PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Wie eine Projektmanagerin die Herzen der Autofahrer gewann
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Oliver Steeger
Dies hat im „Autoland“ Deutschland bis dahin noch niemand gewagt: eine Autobahn für drei Monate zu sperren. Mitten im Ruhrgebiet. Wegen dringender Bauarbeiten. Die Presse malte den Teufel an die Wand, witterte Dauerstau für täglich 90.000 Autofahrer und prophezeite „Chaos im Ruhrpott“. Doch Chaos und Dauerstau blieben aus. Projektleiterin Annegret Schaber meisterte pünktlich den Neubau der Autobahnbrücke, und sie gewann die Herzen der Stakeholder – manchmal mit dem rauen Charme, wie er im Ruhrgebiet geschätzt wird. Die GPM fand: Projektleiterin Annegret Schaber ist Vorbild für andere, ihr Projekt ein „Leuchtturm“ in Deutschland. In Berlin verlieh die GPM Annegret Schaber den „Roland Gutsch Project Management Award“.
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projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2015 40 REPORT Dies hat im „Autoland“ Deutschland bis dahin noch niemand gewagt: eine Autobahn für drei Monate zu sperren. Mitten im Ruhrgebiet. Wegen dringender Bauarbeiten. Die Presse malte den Teufel an die Wand, witterte Dauerstau für täglich 90.000 Autofahrer und prophezeite „Chaos im Ruhrpott“. Doch Chaos und Dauerstau blieben aus. Projektleiterin Annegret Schaber meisterte pünktlich den Neubau der Autobahnbrücke, und sie gewann die Herzen der Stakeholder - manchmal mit dem rauen Charme, wie er im Ruhrgebiet geschätzt wird. Die GPM fand: Projektleiterin Annegret Schaber ist Vorbild für andere, ihr Projekt ein „Leuchtturm“ in Deutschland. In Berlin verlieh die GPM Annegret Schaber den „Roland Gutsch Project Management Award“. Frau Schaber, gesperrte Autobahnen sind ein Albtraum für Autofahrer. Kilometerlange Staus und Wartezeiten, im Kriechtempo vorankommen, weite Umwege, aggressive Verkehrsteilnehmer - da platzt vielen Fahrern schon der Kragen, wenn „ihre“ Autobahn nur für ein Wochenende nicht passierbar ist. Gleich drei Monate Vollsperrung mussten Autofahrer im Sommer 2012 hinnehmen. Wegen Brückenbauarbeiten haben Sie an der Autobahn A 40 bei Essen - der Schlagader des Verkehrs im Ruhrgebiet - Absperrbaken aufstellen lassen. Doch das von vielen befürchtete Chaos blieb aus. Einige Autofahrer schrieben Ihnen am Ende sogar Dankesbriefe. Wie haben Sie die Autofahrer besänftigt? Annegret Schaber: Anfangs war die Stimmung alles andere als freundlich. Bereits eineinhalb Jahre vor der Sperrung sind Details an die Presse durchgesickert. Und die Zeitungen haben den Teufel an die Wand gemalt. Ein großes Verkehrschaos wurde prognostiziert. Dies dürfte wiederum der Albtraum eines Projektmanagers sein. Seine Pläne werden viel zu früh bekannt. In diesem Fall war es nicht zu früh. Die frühen Presseberichte kamen uns nicht ungelegen. Denn die Autofahrer mussten sich ja an die Sperrung gewöhnen. Nach den ersten Zeitungsartikeln war die Aufregung natürlich groß. Aber unser Vorteil war: Die bevorstehende Sperrung war damit früh in aller Munde. Sie war in den Köpfen drin. Genau dies war eines unserer Ziele beim Stakeholdermanagement: Wird die A 40 gesperrt, so sollten mindestens 90 Prozent der Menschen davon wissen. War dies nicht riskant? Je mehr Menschen davon wissen, desto größer und intensiver kann der Protest werden ... Ich sehe dies anders. Je mehr Menschen früh von der Sperrung wissen, desto mehr können sie sich darauf einstellen. Autofahrer sind doch klug! Sie fahren nicht freiwillig in einen Stau. Sie überlegen sich eine Ausweichroute. Weiß ein Pendler, dass auf dem Weg zur Arbeit eine längere Baustelle Staus hervorruft, so sucht er sich eine andere Route - spätestens, nachdem er ein- oder zweimal in diesem Stau gestanden hat. Um dies auf den Punkt zu bringen: Je früher die Autofahrer von Ihrem Projekt wussten, desto besser konnten sie sich einrichten. Desto weni- „Roland Gutsch Project Management Award“ für die Vollsperrung des Ruhrschnellwegs Wie eine Projektmanagerin die Herzen der autofahrer gewann Autor: Oliver Steeger Annegret Schaber Annegret Schaber (58), Diplom- Ingenieurin für konstruktiven Ingenieurbau, ist Projektleiterin in der Bauabteilung der Regionalniederlassung Ruhr beim Landesbetrieb Straßenbau NRW. Dort ist sie für Großprojekte sowie für die Erhaltung und den Neubau sämtlicher Bauwerke im Zuständigkeitsbereich der RNL Ruhr verantwortlich. Annegret Schaber ist seit 1980 - zuerst beim Neubauamt