eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 26/5

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
pm
2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
121
2015
265 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Interorganisationale Beziehungen

121
2015
Helmut Strohmeier
Sydow, J./Duschek, S.: Management interorganisationaler Beziehungen. Netzwerke - Cluster - Allianzen. 1. Auflage, Kohlhammer-Verlag, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-17-020959-6, 296 S., EUR 29,90
pm2650088
projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2015 88 WISSEN und Verbände, um Lizensierung und Franchising, um Subunternehmerschaft, Arbeitsgemeinschaft und Konsortium, um strategische Allianzen und Joint Ventures sowie um Verbindungen innerhalb von Konzernen. Teil 3 widmet sich dann der Historie und bringt interessante Begründungen, warum sich ehemals bedeutende und höchst erfolgreiche Netzwerke nicht nur gebildet, sondern sich wieder abgeschafft haben. Teil 4 gehört dem Management von Netzwerken, dessen Hauptfunktionen Selektion, Allokation, Regulation und Evaluation sind. Es wird deutlich, dass es Netzwerke ohne Spannungsverhältnisse kaum geben kann. „Netzwerkmanagement muss somit darauf ausgerichtet sein, jenes basale Spannungsverhältnis (Anmerkung des Verfassers: gemeint ist das Spannungsverhältnis zwischen wertvoller Kooperation und schädlicher Konkurrenz) möglichst intelligent bzw. gezielt auszutarieren, indem die kooperativen Aspekte in Relation zu den kompetitiven in den Praktiken der Netzwerkakteure herausgestellt werden (Sydow & Duschek, S. 174). Teil 5 behandelt dann den Ausblick und die Perspektiven, wobei hauptsächlich beschrieben ist, was es noch zu erforschen gilt. In Projekten kann nahezu alles vorkommen, was sich auch in übergeordneten Organisationen, den Unternehmen, findet. Das trifft gleichermaßen auf interorganisationale Beziehungen zu, denn wer will bestreiten, dass in vielen unserer Projekte Mitglieder mehrerer Organisationen zusammenarbeiten müssen und daher höchst unterschiedliche Interessen aufeinanderprallen können. Das Buch liefert kein Patentrezept, wie mit solchen Situationen und daraus resultierenden Problemen umzugehen ist. Für Projektmanager unmittelbar und praktisch Verwertbares findet sich also kaum, und mancher Inhalt ist weniger für Projekte als für Unternehmen interessant. Doch einen Orientierungsrahmen für geeignetes Handeln im Netzwerk, ein Denkwerkzeug, stellt es bereit und bringt all jenen Erkenntnisgewinne, die sich bislang wunderten, warum organisationsübergreifende Projekte noch Sydow, J. / Duschek, S.: Management interorganisationaler Beziehungen. Netzwerke - Cluster - Allianzen. 1. Auflage, Kohlhammer-Verlag, Stuttgart 2011, ISBN 978- 3-17-020959- 9-6, 296 S., EUR 29,90 Eine Anmerkung vorab: Ich werde keine Kritik an Inhalten des hier zu besprechenden Buches üben. Der Grund: Beide Autoren sind anerkannte Wissenschaftler auf dem Gebiet interorganisationaler Beziehungen. Ich bin das nicht. Ich bin Projektmanager und deshalb allenfalls befugt und befähigt, eine Validierung aus der Sicht eines solchen vorzunehmen. Kann ein Projektleiter von den Inhalten des Werkes profitieren? Allein diese Frage will ich mit dieser Buchbesprechung zu beantworten versuchen. Das Buch behandelt Netzwerke 1) , und zwar solche, die aus wirtschaftlichen Überlegungen heraus gesponnen worden sind und sich über Grenzen von Organisationen hinaus erstrecken, vielleicht sogar hinwegsetzen. Das Thema ist daher für Projektmanager interessant, denn jeder erfahrene weiß, dass ein