eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 27/3

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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2016
273 Gesellschaft für Projektmanagement

Mit „Trial and Error“ zum Projekterfolg?

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2016
Claus Hüsselmann
Das Projektgeschäft gehört nicht zu den Kernkompetenzen jeder Organisation, jedes Unternehmens. Zum Projektleiter „berufen“ werden daher oftmals Fachleute des Projektgegenstands, die keine oder wenig spezifische Kompetenz im Projektmanagement (PM) mitbringen. Das führt zu „Trial and Error“ im Projekt – nicht zuletzt, weil nicht selten die notwendige Zeit und Geduld für das richtige Aufsetzen des Projekt(management)s in der Hektik des Projektstarts („Why are you not implementing yet?“) fehlen. Ein zielgerichtetes Engagement erfahrener externer PM-Kapazitäten kann helfen, den drohenden Misserfolg des Projekts zu vermeiden.
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Wissen 43 projektManagementaktuell | ausgabe 3.2016 Warum scheitern eigentlich viele Projekte in öffentlichen oder privaten Organisationen? Die Gründe hierfür liegen oftmals nicht in der Thematik, sondern in der Missachtung grundlegender Erfahrungswerte des Projektmanagements. Vielfach wird von Problemen in großen Projekten berichtet. Nicht selten - nach den meisten aktuellen Studien in mindestens ca. 30 Prozent der Fälle - wird sogar vom Scheitern des Projekts gesprochen 1) . Dabei gehen der deutschen Wirtschaft jährlich einige Milliarden Euro verloren [1]. Natürlich wird auch eine Vielzahl von möglichen Ursachen angeführt. Diese reichen von den inhaltlichen Anforderungen, über die zur Verfügung stehenden Ressourcen bis hin zur Kommunikation zwischen den Projektbeteiligten. Schuldzuweisungen zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern sind dabei keine Seltenheit. In fast allen Studien und Erhebungen zum Projekterfolg erscheinen jedoch die Faktoren unzureichende Projektplanung und unzureichendes Projektcontrolling sowie fehlende PM-Erfahrung und -Methodik unter den Top 10 der genannten Ursachen für das Scheitern, u. a. [2, 3, 4]. Erfahrungswerte nutzen Projekte haben als temporäre, komplexe Organisationen generell ihre eigenen Regeln, die es zu berücksichtigen gilt. Ohne Beachtung grundlegender Erfahrungswerte des Projektmanagements ist die Wahrscheinlichkeit eines Misserfolges sehr hoch, insbesondere bei Großprojekten. Dennoch besetzen viele Organisationen und Unternehmen die Projektleiterposition mit Fachleuten ohne adäquate PM-Ausbildung beziehungsweise adäquaten PM-Erfahrungshintergrund. Der fachliche Fokus des Projektleiters ist sicherlich wichtig zur inhaltlichen Durchführung der Projektarbeit. Wie oft verlieren sich die reinen Fachprojektleiter dabei jedoch in den Tiefen der fachlichen Details unter Vernachlässigung der planenden und steuernden Projektmanagementaufgaben! Dies ist vielfach auch nur allzu verständlich, denn der operative Projektleiter wird schnell vom ersten Tag des Projekts an im Tagesgeschäft des Projekts „verschluckt“. Zeit und Kapazität für das systematische, strukturelle Aufsetzen des Projekts kommt dabei zu kurz. Fehler vermeiden setzt hier entsprechende Erfahrung voraus. Diese Erfahrung kann eingebracht werden in einem sogenannten „3 rd -Party-Ansatz“, wie es beispielsweise bei Auditierungsvorgängen gang und gäbe ist [8]. Neben der Neutralität einer „dritten Sichtweise“ im Zusammenwirken zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber bieten beim 3 rd -Party-Ansatz für das Projektmanagement aber gerade auch die oben genannten Aspekte der Einbringung von Best Practice-Elementen aus einem auf PM spezialisierten Erfahrungswissen sowie Fokussierungsmöglichkeiten auf die speziellen Erfolgsfaktoren für Projekte den signifikanten Nutzen, insbesondere für den Projektauftraggeber. Die seit 2004 wiederkehrend durchgeführte Studie der GPM zu wesentlichen Ursachen für die Effizienz von Programm- und Projektmanagement in Unternehmen zeigt unter anderem, dass die im Projektmanagement erfolgreichen Unternehmen explizit die Erfahrungen aus