PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Soft Facts durch kollektive Lernerfahrung
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Sabine Seidler
Ursula Liebhart
Gernot Mödritscher
Hannes Gessoni
Projektleiter bestätigen zunehmend: Das Projektumfeld wird immer komplexer und dynamischer. Um hier zu „überleben“, kommt es vor allem auf die „Soft Facts“ an, die schnell zu „Hard Facts“ werden können. Projektsimulationen bieten ein ideales Setting, um die dafür erforderlichen Soft Facts zu entwickeln. Dabei wird in kürzester Zeit eine inhaltliche, methodische und soziale Komplexität hergestellt, welche Teilnehmer in eine intensive Auseinandersetzung mit Führungs- und Steuerungsfragen auf den Ebenen Individuum – Gruppe – Organisation eintaucht. Der Beitrag beschreibt zunächst das Setting der Projektsimulation und die Herausforderungen der Teilnehmer. Dessen Wirksamkeit für das Lernen wurde anhand einer Evaluationsstudie überprüft: Die Ergebnisse ermutigen zum verstärkten Einsatz von komplexen Lern-Settings wie der Projektsimulationen zum Entwickeln der erforderlichen Soft Facts.
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projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2015 64 KARRIERE den Methoden des Projektmanagements bewältigt werden muss. Man kann auch sagen: Es erreicht die Projektwürdigkeit nicht. Richtige Projekte erfahren im laufenden Betrieb wesentliche Änderungen in den Aspekten Zeit, Budget, Leistung(sumfang) und Qualität. Diese Änderungen produzieren Lücken zwischen Plan und Realität Steigende Komplexitätsgrade und daraus resultierende Dynamiken/ Affektlogiken fordern Projektleiter vor allem im Bereich der Soft Facts. Im Trockentraining kaum erlernbar, im beruflichen Alltag häufig vernachlässigt, bieten Projektsimulationen ein geradezu ideales Setting, diese erfolgsrelevanten Soft Facts zu entwickeln. Dabei wird in kürzester Zeit eine inhaltliche, methodische und soziale Komplexität hergestellt. Die Simulation wirkt dabei wie ein „Brennglas“ und ermöglicht den Teilnehmern eine intensive Auseinandersetzung mit Führungs- und Steuerungsfragen auf den Ebenen Individuum - Gruppe - Organisation. Um auch die Nachhaltigkeit von Projektsimulationen zu überprüfen, ist das Autorenteam der Forschungsfrage nachgegangen, ob Lerneffekte und selbst gesetzte Transferziele tatsächlich in den beruflichen Alltag überführt werden. Gründen der besseren Lesbarkeit für verschiedene Rollenträger im Projekt, also z. B. für Projektleiter, immer nur die männliche Form gewählt. Selbstverständlich sind damit auch weibliche Akteure gemeint. Mit Sicherheit von der Sicherheit abweichen Projektmanagement an sich ist zunächst einmal recht leicht erklärt: Es geht darum, die drei Ecken bzw. Ziele im Rahmen des sog. „magischen Prozu halten, dass es am Ende doch irgendwie halbwegs gut ausgeht. Die Erfahrung zeigt aber deutlich: Wenn ein Projekt von der Startphase bis zum Abschluss nie ernsthaft notleidend ist und keine „roten Ampeln“ produziert, muss sich das Projekt den Vorwurf gefallen lassen, kein Vorhaben zu sein, das mit und lassen das Projekt aus intrinsischen wie gesamte System „Projekt“ an die Grenzen der Belastbarkeit geführt werden, wobei die Erwartungshaltung der Stakeholder nach Sicherheit, Berechenbarkeit und Kontinuität den Druck noch jektalltag - wirklich „magisch“ ist dabei allerdings nichts -, es gilt hier, bewusst zu gestalten (Abb. 1). Fachliche und methodische Kompetenz ist da wohl notwendiges Fundament, jedoch selten entscheidender Erfolgsfaktor, und schon gar nicht ein Garant für ein zufriedenstellendes Projektergebnis. Wenn aus Soft Facts schnell Hard Facts werden Einmal in das Spannungsfeld des Projektdreiecks geraten, führen vorrangig „weiche“ Faktoren zum