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PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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2016
273 Gesellschaft für Projektmanagement

Projektmanagement im Gründungsprozess - Alles eine Frage der Vernetzung?

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Im Mittelpunkt des Projektmanagements im Gründungsprozess stehen der Aufbau und die konkrete Ausgestaltung von persönlichen und insbesondere auch zwischenbetrieblichen Netzwerkbeziehungen zu verschiedenen Stakeholdern wie Geschäftspartnern, potenziellen Kunden, Lieferanten und Kapitalgebern. Die Frage der Vernetzung ist für Gründer also allgegenwärtig, aber auch vielschichtig. So lassen sich auf der Basis einer Studie der Freien Universität Berlin vier Typen von Start-ups unterscheiden: 1. die kapitalbasierte Netzwerkgründung, 2. die geschäftsbeziehungsbasierte Netzwerkgründung, 3. die multiplexe Netzwerkgründung und 4. die solitäre Unternehmensgründung. Je nach Typ, kommen unterschiedliche Werkzeuge des Projektmanagements infrage, die am Beispiel dreier Fälle veranschaulicht werden.
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Projektmanagement und Gründertum sind auf den ersten Blick unterschiedliche Themenfelder, die bei genauerem Hinsehen aber viele Parallelen aufweisen - und teilweise sogar untrennbar verflochten sind. Vor allem die Frage nach der Vernetzung von Personen und Organisationen spielt in beiden Bereichen gleichermaßen eine zentrale Rolle. Anhand einer Studie der Freien Universität Berlin wird gezeigt, dass Projektmanagement im Gründungsprozess unabdingbar ist und insbesondere den Aufbau und die Pflege zwischenbetrieblicher Beziehungen betrifft. Hierbei können vier Start-up-Typen unterschieden werden. Die „Projektifizierung“ in der Start-up-Szene schreitet voran Ein professionelles Projektmanagement hat in den vergangenen Jahrzehnten nicht nur in beachtlichem Umfang Einzug in bestehende Unternehmen gefunden und diese strukturell mit Blick auf die Aufbau- und Ablauforganisation geprägt. Es sind auch junge Unternehmen und Start-ups, die mit einer zunehmenden „Projektifizierung“ [1] konfrontiert werden. Der Prozess einer Unternehmensgründung gestaltet sich in den wenigsten Fällen linear und stetig, sondern er stößt in unterschiedlichen Zeitabständen an kritische Ereignisse, die insbesondere die Weiterfinanzierung und Geschäftsentwicklung betreffen. Die zeitlichen Intervalle zwischen diesen Weichenstellungen - welche mitunter nicht in der Hand des Gründers, sondern eher in der seiner Financiers oder auch seiner mächtigen Kunden und Geschäftspartner liegen - sind immer öfter projektartig organisiert. Dies ist vor allem auf die institutionellen Rahmenbedingungen in der Gründerszene zurückzuführen. So forcieren nicht nur öffentliche Förderprogramme (wie „EXIST“ oder „Profit“) einen Planungsprozess, der auf Instrumente des Projektmanagements zurückgreift. Es sind gleichermaßen auch Intermediäre wie Risikokapitalgeber und Inkubatoren, die den Gründern einen strukturierten Planungsprozess mit Meilensteinen und Teilprojekten abverlangen. Nicht zuletzt wird die Projektifizierung auch dadurch befeuert, dass Gründer/ -innen Projektmanagementinstrumente zunehmend bereits während ihrer Ausbildung kennenlernen. Dreh- und Angelpunkt des Projektmanagements im Gründungsprozess