eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 26/5

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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2015
265 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Projektmanager und Vorgesetzte: Mit Regeln und Disziplin gelingt das Zusammenspiel

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2015
Oliver Steeger
Viele Topmanager und Vorgesetzte mischen sich ins Tagesgeschäft von Projekten ein und treffen über den Kopf ihrer Projektleiter hinweg Anordnungen. Anders Kathrin Heffe vom Landesbetrieb Straßen.NRW. Sie gibt den Projektmanagern, die unter ihrer Führung arbeiten, fachlich freie Hand – und hält sich selbst zurück. Mehr noch: Kathrin Heffe stellt sich schützend vor die Teams; als „Sparrings-Partnerin“ unterstützt sie ihre Projektmanager häufig. Von diesem Vertrauen profitierte auch Annegret Schaber (siehe Interview ab S. 40). Die Projektmanagerin – unlängst mit dem „Roland Gutsch Award“ der GPM ausgezeichnet – sperrte für drei Monate die Autobahn A 40 im Ruhrgebiet und sanierte im Expresstempo eine Brücke. Kathrin Heffe und Annegret Schaber wissen: Das vertrauensvolle Zusammenspiel zwischen Projektleiterin und Vorgesetzten ist kein „Selbstläufer“. Das erfolgreiche Miteinander braucht Regeln, Übung und Selbstdisziplin. Auch – und vor allem – seitens der Vorgesetzten.
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Autobahn-Vollsperrung als Erfolg - auch dank der Rückendeckung „von oben“ Projektmanager und Vorgesetzte: mit regeln und disziplin gelingt das zusammenspiel Autor: Oliver Steeger REPORT 49 Viele Topmanager und Vorgesetzte mischen sich ins Tagesgeschäft von Projekten ein und treffen über den Kopf ihrer Projektleiter hinweg Anordnungen. Anders Kathrin Heffe vom Landesbetrieb Straßen.NRW. Sie gibt den Projektmanagern, die unter ihrer Führung arbeiten, fachlich freie Hand - und hält sich selbst zurück. Mehr noch: Kathrin Heffe stellt sich schützend vor die Teams; als „Sparrings-Partnerin“ unterstützt sie ihre Projektmanager häufig. Von diesem Vertrauen profitierte auch Annegret Schaber Kathrin Heffe Kathrin Heffe leitet die Bauabteilung der Regionalniederlassung Ruhr des Landesbetriebs Straßen.NRW. Die Hauptschlagader des Verkehrs im Ruhrgebiet - die Autobahn A 40 - für drei Monate zu sperren, dies war auch für sie ein außergewöhnliches Projekt. Mit einem Volumen von 35 Millionen Euro fiel dieses Vorhaben in Kathrin Heffes Zuständigkeit. Die Bauingenieurin (Ruhr- Universität Bochum) hat das Management von Infrastrukturprojekten gründlich gelernt: Bevor sie die Leitung der Bauabteilung übernahm, war sie unter anderem Referentin für den Bereich Planfeststellung und Vereinbarungen; anschließend leitete sie diesen Bereich. Foto: Straßen.NRW Foto: Straßen.NRW PM-aktuell_5-2015_Inhalt_01-100.indd 49 10.11.2015 13: 27: 21 Uhr projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2015 50 REPORT rund 100.000 Fahrzeugen passiert wird - dieser Plan hat viele Bedenken, Sorgen und Ängste ausgelöst. Das Echo in der Bevölkerung war anfangs alles andere als günstig für uns. Wir wollten die Öffentlichkeit von der Notwendigkeit der dreimonatigen Sperrung überzeugen, ihr klarmachen, weshalb dies die vernünftigste Lösung für alle ist. So, wie Sie den Minister überzeugt hatten? Ja, auf ähnliche Weise. Deshalb war es hilfreich, dass Herr Groschek beispielsweise an den Pressekonferenzen teilgenommen hat. Die Öffentlichkeit hat wahrgenommen, dass uns von höchster Stelle dieses Projekt zugetraut wird. Der Minister hat vielfach positiv über das Projekt berichtet. Dies ist gut in der Öffentlichkeit angekommen … … und hat auch geholfen, anfängliche Widerstände gegen eine Vollsperrung abzubauen? Vermutlich, ja. Zudem hatte das Vertrauen des Ministers