Erfolg oder zum Scheitern eines Projektes. Projektleiter beziffern den Einfluss der weichen Faktoren (Soft Facts) mit bis zu 80 Prozent. So legt der Chaos-Report der Standish Group [1] nahe, dass gescheiterte Projekte selten über technische Hürden stolpern. Vielmehr scheitern sie am Umgang der im engeren Sinne beteiligten Stakeholder mit diesen Störungen. Erschwerend kommt der Faktor „Un-Vernunft“ hinzu. Vertraut noch immer ein Großteil der Projektbeteiligten die Neurobiologie mittels Hirnscans schon längst eindrucksvoll bewiesen, dass es gar kein rein logisches Denken gibt. Denken und Fühlen sind untrennbar miteinander verbunden. Daher scheint nicht nur jede Entscheidung zunächst einmal sehr emotional zu sein − sie ist es auch. Geht man nach Ciompis Affektlogik [2], wird unser Denken permanent von den fünf Grundgefühlen (Affekten) Neugierde, Freude, Ärger, Angst und Trauer gesteuert (Abb. 2). Projektsimulation Soft Facts durch kollektive Lernerfahrung Autoren: Sabine Seidler, Ursula Liebhart, Gernot Mödritscher, Hannes Gessoni >> Für eilige Leser Projektleiter bestätigen zunehmend: Das Projektumfeld wird immer kom- „überleben“, kommt es vor allem auf die „Soft Facts“ an, die schnell zu „Hard Facts“ werden können. Projektsimulationen bieten ein ideales Setting, um die dafür erforderlichen Soft Facts zu entwickeln. Dabei wird in kürzester Zeit eine inhaltliche, eine intensive Auseinandersetzung mit Führungs- und Steuerungsfragen auf den Ebenen Individuum - Gruppe - Organisation eintaucht. Der Beitrag beschreibt zunächst das Setting der Projektsimulation und mer. Dessen Wirksamkeit für das Lernen wurde anhand einer Evaluationsstudie überprüft: Die Ergebnisse ermutigen zum verstärkten Einsatz der Projektsimulationen zum Entwickeln der erforderlichen Soft Facts. PM-aktuell_4-2015_Inhalt_01-84.indd 64 24.08.2015 8: 32: 21 Uhr KARRIERE 65 projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2015 leiter − neben ihren fachlichen und methodischen Fähigkeiten - auf drei relevanten Kompetenzebenen bewegen können, die sich letztendlich wechselseitig bedingen. Nachdem Führung bei der „Selbstführung“ beginnt, ist die erste Kompetenzebene die sogenannte „Individualkompetenz“. Man kann auch sagen: Projektleiter sind mit sich selbst oft als schwierigstem Projektteilnehmer konfrontiert. Solche Individualkompetenzen sind Fähigkeiten, die es Projektleitern ermöglichen, sich selbst zu manövrieren und in herausfordernden Zeiten auf „Projektkurs“ zu bleiben. Dazu gehören beispielsweise: räumen erkenntnis Umgang mit Fehlern als Kurskorrektur und Lernchance Da es in Projekten aber auch immer andere Personen mit „ins Boot zu holen“ gilt, wird neben dieser persönlichen Individualkompetenz die sogenannte „Sozialkompetenz“ benötigt. Wie der Name schon sagt, geht es dabei nicht um Fähigkeiten, die Einzelpersonen zugeschrieben werden können und sich von selbst entwickeln, sondern tenten Umgang damit finden, ist es schwierig, Kontrolle über das Bewusstsein und konstruktive Entscheidungen zu erlangen. Zusammenspiel von Individual- und Sozialkompetenz Um das System „Projekt“ in seiner affektgeladenen Dynamik des Projektdreiecks erfolgreich durchsteuern zu können, müssen sich Projekt- Es funktioniert aber auch umgekehrt: Denkt man an etwas Bestimmtes (bspw. an die Projektpräsentation beim Vorstand), können damit verknüpfte Gefühle (Freude, Neugierde, Angst etc.) ausgelöst werden. Darüber hinaus können sich Affekte auch zu sogenannten Affekt-Logiken (Wut-Logik, Angst-Logik etc.) verdichten und ganze Menschengruppen erfassen. Wir brauchen einerseits diese Affekte, denn diese Informationsfülle, steuern unsere Wahrnehmung und unseren Aufmerksamkeitsfokus, ken und abspeichern und woran wir uns noch erinnern