PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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Gesellschaft für ProjektmanagementMultiprojektmanagement
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Stefan Derwort
Hüsselmann, C./Seidl, J. (Hrsg.): Multiprojektmanagement. Herausforderungen und Best Practices. Symposion Publishing GmbH, Düsseldorf 2015, 351 S., ISBN 978-3863296803, EUR 59,-
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Hüsselmann, C./ Seidl, J. (Hrsg.): Multiprojektmanagement. Herausforderungen und Best Practices. Symposion Publishing GmbH, Düsseldorf 2015, 351 S., ISBN 978- 3863296803, EUR 59,- Fachgruppen sind wichtige Institutionen der GPM. In ihnen kommen Interessierte aus Theorie und Praxis mit unterschiedlichen Blickwinkeln auf ein Themengebiet zusammen und pflegen den „interdisziplinären“ Austausch, der gerade bei Themen des Projektmanagements wichtige Ergebnisse verspricht. Häufig geschieht dies im Stillen. Die Öffentlichkeit erfährt oft lediglich über indirekte Kanäle von dem erfolgreichen Austausch. In der Fachgruppe Multiprojektmanagement ist dies anders. Das vorliegende Buch zeigt ein breites Spektrum unterschiedlicher Aspekte des Themas und lässt uns teilhaben an der breit gefächerten Diskussion, die in den letzten Jahren über das immer wichtiger werdende Thema Multiprojektmanagement geführt wurde. Wie der Titel bereits signalisiert - Multiprojektmanagement. Herausforderungen und Best Practices -, geht es hier nicht um eine Einführung in das Thema. Ein knappes Einleitungskapitel klärt die wesentlichen Begriffe, um den Leser auf die IPMA-, GPM- und DIN-Sicht auszurichten, die wesentlichen Begriffe zu definieren und abzugrenzen. Danach geht es im Buch direkt zur Sache - wesentliche Einzelaspekte, Fragestellungen, über die jeder früher oder später stolpert, der mit dem Thema in der Praxis konfrontiert wird, werden aufgegriffen und differenziert behandelt. Die Grobgliederung • Herausforderungen für das Multiprojektmanagement, • Karrierepfade im Projektmanagement, • Methoden und Best Practices (im Multiprojektmanagement und Portfoliomanagement), • Organisation des Multiprojektmanagements - Einführung von Multiprojektmanagement und • ein Ausblick, wie es in diesem Thema weitergehen wird, wirkt auf den ersten Blick schlüssig, wie ein nachvollziehbarer roter Faden. Die Kapitel stehen aber für sich alleine. Sie greifen einzelne Aspekte heraus und behandeln sie intensiv. Die Reihenfolge, in der die Kapitel gelesen werden, ist von daher je nach Vorkenntnissen und aktueller Interessenslage frei wählbar. Nach einem Überblick über das gesamte Buch fallen jedem, je nach aktueller Interessenslage, sofort einzelne Kapitel ins Auge. „Der Nutzen von Multiprojektmanagement“ ist ein Artikel, der besonders den Beitrag von Multiprojektmanagement bei der Umsetzung von Unternehmensstrategien herausarbeitet. Transparenz und Übersicht sind notwendig, um eine Ausrichtung der Projektlandschaft an den Unternehmenszielen zu erreichen, und das in einer Welt zunehmender Komplexität und Dynamik. Die Zuordnung der Ressourcen auf das Wesentliche ist dabei das Minimum. Anpassungen an laufende Änderungen sind notwendig. Sich ändernde Rahmenbedingungen und damit auch wechselnde Prioritäten sind eine Herausforderung. Mein zweiter Blick fiel auf das Thema Karriere und vor allem auf Karrierepfade im Projektmanagement. Eine Thematik, die in vielen Organisationen noch unbefriedigend gelöst wurde, aber entscheidenden Einfluss auf die