weitere positive Effekte. Wir hatten über das übliche Maß hinaus Entscheidungsspielraum für unser Projekt. Wir konnten das Projekt fachlich so durchführen, dass es funktioniert - was im Projektalltag sehr nützlich ist. Schaber und ich haben mit unserem Plan, für eine Baustelle eine Autobahn zu sperren, im Ministerium nicht sofort offene Türen eingerannt. Ihnen wurde nichts geschenkt? Nein, überhaupt nicht. Als wir unseren Plan Herrn Minister Groschek vorgestellt haben, war er erst seit wenigen Tagen im Amt. Unser Projekt war ein erstes Leuchtturmprojekt nach seinem Amtsantritt. Frau Schaber und ich haben mit ihm intensiv das Vorhaben diskutiert. Er hat sich fachlich tief mit den Plänen beschäftigt und uns genau befragt. Ich hatte das Gefühl, dass er sich erst in diesem Gespräch von unserer Strategie hat überzeugen lassen. Nachdem er unsere Position ganz erfasst hatte, bekamen wir endgültig den Startschuss für das Projekt. Wie hat Ihnen der Minister konkret geholfen bei diesem Projekt? Er hat uns unter anderem stark bei der Öffentlichkeitsarbeit unterstützt. Dies mag sich trivial anhören. Doch die Öffentlichkeitsarbeit war eine der großen Herausforderungen in unserem Projekt, vielleicht sogar die größte. Die dreimonatige Sperrung einer Autobahn, die täglich von (siehe Interview ab S. 40). Die Projektmanagerin - unlängst mit dem „Roland Gutsch Award“ der GPM ausgezeichnet - sperrte für drei Monate die Autobahn A 40 im Ruhrgebiet und sanierte im Expresstempo eine Brücke. Kathrin Heffe und Annegret Schaber wissen: Das vertrauensvolle Zusammenspiel zwischen Projektleiterin und Vorgesetzten ist kein „Selbstläufer“. Das erfolgreiche Miteinander braucht Regeln, Übung und Selbstdisziplin. Auch - und vor allem - seitens der Vorgesetzten. Frau Heffe, das Projekt „3 statt 24“ war ein Pilotprojekt - und zugleich Tabubruch. „3 statt 24“ heißt: Für eine Großbaustelle haben Sie drei Monate lang eine der meistbefahrenen Autobahnen im Ruhrgebiet sperren lassen, statt zwei Jahre lang den Verkehr quälend langsam um die Baustelle herumzuführen. Für Ihr Projekt hatten Sie sogar den NRW-Verkehrsminister im Rücken. Wie wichtig war für Ihr Projekt der Schulterschluss mit den Topetagen der Politik? Kathrin Heffe: Diese Rückendeckung war hilfreich, selbstverständlich. Aber vorweg: Diese Unterstützung mussten wir uns erarbeiten. Frau Bürger beobachten, wie an der Autobahn A 40 die alte Brücke über Nacht weggerissen wird. Foto: Straßen.NRW PM-aktuell_5-2015_Inhalt_01-100.indd 50 10.11.2015 13: 27: 24 Uhr REPORT 51 projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2015 für uns, wir haben die Organisation zuvor bei noch keinem Projekt auf diese Weise gestaltet. Ein weiteres Beispiel für dieses Abschirmen: Ein Projektteam, das binnen drei Monaten Höchstleistungen erzielen muss, braucht personelle Kontinuität. zurückHalTunG im ProjekTTaGeSGeScHäfT Dies sagten Sie. Man darf nicht zwischendurch einen Mitarbeiter abziehen und etwa einem anderen Projekt zuordnen. Die Ersatzkraft braucht Zeit, sich einzuarbeiten … Richtig, und diese Zeit fehlt. Deshalb habe ich alles drangesetzt, dass sich das Team personell nicht verändert. Zurückhaltung war eben ein wichtiges Stichwort. Sie haben sich aus dem Tagesgeschäft des Projekts herausgehalten. Hatte Frau Schaber fachlich freie Hand? Ja, dies hatte sie. Wann sind Sie eingesprungen? Jederzeit dann, wenn Frau Schaber mich darum gebeten hatte. Wenn sie den fachlichen Aus- Ansprechpartnerin, Sparrings-Partnerin - war dies Ihre Rolle und Aufgabe in diesem Projekt? Ja. Es gab natürlich noch mehr Aufgaben für mich. Ich habe dem Projekt Ressourcen zur Verfügung gestellt - beispielsweise geeignetes Personal. Ich habe für personelle Kontinuität gesorgt, also dafür, dass niemand aus dem Projektteam abgezogen wird. Das