Vorhaben, egal welchen Zweck und welche Ziele es verfolgt, eine ungemein höhere Komplexität zu verkraften haben wird, je mehr rechtlich selbstständige Organisationen involviert oder tangiert sind. Nun sind interorganisationale Beziehungen zu pflegen und zu beachten, wogegen manche der propagierten, aber auf hierarchische Ordnungsprinzipien ausgelegten Projektregeln nicht mehr funktionieren wollen. Projektleiter sind damit eine von mehreren Zielgruppen für das hier vorzustellende Buch. Das Werk der beiden Autoren ist ein wissenschaftliches Lehrbuch, kein praktischer Leitfaden, wie Netze zu knüpfen und zu steuern sind. Niemand darf sich daher Handlungsempfehlungen erwarten, bevor er sich in die 5 Hauptteile des Buches mit seinen insgesamt vierzehn Kapiteln vertieft. Dennoch gibt es viel Interessantes zu erfahren. Die wichtigsten Erkenntnisse für mich waren: • Weil es sehr viele unterschiedliche Formen interorganisationaler Beziehungen mit diversen, teils rekursiven Wirkungen gibt, betreten wir nicht nur ein höchst komplexes, sondern auch ein spannungsgeladenes Terrain, sobald wir ein Projekt vorfinden, das Interessen mehrerer Organisationen zu bedenken hat. • Netzwerke gibt es seit jeher. Auch wenn sie derzeit heiß diskutiert werden, so sind sie dennoch keine Erfindung unserer Zeit. Kluge sollten sich daher mit der Netzwerk-Historie beschäftigen, um aus vorliegenden Erfahrungen zu lernen. • Interorganisationale Beziehungen stehen stets zwischen einem sich selbst ordnenden Markt und einer von Menschen geschaffenen Ordnung (Hierarchien) im Unternehmen. Zwar beeinflussen Netzwerke Markt und Hierarchie, aber sie kommen nicht ohne die beiden anderen Elemente aus. Netzwerke werden also weder an Gesetzen des Marktes noch an der Macht bestehender Hierarchien rütteln können. • Obwohl interorganisationale Beziehungen schon lange bekannt und in der Praxis gang und gäbe sind, steckt die wissenschaftliche Forschung dazu noch in den Anfängen. Die Managementlehre (die Projektmanagementlehre ohnehin) hat das Thema „interorganisationale Beziehungen“ bislang sträflich vernachlässigt. Wie es gute Sitte wissenschaftlicher Arbeiten ist, beginnt Teil 1 mit einer Abgrenzung und Einordnung des Themas. Ein Orientierungsrahmen wird hergestellt, in dem allgemeine Managementpraktiken ebenso wie Qualitäten und Ebenen interorganisationaler Beziehungen beleuchtet werden. Teil 2 stellt dann gängige Formen interorganisationaler Beziehungen vor. Es geht um Kartelle Interorganisationale Beziehungen 1) Die beiden Autoren mögen mir verzeihen, dass ich hier der Einfachheit halber die Begriffe „Netzwerk“ und „interorganisationale Beziehungen“ synonym verwende. PM-aktuell_5-2015_Inhalt_01-100.indd 88 10.11.2015 13: 28: 11 Uhr WISSEN 89 projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2015 belehrt sehen und insgeheim gehegte Hoffnungen begraben müssen. Autor: Helmut Strohmeier  weil als störend empfundene Macht hierarchischer Organisationsformen aushebeln und „in Rente schicken“, werden sich eines Besseren schwerer als organisationsinterne zu managen sind. Und diejenigen, die euphorisch glaubten, mit Netzwerken könne man eine oft kritisierte, gewürdigte Modell Project Excellence eingegangen wird. Es hat eine respektable wissenschaftliche Fundierung und hat sich in der Praxis bewährt. Ein wenig enttäuscht war ich auch, dass auf Reifegradmodelle wie z. B. CMMI praktisch nicht eingegangen wird, obwohl das Thema generell mehrmals angesprochen wird. Man muss von diesen prozessorientierten, recht einseitigen Ansätzen nicht unbedingt begeistert sein, sie gehören