Attraktivität der Aufgabe Projektmanagement in einer Multiprojektmanagement-Umgebung hat. Nach der Gehalts- und Karrierestudie der GPM von 2013 scheinen nur 31,2 Prozent der befragten Projektleiter zufrieden mit ihren existierenden Karriereperspektiven zu sein. Grund genug, sich das an der IPMA Competence Baseline orientierte Karrieremodell genauer anzusehen. Multiprojektmanagement-Strukturen, PMO, Programm- und Portfoliomanagement ermöglichen weitergehende Perspektiven für Projektleiter und Führungskräfte. Sie erlauben aber auch „Rotation“ als Mittel zur systematischen Entwicklung hoch qualifizierten Projektmanagementpersonals. Im dritten Abschnitt des Buches geht es um Methoden des Multiprojektmanagements und Erfahrungen bei der Umsetzung. Unter anderem wird auch die Nutzung von Erfahrungen aus durchgeführten Projekten und vor allem eben auch in einer Multiprojektmanagement-Umgebung beleuchtet und auf praktische Umsetzung fokussiert. Lessons Learned bei Einzelprojekten gehören zum professionellen Einsatz von PM. Wirklich gut gemacht, und damit für alle Projekte nutzbar, ist die Aufbereitung der Erfahrungen - in der Praxis eher selten anzutreffen. Richtig herausfordernd wird es, wenn es gilt, die MPM-Erfahrungen nutzbar zu machen. Die Autoren arbeiten hier die Interessenslagen der Projektleiter/ -innen heraus. Sie betrachten vorrangig die erfolgreiche Durchführung ihres Einzelprojekts und haben nur Multiprojektmanagement projektManagementaktuell | ausgabe 3.2016 58 Wissen Instrumente und Vorgehensweisen kennenlernen. Mich hat vor allem begeistert, welche Fülle neuer Einsichten sich erschließt, wenn man die Perspektive des Umgangs mit Dilemmas einnimmt. Für mich ein weiteres Argument für die multiperspektivische Sicht auf ein Projekt, wie sie sich in neuerer Zeit immer mehr herauskristallisiert. Autor: Heinz Schelle Change! 15 Fallstudien zu Sanierung, Turna round, Prozessoptimierung, Reorganisation und Kulturveränderung. Stuttgart 2010). Abschließende Bewertung Wer das Buch liest, wird hoch bereichert werden. Zumindest habe ich selbst die Erfahrung gemacht. Wenn der Leser nicht selbst aus der systemischen Ecke kommt, wird er zahlreiche neue etwa dem Schritt 3 u. a. die Kraftfeld- und Stakeholder-Analyse. An einer nicht trivialen Fallstudie, in der es darum geht, die IT-Landschaft eines Unternehmens neu zu gestalten, wird die Vorgehensweise sehr konkret erläutert. Reizvoll wäre in diesem Zusammenhang ein Vergleich mit dem Modellansatz von Berner, einem Psychologen und einem der führenden Autoren auf dem Gebiet des kulturellen Wandels (Berner, W.: Fortsetzung auf Seite 54 PM-aktuell_3-2016_Inhalt_01-84.indd 58 30.05.2016 11: 19: 00 Uhr Lang, Dunja: Gefangen im Komplexitätsdilemma. Wie Sie mit Zielkonflikten, Bürokratie und Verhaltensparadoxien wirkungsvoll umgehen und Organisationen agil, flexibel und stark machen. Mit einem Vorwort von Gunther Schmidt. Edition Agile Managementsystemik Dunja Lang, ISBN 978-3739-223650, 277 S., EUR 29,90 Ein barocker Titel, der bei oberflächlichem Hinsehen zunächst in keiner Weise auf Projektmanagement hinweist. Das täuscht allerdings: Dunja Lang, auch als Referentin auf unseren Foren und als Autorin von „projektManagement aktuell “ bekannt, bringt zahlreiche Beispiele aus unserer Disziplin. Bei der Bewältigung von Komplexität - die Autorin orientiert sich hier an der Begriffsbestimmung von Dörner - geht es ihr vorrangig nicht um die technische Komplexität eines Projekts, sondern um Komplexität, wie sie sich in sozialen