eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 26/5

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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2015
265 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Die Stimme im Vorstand für das Projektgeschäft

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2015
Oliver Steeger
Die volkswirtschaftliche Macht des Projektgeschäfts: 40 Prozent seines Bruttosozialprodukts erwirtschaftet Deutschland durch Projekte. Doch in den Chefetagen vieler Unternehmen hat Projektmanagement keine Stimme – zumindest noch nicht. Dies könnte sich bald ändern, und zwar mit dem CPO, dem „Chief Project Officer“. Der CPO ist in der Geschäftsführung zuständig für Projektmanagement. In einigen Unternehmen sind CPOs bereits tätig, etwa in der IT und der Baubranche. Reinhard Wagner, amtierender Präsident der IPMA und langjähriger Vorstand der GPM, ist optimistisch: Aus solchen Keimen kann sich mehr entwickeln – was dem Projektmanagement in Unternehmen einen neuen Schub gäbe. Im Interview erklärt Reinhard Wagner das Konzept des CPOs, seine Rolle, Aufgaben und Ziele – und er erläutert, wie Unternehmen davon profitieren, dass Projektmanagement an der Unternehmensspitze ein „Gesicht“ hat.
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Der „Chief Project Officer“ bringt neue Chancen für das Projektmanagement Die Stimme im Vorstand für das Projektgeschäft Autor: Oliver Steeger REPORT 55 projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2015 Die volkswirtschaftliche Macht des Projektgeschäfts: 40 Prozent seines Bruttosozialprodukts erwirtschaftet Deutschland durch Projekte. Doch in den Chefetagen vieler Unternehmen hat Projektmanagement keine Stimme - zumindest noch nicht. Dies könnte sich bald ändern, und zwar mit dem CPO, dem „Chief Project Officer“. Der CPO ist in der Geschäftsführung zuständig für Projektmanagement. In einigen Unternehmen sind CPOs bereits tätig, etwa in der IT und der Baubranche. Reinhard Wagner, amtierender Präsident der IPMA und langjähriger Vorstand der GPM, ist optimistisch: Aus solchen Keimen kann sich mehr entwickeln - was dem Projektmanagement in Unternehmen einen neuen Schub gäbe. Im Interview erklärt Reinhard Wagner das Konzept des CPOs, seine Rolle, Aufgaben und Ziele - und er erläutert, wie Unternehmen davon profitieren, dass Projektmanagement an der Unternehmensspitze ein „Gesicht“ hat. Projektmanagement gewinnt in der Wirtschaft einen immer größeren Stellenwert, dies haben verschiedene Studien gezeigt. Viele Unternehmen erwirtschaften heute schon den überwiegenden Teil ihres Umsatzes durch Projekte - direkt oder indirekt. Haben die Unternehmen diesen Trend noch nicht erkannt? Reinhard Wagner: Ich denke, man beginnt die Bedeutung von Projektmanagement zu erkennen. Wir erleben derzeit einen großen Wandel in Unternehmen. Die Zahl und Bedeutung der Projekte nimmt weiter zu. Nahezu alle Bereiche eines Unternehmens sind von Projekten betroffen, man spricht oft von der „Projektifizierung“. Deshalb müssen sich Unternehmen mit Projektmanagement sowie einer entsprechenden Neuausrichtung der Organisation auseinandersetzen. In vielen Unternehmensspitzen scheint man allerdings die Augen zu verschließen. Projektmanagement ist dort noch kein Thema. Man hört nur selten davon, dass in einem Vorstand ein CPO, ein Chief Project Officer, tätig ist. Wo liegen die Hindernisse und Widerstände? Die Rolle eines CPOs ist häufig