können. Andererseits können widersprüchliche Emotionen wie Angst, Wut, Resignation - oder einfach mangelnde Motivation (Energie) − dazu führen, dass man unfähig wird, seine Energie wirksam zu nutzen, um etwa kreative Lösungen zu suchen. Übernehmen einmal die Affekte die Regie unseres Denkens, Entscheidens und Handelns, können auch blitzschnell Aufgaben, Ziele, Stakeholder und Kunden zugunsten der „Beschäftigung mit sich selbst“ aus dem Blickfeld geraten. Wenn wir also nicht verstehen lernen, wie diese Kräfte, die unser Denken und Handeln beeinflussen, funktionieren, und einen kompe- Abb. 1: Das „magische Dreieck“ im Projektmanagement Abb. 2: Grundgefühle nach L. Ciompi PM-aktuell_4-2015_Inhalt_01-84.indd 65 24.08.2015 8: 32: 27 Uhr projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2015 66 KARRIERE sind auch wechselseitig voneinander abhängig. So entsteht in der Simulation die semiselbstorganisierte soziale Wirklichkeit, die das Lernumfeld definiert. rimentierfeld, in dem neue Formen des Denkens, Fühlens und Handelns sanktionsfrei erprobt werden können. Diese erfahrungsorientierte Lernmethode erweist sich insbesondere für die junge Generation, die sogenannten Millenials, Das Projektmanagement Innovation Center (PMIC) als Anwendungsfall Um die Entwicklung des umfangreichen Kompetenzfeldes für das Projektmanagement zu unterstützen, wurde ein spezifisches Lern-Setting entwickelt. Die in weiterer Folge dargestellten etwaigen Verhaltensänderung basieren auf diesem Setting. Aus diesem Grund soll es an dieser Stelle kurz erläutert werden. Das PMIC ist ein ganzheitliches Projektmanagefassend alle relevanten Einflussgrößen auf den Projekterfolg „misst“ und Organisation und Person gleichermaßen in den Betrachtungsmittel- Projektmanagement möglichst realitätsnah abgebildet, beobachtet, gemeinsam reflektiert und Dynamik erzeugt, die notwendig ist, nachhaltiges Lernen auf den Ebenen tenz und zu ermöglichen. Wobei es nicht um eine „Idealausprägung“ eines Projektleiters geht, sondern darum, sich − entlang definierter Kompetenzkriterien − möglichst wirksam und förderlich für den inhaltlichen, methodischen und sozialen Gesamtprozess und -erfolg des simulierten Projektes einzubringen. Inwieweit und welche Fähigkeiten dabei konkret wirksam werden, hängt auch immer von den interagierenden Personen und den) ab. Die vielfältigen und unterschiedlichen immer wieder für unterschiedliche Prozessverläufe und Gruppendynamiken. jekt und Unternehmensberatung in Kooperation fragen und mit den anderen gemeinsam gestalten zu können, braucht es das Wissen und Entwickeln dieser Fähigkeiten. Dies wiederum erfordert die Notwendigkeit kontinuierlichen Lernens sowohl auf der Personenebene (Rollen- und Funktionsebene) als auch auf der Organisationsebene. Dabei gehören die Fähigkeiten zur Reflexion und Aufmerksamkeitssteuerung (als kostbarste geistige Ressource) generell erhöht. Diese Fähigkeiten sind nicht nur die größte Errungenschaft unserer Spezies, sondern nur mit ihnen Dauer konstruktiv zu bewältigen. Das bedeutet, fähigkeit und Aufmerksamkeitssteuerung inveserlernen. Macht man sich nun auf die Suche nach Entwicklungsprogrammen, welche sowohl das Projektmanagement-Methodenwissen als auch die Individual-, Sozial und Organisationskompetenz in Organisationen beobachten, bewerten, reflektieren und entwickeln, findet man, wenn überhaupt, nur sequenziell voneinander unabhängige Bausteine. Diese können jedoch weder der Komeiner Projektorganisation gerecht werden noch dem Management strategisch relevante Informa tionen vermitteln, von welchen aus sie in der Lage sind, strategische Zielsetzungen für ihr Unternehmen abzuleiten. Planspielsimulation als semi-selbstorganisiertes soziales Lernfeld „Wir leben in einer Welt, die immer