Systemen aus dem Agieren von Individuen ergibt. Unter Dilemmas (auch Dilemmata geschrieben) versteht sie Zielkonflikte, also Situationen, in denen Ziele, an denen unverändert festgehalten wird, als unvereinbar angesehen werden. Als Beispiel nennt Lang den Auftrag „Werde produktiver UND steigere die Mitarbeiterzufriedenheit“. Sehr positiv: Die Thematik „Zielkonflikte“ wurde bisher so ausführlich nirgends in der Projektmanagementliteratur behandelt. Die Sichtweise, die die Autorin einnimmt, erweist sich als überaus fruchtbar. Im Anschluss an die Problembestimmung führt die Autorin „Lösungen“ auf, die in Organisationen gewählt werden. Sie nennt sie „Lösungsfallen“, weil sie die Probleme zumeist nur vermehren. Ein Beispiel für eine solche Falle, die wir zurzeit in der Politik angesichts der Flüchtlingsströme besonders häufig beobachten, ist die Aktionismus-Falle. Bereits beim Lesen dieser Diagnose von verfehlten Lösungsansätzen war ich fasziniert von dem Buch, das auch mir immer wieder den Spiegel vorhielt. Diese Faszination ließ bis zu den letzen Seiten nicht nach, weil Lang geradezu spannend schreibt und - bei Publikationen über die Bewältigung von Komplexität nicht gerade häufig - zahllose, nicht konstruierte Beispiele aus ihrer Praxis bringt. Folgende größere Themenblöcke werden behandelt: Die schon erwähnte Komplexitätsfalle: Hier werden die elf häufigsten Fehler im Umgang mit Komplexität aufgeführt. Das Beispiel „Aktionismus“ wurde oben schon angeführt. Anregend zu lesen in diesem Zusammenhang die Analyse der Verbesserungsvorschläge nach dem Absturz des Flugzeugs von Germanwings in den französischen Alpen. Ein weiteres Beispiel ist die „Mehrdesselben-Falle“, die darin besteht, dass man Altbewährtes stur weiter und noch intensiviert fortsetzt. Die Komplexitätsdenke: Wie man notwendige von nicht notwendiger Komplexität unterscheidet und wie man organisierte Selbstorganisation entstehen lässt. Die Komplexität des Faktors Mensch: In diesem Kapitel ist vor allem aus meiner Sicht der neue Risikomanagementansatz der Autorin interessant. (Vgl. dazu auch den Artikel von Dunja Lang in projektManagement aktuell 5/ 2013.) Die Verfasserin übt Kritik an dem überkommenen Ansatz, der lediglich Pseudosicherheit erzeugt - übrigens ein Einwand, der auch von der Organisationspsychologie kommt - und plädiert für ein Metarisikomanagement, in dem der Prozess des Risikomanagements immer wieder kritisch überprüft wird und implizite und explizite Annahmen hinterfragt werden. In der anschließenden Fallstudie „Houston, wir haben ein Problem“ geht es um die Reorganisation eines Unternehmens in der Krise. Kritisch ist anzumerken, dass auf das Thema „Group Think“ nicht eingegangen wird. Wie z. B. die exzellente Studie von Irving L. Janis (Victims of Groupthink. Boston 1972) zeigt, kann es bei Risikoabschätzungen in Projekten eine verheerende Rolle spielen, indem es zu einem Gefühl der Unverletzlichkeit und zu einem unrealistischen Optimismus führen kann. Und noch eine Anmerkung: Die Analyse von impliziten und expliziten Annahmen bei Risikoanalysen ist übrigens von Mason und Mitroff bereits vor vielen Jahren mit der „Strategic Assumption and Surfacing Technique (SAST)“ zur Perfektion entwickelt, aber leider kaum beachtet worden. Der Verfasserin sei gedankt, dass sie diese Vorgehensweise sehr stark betont. Der Umgang mit Dilemmas und das Thema des Wandels der Organisationskultur: Diese Themen werden in Kapitel 2 vertieft. Lang unterscheidet verschiedene Arten von Zwickmühlen (auf