eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 27/3

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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2016
273 Gesellschaft für Projektmanagement

Pst ... schon gehört? Verdammter Damm

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2016
Jacqueline Irrgang
Den größten Staudamm aller Zeiten mit über 240 m Höhe bauen, der dem unberechenbaren und gefährlichen Colorado River standhalten kann? Unmöglich, waren sich die meisten Ingenieure der 30er-Jahre einig. Nicht so Frank Crowe, den alle „Hurry-up-Crowe“ nennen. Sein Lieblingssatz lautet: „Geschwindigkeit ist alles“. Er ist ein gnadenloser Chef und Antreiber. Er will das Letzte aus seinen Männern herausholen. Crowe ist erst dann zufrieden, wenn alle an ihr Limit gehen und darüber hinaus. Für ihn gibt es nur eins: das Ziel. Kein Preis ist ihm zu hoch.
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Den größten Staudamm aller Zeiten mit über 240 m Höhe bauen, der dem unberechenbaren und gefährlichen Colorado River standhalten kann? Unmöglich, waren sich die meisten Ingenieure der 30er-Jahre einig. Nicht so Frank Crowe, den alle „Hurry-up-Crowe“ nennen. Sein Lieblingssatz lautet: „Geschwindigkeit ist alles“. Er ist ein gnadenloser Chef und Antreiber. Er will das Letzte aus seinen Männern herausholen. Crowe ist erst dann zufrieden, wenn alle an ihr Limit gehen und darüber hinaus. Für ihn gibt es nur eins: das Ziel. Kein Preis ist ihm zu hoch. Crowe besichtigt am 12. März 1931 den Colorado River, um einen geeigneten Standort für die Staumauer zu finden. Weil aber links und rechts des Colorado Rivers etwa 250 m hohe Felswände sind, müssen in die Felsen jeweils zwei Tunnel an jeder Seite gebaut werden. Vorher kann mit dem eigentlichen Staudammbau überhaupt nicht begonnen werden. Für den Bau der Seitentunnel hat Crowe genau 24 Monate Zeit. Für jeden Tag, den er diesen Termin überschreitet, wird eine drakonische Vertragsstrafe von 2.300 USD pro Tag fällig. Ein Grund mehr, ordentlich Druck zu machen. Der Tag hat 24 Stunden. Seine Männer müssen in drei Schichten arbeiten. Die Arbeitsbedingungen auf der Baustelle interessieren Crowe nicht die Bohne. Er führt ein hartes Regime des Hire und Fire. Die Weltwirtschaftskrise spielt ihm da in die Hände. Drei Monate nach Baubeginn ist das Projekt im Zeitplan, hat aber schon drei Menschen das Leben gekostet. Der Sommer in der Wüste ist im wahrsten Sinne des Wortes mörderisch. Aufgrund der Hitze von fast 60 Grad Celcius sterben Arbeiter an Dehydrierung. Gegen Ende des Sommers, am 7. August 1931, kommt es zu einem Streik. Die Baustelle ruht. Ein von Crowe instruierter US-Marschall sorgt dafür, dass der Streik beendet wird, und entfernt die Rädelsführer von der Baustelle. Die erste Machtprobe hat Crowe gewonnen. Der Streik ist nach fünf Tagen beendet. Es geht in wahnwitzigem Tempo weiter, sodass am 13. November 1932 der erste wichtige Meilenstein erreicht wird. Nach nur zwölf Monaten sind alle vier Seitentunnel fertig. In nur der Hälfte der Zeit schafft er das schier Unmögliche. Hierfür streicht er einen fetten Bonus ein. Warum hat Crowe den Spitznamen „Hurry-up- Crowe“? Genau: Weil ihm immer alles zu langsam geht. Schon ersinnt er einen revolutionären Coup, wie es schneller gehen kann. Der Beton muss austrocknen, darf jedoch in der Wüstenhitze keine Risse bekommen. Er lässt deshalb eisgekühltes Wasser in Boxen laufen, die er zunächst nebeneinander betoniert und erst nach dem Aushärten zum finalen Damm zusammensetzt. Dies bringt ihm Ärger mit der amerikanischen Architektenkammer ein, weil die Kammer Zweifel an der Stabilität der Konstruktion äußert. Bei den Maurerarbeiten stürzt einer der Männer in den Beton und kommt dabei ums Leben. Anstatt den Mann mit einem Bohrhammer herauszumeißeln und zu beerdigen, befiehlt Crowe seinen Männern weiterzumachen. Am 17. Oktober 1935 wird der Hoover-Staudamm eingeweiht und produziert von da an bis heute Millionen Watt an Strom. Vier Jahre hatte Crowe Zeit, um einen Staudamm zu bauen. Nach nur zwei Jahren, einem Monat und 28 Tagen war das Wunder vollbracht. Ein Jahr, 10 Monate und einen Tag früher und um einen Bonus von 4 Millionen US-Dollar (umgerechnet nach heutigem Wert) reicher. Crowe hätte als genialer Bauleiter und rastloses Organisationsgenie in die Geschichte eingehen können, wären da nicht katastrophale Arbeitsbedingungen und 107 Tote, für die er die alleinige Verantwortung trägt. Doch wen interessiert das heute noch? Die beiden wichtigsten Wasseradern der USA - Lake Powell und Lake Mead - werden vom Colorado River gespeist. Ein neueres Bild der US-Weltraumbehörde NASA zeigt, dass von oben betrachtet der Colorado River nur noch einem Rinnsal gleicht. Die Dürren zwischen den Jahren 850 und 1300 haben jede für sich 200 Jahre angehalten. Dieses Ungemach droht den Menschen in den USA wieder. Ich glaube an das Karma. In meiner Vorstellung rächen sich die 107 Toten in Form von Dürre. Und bei allem, was wir Projektleiter so tun, sollten wir auch immer die Zukunft und die Folgen unseres Tuns im Auge behalten.  Autorin Jacqueline Irrgang managt mit Herz und Verstand Projekte und hat sich auf Kundenservice spezialisiert. Sie ist studierte Wirtschaftsinformatikerin, diplomierter systemischer Coach sowie Executive Interimsmanagerin und schaut auf über 30 Jahre Projektarbeit zurück. Nach dem Motto „Projektmanagement mal ganz anders“ hat sie das Buch „Tatort Projekt“ veröffentlicht. Ihr Lebensprojekt: Sie möchte Service-Päpstin von Deutschland werden. Anschrift: E-Mail: J.Irrgang@ccq.de Projektgeflüster Pst … schon gehört ? Verdammter Damm autorin: Jacqueline irrgang projektManagementaktuell | ausgabe 3.2016 56 Wissen PM-aktuell_3-2016_Inhalt_01-84.indd 56 30.05.2016 11: 18: 55 Uhr