Gelsenkirchen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe - in der Straßenbauverwaltung tätig, anfangs in der Planung, Ausschreibung und Baudurchführung von konstruktiven Bauwerken wie Brücken, Tunnel und Stützwänden. Foto: Landesbetrieb Straßenbau NRW PM-aktuell_5-2015_Inhalt_01-100.indd 40 10.11.2015 13: 27: 05 Uhr REPORT 41 projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2015 überquert wird. Wir können nicht bauen, wenn unten Züge verkehren. Wir brauchen für unsere Brückenbauarbeiten deshalb Sperrpausen, an denen die Bahn nicht verkehrt. Konkret - was bedeutet dies für das Projekt? Wir mussten für unsere Bauarbeiten bei der Bahn Sperrpausen beantragen. Die Bahn brauchte Vorlaufzeit dafür, diese Pausen einzurichten, sie zu koordinieren und etwa Schienenersatzverkehr mit Bussen einzurichten. Klingt kompliziert … Ist es auch! Nun angenommen, es kommt beim Bau zu Verzögerungen, dann müssen langwierig neue Sperrpausen beantragt werden. Während des Genehmigungsverfahrens ruht die Baustelle. Wir kommen nicht voran. Anfangs haben Sie ja durchaus mit der klassischen Lösung geliebäugelt, den Verkehr an der Baustelle vorbeizuführen. Was hat letztlich Meine Frage: Wie kam es dazu, dass dieses Tabu gebrochen wurde? Den entscheidenden Punkt haben Sie genannt. Es ging um die Frage: Entweder sperren wir die Autobahn für drei Monate komplett. Dann sind wir schnell fertig, und wir sparen noch Geld dabei. Oder wir führen den Verkehr an der Baustelle vorbei, quälen die Autofahrer mit Staus - und brauchen für die Arbeiten dann mindestens 24 Monate. Genau vor diesen Alternativen standen wir. Langsam, bitte. Bei fließendem Verkehr dauert die Erneuerung einer Brücke 24 Monate, bei einer Vollsperrung aber nur drei Monate. Wie kommt es zu diesen Verzögerungen? Dies hing in unserem Fall mit dem konkreten Projekt zusammen. Es ging um eine Autobahnbrücke über mehrere Bahngleise. Diese Brücke war mit den Jahren marode geworden, wir mussten sie erneuern. Der entscheidende Punkt war: Es gab die Bahngleise, eine S-Bahn-Strecke, die ger Chaos würde es geben. Und desto mehr würde der anfängliche Widerstand in sich zusammenfallen. Richtig? Richtig. So betrachtet: Es war gar nicht schlecht, dass früher als geplant einige Details an die Presse durchgesickert sind. TaBuBrucH „VollSPerrunG“ Dennoch - eine dreimonatige Vollsperrung einer Autobahn war ein Tabubruch in Deutschland. Niemand hat bislang gewagt, solch ein Projekt anzugehen. Vollsperrungen sind nicht gesetzlich verboten, doch sie standen bislang nie ernsthaft zur Debatte. Bei jeder Baustelle hat man bislang den Verkehr irgendwie um die Bauarbeiten herumfließen lassen - auch wenn man damit in Kauf nahm, dass dadurch die Baustelle enorm verzögert wurde, dass enorme Staus entstanden und alles viel Geld kostete. Normalerweise passieren rund 90.000 Fahrzeuge die Autobahn A 40 bei Essen - am Tag! Diese Hauptverkehrsader wurde durch die Vollsperrung abgeklemmt. Foto: Landesbetrieb Straßenbau NRW PM-aktuell_5-2015_Inhalt_01-100.indd 41 10.11.2015 13: 27: 06 Uhr projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2015 42 REPORT Je mehr Arbeiten zusammengelegt werden konnten, desto besser konnten wir für die Vollsperrung argumentieren. Vorhin haben Sie von einem Tabubruch gesprochen. Wir mussten viele Stakeholder von diesem Tabubruch überzeugen, also brauchten wir gute Argumente für die Sperrung. Nur so konnten die Stakeholder beim Abwägen von Pro und Kontra erkennen, dass dieser Tabubruch wirklich die bessere Lösung war - oder zumindest das kleinere Übel. Das Stakeholdermanagement war bei Ihrem Projekt besonders wichtig. Sie hatten viele Gruppen ins Boot zu holen - angefangen bei Behörden und Kommunen über die Autobahnpolizei und die Wirtschaft bis hin zur Presse und zu den Autofahrern. Viele Stakeholder dürften Ihren Vorschlag der Vollsperrung zunächst für eine verrückte Idee gehalten haben, für einen April … Für einen Aprilscherz halten, dies können Sie so sagen. So war bei vielen die erste Reaktion. Verständnis und Unterstützung kamen erst, als wir gemeinsam die Argumente geprüft haben. Bei vielen öffentlichen Stellen konnten wir technisch argumentieren und diskutieren. So konnten wir diese Stellen gut überzeugen und beispielsweise Genehmigung oder Unterstützung erwirken. Ein Beispiel dafür? Zunächst sehr kritisch hat beispielsweise die Stadt Essen reagiert, auf deren Gebiet die Baustelle ja stattfand. Viele Autofahrer nutzen die A 40 wie eine Stadtautobahn, sie fahren zwei oder drei Abfahrten weit. Dieser lokale Verkehr