ist der Aufbau und die Ausgestaltung von Netzwerkbeziehungen zu unterschiedlichen Stakeholdern. Dies umfasst beispielsweise den Aufbau von Beziehungen zu Geschäftspartnern mit komplementären Geschäftsmodellen, zu potenziellen Kunden und Lieferanten, aber auch zu Kapitalgebern. Die Frage der Vernetzung ist für Gründer also omnipräsent, aber auch ebenso vielschichtig. Im Folgenden wird der Zusammenhang von Projektmanagement und Gründertum schrittweise aufgearbeitet. Dabei erfolgt eine dezidierte Auseinandersetzung mit Netzwerken, die als Gemeinsamkeit und Bindeglied beider Bereiche gelten können. Gestützt werden die theoretischen Überlegungen sodann mit den Ergebnissen einer Benchmarking-Studie der Freien Universität Berlin. Projektmanagement und Netzwerke Auch wenn das Anliegen von Projektmanagement zunächst im projektbezogenen Organisieren liegt, so gewinnen projektübergreifende Themen wie die Vernetzung von Personen und Organisationen an Bedeutung [2]. In der organisationstheoretisch informierten Forschung zu Projekten hat sich die Einsicht verbreitet, dass die Einbettung in einen historischen, sozialen und organisationalen Kontext sehr bedeutend für das ganzheitliche Verständnis von Projekten ist [3]. So bauen Projekte beispielsweise auf Vorarbeiten auf, die in früheren Episoden entstanden sind. Auch die Beziehungen, die sich in früheren Projekten entwickelt haben, können bis in die Gegenwart bzw. Zukunft reichen und in der Projektarbeit kon- Projektmanagement im Gründungsprozess - Alles eine Frage der Vernetzung? autoren: Timo braun, Thomas schmidt und Jörg sydow >> Für eilige Leser Im Mittelpunkt des Projektmanagements im Gründungsprozess stehen der Aufbau und die konkrete Ausgestaltung von persönlichen und insbesondere auch zwischenbetrieblichen Netzwerkbeziehungen zu verschiedenen Stakeholdern wie Geschäftspartnern, potenziellen Kunden, Lieferanten und Kapitalgebern. Die Frage der Vernetzung ist für Gründer also allgegenwärtig, aber auch vielschichtig. So lassen sich auf der Basis einer Studie der Freien Universität Berlin vier Typen von Start-ups unterscheiden: 1. die kapitalbasierte Netzwerkgründung, 2. die geschäftsbeziehungsbasierte Netzwerkgründung, 3. die multiplexe Netzwerkgründung und 4. die solitäre Unternehmensgründung. Je nach Typ, kommen unterschiedliche Werkzeuge des Projektmanagements infrage, die am Beispiel dreier Fälle veranschaulicht werden. projektManagementaktuell | ausgabe 3.2016 46 Wissen PM-aktuell_3-2016_Inhalt_01-84.indd 46 30.05.2016 11: 18: 41 Uhr Wissen 47 projektManagementaktuell | ausgabe 3.2016 und entsprechend gesteuert werden. Insofern bleibt die Frage, ob es sich um ein „Projekt als Gründung“ oder um eine „Gründung durch Projekte“ handelt. Ein professionelles Projektmanagement kann hier gewiss sowohl das Instrumentarium eines projektbezogenen Organisierens (wie etwa Meilenstein- und Aufgabenplanung oder Checklisten) als auch Ansätze für eine projektübergreifende Koordination (u. a. Stakeholdermanagement, Multiprojektmanagement etc.) bereithalten. Bei einer solchen projektübergreifenden Planung gelangen personale wie auch organisationale Netzwerke selbstredend erneut ins Blickfeld. Netzwerke im Fokus - Ergebnisse einer Benchmarking-Studie Mit seiner wissenschaftlichen Forschung unterstützt das Management-Department der Freien Universität Berlin Gründerinnen und