der Organisationsebene, auf der Teamebene, auf der Ebene des Individuums) und führt fünf Möglichkeiten des Umgangs mit ihnen auf, nämlich Durchsetzen - andere Kulturen und die Dilemmas einfach übergehen -, Nachgeben - die eigene Sicht aufgeben -, Kompromiss, Versöhnung und Dilemmas ignorieren. Natürlich präferiert die Autorin die Versöhnung, die sie nach einem Zitat von Trompenaars als „aktiven Prozess“ bezeichnet, „um zwei Werte, die anscheinend nicht vereinbar sind, zu integrieren“. Das Vorgehensmodell „Change R Evolution: Im letzten Kapitel präsentiert Lang ihr Vorgehensmodell. Sie wendet sich hier gegen das übliche additive Projektmanagement, bei dem zunächst versucht wird, die sachlogische Komplexität in den Griff zu bekommen. Erst anschließend wird dann im klassischen Changemanagement daran gegangen, die beabsichtigte Lösung zu „verkaufen“, also Akzeptanz zu erreichen. Ihr Ansatz, der in neuerer Zeit auch von anderen Autoren propagiert wird, lautet „Integratives Change- und Projektmanagement“. Die „ganzheitliche Problemlösungsmethodik für komplexe Probleme“ - komplex hier jetzt im Sinne von sozialer und sachlicher Komplexität - vollzieht sich in sechs Schritten: 1. Ist-Soll-Diskrepanz ganzheitlich aus mehreren Perspektiven erfassen, 2. Ausgangslage und Zielsetzung analysieren und neu modellieren, 3. Zusammenhänge und Spannungsfelder verstehen, 4. Gestaltungs- und Lenkungsmöglichkeiten erarbeiten, 5. mögliche Problemlösungen beurteilen und 6. Problemlösungen umsetzen und verankern. Den einzelnen Schritten werden dann Instrumente aus dem reich bestückten Werkzeugkasten der systemischen Beratung zugeordnet, so Buchbesprechungen Komplexitätsdilemma Wie Sie mit Zielkonflikten, Bürokratie und Verhaltensparadoxien wirkungsvoll umgehen und Organisationen agil, flexibel und stark machen Dunja Lang GEFANGEN IM KOMPLEXITÄTS- DILEMMA Mit einem Vorwort von Gunther Schmidt EDITION AGILE Wissen 57 projektManagementaktuell | ausgabe 3.2016 PM-aktuell_3-2016_Inhalt_01-84.indd 57 30.05.2016 11: 18: 59 Uhr Den größten Staudamm aller Zeiten mit über 240 m Höhe bauen, der dem unberechenbaren und gefährlichen Colorado River standhalten kann? Unmöglich, waren sich die meisten Ingenieure der 30er-Jahre einig. Nicht so Frank Crowe, den alle „Hurry-up-Crowe“ nennen. Sein Lieblingssatz lautet: „Geschwindigkeit ist alles“. Er ist ein gnadenloser Chef und Antreiber. Er will das Letzte aus seinen Männern herausholen. Crowe ist erst dann zufrieden, wenn alle an ihr Limit gehen und darüber hinaus. Für ihn gibt es nur eins: das Ziel. Kein Preis ist ihm zu hoch. Crowe besichtigt am 12. März 1931 den Colorado River, um einen geeigneten Standort für die Staumauer zu finden. Weil aber links und rechts des Colorado Rivers etwa 250 m hohe Felswände sind, müssen in die Felsen jeweils zwei Tunnel an jeder Seite gebaut werden. Vorher kann mit dem eigentlichen Staudammbau überhaupt nicht begonnen werden. Für den Bau der Seitentunnel hat Crowe genau 24 Monate Zeit. Für jeden Tag, den er diesen Termin überschreitet, wird eine drakonische Vertragsstrafe von 2.300 USD pro Tag fällig. Ein Grund mehr, ordentlich Druck zu machen. Der Tag hat 24 Stunden. Seine Männer müssen in drei Schichten arbeiten. Die Arbeitsbedingungen auf der Baustelle interessieren Crowe nicht die Bohne. Er führt ein hartes Regime des Hire und Fire. Die Weltwirtschaftskrise spielt ihm da in die Hände. Drei Monate nach Baubeginn ist das Projekt im Zeitplan, hat aber schon drei Menschen das Leben gekostet. Der Sommer