musste bei der Sperrung durch die Stadt umgeleitet werden. Dafür brauchten wir die Unterstützung der Stadt Essen. Nach erster Skepsis hat die Stadt aber sehr schnell die Gründe nachvollzogen, die für eine Vollsperrung sprachen. Wir bekamen die Stadt schnell auf unsere Seite. BiS zu 90.000 faHrzeuGe TäGlicH Die anfängliche Skepsis ist leicht nachzuvollziehen. Täglich passieren 70.000 bis 90.000 Fahrzeuge den Abschnitt, auf dem Sie die Baustelle geplant hatten. Diesen Verkehr kann man doch kaum durch die Innenstadt umleiten? Nein, die Umleitung betraf nur den Regionalverkehr. Weiträumigen Verkehr - etwa von Dortmund oder Duisburg kommend - haben wir bereits weit vor der Baustelle abgefangen, ihn wände und Pfeiler - erhalten bleiben; sie wurden lediglich saniert. Zum anderen haben wir einen sehr dichten Arbeitsplan erstellt und jede Beschleunigungsmaßnahme ergriffen, die nur möglich war. Wir haben jede zur Verfügung stehende Stunde genutzt, auch nachts. Es wurden so viel Menschen und Maschinen wie möglich auf die Baustelle gebracht. Das kostet doch irrsinnig viel Geld … Nein, die dreimonatige Baustelle war unter dem Strich günstiger als die 24-monatige Alternative. Deutlich günstiger sogar. Wir hatten übrigens einen weiteren Glücksfall: Bei der Planung unseres Projekts haben wir von Kollegen erfahren, dass sie in einem Autobahntunnel an der A 40 - nahe unserer Baustelle - die Sicherheitselektronik erneuern wollten. Es lag nahe, auch diese Baustelle während der dreimonatigen Sperrpause einzurichten. Darüber hinaus haben wir geprüft, welche weiteren Arbeiten wir auf dem gesperrten Abschnitt durchführen können. SynerGien GenuTzT Mit einem Wort: Sie haben Synergien genutzt. Aus Ihrem Brückenprojekt wuchs ein ganzes Programm. den Ausschlag gegeben, die Vollsperrung einzurichten? In den Gesprächen mit der Bahn habe ich erfahren, dass die Gleise ohnehin für sechs Wochen gesperrt werden sollten. Die Bahn wollte Arbeiten an den Bahnsteigen durchführen. Es waren also ohnehin Sperrpausen geplant. GlückSfall „SPerrPauSen“ Reiner Zufall? Ein Glücksfall eher! Diese sechs Wochen durchgehende Sperrpause war eine Menge Zeit für uns - und eine große Chance. Ich habe mit meinem Team geprüft, ob wir es schaffen, in diesen sechs Wochen die alte Brücke abzureißen und die neue so weit zu bauen, dass die Bahn wieder verkehren kann. Also in sechs Wochen die Brücke bauen, dann weitere sechs Wochen für die Fahrbahn und andere Arbeiten - macht zusammen drei Monate. Diesen Plan haben wir für uns durchgerechnet und dann mit Baufirmen besprochen. Augenblick! Brückenbauten nehmen gut und gerne zwei Jahre Bauzeit in Anspruch. Wie haben Sie die Bauzeit so stark reduziert? Zum einen konnten die vorhandene Gründung und ein Teil der Unterbauten - etwa Widerlager- Bauarbeiten unter Hochdruck: Binnen drei Monaten, so das Versprechen des Projektteams, musste die Autobahn wieder freigegeben werden. Foto: Landesbetrieb Straßenbau NRW PM-aktuell_5-2015_Inhalt_01-100.indd 42 10.11.2015 13: 27: 08 Uhr REPORT 43 projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2015 den sich später selbstkritisch ein: Das erwartete Chaos ist ausgeblieben. STimmunGSwecHSel in öffenTlicHkeiT Die Presse hat - nach anfänglicher Kritik - also recht schnell Sympathie für Ihr Projekt gezeigt. Was hat diesen Stimmungswechsel ausgelöst? Ich habe der Presse - wie auch allen anderen Stakeholdern - immer reinen Wein eingeschenkt. Ich habe Fragen ehrlich beantwortet, auch wenn die Antworten unbequem waren. Beispielsweise hat man mich immer wieder gefragt, ob wir die Autobahn pünktlich wieder freigeben werden. Meine Antwort war: Wir tun alles Menschenmögliche, um pünktlich fertig zu werden. Doch sicher zusagen konnte ich dies erst nach Abschluss der Abdichtarbeiten an der neuen Brücke. Während dieser Arbeiten musste das Wetter trocken sein. Einige Tage Regen hätten uns im Zeitplan zurückgeworfen. Die Autofahrer waren von der Zahl her die größte Stakeholder-Gruppe. Wie sind Sie mit dieser Gruppe in Verbindung getreten? Wichtig ist, dass man die Autofahrer rechtzeitig informiert - auch dann, wenn es schlechte Nachrichten für diese Stakeholder gibt. Wir haben im Internet informiert. Parallel dazu hat auch die Stadt Essen ein Informationsangebot im bei Ihrem Projekt den Aufschlag - und zwar mit kritischem, fast sensationsheischendem Ton. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Die Presse hat immer fair berichtet, sie hat meine Position korrekt dargestellt. Ich wurde von vielen Journalisten angerufen, ich war beim Hörfunk und in Fernsehstudios. Bei der Pressearbeit haben Sie nicht nur auf die Fragen der Journalisten reagiert. Sie sind selbst auf die Presse zugegangen, haben sie beispielsweise eingeladen zu Gesprächen und Baustellenführungen. Pressearbeit war vermutlich ein Teil Ihres Stakeholdermanagements? Ja! Es gab Pressekonferenzen; bei der ersten Pressekonferenz hatten wir sechs Fernsehsender und viele Radiostationen zu Gast. Während der Bauarbeiten haben wir versucht, einmal wöchentlich unser Projekt in die Presse zu bringen. Wir haben Journalisten über die Baustelle geführt, ihnen die Arbeiten erklärt und ihnen Fotomotive geboten. Wir wollten den Fortschritt zeigen. Offen gesagt: Anfangs habe ich mich ein wenig gegen die Rolle gewehrt, Journalisten zu führen und Interviews zu geben. Es handelte sich um viel Arbeit - und ich hatte ja ein Projekt zu leiten. Aber? Die Zeit, die ich mit der Presse verbracht habe, war letztlich gut investiert. Je mehr wir der Presse die Baustellen mit all ihren Maßnahmen erklärten, desto mehr Verständnis brachte sie für unser Projekt auf. Manche Journalisten gestanweiträumig um die Sperrung herumgeführt und beispielsweise über andere Autobahnen abgeleitet. Was die Umleitungen in Essen selbst betrifft: Wir haben eine Umleitungsstrecke ausgeschildert und dafür etwa Ampelschaltungen verändert, sodass der Verkehr abfließen konnte. Wir haben alles drangesetzt, dass sich jeder Autofahrer auf der Umleitungsstrecke zurechtfand und es auf der Umleitungsstrecke so wenig wie möglich zum Stau kam. Diese Maßnahme bestand aus vielen kleinen Bausteinen. Auch haben wir den öffentlichen Nahverkehr mit einbezogen. Es gab vergünstigte Tickets für die Zeit der Vollsperrung für alle diejenigen, die das Auto in der Garage lassen wollten. Nochmals zu den Argumenten. Nicht jeder Stakeholder reagiert verständig auf technische Argumente. Es hat bei Ihrem Projekt anfangs auch kritische Stimmen gegeben. Die Angst vor dem Verkehrschaos war sehr groß. Wirtschaft und Industrie befürchteten, von der regelmäßigen Belieferung abgeschnitten zu werden. Es gab, wie gesagt, anfangs sehr kritische Artikel in der Presse. Manche haben uns eine dilettantische Planung vorgeworfen. Dilettantische Planung - kränkt Sie solche Sensationspresse nicht? Nein, letztlich sind solche Schlagzeilen sogar hilfreich. Hilfreich - inwiefern? Je mehr Angst die Menschen vor dem Verkehrschaos haben, desto besser bereiten sie sich vor. Dies war in unserem Sinne. Hauptsache, über Ihr Projekt wurde geredet? Wie vorhin gesagt, wir wollten, dass neun von zehn Autofahrern von der Sperrung wussten. Dieser Plan ist auch aufgegangen. So wollten Fotografen am ersten Tag der Sperrung den befürchteten Megastau fotografieren. Journalisten wollten genervte Autofahrer interviewen. Doch da war nichts - weder Stau noch genervte Autofahrer. Die Fahrer wussten Bescheid und haben sich ihre Ausweichrouten festgelegt. „aufScHlaG“ für die PreSSe Bleiben wir bei der Presse, die ja von vielen Projektmanagern gemieden wird. Die Presse hatte Brückenfertigteile werden auf die Überführung gelegt. Foto: Landesbetrieb Straßenbau NRW PM-aktuell_5-2015_Inhalt_01-100.indd 43 10.11.2015 13: 27: 09 Uhr projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2015 44 REPORT Eben sagten Sie, jeder Stakeholder habe auch seinen Beitrag leisten müssen. Dies war unsere Formel für die Argumentation, so haben wir auch gegenüber der Presse argumentiert. Das Projekt ist zwingend, kein Weg führt daran vorbei. Wir tun unseren Teil, um die Auswirkungen auf den Verkehr abzumildern. Darüber hinaus sind wir auf die Mithilfe aller angewiesen - bis hin zum einzelnen Autofahrer, der sich über Ausweichrouten informiert. So brauchten wir letztlich auch die Hilfe und den Beitrag der Presse. Sie sollte die Informationen so verteilen, dass sie jeden erreichen. BeiTraG der STakeHolder Das Projekt sollte also zu einer gemeinsamen Sache mit den Stakeholdern werden? Ich will es so sagen: Wir haben versucht, ein Wir- Gefühl zu erzeugen. Letztlich haben wir den Bau an der Autobahn ja für die Autofahrer vorangetrieben. So gesehen ist das Wir-Gefühl für dieses Projekt angemessen. Als Journalisten nach Abschluss des Projekts gefragt haben, wer zu diesem Erfolg beigetragen hat, da haben wir auch die Autofahrer genannt, die so vernünftig auf die Sperrung reagiert haben. Und auch die Journalisten selbst. Sie haben gegenüber den Stakeholdern versprochen, in drei Monaten die Baustelle zu beenden und die Autobahn wieder freizugeben. Im