird. Dem ständig unter Zeitdruck arbeitenden PM- Profi werden möglicherweise Zusammenfassungen an den Kapitelenden fehlen. So ist er ge- Auch wenn man dadurch dem gesamten Werk unter Umständen nicht gerecht wird, beschränken sich die folgenden Ausführungen auf einige Auffälligkeiten, die Ergebnis einer Stichprobe waren. Bei den Vorgehensmodellen werden in Kapitel 1 das sequenzielle Modell, das iterative Modell, das V-Modell und das Spiralmodell vorgestellt dell bezeichnet Jenny als „theoretischen“ Ansatz, jektwelt aber nicht mehr zur Umsetzung gelangen kann“. Man kann am Phasenmodell sehr viel trotzdem immer noch recht häufig. modelle dargestellt, wie z. B. der Rational Unified Process. Hier wird aber auf weniger als einer modell dargestellt, was man bei der derzeitieinem Nachschlagewerk über Projektmanagement kritisieren darf. Außerdem wird Scrum als Produktentwicklungsmodell bezeichnet. Nach eigenem Verständnis betrachtet sich Scrum aber „nur“ als Rahmenwerk für das Projektmanagement. Im Bereich der Ablaufplanung hat es den Anschein, als ob Jenny nicht zwischen Arbeitsdass Arbeitspakete im Rahmen der Ablaufplanung weiter in Vorgänge zerlegt werden können. Der Autor behandelt an mehreren Stellen aus- dings werden nicht die möglichen Formen der Zielverträglichkeit (Antinomie, Konkurrenz etc.) Sehr positiv ist zu bemerken, welchen Raum Dabei geht er im Bereich der Anforderungsermittlung auf Use Cases als Werkzeug zur Anforderungsspezifikation ein. Diese werden als An- Buchbesprechungen Projektmanagement - Wissen für den Profi WISSEN 61 projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2015 PM-aktuell_4-2015_Inhalt_01-84.indd 61 24.08.2015 8: 32: 18 Uhr Kerzner, Harold: Project Management. Best Practices. Achieving Global Excellence. 3. Auflage, Wiley Hoboken 2014, 775 S., ISBN 978 -1-118 - 65701- 0, EUR 120,36 Wer sich auf die Lektüre der Bücher von Kerzner einlässt, muss mit großen Stoffmengen fertigwerden. Der amerikanische Papst des Projektmanagements, wie man ihn auch nennt, breitet sein ungeheures Wissen aus, vor dem man nur staunen kann. Das Grandiose an Kerzners Kompendium ist, dass nahezu in jedem Kapitel jeweils ganz konkrete Beispiele aus Firmen kommen. Unter vielen anderen sind die Unternehmen Siemens, Good Year, Deloitte, Philips, IBM, Boeing, Alcatel Lucent und DELL vertreten. Der Autor charakterisiert sie so: „They are all global business leaders and they all got there through outstanding project management.“ Auch wenn der Kundige weiß, dass zwischen der Darstellung nach außen, auf die sich natürlich auch Kerzner stützen muss, und der Realität oft erhebliche Unterschiede bestehen, lohnt es sich allemal, die Ausführungen zu lesen. Und weiter: „The secrets of project managements are ready available and they can be found inside Project Management-Best Practices.“ Das ist in der Tat nicht zu viel versprochen, wenn es Kerzner einem auch nicht ganz leicht macht, zu den Geheimnissen guten Projektmanagements vorzudringen. Deshalb kann vorweg gesagt werden: Für Anfänger, die noch nicht in der Lage sind, die Stofffülle zu sortieren und in ihr eigenes, noch nicht sehr präzises Bild von Projektmanagement einzuordnen, ist das Werk nur bedingt geeignet, da es mit hoher Wahrscheinlichkeit einige Verwirrung hinterlassen wird. Profis allerdings, die die nicht sonderlich systematische Gliederung nicht stört, werden freilich viele wertvolle Anregungen fin- Project Management. Best Practices. Achieving Global Excellence projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2015 62 WISSEN Form werden hier die Managementprodukte von Projekten dargestellt. Wichtig wäre hier meines Erachtens gewesen, Bezug auf den jeweiligen Abschnitt im Haupttext zu nehmen, in dem das Lieferobjekt dargestellt wird. So fehlt dem eiligen Benutzer teilweise die Klarheit, was mit den erwähnten Gliederungspunkten gemeint ist. Ungewöhnlich ist hier, dass weder ein Projekthandbuch, noch eine Projektakte erwähnt wird. Auch ein Projektmanagementhandbuch sucht man vergebens. Es wird als PM-Leitfaden bezeichnet und im ersten Kapitel behandelt, fehlt aber im Anhang. Insgesamt findet der Projektmanagementprofi in dem Buch von Jenny viele interessante Aspekte und Einsichten. Für Einsteiger und solche, die erst noch auf dem Weg zum PM-Experten sind, ist das Buch nur bedingt zu empfehlen. Hier können die Unstimmigkeiten unter Umständen zu einem falschen Verständnis führen. Aber an Einsteiger wendet sich Jenny erklärtermaßen auch nicht. Autor: Oliver Linssen n In diesem Abschnitt wäre auch ein Verweis auf weiterführende Literatur dieser recht komplexen Materie sehr sinnvoll gewesen. Im Rahmen der EVA wird die Bestimmung des Fertigstellungsgrads (FGR) behandelt, obwohl dieses Thema unabhängig von der EVA zu betrachten ist. Es werden nur drei Methoden zur Bestimmung des FGR erwähnt (50/ 50, 0/ 100 und relative Methode), obwohl auch andere Verfahren existieren (z. B. Statusschrittmethode). Im Anhang B werden unterschiedlichste Prozessmodelle unter der Überschrift „Allgemeine Qualitätsmanagementmodelle“ zusammengefasst. Hier finden sich dann - neben der ISO 9000 - Projektmanagementmodelle (PRINCE2, PMBoK, ICB 3, Hermes), Vorgehensmodelle der Softwareentwicklung (V-Modell XT) und Reifegradmodelle unterschiedlicher Bereiche (CMMI, OPM3, PMMM). Leider fehlt hier z. B. das Prozessmodell der DIN 69901. Sehr gut gefällt mir die Darstellung der Lieferobjekte im Anhang C des Buchs. In kompakter „Use Cases“ wird aber üblicherweise mit Anwendungsfall übersetzt. Besonders hervorzuheben ist, wie bereits kurz erwähnt, dass in Kapitel 11 dem Konfigurationsmanagement 35 Seiten gewidmet wurden. Hier wäre es allerdings schön gewesen, wenn man z. B. auch auf die Themen Versionsbildung und Branching eingegangen wäre. Bei den Aufwandsschätztechniken in Anhang A fehlen parametrische Verfahren wie COCOMO und der Planning Poker-Ansatz aus dem agilen Projektmanagement. Bei den Techniken zum Projektcontrolling ist die in der Praxis weitverbreitete Meilensteintrendanalyse auf nur einer Seite dargestellt. Die Kostentrendanalyse fehlt leider komplett. Die Earned Value-Analyse (EVA) wird recht ausführlich geschildert, jedoch ist die Interpretation der Kennzahl Schedule Variance SV falsch. Sie wird im Buch als Zeiteinheit bezeichnet - tatsächlich handelt es sich um einen Geldbetrag (was zugegeben für viele Praktiker unverständlich ist). PM-aktuell_4-2015_Inhalt_01-84.indd 62 24.08.2015 13: 46: 11 Uhr