in der Wüste ist im wahrsten Sinne des Wortes mörderisch. Aufgrund der Hitze von fast 60 Grad Celcius sterben Arbeiter an Dehydrierung. Gegen Ende des Sommers, am 7. August 1931, kommt es zu einem Streik. Die Baustelle ruht. Ein von Crowe instruierter US-Marschall sorgt dafür, dass der Streik beendet wird, und entfernt die Rädelsführer von der Baustelle. Die erste Machtprobe hat Crowe gewonnen. Der Streik ist nach fünf Tagen beendet. Es geht in wahnwitzigem Tempo weiter, sodass am 13. November 1932 der erste wichtige Meilenstein erreicht wird. Nach nur zwölf Monaten sind alle vier Seitentunnel fertig. In nur der Hälfte der Zeit schafft er das schier Unmögliche. Hierfür streicht er einen fetten Bonus ein. Warum hat Crowe den Spitznamen „Hurry-up- Crowe“? Genau: Weil ihm immer alles zu langsam geht. Schon ersinnt er einen revolutionären Coup, wie es schneller gehen kann. Der Beton muss austrocknen, darf jedoch in der Wüstenhitze keine Risse bekommen. Er lässt deshalb eisgekühltes Wasser in Boxen laufen, die er zunächst nebeneinander betoniert und erst nach dem Aushärten zum finalen Damm zusammensetzt. Dies bringt ihm Ärger mit der amerikanischen Architektenkammer ein, weil die Kammer Zweifel an der Stabilität der Konstruktion äußert. Bei den Maurerarbeiten stürzt einer der Männer in den Beton und kommt dabei ums Leben. Anstatt den Mann mit einem Bohrhammer herauszumeißeln und zu beerdigen, befiehlt Crowe seinen Männern weiterzumachen. Am 17. Oktober 1935 wird der Hoover-Staudamm eingeweiht und produziert von da an bis heute Millionen Watt an Strom. Vier Jahre hatte Crowe Zeit, um einen Staudamm zu bauen. Nach nur zwei Jahren, einem Monat und 28 Tagen war das Wunder vollbracht. Ein Jahr, 10 Monate und einen Tag früher und um einen Bonus von 4 Millionen US-Dollar (umgerechnet nach heutigem Wert) reicher. Crowe hätte als genialer Bauleiter und rastloses Organisationsgenie in die Geschichte eingehen können, wären da nicht katastrophale Arbeitsbedingungen und 107 Tote, für die er die alleinige Verantwortung trägt. Doch wen interessiert das heute noch? Die beiden wichtigsten Wasseradern der USA - Lake Powell und Lake Mead - werden vom Colorado River gespeist. Ein neueres Bild der US-Weltraumbehörde NASA zeigt, dass von oben betrachtet der Colorado River nur noch einem Rinnsal gleicht. Die Dürren zwischen den Jahren 850 und 1300 haben jede für sich 200 Jahre angehalten. Dieses Ungemach droht den Menschen in den USA wieder. Ich glaube an das Karma. In meiner Vorstellung rächen sich die 107 Toten in Form von Dürre. Und bei allem, was wir Projektleiter so tun, sollten wir auch immer die Zukunft und die Folgen unseres Tuns im Auge behalten. Autorin Jacqueline Irrgang managt mit Herz und Verstand Projekte und hat sich auf Kundenservice spezialisiert. Sie ist studierte Wirtschaftsinformatikerin, diplomierter systemischer Coach sowie Executive Interimsmanagerin und schaut auf über 30 Jahre Projektarbeit zurück. Nach dem Motto „Projektmanagement mal ganz anders“ hat sie das Buch „Tatort Projekt“ veröffentlicht. Ihr Lebensprojekt: Sie möchte Service-Päpstin von Deutschland werden. Anschrift: E-Mail: J.Irrgang@ccq.de Projektgeflüster Pst … schon gehört ? Verdammter Damm autorin: Jacqueline irrgang projektManagementaktuell | ausgabe 3.2016 56 Wissen PM-aktuell_3-2016_Inhalt_01-84.indd 56 30.05.2016 11: 18: 55 Uhr Die Kolumne „Ehrlich und Priesberg“ möchte mit unterhaltsamen Dialogen rund um das Thema „Mensch - Kommunikation, Verhalten, Entscheidungen“ Denkanstöße für den PM-Alltag geben. Ehrlich trifft Priesberg in einem neuen Terminalraum und sieht ihn begeistert auf einen Computerbildschirm starren. „Bald werden wir aus unseren Abteilungsdaten noch mehr Wissen ziehen können“, ruft Priesberg begeistert in den Bildschirm hinein, „wir werten jetzt ganz unterschiedliche Datensätze und -quellen aus: Big Data eben.