Sinne einer Garantie habe ich dies nie versprochen, wie eben gesagt. Vieles hing am Wetter während der Abdichtungsarbeiten. Und im September, in den diese Arbeiten fielen, ist auch mit Regentagen zu rechnen. Das Wetter war das größte Risiko bei unserem Projekt. Welche Risiken gab es noch? Wir haben im Bestand gearbeitet, also in einem bestehenden Bauwerk. Man weiß beispielsweise nie genau, auf was man beim Abriss von alten Bauwerken trifft. Uns ist beim Abriss dann auch unvorhergesehen ein Brückenpfeiler umgeknickt, der ursprünglich erhalten bleiben sollte. Wie haben Sie gegen diese Risiken Vorsorge getroffen? Für Vorsorge hatten wir kaum Spielraum, aber in diesem Fall hatten wir schon vorsorglich die erforderliche Schalung auf der Baustelle. Eine sollte man nie mit Ausreden oder Ausflüchten zerstören. Stakeholder wollen nicht getäuscht werden, dies verzeihen sie nicht. doPPelSTraTeGie Bei STakeHoldermanaGemenT Zusammengefasst: Sie haben eine Doppelstrategie beim Stakeholdermanagement verfolgt. Einerseits haben Sie umfangreiche Informationen zu Hintergründen der Sperrung geboten und Serviceangebote unterbreitet. Andererseits haben Sie die Interessensgruppen über die Fortschritte auf dem Laufenden gehalten und gezeigt, dass es vorangeht auf der Baustelle. Ja, mit dieser Strategie haben wir viele Stakeholder erreichen können. Gegenfrage: Wen haben Sie nicht erreicht? Leider nicht jeden in der Wirtschaft. Wir haben der Wirtschaft auf Informationsveranstaltungen die Pläne vorgestellt und erklärt. Wir wollten die Botschaft übermitteln: Bereitet euch auf die Sperrung vor, legt die Hände nicht in den Schoß. Leistet euren Beitrag! Nicht alle haben sich davon überzeugen lassen, dass die dreimonatige Sperrung ohne Alternative war. Doch ich hatte das Gefühl, dass man zumindest Verständnis aufbrachte. Die Botschaft kam an, dass wir nicht willkürlich sperren, sondern gute Gründe dafür haben. Internet gestartet, diese Seite fand ich sehr gut gemacht. Die Stadt Essen und wir hatten zudem Hotlines für Autofahrer. Man konnte Fragen telefonisch oder per Mail stellen. Zudem haben wir Webcams eingerichtet. Webcams? Weshalb? Autofahrer konnten aktuell sehen, ob sich Staus an der Sperrung entwickelten. Auch konnten sie sich über den Fortschritt der Baustelle informieren. Sie konnten erkennen, dass sich etwas tat, dass man arbeitete. Den Menschen das Gefühl zu geben, dass jeder Tag der drei Monate Sperrung für Bauarbeiten genutzt wurde - das war wichtig. Hätten Sie auch Fehler vor der Öffentlichkeit eingeräumt? Dies hätte ich, ja. Ich hätte die Lage geschildert und erklärt, welche Maßnahmen wir zur Korrektur ergreifen. Es nützt nichts, sich herauszureden. Und ich denke, dass das Verständnis für Fehler recht groß ist. Jeder weiß doch von einer einfachen Wohnungsrenovierung her, dass nicht immer alles nach Plan läuft und es zu Fehlern kommt. Im Ruhrgebiet sagen wir: Wer keine Fehler macht, der arbeitet auch nicht. Ich bin mir sicher, dass die Menschen unsere Bemühungen um Pünktlichkeit erkannt und honoriert haben. Selbst ein paar Tage Verspätung hätte man uns nachgesehen, glaube ich. Dieses Grundvertrauen Schulterschluss mit dem Minister: Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen (links im Bild), erläutert mit Projektleiterin Annegret Schaber die Baumaßnahmen. Foto: Landesbetrieb Straßenbau NRW PM-aktuell_5-2015_Inhalt_01-100.indd 44 10.11.2015 13: 27: 10 Uhr REPORT 45 projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2015 gaben oder Bereiche. Vieles wurde auch ad hoc, bei einem konkreten Anlass besprochen. Dies klingt unkompliziert. Die Kommunikation war auch recht unkompliziert. Unsere Bauüberwacher waren auf der Baustelle präsent, sie saßen quasi Tür an Tür mit den Bauleitern der Firmen. Was zu regeln war, hat man buchstäblich auf kurzem Wege geregelt. Stellen Sie sich die Kommunikation sehr pragmatisch vor. ScHnelle enTScHeidunGen Unter Zeitdruck stehende Projekte brauchen schnelle Entscheidungen. Projektleiter können nicht eine Woche auf die Entscheidung warten, ob ihnen etwa nötige Kompensationsmaßnahmen genehmigt werden. Wie haben Sie diese schnellen Entscheidungen ermöglicht? Die schlechteste Entscheidung, die man treffen kann, ist bekanntlich die Entscheidung: Wir treffen keine Entscheidung! Gewiss, die Dinge liegen zu lassen ist kein guter Rat. Doch für schnelle Entscheidungen brauchen Projektmanager genügend Spielraum, diese Entscheidungen treffen zu können. gesagt, die Aufgaben an der Baustelle waren auf Tagesebene sehr