Team hat gewissermaßen in einem Kokon gearbeitet, und ich habe diesen Kokon abgeschirmt gegen Störungen von außen. Das Team konnte sich ganz auf seine Arbeit konzentrieren und wurde nicht in Unruhe gebracht. für PerSonelle konTinuiTäT GeSorGT Sie sprechen von Abschirmung. Abschirmung - konkret gegen was? Abschirmen beispielweise gegen Fragen von außen oder Beschwerden aus der Bevölkerung. Das arbeitsintensive und manchmal auch nervenaufreibende Beschwerdemanagement haben wir aus dem Projekt ausgegliedert und unserer ausgezeichnet arbeitenden Projektassistenz übertragen; das Projektteam konnte sich ganz um sein Projekt kümmern. Diese Arbeitsteilung war neu Derart unter „Beobachtung“ höchster Stellen zu stehen, dies dürfte bei einigen Projektmanagern nicht nur Freude auslösen, sondern auch Bauchschmerzen. Der Druck, den die Aufmerksamkeit etwa der Unternehmensspitze auslöst, führt bei Projektmanagern zu schlaflosen Nächten. Ich habe mich ganz am Anfang auch gefragt, ob es günstig ist, so sehr im Fokus des Ministeriums zu stehen. unTer BeoBacHTunG „Von HöcHSTer STelle“ Und - Ihr Resümee heute? Wie gesagt, nach meinen Erfahrungen war diese Nähe zum Ministerium für das Projekt förderlich. Aber man muss sich einen Vertrauensvorschuss erarbeiten. Frau Schaber ist dies sehr gut gelungen. Also kein zusätzlicher Erfolgsdruck? Das Projektteam stand unter Erfolgsdruck, selbstverständlich. Dies lag allerdings kaum an der Beobachtung von höchster Stelle, wie Sie es eben genannt haben. Das Projektteam hatte der Öffentlichkeit versprochen, nach drei Monaten die Baustelle zu beenden. Dies war eine Zusage. Daran fühlte sich jedes einzelne Projektteammitglied gebunden. Wir wollten zeigen, dass das Projekt „3 statt 24“ kein Hirngespinst ist, sondern eine wohldurchdachte Strategie. Wir haben quasi dem ganzen Ruhrgebiet versprochen, dass wir die Autobahn pünktlich wieder freigeben - und dies wollten wir auch der Öffentlichkeit zeigen. Die Ziele Ihres Projekts waren hochgesteckt, die Herausforderungen groß, die Vorgehensweisen neu, der öffentliche Druck groß. Üblicherweise würde man erwarten, dass Vorgesetzte bei solch einem Vorhaben die Projektleiter besonders eng führen. Nein, völlig anders. Ein Projekt kann nur einem Herrn dienen - entweder dem Projektleiter oder dessen Vorgesetzten. Deshalb habe ich mich aus dem operativen Geschäft zurückgenommen. Oder sprechen wir besser von Zurückhaltung: Ich war für meine Projektleiterin und ihr Team immer ansprechbar. Selbstverständlich gab es klar definierte Informations- und Entscheidungsketten. Aber ich habe, soweit es möglich war, nicht in das fachliche Tagesgeschäft des Projekts eingegriffen. Besuch aus Düsseldorf: NRW-Verkehrsminister Michael Groschek (zweiter von links) macht sich in Essen ein Bild von der Baustelle. Foto: Straßen.NRW PM-aktuell_5-2015_Inhalt_01-100.indd 51 10.11.2015 13: 27: 27 Uhr projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2015 52 REPORT Das Stichwort „Herausforderungen“ möchte ich nochmals aufnehmen. Die Öffentlichkeitsarbeit haben wir als Herausforderung bereits angesprochen. Weshalb war sie so schwierig? Wir mussten zunächst herausfinden, wer überhaupt unsere Ansprechpartner bei den Stakeholdern waren. Dann haben wir überlegt, wie wir diese Gruppen überzeugen konnten. Welche Gruppen zum Beispiel? Wir hatten die Stadt Essen im Boot, auf deren Stadtgebiet sich ja die Sperrung befand. Wir haben mit der IHK gesprochen und mit der Logistikbranche, um so den Lkw-Fahrern die Ausweichrouten mitzuteilen. Dann natürlich die Bürger … … die Autofahrer! Nein, nicht nur die Autofahrer. Die A 40 führt mitten durchs Ruhrgebiet. Direkt an dem Abschnitt unserer Baustelle befinden sich Wohnhäuser - wirklich sehr nahe an der Baustelle. Von der Baustelle waren also auch