aber in einem enzyklopädischen Werk zumindest kritisch erwähnt. Eine Besonderheit des Buches und ganz selten in der Literatur zu finden sind die für den Praktiker als Orientierung sehr wertvollen 7 Fallstudien, die sich auf verschiedenste Projektarten beziehen und vielfältige Anregungen für die Planung geben. Besonders neugierig war ich natürlich auf das sehr umfangreiche Kapitel 10 „Trends und zukünftige Entwicklungen im Projektmanagement“. Die Unterkapitel „Agil - hybrid - klassisch. Welches Projektmanagement passt zu welchen Projekten? “, „Führen ohne Macht“ und „Der SMARTe Führungsansatz für Projekte“ enthalten eine Fülle von originellen Überlegungen und betonen stark die Kundenorientierung. So ausführliche Darlegungen habe ich beispielsweise noch nirgendwo über den hybriden Ansatz gelesen. Gratulation den Autoren zur neuen Auflage. Autor: Heinz Schelle  Patzak, G. / Rattay, G.: Projektmanagement. Projekte, Projektportfolios, Programme und projektorientierte Unternehmen. 6., wesentlich erweiterte und aktualisierte Auflage, Linde Verlag GmbH, Wien 2014, Hardcover, ISBN 978-3-7143-0266-0, 815 S., EUR 59,- Das Buch von Gerold Patzak und Günter Rattay wurde von mir bereits zweimal in dieser Zeitschrift besprochen. Die letzte Rezension stammt aus dem Jahre 2005 und betraf die vierte Auflage. Dass inzwischen bereits die 6. Auflage vorliegt, ist bei Werken dieses Umfangs und fachlichen Anspruchs bereits ein gewisser Qualitätsausweis. Apropos Qualität: Ich habe mehrmals geschrieben, dass ich das Buch zu den 10 besten Werken in deutscher Sprache zähle. Diese Bewertung revidiere ich nun: Nach meiner Meinung ist es neben dem Werk von F. X. Bea, S. Scheurer und S. Hesselmann (Projektmanagement. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, München 2011; siehe meine Besprechung in Heft 1/ 2009, S. 46 f., und Heft 5/ 2011, S. 49 f.) das beste Lehrbuch im deutschsprachigen Raum. Umso ärgerlicher und kein gutes Zeugnis für das allgemeine Qualitätsbewusstsein in unserer Community, dass es in einer Liste der besten Projektmanagementbücher (vgl. dazu projektManagement aktuell 4/ 2014, S. 52) erst an zweiter Stelle nach einer schon wegen ihrer extremen Kürze völlig unerheblichen und nahezu fahrlässigen Publikation steht. Aber kommen wir zum Inhalt: Die vielen Vorzüge, die in der Besprechung der vierten Auflage bereits hervorgehoben wurden, blieben natürlich erhalten. Das sind hier noch einmal knapp wiederholt die große Literaturkenntnis und Praxiserfahrung der Autoren, die konsequente Systemorientierung, die klare, wenn auch nicht ganz unproblematische Strukturierung nach Projektphasen, die sehr ausführliche und natürlich makellose Behandlung von Projektportfolios, Programmen und des projektorientierten Unternehmens, von Anfang an ein Leib- und Magenthema der Autoren, und die gelungene Balance zwischen der Behandlung organisationspsychologischer und, wenn der Ausdruck hier erlaubt ist, technokratischer Fragen. Sehr bemerkenswert und ganz in Übereinstimmung mit dem Trend der erweiterten Sicht des Projekterfolgs ist auch die von Patzak und Rattay in der 6. Auflage stark betonte Kundenorientierung. Lobenswert schließlich auch die Orientierung an den Kompetenzelementen der ICB 3.0. An den jeweils relevanten Stellen wird auf sie hingewiesen. Aus GPM Sicht finde ich es allerdings etwas schade, dass im Abschnitt „Qualitätsmanagement nach dem EFQM Excellence Model“ (S. 656 ff.) nicht auf das spezielle, daraus abgeleitete, viel zu wenig Projektmanagement mit vielen Vorzügen PM-aktuell_5-2015_Inhalt_01-100.indd 89 10.11.2015 13: 28: 11 Uhr