eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 26/5

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
121
2015
265 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Teamarbeit – eine Modeerscheinung?

121
2015
Jens Köhler
Die Kolumne „Ehrlich und Priesberg” möchte mit unterhaltsamen Dialogen rund um das Thema „Mensch - Kommunikation, Verhalten, Entscheidungen” Denkanstöße für den PM-Alltag geben.
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WISSEN 85 projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2015 Die Kolumne „Ehrlich und Priesberg“ möchte mit unterhaltsamen Dialogen rund um das Thema „Mensch - Kommunikation, Verhalten, Entscheidungen“ Denkanstöße für den PM-Alltag geben. Priesberg und Ehrlich begegnen sich auf dem Weg zu einer Informationsveranstaltung über Projektmanagement, auf der auch Ehrlich vortragen wird. Priesberg wirkt verunsichert: „Letztens habe ich bei der Wiederholung einer bekannten Fernsehserie eine Bemerkung über Teamarbeit gehört, die mich ernüchtert hat. Es hieß dort: ‚Teamwork ist, wenn 5 Leute für etwas bezahlt werden, was 4 billiger machen können, wenn sie nur zu dritt wären und 2 davon verhindert 1) .‘ Sprich: Einzelleistungen sind höher zu bewerten als Teamleistungen. Mir kommt es manchmal so vor, dass Teams nur zusammengestellt werden, um Harmoniestreben im Unternehmen zu erreichen.“ „Wenn man es schlecht macht - ja. Und das Traurige ist, dass wir solche Situationen manchmal aus der Schule kennen: Hier werden dann triviale Probleme, die tatsächlich von Einzelpersonen besser gelöst werden sollten, durch ein Team bewältigt - eine schlechte Vorkonditionierung für die Berufspraxis“, fällt ihm Ehrlich ins Wort. „Wie kannst du mir aus dem Dilemma helfen? “, fragt Priesberg immer noch verunsichert. „Siehe es mal so. Bei den meisten Aufgabenstellungen aus der Praxis gibt es sehr viele Parameter, die man sinnvoll wählen muss, denke nur an IT-Projekte. Hier sind Nutzerwünsche und Arbeitsprozesse in Einklang zu bringen und mit einer geeigneten Technologie in eine Lösung umzusetzen, ganz zu schweigen von den unterschiedlichen Vorgehensmodellen und Möglichkeiten beim Rollout. Das ist eine hohe Anzahl von freien Variablen! So weit die Faktenlage.“ Ehrlich fährt fort: „Nicht immer sichtbar ist, wie stark diese Variablen untereinander vernetzt und voneinander abhängig sind, d. h. es sich also um ein komplexes Problem handeln könnte. Dann steigt die Anzahl von möglichen Lösungen und Fehlschlägen nochmals erheblich. Beispielsweise kann sich eine IT-Lösung hervorragend für einen kleinen Nutzerkreis eignen. Wenn man aber die Skalierung außer Acht gelassen hat, wird diese Lösung bei steigender Nutzerzahl immer langsamer, stellt also keine gute Lösung mehr dar. Also hier meine Frage: Ist das alles von Einzelpersonen zu stemmen? “ Priesberg entgegnet spontan: „Eher nein, trotzdem fehlt mir eine harte Begründung dafür.“ Ehrlich überlegt: „Es gibt aus der Kybernetik den Begriff ‚Variety‘, der die Zahl der Zustände eines Systems angibt. Und es gilt die Aussage, ein System mit einer bestimmten Variety nur mit einem Modell steuern zu können, das mindestens die gleiche oder sogar eine höhere Variety besitzt.“ „Und jetzt wirst du begründen, ein Team habe eine höhere Variety an Lösungsvorschlägen als eine Einzelperson“, hakt Priesberg spitz nach. „Genau: Die einzelnen Teammitglieder bringen als Experten ihre Vorstellungen und Lösungen mit ein. Jetzt muss der entscheidende Schritt gemacht werden: Die mentalen Modelle jedes Einzelnen sind zu einem einzigen mentalen Modell, einem Collective Mind, zu verknüpfen. Das ist durch methodisches Vorgehen erreichbar. Dieses so aufgebaute Modell hat dann eine höhere Variety als die Summe der Einzelbeiträge der Teammitglieder. Damit kann dann das Projekt in Richtung der Lösung gesteuert werden. Somit steigt die Wahrscheinlichkeit für eine Lösung erheblich“, schließt Ehrlich. „Könntest du mir das bitte mal in eine verständliche Sprache übersetzen“, beginnt Priesberg leicht genervt zu sprechen. „Ganz einfach: Bleiben wir doch bei unserem IT-Projekt. Bei dem Zustand eines stabilen Collective Mind in einem Projektteam versteht beispielsweise der Experte für die Technik die Gründe für die Auswahl bestimmter Nutzerwünsche. Es wird eine Technologie ausgewählt, welche diese berücksichtigt. Umgekehrt verstehen die Prozessexperten, weshalb bestimmte Prozessschritte nur so und nicht anders in der IT-Lösung abgebildet werden können, da die Summe aller Technologien eben nicht mehr hergibt. Beide handeln in Einklang und bringen das Wissen ein, das eine Einzelperson nicht hat“, erklärt Ehrlich ruhig und hofft, dass das Beispiel anschaulich genug ist. Priesberg stutzt: „Also sollte das Zitat von vorhin etwas geändert werden: Teamarbeit ist, wenn 5 Leute eine Lösung erarbeiten, für die man ursprünglich 8 Individuen benötigt und 2 davon noch ihre Berater mitbrächten.“ „Das gefällt mir sehr gut“, grinst Ehrlich. „Du hast mir soeben das Eingangszitat für meinen Vortrag formuliert.“  Autor Dr. Jens Köhler ist bei der BASF SE beschäftigt. Sein Spezialgebiet ist die Erforschung der Effizienz- und Effektivitätssteigerung von Projektteams durch die gezielte Steuerung über Soft Skills und Kommunikationsprozesse. Anschrift: BASF SE, GOI/ WH, D-67056 Ludwigshafen, E-Mail: Jens.Koehler@basf.com Projektgeschichten und Fallstudien Teamarbeit - eine modeerscheinung? Autor: Jens Köhler 1) Die Schwarzwaldklinik, Folge 67 PM-aktuell_5-2015_Inhalt_01-100.indd 85 10.11.2015 13: 28: 08 Uhr