Anwohner betroffen. Daran erkennen Sie, wie vielfältig die Stakeholder-Gruppen waren. Wir haben versucht, alle Stakeholder mitzunehmen. Wie sind Sie vorgegangen? Wir haben ein Kommunikationskonzept entwickelt und uns sehr genau überlegt, mit wem wir wann wie sprechen. Dies war neu für uns. Wir kommunizieren in der Regel viel mit der Presse, dies ist üblich. Doch direkt die Gruppen anzusprechen in dieser Dimension, damit hatten wir bisher wenig Erfahrung. koordinierunG miT anderen BauSTellen Anfangs waren die Menschen im Ruhrgebiet alles andere als begeistert von Ihren Planungen. Anfangs war die Öffentlichkeit entsetzt über unseren Plan, eine von täglich fast 100.000 Fahrzeugen genutzte Autobahn komplett zu sperren. Je länger wir aber erklärt haben, weshalb wir die Sperrung für nötig halten und wie wir vorgehen, desto mehr wurde die Maßnahme akzeptiert. Beispielsweise haben wir bereits früh Umleitungsschilder aufgestellt. Die Autofahrer wussten: Wir meinen es ernst. Es wird gesperrt. Welche weiteren Herausforderungen gab es bei diesem Projekt aus Ihrer Sicht? Sie haben also die eine oder andere Entscheidung zähneknirschend akzeptiert? So will ich dies nicht bezeichnen. Aber ich hätte vielleicht manchmal einen anderen Weg gewählt. Ob dieser Weg aus späterer Sicht besser gewesen wäre, dies steht auf einem anderen Blatt. Dies weiß man vorher nicht. Mir kommt es auf einen Punkt an: In diesen Situationen braucht man die Selbstdisziplin, keine vor Ort getroffene Entscheidung nach außen infrage zu stellen. HerauSforderunG „öffenTlicHkeiTSarBeiT“ Provozierend gefragt - weshalb nicht? Ich kann nicht die Entscheidungen meiner Projektleiterin infrage stellen, nachdem ich ihr die Entscheidungsbefugnis übertragen habe. Damit würde man die Rolle der Projektleitung infrage stellen. Dies wäre ein kaum wiedergutzumachendes Signal an das Projektteam und das Umfeld des Projekts. Angesichts der Herausforderungen, die insbesondere das Projekt „3 statt 24“ mit sich brachte, können Sie sich die Folgen gut ausmalen. Das schließt natürlich nicht aus, dass man einige Entscheidungen „hinter den Kulissen“ kritisch diskutiert und - wenn wirklich nötig - auch eingreift. tausch suchte, Unterstützung wünschte und natürlich dann, wenn weitreichende Entscheidungen getroffen werden mussten. Dies setzt ein starkes Vertrauensverhältnis voraus. Vorgesetzte halten bekanntlich den Kopf hin für ihre Projektleiter. Gegenseitiges Vertrauen, ja - aber nicht nur dies. Es braucht Selbstdisziplin und Übung sowie klare Spielregeln. Beispielsweise Regeln dafür, von welchen Informationen ich wissen muss und welche Entscheidungen über meinen Schreibtisch gehen. Dazu gehören beispielsweise Fakten, die zu höheren Kosten führen, sich auf die Terminplanung auswirken oder politische Bedeutung haben. Nur im offenen Umgang aller mit diesen wesentlichen Faktoren bin ich in der Lage, dem Projektteam den Rücken freizuhalten. Sie sagten, man braucht Selbstdisziplin und Übung. Weshalb dies? Als Vorgesetzte musste ich diese Zurückhaltung lernen. Auf der Baubesprechung vor Ort wird etwas festgelegt, die Beteiligten sind tief mit der Materie vertraut und Entscheidungen müssen umgehend getroffen werden. Nicht immer ist man mit den getroffenen Entscheidungen glücklich. Autobahn kreuzt Bahnstrecke: die neue Autobahnbrücke über der S-Bahn-Strecke. Foto: Straßen.NRW PM-aktuell_5-2015_Inhalt_01-100.indd 52 10.11.2015 13: 27: 30 Uhr REPORT 53 projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2015 Das ist der eine Punkt. Fehler gehören zum Arbeitsalltag, dies muss man akzeptieren. Niemand sollte die Hände in den Schoß legen, nur weil er Angst hat, Fehler zu machen. Der zweite Punkt ist ebenso wichtig: Nach einem Fehler darf nicht der Schuldige gesucht werden. Die Beteiligten sollten