schneller an Situationen, mit Problemen fertig werden zu müs- Der Einsatz von Simulationen bietet sich also und dynamischen Sozialsystemen besonders real und erlebbar gemacht werden kann. Es gilt daher, genau dieses Setting herzustellen, damit soziales Miteinander zustande kommt, um die Entwicklung sozialer Kompetenzen zu fördern. Dabei müssen Simulationen und Planspiele möglichst - tig als Repräsentanten unterschiedlicher Subsysteme, müssen miteinander interagieren und sie werden wesentlich vom sozialen Umfeld mitbestimmt und -entwickelt. Diese sozialen Fähigkeiten bilden auch die spezifischen Projekt- und Organisationskulturen aus. Zu den kulturformenden sozialen Fähigkeiten gehören unter anderem: hen − einlassen) Lernen In diesem Zusammenspiel von Individuum und (Projekt-)Gruppe wird Sozialkompetenz zu einem immer wieder gemeinsam herzustellenden „Gut“. Wobei ein gutes Zusammenspiel auch eine höhere Kreativität und Lösungskompetenz er- Organisationssensibilität stärkt Sozialkompetenz Das eigene Funktionieren (Individualkompetenz) und das der Projektgruppe (Sozialkompetenz) sind aber noch immer nicht ausreichend für ein erfolgreiches Projektmanagement. Es braucht lerrand“, d. h. das Erkennen um das Eingebundensein in eine spezifische Organisationsdynamik und -kultur und die daraus resultierenden Einflüsse auf Individuum und Projektgruppe. Um dieses oftmals widersprüchliche und somit affektgeladene Verhältnis von Linie und Projekt in den Griff zu bekommen, werden Projektleiter im Rahmen der sogenannten „Organisationskompetenz“ vor allem gestalterische Fähigkeiten eines „Sozialarchitekten“ abverlangt. Das sind Fähigkeiten, wie: menkünfte zum Besprechen, Analysieren und Entscheiden Umgang mit Widersprüchlichkeiten im und durch das Projekt (Linie vs. Projekt) das Projekt Kundenbedürfnisse Um diese drei Ebenen der Individual-, Sozial- und Organisationskompetenz − vor allem in herausfordernden Phasen − bei sich selbst ab- PM-aktuell_4-2015_Inhalt_01-84.indd 66 24.08.2015 8: 32: 27 Uhr KARRIERE 67 projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2015 PM-aktuell_4-2015_Inhalt_01-84.indd 67 24.08.2015 8: 32: 28 Uhr projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2015 68 KARRIERE PM-Lösungsorientierung: Fähigkeiten zur projektrelevanten Problemlösung PM-Haltungsebene: Projektrelevante intrapersonale Kompetenzen ein individuelles Feedback entlang dieses Kompetenzmodells. Das Kompetenzmodell wird dabei detailliert abgebildet und bildet die Grundlage für individuelle Entwicklungen. Aufgrund der lauwertungen können bei Bedarf auch Zwischen- Feedback-Settings auf individueller Ebene im Simulationsablauf eingebaut werden. Herausforderung für die Simulationsteilnehmer In der Simulation werden die typischen Einflüsse und Störungen in Projekten verwendet, um der Projektwirklichkeit gerecht zu werden. Wie in mer mit plötzlich auftretenden sachlichen Widersprüchen konfrontiert, Unsicherheiten tauchen auf und Änderungen beeinflussen die notwendige Abweichung vom linearen Wasserfallplan. Phase 1: Projektstart Ist ein Projekt in der Startphase, hat es bereits eine Vorgeschichte. Geboren als Idee oder zwin- Das heißt, während der einzelnen Projektphasen finden entwicklungsorientierte Feedback- und Gruppen- und Organisationsebene Entwicklungspfade des Projektes und der jeweili- und der teambezogenen sozialen Ebene zurückge- wicklungsorientiertes Feedback für eine Phase der Auf der individuellen Ebene wird während des gesamten Projektverlaufes die sicht-, mess- und mehreren Beobachtern sequenziell und parallel in einer gemeinsamen Datenbank erfasst und als Vergleichswert mit dem vorab ausgefüllten Self- Assessment zusammengeführt. Die Bewertungen erfolgen auf der Basis des PMIC-Kompetenzmodells