Gründer, um netzwerkorientierte Strategien und weitere innovationsfördernde Faktoren zu identifizieren. Seit 2013 werden deshalb mit dem Projekt „Unternehmertum & Kooperationsneigung“ Start-ups, v. a. in den deutschen Metropolregionen Berlin, München und Hamburg, zu ihren Kooperationsstrategien befragt. Im Rahmen einer internationalen Kooperation wurde diese Erhebung zugleich in Portugal durchgeführt, um länderübergreifende Analysen zu ermöglichen. Die Ergebnisse geben Aufschluss darüber, welche Kooperationsstrategien während des Gründungsprozesses potenziell erfolgversprechender sind. Bei den Start-ups, die sich bereit erklärten an der Studie teilzunehmen, wurden sowohl die Gründer als auch bis zu drei Mitarbeitern des jeweiligen Unternehmens befragt, um dadurch die Organisationalität der Gründung und die Vielfalt der Netzwerkbeziehungen einzufangen. Auf Basis der Ergebnisse der empirischen Erhebung wurde eine quantitative Analyse zur Auswertung der gewonnenen Daten durchgeführt. Insgesamt nahmen bislang 230 Start-ups in Deutschland und 64 in Portugal an der Studie teil, wobei durch die Befragung von mehreren Organisationsmitgliedern insgesamt ein Stichprobenumfang von 469 Befragten erreicht wurde. Die erhobenen Daten wurden statistisch u. a. mithilfe von exploratorischen Faktorenanalysen, Korrelationsanalysen sowie Strukturgleichungsmodellen analysiert und vor dem Hintergrund vorheriger Erkenntnisse im Bereich der Gründungs- und der (Projekt-)Netzwerkforschung reflektiert. So konn- Unternehmensgründung [8]. Analog zur Projektforschung zeichnen sich auch hierbei - wie bei den Projektökologien - räumliche Agglomerationen ab, was beispielsweise in den Zentren mit geballter Gründungsaktivität, etwa New York, Paris, Berlin oder im Silicon Valley, erkennbar ist. Auch in Bezug auf die bereits genannten Projektnetzwerke lassen sich im Bereich des Entrepreneurship deutliche Parallelen erkennen [9, 10], wobei hier die Unterscheidung zwischen einerseits den persönlichen Netzwerken des Gründers, die ihm vor allem den Zugang zu Ressourcen ermöglichen, und andererseits den organisationalen Netzwerken des Start-ups, die als Geschäftsbeziehungen für die Unternehmung unentbehrlich sind, ernst genommen werden sollte [11]. So kommt es darauf an, gerade mithilfe von Projektmanagement den Gründungsprozess so zu planen, zu strukturieren und zu dokumentieren, dass ein Start-up perspektivisch durch eine Organisationsstruktur und nicht durch die Person des Gründers getragen wird. Dieser Aspekt spielt vor allem bei der Verstetigung des Start-ups, ausgehend von einer sequenzartigen Folge an Projekten hin zu einer permanenten Organisation, eine wichtige Rolle. In diesem Prozess spielt neben dem Projektauch das Netzwerkmanagement für die Anbahnung, die Pflege und ggf. auch die gekonnte Beendigung von Beziehungen eine wichtige Rolle [12]. Projektmanagement und Gründertum Der Zusammenhang von Projektmanagement und Gründertum ist sehr vielfältig und hängt von der Perspektive der Betrachtung ab. So macht es gleichermaßen Sinn, Entrepreneurship im Projektmanagement zu beleuchten wie auch Projektmanagement im Entrepreneurship. Die erste Perspektive stellt auf das unternehmerische Denken und Handeln von Projektmanagern und Projektmitarbeitern ab. Die zweite Perspektive ist insofern weniger eindeutig, als dass Projekte im Gründungsprozess