PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
pm
2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
11
2016
271
GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Pst ... schon gehört? Auf Teufel komm raus
11
2016
Jacqueline Irrgang
Wenn Sie ein Haus bauen, dann vereinbaren Sie am Anfang einen Leistungskatalog mit einer Baubeschreibung, bei der am Ende der Preis X herauskommt. Ist das Haus fertig, heißt es: Bauabnahme. Normalerweise geht das so: Der Bauleiter sucht alle Vertragsunterlagen inklusive aller Änderungen zusammen. Dann schaut er, ob alle Liefergegenstände vorhanden bzw. Leistungen erbracht wurden, und am Ende erklärt der Bauherr ganz formal und offiziell durch seine Unterschrift die Abnahme. Ist doch klar! Was soll daran so schwierig sein, werden Sie jetzt fragen? Wenn Sie die folgende Geschichte lesen, werden Sie verstehen, was ich meine.
pm2710053
Wissen 53 projektManagementaktuell | ausgabe 1.2016 Wenn Sie ein Haus bauen, dann vereinbaren Sie am Anfang einen Leistungskatalog mit einer Baubeschreibung, bei der am Ende der Preis X herauskommt. Ist das Haus fertig, heißt es: Bauabnahme. Normalerweise geht das so: Der Bauleiter sucht alle Vertragsunterlagen inklusive aller Änderungen zusammen. Dann schaut er, ob alle Liefergegenstände vorhanden bzw. Leistungen erbracht wurden, und am Ende erklärt der Bauherr ganz formal und offiziell durch seine Unterschrift die Abnahme. Ist doch klar! Was soll daran so schwierig sein, werden Sie jetzt fragen? Wenn Sie die folgende Geschichte lesen, werden Sie verstehen, was ich meine. Die Containerschiffe werden immer größer. Nicht alle können auch bei Ebbe in Deutschlands größtem Containerhafen Hamburg umgeschlagen werden. Damit Deutschland auch die größten Containerschiffe noch voll beladen abfertigen kann, muss ein neuer Hafen her. Die Hansestadt Bremen - der ewige Zweite unter den Hansestädten - und das Land Niedersachsen, beide hoch verschuldet und strukturschwach, schauen seit jeher neidisch auf das reiche und schöne Hamburg. So liegt es nahe, dass die beiden mit einem neuen, größeren und schöneren Containerhafen Hamburg eins auswischen wollen. Der Neid auf Hamburg schweißt eben zusammen. So treffen sich Sigmar Gabriel, Ministerpräsident von Niedersachsen, und Henning Scherf, Bürgermeister in Bremen, im Jahre 2001 an einem geheimen Ort. Sie schauen sich tief in die Augen und drei Gläser guten Rotweins später beschließen sie Folgendes: Wir bauen einen neuen Containerhafen in Wilhelmshaven, Niedersachsen. Ruck, zuck wird 2001 die JadeWeserPort Entwicklungsgesellschaft gegründet, rund 1 Milliarde Euro locker gemacht und ein Termin für die Eröffnung steht auch schon fest: Sonntag, der 5. August 2012 soll es sein. Kurz vor der Eröffnung herrscht plötzlich hektisches Treiben. Die Landtagswahl in Niedersachsen im Januar 2013 steht vor der Tür. Die Opposition rüstet mit schlagkräftigen Argumenten auf und füttert fleißig die Medien, die das Thema gierig aufsaugen und verbreiten. So berichtet „Wolfenbüttel heute“ am 8. Juni 2012: „Mit Finanzminister Möllring kann man schon Mitleid bekommen, wenn er erklärt, die Eröffnung werde nicht verschoben, der Hafen werde pünktlich übergeben, nur die Schnittchen kämen später. Früher war Herr Möllring einmal ein ernstzunehmender Politiker.“ Menschen mögen es überhaupt nicht, wenn ihre Steuermilliarden verschwendet und wenn vorher angekündigte Termine nicht eingehalten werden. Daher muss der neue Superhafen um jeden Preis am 5. August starten. Und nun zur Gretchenfrage: Wann ist ein Containerhafen fertig? Ganz einfach: Wenn dort Containerschiffe be- und entladen werden können. Was macht der Politiker von Welt, wenn das blöde Projekt noch nicht fertig ist? Richtig: Dann wird eben der Schlepperhafen eröffnet und so getan, als ob alles schon komplett fertig ist. Ein Schlepper ist ja schließlich auch ein Schiff. Eben nur ein bisschen kleiner. Aber was macht das schon? Merkt doch eh keiner. Oder doch? Der niedersächsische Wirtschaftsminister Bode lädt zur großen Eröffnungsparty die Polit-Promis David McAllister, niedersächsischer Ministerpräsident, Jens Böhrnsen, Bremer Bürgermeister, und Philipp Rösler, Bundeswirtschaftsminister, ein. Alle genannten Herren sollen eine schöne Rede halten und das Superprojekt über den grünen Klee loben. Doch da hat Bode die Rechnung ohne die Politikberater gemacht. Sie gelangen zur Erkenntnis, dass der Containerhafen, so wie in der Bauleistungsbeschreibung dargestellt, nicht fertig ist. Sie empfehlen den Politikern McAllister, Böhrnsen und Rösler die Teilnahme an der Eröffnungsfeier abzusagen, was sie dann auch demonstrativ tun. Wie gut, dass sie dem Rat gefolgt sind. Denn zumindest McAllister und Philipp Rösler haben durch ihre Absage ihren guten Namen erhalten und sind dem Ruf nach Höherem gefolgt. Philipp Rösler ist heute Geschäftsführer und Vorstandsmitglied des Weltwirtschaftsforums in Davos. McAllister vertritt unser aller Interessen im Europarat. Und was ist aus der Eröffnungsfeier geworden? Damit Minister Bode nicht den Alleinunterhalter geben muss, schickt die CDU den Staatssekretär Ferlemann aus Berlin [1]. Na ja, ein Staatssekretär ist ja auch schon mal was. So ist es in der Wirklichkeit, wenn der Wunsch nach der Eröffnung der Vater des Gedankens ist. Literatur [1] Martin Reckweg: Schmierentheater an der Nordseeküste Autorin Jacqueline Irrgang managt mit Herz und Verstand Projekte und hat sich auf Kundenservice spezialisiert. Sie ist studierte Wirtschaftsinformatikerin, diplomierter systemischer Coach sowie Executive Interimsmanagerin und schaut auf über 30 Jahre Projektarbeit zurück. Nach dem Motto „Projektmanagement mal ganz anders“ hat sie das Buch „Tatort Projekt“ veröffentlicht. Ihr Lebensprojekt: Sie möchte Service-Päpstin von Deutschland werden. Anschrift: E-Mail: J.Irrgang@ccq.de Projektgeflüster Pst … schon gehört ? Auf Teufel komm raus autorin: Jacqueline irrgang PM-aktuell_1-2016_Inhalt_01-68.indd 53 29.01.2016 8: 20: 10 Uhr