mit folgenden fünf PM-Metakompetenzen: PM-Ziel- und Ergebnisorientierung: Fähigkeit, Projekte ziel- und ergebnisorientiert im und umzusetzen PM-Teamwork & Collaboration: Projektrelevante interpersonelle Kompetenzen PM-Leadership: Fähigkeit zur Führung von Projektteams und Mondi entwickelt. Der Simulationsablauf Der Ablauf gliedert sich in drei Phasen. Zunächst werden in der Phase des Briefings Ausgangssituationen geklärt und Grundlagen (zum Projektmanagement, Projekt-Case, Feedback etc.) verphase auch ein individuelles Self-Assessment entlang der PM-Individual-, -Sozial- und -Organisationskompetenzen aus. Danach erfolgt über Projektdurchlauf, der entwicklungsorientiert begleitet, beobachtet und reflektiert wird (Simulationsdurchlauf). Durch die Integration eines Perspektivenwechsels (Projekt- Lernen in verschiedenen Rollen- und Funktionsebenen ermöglicht. Schließlich geht es dann in der dritten Phase um den konkreten Transfer in - Performance-Messungen von Individuum, Gruppe und Organisation Die Projektmanagementsimulation beinhaltet grundsätzlich Phasen der Aktion und der Refle- Abb. 3: Ablauf der Simulation; Grafik: PMIC ® PM-aktuell_4-2015_Inhalt_01-84.indd 68 24.08.2015 8: 32: 32 Uhr KARRIERE 69 projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2015 Erstmals in dem Projekt entsteht die Möglichkeit, einen Änderungsprozess zu starten. Auftragnehmer (Projektmanagement) und Auftraggeber (Kunde) finden sich in der Situation, Widersprüche zu klären, um den Gesamterfolg des Projektes zu ermöglichen. Die erweiterten Kompetenzen des Projektteams sind gefordert. Fachliches tritt in den Hintergrund. Kooperation und Informationsaustausch werden genauso notwendig wie das situativ angemessene Reagieren auf auf, mit denen die Betroffenen umgehen müssen. Diese Klärungssituationen begleiten nun das Projekt durch alle Projektmanagementphasen. Möglich, dass der Auftragnehmer Änderungen vorschlagen muss, weil zum Beispiel aus fachlichen Gründen (Scope und Quality) die Kosten gehalten werden können. Ebenso möglich, dass der Auftraggeber während des Projektes Elemente des magischen Projektdreiecks verändert. Diese sogenannten Störungen der idealen Welt Phase 2: Projektplanung Wenn im Anschluss das Projektteam einen ersten detaillierten, fundierten und hoffentlich realistischen Projektplan abliefert, tritt ein magischer Moment ein: Das erste Mal in dem Projekt gibt es einen fundierten Detailplan. Und dieser stimmt in der Regel mit den Einschränkungen der Beauftragung nicht überein. Im schlimmsten Fall dauert das Projekt länger, kostet mehr und liefert weniger, als im Vertrag verhandelt wurde oder immer noch wird. Nun sind alle Kompetenzen der Projektleitung gefordert. Spätestens hier entscheidet sich, ob die übergeordnete Stelle - der Sponsor, der Lenkungsausschuss etc. − mit der Wirklichkeit konfrontiert werden will oder doch lieber Wassermelonen- Management betreibt: Außen sind die Kennzahlen grün, innen jedoch tiefrot. Es ist eine Frage der Organisationskultur, wie mit Abweichungen und kritischen Informationen umgegangen wird. Will das Management oder der Lenkungsausschuss die „wirkliche Wirklichkeit“ wissen, oder geht es darum, dass der Überbringer der kritischen Nachricht sanktioniert wird? gende Notwendigkeit, etwas neu oder besser zu machen, hat das Projekt in der Startphase offensichtlich vorausgehende Annahmen über die Machbarkeit (Feasibility) und die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit (Return on Investment) positiv überstanden. Spätestens jetzt wird vom internen Auftraggeber (Sponsor) ein Projektleiter nominiert, welcher in der Startphase für das Setup des Ökosystems des Projektes sorgt. In der Pra- Lehrbuch. So muss beispielweise ein Projekt aus den Projektvertrag