detailliert geplant. Den Arbeitsfortschritt haben wir täglich mit dem Plan abgeglichen. Haben wir festgestellt, dass sich bestimmte Arbeitspakete verspäten, so haben wir sofort gegenreguliert. Probleme und Verzögerungen gibt es immer, wenn man im Bestand baut. Letztlich ist es eine Illusion zu glauben, solch eine Baustelle könne streng nach Fahrplan abgewickelt werden. Schnelles Reagieren auf Verspätungen setzt intensive Kommunikation voraus. Wie haben Sie die Kommunikation strukturiert? Wir haben stark auf persönliche Besprechungen gesetzt. Einmal wöchentlich kamen alle Beteiligten zur zentralen Baubesprechung zusammen. Diese Baubesprechungen hatte einen festen Ablauf. Wir haben das Protokoll der vorhergehenden Baubesprechung durchgearbeitet und geprüft, ob alle Punkte abgearbeitet waren. Dann hat jeder das vorgestellt, was in seinem Bereich zwischenzeitlich geleistet worden ist und welche Aufgaben für die nächste Zeit anstanden. Dabei haben wir Termine festgelegt - verbindliche Termine sowohl für die auftragnehmenden Firmen als auch für uns, für die Auftraggeber. Diese zentrale Besprechung haben wir sehr stringent durchgeführt. Darüber hinaus gab es kleinere Besprechungen, etwa für spezielle Aufgroße Schwierigkeit gab es beim Risikomanagement. Wir hatten keinen Zeitpuffer, den wir zur Risikovorsorge verwenden konnten. Wie bitte? Keinen Zeitpuffer? Ich habe von vornherein klargestellt: Reduzieren wir die Bauzeit auf drei Monate, brauchen wir diese drei Monate für den Bau. Wir haben ohnehin Tag und Nacht gearbeitet. Bei Unvorhergesehenem hätten wir deshalb nur begrenzt mit einer Kompensationsmaßnahme reagieren können - indem wir beispielsweise noch mehr Menschen und Maschinen auf die Baustelle gebracht hätten. Deshalb haben wir nur wenige Maßnahmen zur Risikovorsorge ergreifen können. Zum Beispiel? Wir haben über den Bedarf hinaus Maschinen vorbestellt, so hatten wir Reserve für den Fall, dass Maschinen ausfallen. Der Ausfall einer Maschine hätte den Terminplan empfindlich treffen können. Die Arbeiten an der Baustelle waren minutiös durchgeplant, manchmal auf Tagesebene. Dies haben auch unsere Stakeholder direkt am ersten Tag bemerkt. Mitternachts, unmittelbar nach Beginn der Sperrpause haben wir zu arbeiten begonnen. nacH dem leTzTen zuG GinG eS loS Der letzte Zug war unter der Brücke durchgefahren … … und wir haben direkt danach begonnen, eine Sandschicht auf die Gleise zu legen und die Bahnanlage damit zu schützen. Alles stand bereit. Dann haben auf der Brücke acht Bagger nebeneinander die alte Brücke abgebrochen. Die standen wie im Spalier und haben Meter um Meter mit schweren Meißeln die Brücke eingerissen. Dies war ein spannendes Bild für die Medien und die Anwohner. Kurz gesagt, freitags begann der Abriss, montags war die Brücke eingerissen und der Schutt beiseitegeräumt. Dies hat den Stakeholdern signalisiert: Von den drei Monaten Sperrung lassen wir keinen Tag ungenutzt. Wie haben Sie den Fortschritt Ihres Projekts kontrolliert? Wir haben Termine und Fortschritt sehr engmaschig nachgehalten, anders ging dies nicht. Wie Voller Einsatz für die Abbruchbagger: Die alte Brücke muss weg, dafür bleibt nicht viel Zeit. Foto: Landesbetrieb Straßenbau NRW PM-aktuell_5-2015_Inhalt_01-100.indd 45 10.11.2015 13: 27: 13 Uhr projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2015 46 REPORT Unterstützung, stünden das Budget oder die Termine betreffende Entscheidungen an oder gäbe es Probleme - so hätte ich mich an meine Vorgesetzten gewendet. Darüber hinaus konnte ich mein Projekt so gestalten, wie ich es für sinnvoll hielt. Dies galt für Sie als Projektleiterin. Haben Sie Ihr Team ähnlich geführt und Mitarbeitern ermöglicht, schnell zu entscheiden? Meine Mitarbeiter sollten ihren Entscheidungsspielraum ausschöpfen und dabei bis an das Limit dieses Spielraums gehen. Beispielsweise waren aus meinem Team vier Bauüberwacher auf der Baustelle tätig. Vieles wurde ad hoc entschieden, offene Fragen also direkt vor Ort, am Ort des Geschehens, beantwortet. Ähnliches galt für meine Mitarbeiter bei uns im Büro, die beispielsweise Pläne prüften oder den Vertrag bearbeiteten. Hätten mich meine Mitarbeiter für jede einzelne Entscheidung angerufen, ich hätte die Arbeit nicht bewältigen können. Nur bei größeren Problemen wollte ich angesprochen werden … … auch auf die Gefahr hin, dass Ihre Mitarbeiter nicht ganz in Ihrem Sinne entschieden hätten? Dass sich ihre Entscheidung hinterher nur als zweitbeste der möglichen Varianten herausgestellt hätte? Ein