unbekannt. Typischerweise gibt es neben dem CEO („Chief Executive Officer“) einen COO („Chief Operating Officer“) und einen CFO („Chief Financial Officer“). Die CPO-Rolle, wie wir sie verstehen, ähnelt der des COOs. Sie sprachen von einem COO. Was hat ein COO mit einem CPO zu tun? Ein COO ist typischerweise für die Produktion zuständig, also für den Routinebetrieb. Da gibt es Parallelen zum Projektmanagement. Denn zur Aufrechterhaltung des Betriebs sind oft Projekte nötig. Abhängig davon, wie die Funktionen entlang des gesamten Produktentstehungsprozesses gestaltet werden, kann ein COO auch für Vertrieb, Produktentwicklung und Services zuständig sein; auch dies umfasst Projektarbeit. unTerneHmeriScH VeranTworTlicH für ProjekTGeScHäfT Um eine Brücke zu bauen - man könnte die Rolle des COOs als Muster, quasi als Blaupause für die eines CPOs nehmen? Man kann bei einem Wandel des Unternehmens hin zu einem projektorientierten Unternehmen die CPO-Funktion aus der COO-Rolle heraus entwickeln. Oder man kann den COO für den Betrieb verantwortlich machen - und den CPO für Projektarbeit. Aber: Die Einrichtung einer CPO-Rolle im Vorstand setzt voraus, dass andere Rollen Aufgaben und Befugnisse abgeben. Dies ist mit Reinhard Wagner Reinhard Wagner ist Geschäftsführer der Projektivisten GmbH, amtierender Präsident der IPMA, langjähriger Vorstand, später Vorstandsvorsitzender und seit Kurzem Ehrenvorsitzender der GPM. Seit vielen Jahren ist er maßgeblich an der Weiterentwicklung des Projektmanagements beteiligt, unter anderem bei der Entwicklung nationaler wie internationaler Standards. Er hat mehr als 25 Fachbücher herausgebracht, eine Vielzahl von Artikeln in Fachzeitschriften sowie Blogs veröffentlicht und ist weltweit als Referent gefragt. PM-aktuell_5-2015_Inhalt_01-100.indd 55 10.11.2015 13: 27: 36 Uhr projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2015 56 REPORT Sicht. Ob die Rolle des CPOs auch fachliche Aufgaben umfasst, dies muss ein Geschäftsverteilungsplan im Einzelfall klären. Alles in allem, es gibt bestimmte Parallelen zwischen der Rolle des CPOs und der des CIOs, des „Chief Information Officer“ … Ja, die Rolle des CIOs - beschränkt auf die Projekte in der IT - kommt in größeren Unternehmen der Rolle des CPOs schon recht nahe. Aber: Ein CIO hat eben auch noch eine fachliche Rolle, und er ist in beschränktem Maße auch für den Betrieb der IT zuständig. An dieser Stelle endet die Nähe zwischen den beiden Rollenmodellen. Sprechen wir doch bitte über die Vorteile für Unternehmen. Welche Vorteile ergeben sich, wenn im Vorstand oder in der Geschäftsführung das Projektmanagement durch eine Person vertreten ist? Das wichtigste Argument für einen CPO ist: Dem Projektgeschäft wird ein „Gesicht“ gegeben. Aus Sicht der Unternehmensleitung wird die Bedeutung des Projektgeschäfts hervorgehoben. Weshalb ist diese Sichtbarkeit so wichtig? Zwischen der strategischen Ebene der Unternehmensleitung und der operativen Ebene der Projekte findet sich oft genug eine große Lücke. Diese Lücke ist ein Problem. Denn Projekte dienen auch unmittelbar der Strategieumsetzung - und so kommt es in Unternehmen ohne CPO oft zu unnötigen Reibungsverlusten. SicHTBarkeiT deS ProjekTGeScHäfTS Der CPO kann also die Lücke schließen und diese Reibungsverluste vermeiden. Ja. Er kann bei der Formulierung der Strategie die Belange der Projektabwicklung einbringen, und er kann bei der Initiierung von Projekten die Ziele des Vorhabens