relativ schwierig abgrenzbar sind. So bezeichnen Gründer in der Anfangsphase mitunter ihre gesamte Gründungsaktivität als ein großes Projekt, das bei Erfolg zu einer permanenten Organisation verstetigt wird. Ebenso könnten jedoch auch die abgrenzbaren Aktivitäten wie beispielsweise die Umsetzung eines Förderprojektes, der Aufbau einer tragenden Lieferantenbeziehung oder die Entwicklung einer Website als separate Projekte betrachtet struktiv aufgegriffen werden [4, 5]. Die Einbettung von Projekten in Netzwerkstrukturen ist für die Forschung und Praxis vor diesem Hintergrund von besonderem Interesse. Die Forschung trägt vor allem mit zwei Konzepten, nämlich dem des Projektnetzwerks und dem der Projektökologie, zu diesem Thema bei. Im Falle von Projektnetzwerken spielt die Unterscheidung von evidenten und latenten Beziehungen eine zentrale Rolle. Die in der Projektarbeit entstandenen, sichtbaren (evidenten) Beziehungen werden nach Projektende in einen Latenzzustand versetzt und damit deaktiviert. Dieser Zustand kann Monate, oft sogar Jahre erhalten bleiben. Sobald es dann zu einem neuen Projekt kommt, können die Akteure aus dem Pool vergangener Projektpartner schöpfen und zielgerichtet einzelne Beziehungen reaktivieren, also in evidente Beziehungen umwandeln [6]. Einen etwas anderen Fokus setzt das Konzept der Projektökologie. Zentrales Merkmal ist hier die regionale Anhäufung („Agglomeration“) von Akteuren - sowohl von Personen als auch Organisationen. Trotz des eher geografischen Zugangs werden auch hier theoretische Bezüge zur Netzwerkforschung hergestellt, z. B. um Beziehungen innerhalb des regionalen Agglomerats zu erkennen [7]. Eine wesentliche Schlussfolgerung der Forschung zu Projektökologien besteht darin, dass die räumliche Nähe von Akteuren zu einer besseren und schnelleren Kommunikation, zu einem einfacheren Austausch von Wissen und einer Verfügbarkeit von hoch qualifiziertem Personal und damit zu einer positiven gemeinsamen Entwicklung der beteiligten Unternehmen führen kann. Gründertum und Netzwerke Hinter bekannten Erfolgsgeschichten und Legenden, wie etwa die von Google, Facebook, Zalando oder PayPal, stecken nicht nur findige Entrepreneure in isolierten Unternehmen. Meistens ist es ein Netzwerk von dahinter liegenden Partnerorganisationen, das einen entscheidenden Beitrag zum Erfolg bereits im Gründungsprozess leistet. Neben Lieferanten und Kunden sind das im Falle von Start-ups beispielsweise auch Universitäten, Venture Capitalists oder Business Angels. In vielen Fällen sind diese Netzwerkakteure nicht nur wichtige Innovationstreiber, sondern auch essenzielle Ressourcenquellen (z. B. als Kapital- oder Wissensgeber) und Multiplikatoren und spielen damit eine entscheidende Rolle für das nachhaltige Wachstum einer PM-aktuell_3-2016_Inhalt_01-84.indd 47 30.05.2016 11: 18: 41 Uhr projektManagementaktuell | AUSGABE 3.2016 48 WISSEN wichtige Informations- und Entscheidungsgrundlage zum Tragen. Fallbeispiel: Das 2010 gegründete Start-up DS Digitale Seiten GmbH (DS) bietet vertikale Online-Branchenlösungen für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) an. Die Branchenportale (Dachdecker.com, Maler.org und 13 weitere) verhelfen den KMU zur besseren Auffindbarkeit im Internet und unterstützen beim effektiven Reputationsmanagement sowie bei der Neukundengewinnung. Das Team von DS besteht