paar Mal sind Mitarbeiter übers Ziel hinausgeschossen. Doch auch diese Entscheidungen habe ich mitgetragen. Mitgehangen, mitgefangen. Diese Rückendeckung hatten meine Mitarbeiter. Ich stand hinter ihren Entscheidungen. Dafür benötigen Sie entscheidungsfreudige Mitarbeiter, nicht solche, die sich vor Entscheidungen drücken. Anders gesagt: Ihre Mitarbeiter müssen eine gewisse persönliche Risikobereitschaft mit ins Projekt bringen, sonst funktioniert dieser Führungsansatz nicht. Ich habe darauf geachtet, dass ich im gewissen Sinne mutige Mitarbeiter in mein Team aufge- Arbeitsgemeinschaft von mehreren Firmen. Was diese Entscheidung betrifft: Meine Haltung in dieser Frage wurde von meinen Vorgesetzten nicht nur gebilligt, sondern unterstützt. Ich hatte Rückendeckung. Und auf diesen Punkt will ich hinaus: Ich brauche als Projektleiterin nicht nur Entscheidungsbefugnis, sondern auch Rückendeckung für meine Entscheidungen. rückendeckunG durcH VorGeSeTzTe Wie soll diese Unterstützung, diese Rückendeckung konkret aussehen? Den Begriff „Unterstützung“ fasse ich recht weit. Meine Vorgesetzten haben mir Hilfe angeboten. Wenn ich Hilfe brauchte, konnte ich mich an sie wenden. Wir hatten vereinbart: Bräuchte ich Als Projektleiterin hatte ich die Möglichkeiten zur Entscheidung, und ich hatte die Rückendeckung meiner Vorgesetzten dafür. Dies war Vertrauenssache. Meine Vorgesetzten wussten: Schwierigkeiten und wichtige Fragen, von denen sie wissen mussten, habe ich ihnen zuverlässig mitgeteilt. Dies betraf auch unangenehme Schwierigkeiten oder Fehler. Wo lag das Limit Ihres Spielraums? Alle Entscheidungen, die zusätzlich Geld kosteten, mussten abgestimmt werden. An diesem Punkt endete mein Spielraum. Ansonsten war er völlig ausreichend bemessen. Beispielsweise lagen technische Entscheidungen allein in meiner Hand. Entscheidungen, die Rückendeckung oder Zustimmung von Vorgesetzten bedürfen - haben Sie dafür ein Beispiel? Ich denke an die sonst übliche Einzelvergabe. In der Regel vergeben wir bei Bauprojekten die verschiedenen Gewerke einzeln. Wir erstellen jeweils eine Fachausschreibung. Dies war bei unserem Projekt nicht möglich, die Fachausschreibung hätte nicht funktioniert. Wir hätten uns mit den vielen beteiligten Firmen abstimmen und diese Firmen koordinieren müssen. Dies war in der Kürze der Zeit unmöglich. Deshalb haben wir einen Generalunternehmer beauftragt, eine So reißt man eine Brücke ein: Bagger in Reih und Glied legen die alte Brücke in Schutt. Foto: Landesbetrieb Straßenbau NRW Fünf Erfolgsfaktoren beim Projekt „3 statt 24“ 1. Gut und eng mit allen Behörden zusammenarbeiten 2. Intensive Öffentlichkeitsarbeit vorbereiten und umsetzen 3. Eine Arbeitsgemeinschaft der ausführenden Unternehmen einrichten (keine Einzelvergabe von Aufträgen) 4. Gute Kooperation im Team anstreben mit offener Kommunikation und konstruktiver Fehlerkultur 5. Die personelle Kontinuität im Team wahren; mit jedem Mitarbeiterwechsel geht Wissen verloren Anzeige Projektmanagement. Prozessorientiert. Durchdachte Prozesse geben in den Unternehmen die Abläufe vor. So werden be- Projektabwicklung im gesamten Projektportfolio. PM-aktuell_5-2015_Inhalt_01-100.indd 46 10.11.2015 13: 27: 15 Uhr REPORT 47 Beginnen wir mit der Verlässlichkeit von Zusagen! Bei vielen Bauprojekten sind bekanntlich mehr Rechtsanwälte als Bauingenieure im Einsatz. Offen gesagt, Vertrauen kann dabei nicht entstehen - dies kann ich mir nicht vorstellen. Ich habe von Anfang an den Unternehmen klargemacht, dass ich keine Brieffreundschaft will. Statt den Schriftverkehr überborden zu lassen, wollte ich lieber die Zeit für sinnvolle Zusamschon von anderen Projekten her kennen. Dies gilt übrigens nicht nur für das eigene Team. Vertrauen prägte auch das Verhältnis zwischen dem Team und den ausführenden Baufirmen. Der Begriff Vertrauen ist ja recht allgemein. Was verstehen Sie genau darunter? Unter Vertrauen verstehe ich beispielsweise die Verlässlichkeit von Zusagen oder den Umgang mit Fehlern. nommen habe. Mitarbeiter mit einem ausgesprochenen Sicherheitsbedürfnis sind für solche Projektaufgaben nur bedingt einsetzbar. Daneben gab es natürlich noch weitere Eignungskriterien. Meine Mitarbeiter mussten fachlich geeignet und erfahren sein. VerTrauen und erfaHrunG Erfahrung, unkompliziert im Umgang und entscheidungsfreudig ... Ja, nach diesen Merkmalen habe ich meine Mitarbeiter ausgewählt. Auch wollte ich sie persönlich eine Weile kennen und mit ihnen schon einmal zusammengearbeitet haben. Im Kern umfasste mein