noch nicht unterschrieben hat. In diesem Fall wird eine Regelung des Aufwandsrisikos benötigt, sollte der Kunde letztlich doch nicht unterschreiben (Letter of Intent). Ist der Vertrag bereits unter Dach und Fach, stellt sich die Frage, wie fundiert die drei Ecken des Projektdreiecks (siehe Abb. 1) in der Angebotsphase planbar waren und wie realistisch sie kalkuliert wurden. Ziel der Startphase ist es, Umgebungsbedingungen zu schaffen, in denen das Projekt als „Firma in der Firma“ abgewickelt werden kann. Abb. 4: Beispielhaftes Feedback in Simulation; Grafik: PMIC ® PM-aktuell_4-2015_Inhalt_01-84.indd 69 24.08.2015 8: 32: 32 Uhr projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2015 70 KARRIERE von denen alle Projekterfahrungen mit teilweise - - mer die im bisherigen beruflichen Auftrag umgesetzten Veränderungen rückgekoppelt. Beide schriftlichen Erhebungen wurden durch wenige Leitfragen angeleitet. Die Daten wurden deduktiv anhand des PMIC-Kompetenzmodells inhaltsanalytisch ausgewertet und ergaben über 220 State- Beschreibung der zentralen Ergebnisse Lernerfahrungen unmittelbar nach Simulationsende: Unmittelbar nach der Durchführung im Auge zu behalten, auf Änderungen und Störungen situativ angemessen zu reagieren und gleichzeitig im Sinne der genannten Kompetenzfelder einen konstruktiven, lösungsorientierten Umgang und passende Settings zu kreieren, die förderlich sind, um das Projekt zum Erfolg zu führen. Wirksamkeitsstudie zur Projektmanagementsimulation Beschreibung der Erhebungsmethode Im Rahmen der vorliegenden Studie wurde das Ziel verfolgt, die Wirksamkeit der Projektmanagementsimulation zu evaluieren. Da die Projektsimulation PMIC bereits seit einigen Jahren als integrativer Bestandteil im Rahmen eines Projektmanagement-Masterlehrgangs eingesetzt wird und damit auch die Vergleichbarkeit von Rahmenbedingungen gegeben ist, wurde dieses Setting als Forschungsgegenstand ausgewählt. im Wasserfall-Modell wollen behandelt und gelöst werden. Ein Projekt ohne diese ändernden jektwürdigkeit des Vorhabens aus. Ist das Lieferergebnis des Projektes fertiggestellt, geschieht der juristisch und wirtschaftlich sich, ob das Projekt für den Auftragnehmer erfolgreich war oder nicht. Abnahmeprozeduren die unterschiedlichen, juristisch relevanten Qualifikationen der Mängel sind letztlich entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg eines Pro- - bei wirtschaftlich negativem Resultat - posthum zu „strategischen“ Projekten umtituliert. Dabei geht jedoch viel Verbesserungspotenzial im Sinne der lernenden Organisation verloren. In der Simulation ist es genauso wie in echten jeder der vier Phasen herausfordernd, die Ziele Abb. 5: Lernerfahrungen durch die Simulation entlang dreier Messmomente; Grafik: PMIC ® PM-aktuell_4-2015_Inhalt_01-84.indd 70 24.08.2015 8: 32: 32 Uhr KARRIERE 71 projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2015 - nehmer sehr klar definierte Ziele mit, wie: „Bei Changes nehme ich mir vor, in Zukunft mehr Aufmerksamkeit auf Kommunikation zu legen, und zwar mit allen Beteiligten. Vor allem für zukünftige Projekte habe ich mir vorgenommen, mit dem Management und der Unternehmenskommunikationsabteilung stärker zu kommunizieren.