aus diversen Internetspezialisten, die ihr Wissen über Marketing, SEO (Suchmaschinenoptimierung), Vertrieb, Business Development, Programmierung und viele weitere Bereiche bündeln. Da derartige Branchenportale erst dann erfolgreich werden können, wenn eine kritische Masse an Teilnehmern an der Plattform partizipiert, ist der Aufbau mit hohem finanziellem Ressourcenaufwand (für Werbung, Mitarbeiter, Infrastruktur etc.) verbunden. Gegründet wurde DS deshalb mit der Unterstützung von Team Europe Ventures. Weitere Investoren sind Verlage sowie weitere renommierte Business Angels aus der Internetszene. Die Erfahrung der Kapitalgeber trägt auch dazu bei, den Prozess der Finanzierung bzw. Finanzierungsrunden zu strukturieren. schäfts- und Finanzbeziehungsaufbau und forcierten damit eine multiplexe Netzwerkgründung. Die Zahlen zeigen eindrucksvoll, dass unternehmensübergreifende bzw. interorganisationale Kooperationen für die überwiegende Mehrheit der befragten Unternehmen eine entscheidende Rolle im Gründungsprozess spielte. Abbildung 1 zeigt anhand der Größe der Kugeln, wie sich die untersuchten Fälle auf die Idealtypen verteilen. Nachfolgend werden die einzelnen Netzwerkstrategien erläutert und mithilfe von Fallbeispielen veranschaulicht. Die kapitalbasierte Netzwerkgründung Innovative Gründungen erfordern häufig hohe Anfangsinvestitionen. Um die notwendige Ressourcenausstattung zu gewährleisten, ist die frühe Kooperation mit Business Angels und/ oder Venture Capitalists (VCs) oft wesentlicher Bestandteil erfolgreicher Gründungsstrategien. Deshalb spielen bei kapitalbasierten Netzwerkgründungen Überlegungen zu finanziellen Beziehungen zur Zeit der Gründung eine übergeordnete Rolle. Dabei kommen Projektmanagement-Tools u. a. aus dem Bereich der Finanzrechnung als ten schließlich vier idealtypische Kooperationsstrategien aus den Daten extrahiert werden: 1. die kapitalbasierte Netzwerkgründung, 2. die geschäftsbeziehungsbasierte Netzwerkgründung, 3. die multiplexe Netzwerkgründung sowie 4. die solitäre Unternehmensgründung. Diese vier generischen Typen unterscheiden sich mit Blick auf die Netzwerkorientierung von Startups im Gründungsprozess. Dabei variiert die Bedeutung dieser Kooperationsbeziehungen je nach Vernetzungsstrategie. Hervorzuheben sind insbesondere Beziehungen zu Lieferanten, Kunden, Wettbewerbern, Kapitalgebern, Banken sowie zu Non Profit-Organisationen. Auf Grundlage der entwickelten Typologie wurden die untersuchten Fälle den Idealtypen zugeordnet. Von den befragten Unternehmen gründeten 83 Prozent mit Netzwerkorientierung, nur 17 Prozent der Fälle erschienen als solitäre Unternehmensgründung. Von diesen 83 Prozent setzten 12 Prozent der Unternehmen auf den schwerpunktmäßigen Aufbau von Geschäftsbeziehungen zu Lieferanten oder Kunden. Enge Beziehungen mit Kapitalgebern priorisierten 19 Prozent der Gründerinnen und Gründer. 