Team sieben Mitarbeiter: vier Bauüberwacher und drei interne Fachleute. Zusätzlich haben wir zeitweise Spezialisten herangezogen, etwa für den Lärmschutz oder die Schutzplanken. Sie wollten die für Ihr Team ausgewählten Mitarbeiter schon vorher persönlich kennen, sagten Sie. Vertrauen spielte also neben den Fachkenntnissen eine wesentliche Rolle bei der Zusammenstellung des Teams. Ohne gegenseitiges Vertrauen können Sie solch ein Projekt nicht durchführen. Dieses Vertrauen muss man bewusst aufbauen und erhalten - und es ist dabei günstig, wenn die Beteiligten sich Die alte Brücke ist „platt“. Nun geht es daran, die neue einzusetzen. Foto: Landesbetrieb Straßenbau NRW Anzeige Projektmanagement. Prozessorientiert. Durchdachte Prozesse geben in den Unternehmen die Abläufe vor. So werden be- Projektabwicklung im gesamten Projektportfolio. PM-aktuell_5-2015_Inhalt_01-100.indd 47 10.11.2015 13: 27: 16 Uhr projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2015 48 REPORT vorgelebt. Ähnliches gilt für die Erreichbarkeit. Ich war präsent auf der Baustelle und ständig ansprechbar. Mitarbeitern, die sich von einer Aufgabe überfordert fühlten, habe ich Hilfe angeboten oder Hilfe verschafft. Letztlich muss man in Projekten die Menschen „mitnehmen“: Sie sollten von allein darauf kommen, welche Aufgaben sie zu erledigen haben. Ich halte wenig davon, mit Anweisungen zu arbeiten. Ich hatte mir auf die Fahnen geschrieben, ein konstruktives Klima im Projekt zu verbreiten und Freude an der Arbeit zu wecken. Das Projekt war anstrengend. Aber es hat auch richtig Spaß gemacht. Drei Monate waren eine kurze Zeit für ein Projekt, das normalerweise zwei Jahre dauert. Eine rhetorische Frage: Waren Sie als Projektmanagerin auch Vorbild darin, Begeisterung zu wecken und an das Gelingen zu glauben? Es gab hier und da in unseren Reihen zu hören, dass wir kaum in drei Monaten die Sperrung wieder aufheben können, dass dies alles nicht klappt. Und? Ich habe mich dagegen gewehrt. So etwas wollte ich von meinen eigenen Kollegen nicht hören. „Wir schaffen es nicht! “ - dieser Satz war streng verboten. Als einziger Satz in unserem Projekt. gemacht. Und wir haben einander geholfen, Fehler zu korrigieren. Die Baufirmen haben ihr Bestes gegeben angesichts der knappen Zeit. Da hat niemand absichtlich Fehler gemacht. Weshalb also Vorwürfe machen? Haben zwischendurch nicht auch die Nerven blankgelegen? Doch, natürlich! Ich habe als Projektleiterin vermittelnd eingegriffen, wenn die Diskussionen zwischen unseren Bauüberwachern und den Bauleitern der Unternehmen mal laut wurden. Ich musste dann und wann für Ruhe sorgen und - wie man im Ruhrgebiet sagt - Klartext reden. Für langen Streit stand das Projekt viel zu sehr im Blick von Politik, Medien und Bürgern. Dies haben letztlich alle gewusst, und dies hat mäßigend gewirkt. Waren Sie als Projektleiterin auch Vorbild? Vorbild - ist dies nicht jede Führungskraft? Die Zusammenarbeit an der Spitze prägt immer das Gesamtprojekt. Schlechte Kooperation an der Spitze wächst sich häufig durchs Team durch. Insofern habe ich versucht, Vorbild zu sein. Beispiel Fehlerkultur: Beim Arbeiten kommt es zu Fehlern. Auch ich mache Fehler. Wir müssen aber diese Fehler auf den Tisch bringen und Lösungen suchen. Dies habe ich meinem Team menarbeit nutzen. So haben wir den Auftrag früh vergeben. Zwischen Vergabe und Baubeginn lag ein halbes Jahr. Normal sind sechs Wochen. Weshalb diese lange Frist? Wir wollten mit der Baufirma zusammen das Projekt sorgfältig vorbereiten. Es ging um sehr konkrete Aufgaben. Es mussten Ausführungspläne etwa für Schalung und Bewehrung erstellt werden; wir mussten Genehmigungen einholen, das Unternehmen musste sein Team zusammenstellen, das Baumaterial ordern und Maschinen bestellen. Auch haben wir erste Aufgaben an der Brücke erledigt, beispielsweise ausgemessen oder Bohrkerne gezogen. In diesem halben Jahr haben wir intensiv zusammengearbeitet. feHlerkulTur im ProjekT … zusammengearbeitet und sich dabei auch kennengelernt? Genau! Diesen Effekt sollte man nicht unterschätzen! Vorhin haben Sie den Umgang mit Fehlern angesprochen, die Fehlerkultur im Projekt. Es gab bei uns im Projekt keine Suche nach Schuldigen. Niemand sagte: Du hast einen Fehler gemacht; es hieß: Wir haben einen Fehler „Horrorthema“ Stau im Ruhrgebiet: Dank guten Projektmarketings und Stakeholdermanagements blieb das Verkehrschaos im Ruhrgebiet aus. Foto: Landesbetrieb Straßenbau NRW PM-aktuell_5-2015_Inhalt_01-100.indd 48 10.11.2015 13: 27: 17 Uhr