mit den strategischen Unternehmenszielen abstimmen. Zusammen mit dem PMO sorgt ein CPO für die nötige Transparenz im Projektgeschäft, sodass bessere Entscheidungen getroffen werden können. Darüber hinaus kann sich ein CPO auch darum kümmern, dass das Projektmanagement immer auf die aktuellen Herausforderungen des Unternehmens abgestimmt ist. Bei Bedarf kann er den Impuls zur Weiterentwicklung geben - oder dafür, dass kämen die Entwicklung von Standards, die Vermittlung dieser Standards durch Schulungen und Beratung sowie das Coaching. züGiGe enTScHeidunGen Welche Rolle hat der CPO in dieser Konstellation? Der CPO bekommt vom PMO Entscheidungsvorlagen auf Basis einer transparenten Darstellung aller Projekte. Auf dieser Basis sorgt der CPO dann für zügige Entscheidungen. Ein CPO agiert also als Projektauftraggeber - entweder allein als Führungskraft oder auch im Zusammenhang mit einem Gremium. Eines Gremiums - welcher Art beispielsweise? Etwa ein oberster Führungskreis, ein Portfoliosteuerkreis oder ein Projektsteuerkreis - abhängig von der Anzahl der Steuerungsebenen und der Größe des Unternehmens. Was die Aufgaben des CPOs in diesem Zusammenhang betrifft: Er hat als Auftraggeber von Projekten zu entscheiden. Typische Entscheidungsfragen sind Auswahl und Priorisierung von Projekten und Programmen, Ressourcenallokation und Erzielung von Synergieeffekten im Portfolio, Genehmigung von Änderungsanträgen, Abnahmen und Entlastungen sowie projektbezogene Steuerungsmaßnahmen aus übergeordneter, strategischer allerlei Widerständen verbunden. Daher wählen Unternehmen den vermeintlich einfachsten Weg mit der Einrichtung eines Project Management Office, kurz PMO. Das PMO kümmert sich intensiv um die Projekte … … aber es hat eben nur diese Unterstützungsfunktion - und übt keine Führungsfunktion aus. Angenommen, ein Unternehmen entscheidet sich dafür, einen CPO in den Vorstand aufzunehmen. Andere Vorstände müssten quasi ein Stück Platz machen und dem CPO Befugnisse abtreten, Sie sagten es gerade. Konkret gefragt: Welche Rolle hätte dieser CPO, welche Verantwortung würde er übernehmen? Auf einen Nenner gebracht: Der CPO ist unternehmerisch verantwortlich für das Projektgeschäft des Unternehmens oder eines Bereichs des Unternehmens. Zu seinen Aufgaben gehört unter anderem, auf Basis der Unternehmensstrategie eine Strategie für das Projektgeschäft abzuleiten und die Voraussetzungen für eine effektive und effiziente Projektabwicklung zu schaffen. Ein PMO kann ihn dabei unterstützen. Es käme dann vermutlich zu einer Verbindung zwischen dem CPO und seinem Project Management Office … Logischerweise! Das PMO kann auch Multiprojektmanagementaufgaben übernehmen. Hinzu Chance für das Projektmanagement: Der CPO - der „Chief Project Officer“ - ermöglicht schnelle Entscheidungen. Foto: Gajus - Fotolia.com PM-aktuell_5-2015_Inhalt_01-100.indd 56 10.11.2015 13: 27: 36 Uhr REPORT 57 projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2015 CPO primär jemanden, der sich um die Belange des Projektgeschäfts kümmert, dieselbe Sprache wie die Projektleiter spricht und aus eigenen Erfahrungen heraus auch ein anderes Verständnis für Projektmanager mitbringt als etwa ein CEO oder CFO. Der CPO ist ja zentraler Ansprechpartner für den Projektleiter - und zwar von der Initiierung bis zum Abschluss eines Projektes, für die berufliche Weiterentwicklung des Projektleiters und eben auch in allen disziplinarischen Belangen. Vor allem