“ Ehrlich überlegt: „Das Glücksgefühl am Ende der Datenkette. Wenn der Auswertealgorithmus schnurrt und ohne große Denkleistung neues Wissen erzeugt … schöne neue Welt.“ Priesberg dreht sich schnell auf seinem Bürostuhl um und schaut Ehrlich direkt ins Gesicht: „Warum machst du das jetzt wieder schlecht? “ „Ich möchte dich zum Nachdenken anregen und da muss ich dich aus deiner Komfortzone locken“, legt Ehrlich nach. „Du ziehst das größte Glücksgefühl aus dem Ende der Datenkette, nämlich aus der finalen Auswertung. Da erfolgt der eigentliche Schritt der Erkenntnis, aus unterschiedlichen Daten wird womöglich plötzlich etwas ganz Neues erkennbar, das hört sich in der Tat ein wenig wie das Paradies an“, fährt Ehrlich fort und schließt nach einer kurzen Pause: „… sind eure Daten denn sinnvoll aufbereitet? “ „Lass mich bloß damit in Ruhe“, erwidert Priesberg mit säuerlichem Gesichtsausdruck, „dafür sind andere zuständig.“ „Und, macht das den anderen Spaß? “, fragt Ehrlich. „Vermutlich nicht, ist aber ein notwendiges Übel“, versucht Priesberg die Diskussion abzukürzen und ist auf einmal sehr einsilbig. Ehrlich ignoriert es. „Da stellt sich mir doch sofort die Frage: Wenn dieses Übel so wichtig ist, wie kann dafür eine Motivation geschaffen werden? “, fragt Ehrlich hinterlistig. Er weiß, dass sein Kollege innerlich kurz vor der Weißglut steht. Priesberg zuckt mit den Schultern und starrt wieder auf den Bildschirm, auf dem immer wieder neue und aufregendere Grafiken zu sehen sind. „Sauber machen, reinigen, putzen, das sind die Attribute der Datenbereinigung, diese verbreiten das Gefühl der Mühe und Anstrengung. Es tut einem sprichwörtlich körperlich weh, auch nur daran zu denken. Und im Gegenteil dazu geht die automatische Auswertung von Daten am Ende des Prozesses schnell, glatt, sieht grafisch beeindruckend aus. Das alles sind Attribute der Leichtigkeit. Da wollen natürlich alle hin“, lästert Ehrlich. „Worauf willst du wirklich hinaus? “, fragt Priesberg schließlich genervt. „Was erzeugt denn das Glücksgefühl? “, entgegnet Ehrlich unbeirrt weiter. „Sicherlich der Auswertealgorithmus, aber das hatten wir doch schon festgestellt“, äußert Priesberg monoton. Plötzlich fährt ein Saugroboter leise durch den Terminalraum. Er sieht wie ein kleines UFO aus und schwebt förmlich zielgerichtet zu den Stellen am Boden, an denen Schmutz vorhanden ist. Priesberg sieht dem Roboter neugierig nach und überlegt, während Ehrlich still vor sich hin grinst. „Moment … Reinigung … Datenbereinigung kann man doch auch automatisch durchführen. Man wäre doch geradezu verrückt, wenn das ausschließlich per Hand erfolgen würde. Dazu bedarf es gleicher oder ähnlicher Verfahren wie bei der analytischen Datenauswertung.