früheren Projekten nutzen [9]. Einsatzspektrum des 3 rd -Party-Ansatzes Oftmals wollen Organisationen die operative Projekt- oder Programmleitung in den eigenen, internen Händen behalten. Das ist insoweit verständlich, ermöglicht es doch dem internen Auftraggeber den leichteren Zugriff auf die eigenen Mitarbeiter in der disziplinarischen Berichtslinie, sichert in der Regel die langfristige Interessenvertretung (der interne Projektleiter muss als Teil der Organisation auch mit den Ergebnissen bzw. der Akzeptanz derselben in der Organi- Projekteffizienz steigern durch 3 rd -Party-Ansatz Mit „Trial and Error“ zum Projekterfolg? autor: Claus Hüsselmann >> Für eilige Leser Das Projektgeschäft gehört nicht zu den Kernkompetenzen jeder Organisation, jedes Unternehmens. Zum Projektleiter „berufen“ werden daher oftmals Fachleute des Projektgegenstands, die keine oder wenig spezifische Kompetenz im Projektmanagement (PM) mitbringen. Das führt zu „Trial and Error“ im Projekt - nicht zuletzt, weil nicht selten die notwendige Zeit und Geduld für das richtige Aufsetzen des Projekt(management)s in der Hektik des Projektstarts („Why are you not implementing yet? “) fehlen. Ein zielgerichtetes Engagement erfahrener externer PM-Kapazitäten kann helfen, den drohenden Misserfolg des Projekts zu vermeiden. 1) Aktuelles Zahlenmaterial liefert z. B. eine Studie von der Universität Oxford und McKinsey, die etwa 1.500 IT-Projekte mit einem Gesamtbudget von ca. 240 Mrd. US-Dollar auswerteten und zu bemerkenswerten Ergebnissen kommen. Im Durchschnitt kosten demnach IT-Projekte 27 Prozent mehr als vorgesehen und dauern in drei von vier Fällen rund 55 Prozent länger als geplant. Etwa jedes sechste Projekt überschritt das Budget um rund 200 Prozent und verzögerte sich um 70 Prozent [5, 6]. PM-aktuell_3-2016_Inhalt_01-84.indd 43 30.05.2016 11: 18: 38 Uhr projektManagementaktuell | ausgabe 3.2016 44 Wissen Personen in der D-A-CH-Region daran teilgenommen. Dabei gaben wiederum repräsentativ 73 Prozent der Befragten an, das Outsourcing im o. g. Sinne habe „gut funktioniert“ und werde „wenn möglich wieder [angewendet].“ Fazit Versuch und Irrtum anderen überlassen - Projekteffizienz steigern! Das ist das Credo des 3 rd -Party-Ansatzes im Projektmanagement. So berichtet beispielsweise Jan Wieners, Vorstand der Münchener afb, „dass herstellerunabhängige, externe Projektmanager … interne Teams optimal ergänzen können. Sie haben fundiertes Wissen in vergleichbaren Initiativen … gewonnen, können außerdem ausgezeichnet zwischen IT-Abteilungen und Fachbereichen vermitteln“ [1]. Die dramatischen Zahlen vieler Projekte [1] machen einmal mehr deutlich, wie wichtig die PM-Kompetenz für den Projekterfolg ist. • Moderation und Lösungsfindung bei Konflikten „Aufsetzen“ meint dabei die Konzeption, Ausgestaltung und Etablierung der entsprechenden Elemente. Je nach Kapazitätssituation gehört dazu ebenfalls die zyklische Aktualisierung beziehungsweise Exekution. Dementsprechend wird die Intensität der Begleitung oftmals so gewählt, dass zunächst in einer „Project Engineering“- Phase das Projekt Vollzeit begleitet wird, was dann nach und nach in ein Coaching mit verringerter Kapazität überführt wird. Aussicht auf Erfolg Eine Studie der Fachhochschule des bfi Wien [10] hat unlängst untersucht, inwieweit das Outsourcing von Projektmanagement-(Teil-)Leistungen („Outtasking“) „sinn-/ nutzenstiftend“ ist. Die Studie erhebt nicht den Anspruch statistischer Repräsentanz, gleichwohl haben 165 „PM-affine“ sation leben) und erleichtert - im Idealfall - die Kommunikation innerhalb der Organisation. Der interne Projekteiter weiß, wen er wie wozu ansprechen beziehungsweise in das Projekt integrieren muss. (Wenn dieses Zusammenwirken nicht historisch vorbelastet ist.) Der 3 rd -Party-Ansatz im Projektmanagement eignet sich vor diesem Hintergrund besonders für folgende Aufgabenstellungen: • Aufsetzen der Projektplanung und des Projektcontrollings • Aufsetzen der Projektorganisation und -administration (wenn nicht durch Unternehmensstandards vordefiniert) • Durchführung des strategischen und operativen Risikomanagements • Aufsetzen und