können Projektleiter darauf bauen, dass ein CPO Einfluss auf die projektfreundliche Ausgestaltung der Unternehmenskultur nimmt. Unter dem Strich können Projektmanager sehr viel für ihre tägliche Praxis gewinnen. Welche konkreten Verbesserungen sind darüber hinaus wahrscheinlich? Schnellere und bessere Entscheidungen zu Projekten, zudem mehr Möglichkeiten zur Weiterentwicklung von Prozessen, Strukturen und PM- Kulturen. Aber: Es wäre gewiss vermessen zu denken, ein CPO würde alle Probleme im Projektmanagement lösen. Vorhin haben Sie beispielhaft die IT-Branche und die Baubranche genannt, in denen CPOs bereits tätig sind. Sprechen wir bitte über die Unternehmen: Welche Unternehmen kommen überhaupt dafür infrage, einen CPO in die Geschäftsführung oder den Vorstand zu berufen? Welche organisatorischen Vorbedingungen - oder welchen PM-Reifegrad - sollte ein Unternehmen aus Ihrer Sicht erfüllen? Steuerungsfunktion übernehmen. Auf ein Projekt bezogen reicht diese Steuerungsfunktion von der Initiierung des Projekts über die übergreifende Planung und Steuerung bis hin zur Übergabe in den „Routinebetrieb“. Und ein weiterer Punkt: Mit dem CPO werden auch diverse Steuerungsgremien deutlich stärker auf das Projektgeschäft ausgerichtet. Dies ist eine weitere Veränderung im Unternehmen, die ein CPO bewirken kann. Künftig werden immer mehr Projekte in neuen Organisationen abgewickelt, etwa in unternehmensübergreifenden Projektgesellschaften oder Konsortien. Welche Rolle hat der CPO in diesen Organisationsformen? Da können Sie die Rolle des CPOs sogar mit der Rolle des CEOs vergleichen! Das Projektgeschäft ist ja der originäre Geschäftszweck dieser Organisationen. BelanGe deS ProjekTmanaGemenTS Sprechen wir über die Vorteile für Projektmanager. Angenommen, ein CPO würde im Unternehmensvorstand tätig sein. Wie würde dies ein Projektmanager bemerken? Welche Vorteile hätte er? Der CPO ist das „Gesicht“ für das Projektmanagement im Unternehmen. Der CPO kann sich auf strategischer Ebene mit mehr Durchsetzungsvermögen um die Belange des Projektmanagements kümmern. Projektmanager finden in dem das Projektmanagement auf das nötige Maß zurückgefahren wird. Zur Praxis: Haben erste Unternehmen bereits diesen Weg in Richtung CPO eingeschlagen? Beispiele dafür gibt es. Sie finden diese insbesondere im Servicesektor, etwa beim Outsourcing komplexer IT-Systeme. Solche Projekte sind fast zu 100 Prozent Organisations- und Veränderungsprojekte. Neben dem CEO, CFO und vielleicht auch COO (für den Betrieb) übernimmt ein CPO die komplette Transformation von Kundensystemen auf die Systeme des Dienstleisters. Ein weiteres Beispiel sind Unternehmen, die auf Beratungsleistungen oder auf die Steuerung komplexer Bauprojekte spezialisiert sind. Was bewegt diese Unternehmen, sich für einen CPO zu entscheiden? Wie eben gesagt, die Entscheidung pro oder kontra CPO hängt von dem Anteil der Projekte am Umsatz des Unternehmens oder Unternehmensbereichs ab. Außerdem spielen die Unternehmenskultur und die organisatorischen Gegebenheiten eine wichtige Rolle - und natürlich auch die Bereitschaft der Unternehmensleitung und der Unternehmensaufsicht. ScHulTerScHluSS miT dem Pmo Stichwort organisatorische Gegebenheiten: Wie würde ein CPO die Organisation des Projektmanagements in Unternehmen verändern? Ein CPO steht natürlich für den Teil der Organisation, der sich mit der Projektabwicklung beschäftigt. Diese Abwicklung kann aus der Linie heraus