52 Prozent der befragten Unternehmen verfolgten eine Kombination aus Ge- Abb. 1: Die vier idealtypischen Gründungsstrategien PM-aktuell_3-2016_Inhalt_01-84.indd 48 31.05.2016 8: 31: 16 Uhr Wissen 49 projektManagementaktuell | ausgabe 3.2016 Fallbeispiel: Die Fubalytics GmbH ist insofern ein gutes Beispiel für eine geschäftsbeziehungsbasierte Netzwerkgründung, weil hier die Nähe zu Kunden seit Anbeginn eine fundamentale Rolle für die Produktentwicklung spielt. Zwischen 2011 und 2012 entwickelten die zwei Fubalytics-Gründer in mehreren Projekten gemeinsam mit den Jugendabteilungen von Hertha BSC und dem FC Energie Cottbus eine Software zur webbasierten Fußball-Videoanalyse. Die enge Zusammenarbeit mit diesen ersten Kunden erlaubte es dem Unternehmen, eine skalierbare gen entlang der Wertschöpfungskette gezielter definieren zu können. Bei der geschäftsbeziehungsbasierten Netzwerkgründung erweist sich daher ein enges Stakeholdermanagement mit verschiedenen Akteuren wie Lieferanten, Kunden, aber auch anderen Partnern wie Beratern, Förderungsstellen und Inkubatoren als Grundlage einer erfolgreichen Gründung. Hierzu können Projektmanagement-Tools zur Koordination eingesetzt werden, beispielsweise Softwarelösungen wie „Issue-Tracking-Systeme“ für gemeinsame Produktentwicklungsprojekte mit Kunden. Die geschäftsbeziehungsbasierte Netzwerkgründung Für Marktneulinge ist ein früher Vertrauensaufbau essenziell. Dabei kann sich die enge Kooperation mit Kunden als entscheidender Vorteil erweisen, da diese oft als erste Referenzen oder auch als Multiplikatoren zur Verfügung stehen. Ferner eröffnen Geschäftsbeziehungen durch einen Auftrag nicht nur eine Finanzierungsquelle, sondern auch vielfältige Chancen des Lernens und die Möglichkeit, Anforderun- Abb. 2 a und 2 b: Individuelle Portfolio- oder Spinnennetzauswertungen Businessbeziehungen PM-aktuell_3-2016_Inhalt_01-84.indd 49 30.05.2016 11: 18: 45 Uhr projektManagementaktuell | ausgabe 3.2016 50 Wissen Institutional Challenges of Temporary Organizations. Cambridge University Press, Cambridge 2015 [2] Engstler, M./ Wagner, R. (Hrsg.): Neu Denken: vom Projektzum Netzwerkmanagement. dpunkt Verlag, Heidelberg 2011 [3] Bakker, R. M.: Taking stock of temporary organizational forms: A systematic review and research agenda. In: International Journal of Management Reviews 4/ 2010, S. 466-486 [4] Manning, S.: The strategic formation of project networks: A relational practice perspective. In: Human Relations 4/ 2010, S. 551-573 [5] Braun, T.: Kooperatives Verhalten in interorganisationalen Projekten - Eine konzeptionelle und empirische Weiterentwicklung des OCB-Ansatzes. Kölner Wissenschaftsverlag, Köln 2013 [6] Sydow, J./ Staber, U.: The institutional embeddedness of project networks: The case of content production in German television. In: Regional Studies 3/ 2002, S. 215-227 [7] Grabher, G.: Cool projects, boring institutions: Temporary collaboration in social context. In: Regional Studies 3/ 2002, S. 205-214 [8] Hoang, H./ Antoncic, B.: Network-based research in entrepreneurship - A critical review. In: Journal of Business Venturing 2/ 2003, S. 165-187 [9] Semolic, B./ Kovac, J.: Project management in connection to entrepreneurship and network organizations. In: Cleland, D./ Ireland, L. (Hrsg.): Project manager’s handbook: Applying best practices across global industries. McGraw-Hill, New York 2008, S. 407-426 [10] Kuura, A./ Blackburn, R./ Lundin, R.: Entrepreneurship and projects - Linking segregated communities. In: Scandinavian Journal of Management 2/ 2014, S. 214-230 [11] O’Donnell, A./ Gilmore, A./ Cummins, D./ Carson, D.: The network construct in entrepreneurship research: A review and critique. In: Management Decision 9/ 2001, S. 749-760 [12] Sydow, J./ Duschek, S.: Management interorganiationaler Beziehungen: Netzwerke, Cluster, Allianzen. Kohlhammer, Stuttgart 