“ sind beispielsweise: „Aus heutiger Sicht kann ich zahlreiche Versäumnisse aus miterlebten Projekten ableiten. Schwammige Projektauf- ment, dadurch fehlende Unterstützung der Führungskräfte und unklare Zuständigkeiten sind nur ein paar Beispiele, auf die ich in Zukunft achten und mein erworbenes Wissen Tatsächlich umgesetzte Veränderungen im beruflichen Auftrag: In Summe zeigen die Lern- zu einem sehr hohen Anteil umgesetzt werden stark eine gelungene Umsetzung bei der internen Kommunikation, der Abstimmung und Einbeziehung der einzelnen Mitglieder in und zwischen den Projektteams. besserte Projekt- und Change Management- Instrumente sowie eine verbesserte integrierte Sichtweise der Projekt-Stakeholder: „Auch dank dieser Simulation ist es mir jetzt leichter möglich, mich in die einzelnen Rollen zu versetzen und die damit verbundenen Entscheidungen und Reaktionen besser zu interpretieren. Warum gewisse Entscheidungen so getroffen werden und auch die diversen sozialen Aspekte, welche ich vor jedem Projektstart via Soziogramm für mich persönlich erstelle.“ dass sich ihr Umgang mit Fehlern und Problemen im positiven Sinne realisieren ließ, wie ein Statement verdeutlicht: „Ich habe gelernt, bei Nichterfüllung der Aufgabe(n) ruhiger zu veränderungen sind verstärkt darauf zurück- telbaren Zusammenarbeit wichtige Erkenntnisse, wie: „Mir ist bei dem Seminar klar geworden, dass es sehr wichtig ist, hinsichtlich der Projektarbeit räumliche Nähe zu schaffen. Es macht einen gewaltigen Unterschied, ob einzelne Projektteams isoliert arbeiten oder ob das ,Gesamtprojekt‘ sich trifft und austauscht.“ halten, dass vor allem die ausgewogene Kombination von Soft Skills, Fachkompetenz und der methodischen Herangehensweise einer Projektabwicklung wesentlich für den Projekterfolg sind. Selbst definierte Transferziele unmittelbar nach Simulationsende: - - Metakompetenz sehr deutlich die meisten durch die Simulation bestehendes Wissen um die Bedeutung der Zusammenarbeit und vor allem der Kommunikation im Projektteam holt vor Augen geführt wurde und diese sich „Wir haben zum Ende der Projektsimulation die Methode ,Project Warroom‘ ausgetestet. einem Raum gearbeitet. Das war eine ganz andere Arbeitsweise als bisher. Man wird zwar mehr abgelenkt, weil es deutlich lauter ist, dafür verbessert sich die Kommunikation der Gruppen untereinander, da man praktisch auf Zuruf teamübergreifend reagieren kann.“ Und: „Es hat sich aber dadurch sehr gut ge- oder Abteilungen, die an einem Projekt gemeinsam arbeiten, sehr wichtig ist. So könnte ich mir häufigere, dafür eher kurze Meetings der Projektbeteiligten als gute Maßnahme vorstellen.“ jektführung zeigen weniger Ziele, als Lernerfahrungen. Hier kann der Rückgang möglicherweise auf eine beschränkte eigene Beeinfluss- und Umsetzbarkeit in der eigenen Organisation zurückgeführt werden, da einige mern besonders stark Lernerfahrungen in drei der dergrund (90 Statements): lung kommt durch die Interaktions- und Reflezum Vorschein, wie das nachstehende Zitat sem Seminar nicht in diesem Ausmaß bewusst team die weichen Faktoren und Social Skills einen so hohen Stellenwert haben. Natürlich wird das Fachwissen benötigt, wenn jedoch des schon im Keim erstickt werden, ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich dieses Mitglied komplett zurückzieht und keinen Beitrag mehr leistet. Im schlechtesten Fall das Projekt sogar - hänge zwischen diesen Kompetenzen und dem Projekterfolg. Es wurden bei den Lernerfahrungen der häufig entscheidende Einfluss einer Steuerungs- und Entscheidungsfunktion von Projektleitern, das Klären von Strukturen und Spielregeln benannt. Weiters erscheinen das Abfragen und Konsolidieren unterschiedlicher Erwartungen, Annahmen und Ansichten, das gemeinsame Etablieren einer Projektkultur als erfolgsrelevant. PM-Haltungsebene: Unmittelbar nach der der Selbststeuerung, wie der persönliche Umgang mit Zeitdruck, Stress und unsicheren mer fest, dass „durch die regelmäßigen Feedback-Schleifen unbewusst ein Lernprozess einsetzte, der uns half auch unter Stress konstruktiver zu werden“. Ebenso wurde die eigene Einstellung zugunsten einer steten Verbesserung maßgeblich erfolgswirksam beeinflusst. nehmer führen an, dass ihnen die Gestaltung und das Klären der Ziele, insbesondere in - nisse in der PM-Ziel- und Ergebnisorientierung eine umfangreiche Lernerfahrungen eingebracht hat. zu anderen Metakompetenzen sind weniger PM-aktuell_4-2015_Inhalt_01-84.indd 71 24.08.2015 8: 32: 33 Uhr projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2015 72 KARRIERE postgradualen Lehrgängen und Beratung zu Personalentwicklung und Kooperationsmanage- Mentoring und Wirkungsmessungen von Entwicklungsprogrammen Anschrift: Fachhochschule Kärnten, Studienbe- Ao. Univ.