geschehen; viele Projekte aber werden in einer Matrix oder in einer autonomen Organisationsform durchgeführt. Mit der Rolle des CPOs wird die Rolle solcher temporären Organisationsformen gestärkt. Gestärkt - was bedeutet dies konkret? Projektleiter in der Matrix können direkt an den CPO berichten; damit werden Projektmanager deutlich gestärkt. Zur Unterstützung des Projektgeschäfts können auch spezialisierte Abteilungen und Funktionen für Projektmanagement eingeführt werden, etwa die vorhin erwähnten PMOs. Darüber hinaus: Nach außen - also in Richtung Kunden, Lieferanten und anderer Projektpartner - kann der CPO eine wichtige Unternehmen mit viel Projektgeschäft eignen sich besonders für die Aufnahme eines „Chief Project Officer“ in die Geschäftsführung. Foto: industrieblick - Fotolia.com PM-aktuell_5-2015_Inhalt_01-100.indd 57 10.11.2015 13: 27: 38 Uhr projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2015 58 REPORT nach nicht richtig, direkt jemand aus dem Projektgeschäft zu holen. Kandidaten brauchen vor allem Erfahrung auf oberster oder oberer Führungsebene - neben den Erfahrungen aus Projekten. Uns sollte klar sein: Für die Akzeptanz im Unternehmen ist diese Erfahrung aus der Führungsebene extrem wichtig. Da liegt die Priorität. Im Zweifel also der Führungserfahrung im Topmanagement den Vorzug geben? Ja. Fehlende Expertise speziell im Projektmanagement kann man beispielsweise durch ein PMO oder eine andere Unterstützungsfunktion ausgleichen. VorSTänden manGelT eS an TranSParenz In den meisten Topetagen der Wirtschaft gilt Projektmanagement als „Umsetzungswerkzeug“, nicht als strategisches Instrument. Solche Umsetzungswerkzeuge werden „nach unten wegdelegiert“; mit Werkzeugen will man sich an der Unternehmensspitze nicht befassen. Meine Frage: Wie kann man Topmanager dafür gewinnen, einen CPO in den Vorstand zu berufen, wenn sie nicht einmal dem Thema Projektmanagement Priorität einräumen? Ich denke, Vorstände und Geschäftsführer nehmen ihre unternehmerische Verantwortung ernst. Deshalb können sie die wachsende Bedeutung des Projektgeschäfts für den Erfolg des Unternehmens auch nicht ignorieren. Eine Studie der GPM zeigt, dass in Deutschland rund 40 Prozent des Bruttoinlandproduktes schon durch Projekte erzielt wird - Tendenz weiter steigend. Wo liegt genau die Hürde? Weshalb kommt das Projektmanagement nicht in die Vorstandsetagen? Ich beobachte, dass es der Unternehmensleitung oft an Transparenz über das Projektgeschäft mangelt. Der Leitung fehlen wichtige Rückmeldungen zu Profitabilität, Effizienz und Wirksamkeit. Dies ist aber Grundvoraussetzung, um Entscheidungen zur Umgestaltung der Organisation zu treffen. Uns allen ist doch klar: Unternehmen, die mehr als die Hälfte ihres Umsatzes in Form von Projekten machen, müssen anders geführt werden im Vergleich zu Unternehmen, deren Geschäftsmodelle im Wesentlichen auf Routineaufgaben basieren. Ich gehe davon aus, dass künftig der Druck auf Unternehmen weiter und das Projektmanagement in der Unternehmensspitze vertritt. Anders gesagt: Für diese Position braucht man den geeigneten Mann oder die geeignete Frau. Für den CPO-Posten werden gestandene Persönlichkeiten gebraucht. Als persönliche Kompetenzen sind in erster Linie Durchsetzungsstärke gefragt, Überzeugungskraft, strategisches Denken und gleichzeitig die Fähigkeit zur Einbindung der vielen Stakeholder ins Projektgeschäft. Außerdem sind weitere „Soft Skills“ gefragt, beispielsweise