2011 Schlagwörter Beziehungen, Entrepreneurship, Gründertum, Netzwerke, Stakeholder Kompetenzelemente der ICB 4.0 3.12 Stakeholder, 3.13 Change und Transformation keiten: Während öffentliche Geldgeber heutzutage häufig formalisierte Instrumente zur Steuerung des Finanzierungsprozesses nutzen (Online- Systeme, Anträge), spielt bei privaten Investoren der persönliche Kontakt immer noch die wichtigste Rolle. Die solitäre Unternehmensgründung Die solitäre Unternehmensgründung beschreibt den Aufbau von Unternehmen ohne langfristige Kooperationsbeziehungen; insofern bilden sie einen Gegenpol zum Gründen in Netzwerken und erfordern im Gegensatz zu den drei anderen Typen weniger projektübergreifende als vielmehr projektbezogene Ansätze des Projektmanagements. Derartige Gründungen sind häufig nicht besonders ressourcenaufwendig. Dem Start-up gelingt eine weitreichende vertikale Integration oder der Austausch mit der Umwelt erfolgt über kurzfristige Marktbeziehungen. Beispiele für Unternehmen, die zumeist solitär und weitestgehend ohne Netzwerkbeziehungen gründen, sind Einzelgründungen in nicht wissensbasierten Bereichen. Solitäre Unternehmensgründungen sind heutzutage im universitären Kontext aber eher selten anzutreffen und deshalb nicht der primäre Fokus unserer Forschung. Jedes der 230 deutschen Unternehmen, die an der Benchmarking-Studie teilnahmen, erhielt auf Wunsch eine umfassende Auswertung seiner Kooperationsstrategie mit individualisierten Handlungsempfehlungen. Die Auswertung umfasste die Einordnung der Kooperationsneigung mithilfe verschiedener Portfolio- oder Spinnennetzauswertungen (Abb. 2 a und 2 b). Dabei wurde das Kooperationsprofil zu verschiedenen Partnern visualisiert und im Vergleich zum Benchmark- Unternehmen (dem nach Erfolgskennzahlen wie Umsatzwachstum erfolgreichsten Unternehmen der jeweiligen Branche) ausgewertet. Die erste Benchmarking-Welle erfolgte im Jahr 2014, eine weitere Studie ist für 2016 in Vorbereitung. Ein Dossier zu den Ergebnissen der Benchmarking-Studie ist online verfügbar: www.wiwiss.fuberlin.de/ fachbereich/ bwl/ management/ sydow/ entrepreneurship  Literatur [1] Midler, C.: „Projectification“ of the firm: The Renault case. In: Scandinavian Management Journal 4/ 1995, S. 363-375. Lundin, R./ Arvidsson, N./ Brady, T./ Eksted, E./ Midler, C./ Sydow, J.: Managing and Working in Project Society - Fußball-Videoanalyse-Plattform zu entwickeln, die seit 2012 auch anderen Fußballvereinen zur Verfügung gestellt wird. Mittlerweile wird die Plattform von über 3.000 Mannschaften nicht nur im Jugend-, sondern auch im Leistungsbereich für die Taktikanalyse und das Scouting verwendet. Bei gemeinsamen Entwicklungsprojekten mit Kunden spielt der unmittelbare Kontakt (bspw. auf Workshops) eine wichtige Rolle. Anliegen werden über diesen Weg von Fubalytics aufgenommen und u. a. über ein Ticketing-System gemanagt. Die multiplexe Netzwerkgründung Die Art von Unternehmensgründung, die sowohl über enge Geschäftsbeziehungen, zum Beispiel zu Lieferanten und Kunden, als auch über starke Beziehungen zu Kapitalgebern verfügt, erweist sich vor allem bei wissensbasierten Geschäftsmodellen, wie sie gerade bei Ausgründungen aus Hochschulen anzutreffen sind, als sehr effektiv. Die multiplexe Netzwerkgründung ist gekennzeichnet durch das gleichzeitige Auftreten verschiedener