-Prof. Dr. Gernot Mödritscher, Professor am Institut für Unternehmensführung und ehem. Leiter des Industriestiftungsinstituts e-Business (biztec) der Alpen-Adria- Universität Klagenfurt; Wissenschaftlicher Leiter von Universitätslehrsowie Lehre in nationalen, internationalen Studienprogrammen, Lehrgängen und MBA-Programmen; Unternehmensberatung im Bereich strategisches Management, Controlling und Marketing; langjährige Erfahrung in der Konzeption und Durchführung von Managementsimulationen Anschrift: Institut für Unternehmensführung, Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, Univer- Hannes Gessoni, selbst- Coach, Messung und Entwicklung von Organisationskultur, Change Management, Führungskräfteentwicklung; 20 Jahre internationale Projektmanagementerfahrung, u. a. in einem Firma Consiglio Anschrift: - Personalentwicklung. In: Klaffke, M. (Hrsg.): Personalmanagement von Millenials. Springer grams - the four levels. Berrett-Koehler, San Francisco, 1, 1999 Schlagwörter Individualkompetenz, Lernen aus Projekten, Organisationskompetenz, Simulation, Sozialkompetenz Kompetenzelemente der NCB 3.0 - Autoren Dr. Sabine Seidler, Betive Coach und Lehrbeauftragte im Bereich systemische Organisationsberatung und Projektmanagement; langjährige Assessorinnentätigkeit in nationalen und internationalen tional, Projekt und Unternehmensberatung; Management und Resilience Anschrift: FH-Prof. Dr. Ursula Liebhart, Professur für Personalwesen und Organisation an der Fachhochschule Kärnten, Studienbereich Wirtschaft & Management; Alltag eine erhöhte Selbststeuerungsfähigkeit in kritischen Situationen wahrnehmen und auch verstärkt aktiv und wirksam Feedback bei relevanten Stakeholdern einholen. PM-Lösungsorientierung: Diese Metakompetenz wurde nicht primär genannt, wurde jedoch durchaus in der Umsetzung gesehen. bei Problemen aktiv ein.“ Oder: „Komme nie mit einem Problem, ohne einen Lösungsvorschlag dazu! “ Zusammenfassung In Summe hat sich die Simulation als Lernfeld feld für erfahrene Projektleiter erwiesen. Die Intensität und die Dichte der erlebten Erfahrungen in Kombination mit kontinuierlichen Feederfahrungen auf vielfältigen Ebenen und innerhalb der relevanten Kompetenzbereiche. Auch erfahrene Projektleiter konnten durch die verschiedenen Aufgabenstellungen und Rollen in dem Setting kontinuierlich die eigenen Kompetenzen erfahren und in dem sozialen Umfeld reflektieren. In Summe wurden nachhaltige Lernerfahrungen generiert und es konnte ein Nährboden für einen men aufbereitet werden: „Es war ein sehr anstrengendes, langes, lehrreiches, positives Wochenende und eine gelungene Projektsimulation. Es war - zum Glück − nicht alles perfekt, wie das eben mit Projekten so ist, und ich habe viele Inputs aus der Simulation mitgenommen und setze sie im täglichen Umgang mit Kunden, Mitarbeitern, Familie und Freunden bereits um.“ Insgesamt kann in Anbetracht dieser Ergebnisse hinsichtlich der Entwicklung von Kompetenzen im Projektmanagement und des entsprechenden dass intensive erfahrungsbasierte Lern-Settings wirksam zur Anwendung kommen können. n Literatur [1] Ciompi, L.: Die emotionalen Grundlagen des Denkens. Entwurf einer fraktalen Affektlogik. Sammlung Vandenhoeck, 1997 PM-aktuell_4-2015_Inhalt_01-84.indd 72 24.08.2015 8: 32: 36 Uhr