Führung, Kommunikation, Moderation, das Knüpfen von internen und externen Netzwerken, das Repräsentieren des Unternehmens in diesen Netzwerken. Ich persönlich sehe vor allem die Fähigkeit zur Moderation von Stakeholdern als Kernkompetenz, zum Beispiel die Moderation von Gremien, um zügig zu Entscheidungen im Projektgeschäft zu kommen. Sollte der Kandidat - oder die Kandidatin - selbst aus dem Projektmanagement kommen? Ein CPO sollte ausreichend eigene Erfahrungen im Projektgeschäft haben. Er sollte selbst Projekte oder Programme gemanagt haben, und er sollte die spezifischen Anforderungen des Projektgeschäfts gut kennen. Moment! Ein Vorstandsmitglied hat doch vornehmlich strategische Aufgaben. Dies stimmt, ein CPO übernimmt strategische Führungsaufgaben. Deshalb ist es meiner Ansicht Wie gesagt, die Antwort auf diese Frage hängt auch von der Größe und der Struktur des betreffenden Unternehmens ab. Bei kleinen Unternehmen wird ein Geschäftsführer die Rolle selbst übernehmen; dann empfehle ich, diese Rolle aber auch klar zu adressieren und wahrzunehmen. Beim Mittelstand und bei einem mehrköpfigen Leitungsgremium könnte eine Person als CPO positioniert werden; diese Person kümmert sich dann um das gesamte Portfolio an Projekten oder um einen bestimmten Teil der Projekte, beispielweise die Kundenprojekte. Bei großen Unternehmen oder Konzernen stellt sich die Frage, in welchem Bereich das relevante Projektgeschäft stattfindet. Dort wird der CPO möglicherweise auf Bereichs- oder Divisionsebene zu finden sein. Er ist dann Teil eines Führungsgremiums, das neben dem CEO, dem CFO, vielleicht auch einem COO für den Betrieb auch noch andere Führungsfunktionen umfasst. Mit einem Geschäftsverteilungsplan muss dann geklärt werden, wer welche Aufgaben, Befugnisse und Verantwortlichkeiten hat. GeSTandene füHrunGS- PerSönlicHkeiTen Angenommen, Unternehmen setzen CPOs ein. Dann würde der Erfolg des Projektmanagements in diesen Unternehmen stark davon abhängen, wie gut dieser CPO arbeitet Die IT-Branche bietet sich für den Einsatz eines CPOs an. Foto: kjekol - Fotolia.com PM-aktuell_5-2015_Inhalt_01-100.indd 58 10.11.2015 13: 27: 39 Uhr REPORT 59 projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2015 Gilt dies auch für die internationale Normung oder Leitfäden? Solche globalen Standards sind für ein Exportland wie Deutschland sehr wichtig. Völlig richtig. Die GPM hat sich auch bei der IPMA für die Entwicklung eines entsprechenden Standards eingesetzt - die IPMA Organisational Competence Baseline (IPMA OCB). Dieser Standard ist über die Webseite der GPM in deutscher Sprache erhältlich. Die IPMA OCB definiert die Grundlagen des Konzepts der organisationalen Kompetenz für das Management von Projekten, deren Elemente und Interaktionen. Der Standard erklärt, was eine Organisation tun kann, um die Kompetenz für das Management von Projekten kontinuierlich zu verbessern. Er bietet den an der Entwicklung der Projektmanagementfähigkeiten beteiligten Seniormanagern, Managern und Beratern einen Standard und auch eine Basis, von der aus Verbesserungsaktivitäten in Angriff genommen werden können. Diese können ebenso auf den Ergebnissen eines unabhängigen IPMA-Delta-Assessments unter Mitwirkung nationaler und internationaler Assessoren basieren. Letztlich liegt es an den Unternehmensleitungen selbst, das Thema „Projektarbeit“ neu für sich zu entdecken.  