Beziehungsformen und -intensitäten und umfasst sowohl Beziehungen zu Kapitalgebern als auch Geschäftsbeziehungen zu Lieferanten und Kunden, aber auch zu anderen Organisationen - nicht zuletzt Universitäten. Vor diesem Hintergrund ist es naheliegend, dass hier bereits die frühe Gründungsphase durch vielfältige Projekte gekennzeichnet ist, denen mit Ansätzen zum Management von Projektlandschaften und -portfolios Rechnung getragen werden könnte. Fallbeispiel: Seit April 2013 bietet die autoaid GmbH eine eigenentwickelte internetbasierte KFZ-Diagnosesoftware an, die in Kombination mit einem kabellosen Fahrzeug-Interface auf allen Endgeräten (Smartphones, Tablets, PCs) verwendet werden kann. Dabei verfolgt das Start-up einen koinnovativen Entwicklungsansatz: Mithilfe einer Community von Werkstätten und anderen Autoenthusiasten wird das Produkt laufend weiterentwickelt. An dieser Stelle kommen autoaid die Geschäftsbeziehungen zugute, die im Laufe der Jahre mit freien Werkstätten aufgebaut wurden. Da die Entwicklung von Software und Hardware im Automobilbereich viele Ressourcen erfordert, nutzt autoaid außerdem die finanzielle Unterstützung durch private und öffentliche Investoren. Dabei erfordert die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Geldgebern auch diverse Projektmanagementfertig- Anzeige PM-aktuell_3-2016_Inhalt_01-84.indd 50 30.05.2016 11: 18: 46 Uhr Wissen 51 Dr. Jörg Sydow ist Professor für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Unternehmenskooperation, am Management-Department der Freien Universität Berlin. Er ist Mitherausgeber der Managementforschung, Mitglied verschiedener Herausgeberbeiräte international führender Zeitschriften im Bereich Management und Organisation (u. a. Academy of Management Journal, Organization Science und Organization Studies) und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der GPM. Anschrift: Freie Universität Berlin, Fachbereich Wirtschaftswissenschaft, Management-Department, Boltzmannstraße 20, 14195 Berlin, Tel.: 030/ 8 38-5 33 85, E-Mail: Joerg.Sydow@ fu-berlin.de Dr. Thomas Schmidt arbeitet seit 2014 als Postdoc an der Freien Universität Berlin, nachdem er dort in einem DFG-Graduiertenkolleg promovierte. Mit seiner Expertise für Prozessforschung in interorganisationalen Netzwerken untersucht er seitdem die Rolle von Partnerschaften für Unternehmensgründungen. Daneben unterstützt er die Freie Universität Berlin bei der praktischen Gründungsförderung. Anschrift: Freie Universität Berlin, Fachbereich Wirtschaftswissenschaft, Management-Department, Raum K41, Boltzmannstraße 20, 14195 Berlin, Tel.: 030/ 8 38-5 33 85, E-Mail: Thomas.Schmidt@fu-berlin.de Autoren Dr. Timo Braun ist als Postdoc an der Technischen Universität Kaiserslautern beschäftigt und darüber hinaus als Lehrbeauftragter und Trainer in namhaften Hochschulen und Unternehmen tätig. Er hat an der Freien Universität Berlin promoviert und wurde für seine Doktorarbeit mit dem Deutschen Studienpreis Projektmanagement 2013 durch die GPM ausgezeichnet. Anschrift: Technische Universität Kaiserslautern, Fachbereich Wirtschaftswissenschaften, Lehrstuhl für Strategie, Innovation und Kooperation, Gebäude 42, Raum 144, Gottlieb-Daimler-Straße, 67663 Kaiserslautern, Tel.: 0631/ 2 05 50 12, E-Mail: Timo.Braun@wiwi.uni-kl.de Anzeige PM-aktuell_3-2016_Inhalt_01-84.indd 51 30.05.2016 11: 18: 48 Uhr