sich fragen, wie sie den Fehler wieder ausbügeln und in Zukunft gemeinsam vermeiden können. „in jedem feHler SeHe icH eine cHance“ Haben Sie als Vorgesetzte Einfluss auf die Fehlerkultur in einem Projekt? Ja, ich denke, schon. Die Suche nach Schuldigen finde ich überflüssig. Ich möchte nicht wissen, wer einen Fehler verursacht hat. Aber ich fordere bei meinen Mitarbeitern ein, dass wir offen darüber reden, wie wir den Fehler in Zukunft vermeiden können. Persönlich sehe ich in jedem Fehler vor allem eine Chance - nämlich die Chance, etwas künftig besser oder zumindest anders zu machen. Doch man muss über den Fehler sprechen können. Und dies bedeutet: Der Fehler muss angesprochen werden, er muss auf den Tisch. Ausflüchte und Ausreden helfen nicht weiter. Nochmals zur Frage: Wie können Sie die Fehlerkultur beeinflussen? Indem ich beispielsweise die positive Fehlerkultur glaubhaft vorlebe. Geht etwas bei mir schief, jekt. Ein weiterer Erfolgsfaktor waren sicherlich auch die aus meiner Sicht sehr flachen Hierarchien sowie die sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den bauausführenden Unternehmen. Welchen Vorteil bringen flache Hierarchien? Ein Vorteil sind schnell getroffene Entscheidungen. Drei Monate sind eine äußerst knapp bemessene Bauzeit für das durchgeführte Projekt. Man kann solch ein Projekt nicht abwickeln, wenn die Projektleitung für alles und jedes zunächst Rücksprache halten muss. Deshalb haben wir die Regel aufgestellt: Entscheidungen werden möglichst dort getroffen, wo sie fachlich hingehören - bei den Mitarbeitern vor Ort. Gestatten Sie einen Einwand: Nicht wenige Mitarbeiter befürchten, dass sie falsch entscheiden. Sie haben Angst vor der eigenen Entscheidungskompetenz. Aus diesem Grund sichern sie sich bei Vorgesetzten ab und holen dort die Entscheidungen ein, die sie eigentlich selbst treffen sollten. Je nach Bedeutung der zu treffenden Entscheidungen ist das auch richtig so. Ich denke aber, dass die Ausnutzung von Entscheidungsräumen auf allen Seiten auch eine Frage der Fehlerkultur ist. Meiner Meinung nach braucht man für solch ein Projekt eine konstruktive, positive Fehlerkultur. Wo gearbeitet wird, dort passieren logischerweise auch Fehler …? Wir hatten uns das Ziel gesetzt, wie versprochen, pünktlich die Bauarbeiten nach drei Monaten abzuschließen. Die Art und Weise, wie wir das Projekt umgesetzt haben, war neu für uns. Daraus ergab sich eine weitere Herausforderung, nämlich die Koordinierung unserer Baustelle mit allen anderen Baustellen in der Umgebung. Wie darf ich dies verstehen? Wir haben Umleitungen ausgeschildert. Der Verkehr sollte die Baustelle auf Ausweichrouten umfahren. Dafür mussten die Ausweichrouten frei sein. Dort durften nicht wiederum durch andere Baustellen Staus entstehen. Dies bedeutete: Einige Projekte auf anderen Autobahnen, Bundesstraßen oder Landesstraßen mussten für den Zeitraum unserer Sperrung stillgelegt werden. Die Abstimmung war nicht immer einfach. zwei jaHre VorBereiTunG Sie haben sich für die Vorbereitung des Projekts ungewöhnlich viel Zeit genommen. Hing dies zusammen mit diesen Abstimmungen? Auch, ja. Insgesamt hat die Vorbereitung zwei Jahre gedauert. Und diese Zeit war auch nötig, um das Projekt gründlich vorzubereiten und alle Eventualitäten zu prüfen. Übrigens haben wir auch den bauausführenden Firmen viel Vorbereitungszeit gegeben. Die Zeit ist gut genutzt worden, und sie war sehr wertvoll für das Pro- Pressekonferenz „open air“: NRW-Verkehrsminister Michael Groschek und Projektmanagerin Annegret Schaber informieren Journalisten auf der Baustelle an der Autobahn A 40. Foto: Straßen.NRW PM-aktuell_5-2015_Inhalt_01-100.indd 53 10.11.2015 13: 27: 33 Uhr projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2015 54 REPORT Eine Abschlussfrage: Über das Verhältnis von Topmanagement und Projektmanagement wird derzeit viel diskutiert - und leider auch geklagt. Die Erfahrung zumindest in der Wirtschaft zeigt: Viele Topmanager nehmen ihre Projektmanager nicht zur Kenntnis. Bei Ihnen war es anders. In Ihrem Projekt gab es viele Zusammenkünfte und Gespräche zwischen Frau Schaber und Herrn Minister Michael Groschek. Ihrer Erfahrung nach: Welche Vorteile hat es, wenn Topmanager und Projektleiter sich kennenlernen und austauschen? Keine leichte Frage! Ich versuche eine Antwort: Ein Topmanager, denke ich, will ein schwieriges Projekt in guten Händen wissen. Für ihn ist es mit Sicherheit beruhigend, wenn er sich von dem Projekt - und der Projektleitung - ein persönliches Bild gemacht hat. Für unser Projekt haben sich diese Gespräche auf höchster Ebene als vorteilhaft erwiesen. Herr Groschek und Frau Schaber saßen auf den Pressekonferenzen nebeneinander und wurden als sehr glaubwürdig wahrgenommen. Sie haben sich gegenseitig die Bälle zugespielt. Dies kam in der Öffentlichkeit sehr gut an, man hat gespürt, dass die Konstellation gut funktioniert. Für das Projekt ergeben sich also aus dem Zusammenspiel von Topmanagement und Projektmanagern echte Chancen. Dieses Potenzial, vermute ich, kann man nur durch solche Zusammenkünfte und Gespräche nutzen.  Versprechen, das wir der Bevölkerung gegeben haben. Wir wollten zeigen, dass unser Plan aufgeht. SymPaTHie auS der BeVölkerunG Spielte bei der Motivation auch die Aussicht eine Rolle, durch dieses Vorzeigeprojekt Ruhm zu ernten? Das Team stand öffentlich im Rampenlicht, der Minister war zugegen. Die Aussicht auf Ruhm, wie Sie sagen, hat nach meiner Einschätzung keine vordergründige Rolle gespielt. Uns hat das Interesse der Öffentlichkeit an unserer Arbeit eher überrascht - auch das Wohlwollen und die Sympathie aus der Bevölkerung. Wir wurden oft gefragt, wie es uns gelungen ist, die Baustelle pünktlich zu beenden und die Autobahn wie versprochen wieder freizugeben. Also die Aufmerksamkeit für die Vorgehensweise und für das Projektmanagement hat Sie verblüfft? Wir wurden aus anderen Bundesländern angerufen und um Vorträge über dieses Projekt gebeten. Dies kommt nicht häufig vor. Außerdem wurden wir mit dem Roland Gutsch Award ausgezeichnet, eine große Ehre. Solch eine Anerkennung hätte sich bei uns niemand träumen lassen. habe ich kein Problem damit, dies offen zuzugeben. Dieses Verhalten überträgt sich auch auf Projekte in meinem Bereich. Vorhin sagten Sie, dass Sie sich in dem Projekt bewusst zurückgehalten haben. Frau Schaber hatte - im Rahmen von vereinbarten Regeln - freie Hand. Meine Frage: Kann diese Zurückhaltung nicht auch missverstanden werden als Desinteresse der Vorgesetzten? Die Gefahr besteht natürlich. Der Eindruck, dass den Vorgesetzten das Interesse an dem Projekt verloren geht, kann beim Projektteam entstehen. Möglicherweise hilft mir beim Thema Wertschätzung meine eigene Begeisterungsfähigkeit. Ich freue mich beispielsweise über gelungene Ergebnisse und gute technische Lösungen, die im Team gefunden werden. Darüber spreche ich auch. Dies scheint das Team anzustecken. Stichwörter „Mitarbeiterlob“ und „Motivation“? Ich denke, jeder Mensch möchte auch hören, dass er gute Arbeit leistet. Lob gibt dem Team das Gefühl, Gutes geleistet zu haben. Aber vielleicht wiegt die persönliche Begeisterung noch etwas mehr als Lob. Was Ihre Frage nach der Motivation betrifft: Dieses Team zu motivieren war meiner Meinung nach nicht sonderlich schwierig. Das Team war ja bereits durch die Ziele und die Interessantheit der Aufgabe intrinsisch stark motiviert. Denken Sie an das Kurz vor der Freigabe: letzte Markierungsarbeiten an der neuen Fahrbahn. Foto: Straßen.NRW PM-aktuell_5-2015_Inhalt_01-100.indd 54 10.11.2015 13: 27: 36 Uhr