bohren. Was tut die GPM, um dieses Modell zu fördern? Wie macht sie sich für einen CPO stark? Die GPM ist in ständigem Austausch mit ihren Mitgliedern, beispielsweise in den Regionen oder auch Fachgruppen. Wir hören, dass die Projektleiter zwar motiviert und gut ausgebildet sind, doch dass der Erfolg in Projekten oft ausbleibt. Deshalb haben wir in einem speziellen Praxisdialog mit Firmenmitgliedern auch Fragen zum Portfoliomanagement und zur Beauftragung von Projekten behandelt. Es ging in diesem Dialog darum, die richtigen Voraussetzungen für Projekte und deren Projektleiter zu schaffen. Wir sprechen also unsere Firmenmitglieder auf solche Fragen direkt an und suchen das Gespräch. Außerdem arbeitet die GPM daran mit, entsprechende DIN-Normen auf den Weg zu bringen. DIN-Normen? Wie darf ich dies verstehen? Die GPM hat sich beim Deutschen Institut für Normung dafür engagiert, eine Normenreihe zum Multiprojektmanagement zu entwickeln. Die Ergebnisse finden Sie in der DIN 69909, Teile 1-4. Diese Normenreihe zielt darauf ab, richtige Rahmenbedingungen für ein Unternehmen zur Abwicklung vieler Projekte zu schaffen. Konkret: In Teil 4 der Norm werden entsprechende Rollen und Gremien dargelegt. steigen wird, ihre Strukturen den neuen Gegebenheiten anzupassen. Vorhin sagten Sie, dass auch ein CPO nicht alle Probleme im Projektmanagement lösen kann. Wenn ich Sie richtig verstanden habe: Der CPO ist wichtig für das Projektmanagement, aber kein „Allheilmittel“ für alle Herausforderungen und Schwierigkeiten. Was können Unternehmen neben der Etablierung eines CPOs tun, um die Effektivität ihrer Projekte zu verbessern? Lassen Sie mich bitte zunächst sagen, wie Unternehmen aus meiner Sicht diese Effektivität nicht verbessern können. Nämlich nicht durch „mehr“ Projektmanagement oder durch bessere Methoden und Tools. Wir brauchen etwas anderes: das Bewusstsein, dass der Erfolg des Unternehmens von der erfolgreichen Umsetzung von Projekten abhängt - und dass im Mittelpunkt dabei die Unternehmensleitung steht. PraxiSdialoG und normunG Dies klingt noch recht allgemein. Was kann die Unternehmensleitung tun? Die Unternehmensleitung sollte „Vorbild“ sein. Sie sollte die Voraussetzungen für eine „projektfreundliche“ Kultur im Unternehmen schaffen, sich aktiv in die Projektarbeit einbringen und eine sinnvolle Balance zwischen den temporären sowie den permanenten Organisationsteilen schaffen. Deshalb brauchen Führungskräfte Schulungen für ihre Rolle im Projektmanagement. Unternehmen sollten also nicht nur Schulungen für Projektmanager und Projektmitarbeiter anbieten, sondern auch für ihre Führungskräfte bis in die Topetagen hinauf. Diese Schulungen sollten Themen umfassen wie etwa Projektportfoliomanagement, Multiprojektmanagement sowie Gremienarbeit und Entscheidungen auf Unternehmensebene. Auch die Gestaltung von Projektmanagementsystemen gehört dazu; Strategie, Struktur und Kultur sind die Stichwörter. Wir wissen doch alle: Wirksames Projektmanagement fällt nicht vom Himmel. Es erfordert gezielte Investitionen - immer mit dem Ziel, die individuelle Reife des Projektmanagements im Unternehmen an die jeweiligen Anforderungen des Marktes anzupassen. Die Etablierung eines CPOs in der deutschen Wirtschaft - dies heißt dicke Bretter zu Neue Verantwortung für PMOs: Sie unterstützen den Chief Project Officer mit Entscheidungsvorlagen auf Basis einer transparenten Darstellung aller Projekte. Foto: gzorgz - Fotolia.com PM-aktuell_5-2015_Inhalt_01-100.indd 59 10.11.2015 13: 27: 40 Uhr