Durchführen des Qualitätsmanagements • Durchführung von Projekt-Reviews und Lessons Learned (Projektprozesse und -ergebnisse) Abb. 1: Studie „Schwierigkeiten bei IT-Projekten“; Grafik: [3] 0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % Anderes Begrenzte Ressourcen Fachliche Mängel Budgetrestriktionen Unzureichende Projektplanung/ -steuerung Veränderte Anforderungen im Projektverlauf Unzureichendes Projektcontrolling Welche Hauptschwierigkeiten waren dafür verantwortlich, dass die Erfolgsziele nicht erreicht wurden? PM-aktuell_3-2016_Inhalt_01-84.indd 44 30.05.2016 11: 18: 39 Uhr Wissen 45 projektManagementaktuell | ausgabe 3.2016 Autor Prof. Dr. rer. oec. Claus Hüsselmann ist Professor für Prozess- und Projektmanagement im Fachbereich Wirtschaftsingenieurwesen der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM). Nach dem Studium der Technomathematik wirkte er zunächst als leitender Entwickler in einem SAP-Systemhaus für kommunale Anwendungen. Bei Scheer verantwortete er anschließend fast 20 Jahre lang mehrere Beratungseinheiten, (Groß-)Projekte, den Project Operations-Bereich für das Consulting-Geschäft sowie schließlich als Partner den Beratungsgeschäftsbereich Project Performance Management. 2012 bis 2015 war er als Vorstand der GPM engagiert und wirkt seit 2015 an der THM. Seine Schwerpunkte dort umfassen das Multiprojektmanagement sowie hybride PM-Ansätze. Anschrift: THM Technische Hochschule Mittelhessen, Wilhelm-Leuschner-Straße 13, 61169 Friedberg, Tel.: 0162/ 7 37 23 01, E-Mail: Claus.Huesselmann@wi.thm.de [5] Budzier, A./ Flyvbjerg, B.: Double Whammy - How ICT Projects are Fooled by Randomness and Screwed by Political Intent. In: Saïd Business School working papers. University of Oxford, BT Centre for Major Programme Management, 8/ 2011 [6] Kurzlechner, W.: Fatales Projekt-Versagen. www.cio.de/ a/ fatales-projekt-versagen, 2287797, Stand: 11.10.2011 [7] Bloch, M./ Blumberg, S./ Laartz, J.: Delivering large-scale IT projects on time, on budget, and on value. www.mckinsey.com/ businessfunctions/ business-technology/ our-insights/ delivering-large-scale-it-projects-on-time-onbudget-and-on-value, Stand: 10/ 2012 [8] Stichwort „Audit“. https: / / de.wikipedia.org/ wiki/ Audit, Stand: 28.3.2016 [9] Studie von GPM und PA Consulting: Fünf Erfolgsfaktoren für Projekte. In: ProjektMagazin, www.projektmagazin.de/ artikel/ fuenf-erfolgs faktoren-fuer-projekte_7135, Online-Ausgabe 19/ 2008 [10] Kreindl, E./ Ortner, G./ Schirl, I.: Outsourcing von Projektmanagement-Aktivitäten. Fachhochschule des bfi Wien, 2012 Schlagwörter 3 rd -Party-Ansatz, Outsourcing von Projektmanagement, Projekterfolgsquoten, Trial and Error Kompetenzelemente der ICB 4.0 3.08 Ressourcen, 3.10 Planung und Steuerung Professionelle PM-Berater beziehungsweise Projektmanager verfügen vielfach über eine für den Auftraggeber nutzenbringende Erfahrung aus einer Reihe von Projekten in vergleichbarer Konstellation, einen erprobten Best Practice-Baukasten und nicht selten über eine fundierte Ausbildung im Bereich Projektmanagement, etwa eine entsprechende Zertifizierung. Mit dieser Brille lassen sich oft (typische) Fehler in Projekten vermeiden, die Effizienz der Projektarbeit steigern und nicht zuletzt die Erfolgsquote erhöhen. Die Auswahl des richtigen, passenden PM-Dienstleisters bleibt natürlich eine Herausforderung, der sich der Auftraggeber nicht entziehen kann.  Literatur [1] Projektmanagement auf Zeit. www. av-finance.com/ geldinstitute/ newsdetails-gi/ seite/ 11/ artikel/ 244/ projektmanagement-aufzeit/ , Stand: 15.4.2008 [2] Becker, C./ Huber, E.: Die Bilanz des (Miss-) Erfolges in IT-Projekten. Harte Fakten und weiche Faktoren. In: pentaeder blue paper, 2008 [3] Research Projektmanagement: Fast jedes vierte IT-Projekt ein Flop. infora, www.infora.de/ Fast-jedes-vierte-IT-Projekt-ein-Flop-676409. html, Stand: 3.8.2009 [4] Rietiker, S./ Scheurer, A./ Wald, A.: Mal anders gefragt: Ergebnisse einer Studie zu Misserfolgsfaktoren in der Projektarbeit. In: projekt- Management aktuell 4/ 2013 Abb. 2: Einsatzprofil 3 rd -Party-PM PM-aktuell_3-2016_Inhalt_01-84.indd 45 30.05.2016 11: 18: 41 Uhr