“ Priesberg ist auf einmal gelöst. „Man kann noch einen draufsetzen: Datenbereinigung ist sogar ein bisschen wie Detektiv spielen, und das aber mit modernsten Methoden - finde die bösen, inkonsistenten Daten und eliminiere sie. Und jetzt hast du durch die Änderung deines mentalen Rahmens, nämlich durch die Einbeziehung der glückseligen analytischen Methoden, eine völlig neue Situation erzeugt: Auf einmal verbindest du die Attribute des Reinigens, der Anstrengung mit den Attributen der Leichtigkeit, des Neuen. Aus „Datenbereinigung“ wird „Anwendung analytischer Methoden auf die Datenbereinigung“. Und das hört sich schon ganz anders an und macht plötzlich Spaß“, fasst Ehrlich zusammen. „Langsam wirst du mir unheimlich, lieber Kollege Ehrlich. Durch diese Verschiebung der Sicht wollen am Ende alle Beteiligten nur noch Daten reinigen und es fehlt dann womöglich die Kompetenz und Kapazität zur eigentlichen analytischen Auswertung der Daten“, staunt Priesberg. „Ja, das ist Framing. Ändere den mentalen Bezugsrahmen, erweitere ihn wie in unserem Falle, und du kannst die Welt tatsächlich ein Stück weiter bewegen“, grinst Ehrlich. Autor Dr. Jens Köhler ist bei der BASF SE beschäftigt. Sein Spezialgebiet ist die Erforschung der Effizienz- und Effektivitätssteigerung von Projektteams durch die gezielte Steuerung über Soft Skills und Kommunikationsprozesse. Anschrift: BASF SE, GB/ IC, 67056 Ludwigshafen, E-Mail: Jens.Koehler@basf.com Projektgeschichten und Fallstudien Über harte Daten und weiche Frames autor: Jens Köhler Wissen 55 projektManagementaktuell | ausgabe 3.2016 PM-aktuell_3-2016_Inhalt_01-84.indd 55 30.05.2016 11: 18: 54 Uhr studie „Project Management Software Systems“; seit 2006 berät er Organisationen herstellerunabhängig bei der Weiterentwicklung ihres Projektmanagements und der Einführung der dazu passenden Software. Anschrift: prometicon GmbH, Konsul-Smidt- Straße 8m, 28217 Bremen, E-Mail: Mey.Mark. Meyer@prometicon.de projektManagementaktuell | AUSGABE 3.2016 54 WISSEN ten. Zudem eignet sich das Programm dadurch gut dafür, um in Projektelandschaften mit ähnlichen Projekten einen standardisierten Ansatz zu unterstützen. Weitere Infos: Truecare, www.pm-cockpit.de Autor Dr. Mey Mark Meyer; mehrjährige Tätigkeit als Bauprojektsteuerer, Promotion am Institut für Projektmanagement und Innovation in Bremen, Autor der GPM Markt- Schwerpunkt weniger auf die detaillierte Planung der Projekte legt, sondern eher den Gesamtüberblick über das Projekt, die Projektkoordination und das Prinzip der Eigenverantwortung der Projektbeteiligten in den Mittelpunkt stellt. Tiefer gehende Ressourcen- und Kostenmanagementfunktionen sucht man vergebens, dafür bietet die Software dank der SharePoint-Basis viele Hilfsmittel für die tägliche Zusammenarbeit im Projekt wie etwa die Dokumentenablagen und automatische Benachrichtigungen bei Änderungen im Projekt. Die zentrale Prozessübersicht, die als Einstieg in die Projektfunktionen dient, hilft den Anwendern, alle notwendigen Planungs- und vor allem Koordinationsfunktionen im Blick zu behalindirekt ein Interesse an einer systematischen Priorisierung der Projekte. Wie eine Priorisierungsregel auf der Basis von Erfahrungen entwickelt werden kann und wie diese aussehen könnte, wird hier herausgearbeitet. Die Einführung und Etablierung von Portfoliomanagement sowie die Projektbewertung und Priorisierung von Projekten als zentrale Herausforderung des Multiprojektmanagements werden als Change- Prozess betrachtet, also als „… eine Veränderung der Unternehmenskultur hin zu einem einander Unterstützen und Verbessern …“. Ob zentrale Datenhaltung der Erfahrungen oder kontinuierliche Verbesserungen im Multiprojektmanagement bis hin zu einem konkreten Vorschlag für den Ablauf eines Lessons Learned-Workshops - die Autoren zeigen erprobte Umsetzungen in unterschiedlichen Organisationen. Die praktische Multiprojektmanagement-Einführung und ein differenziert dargestelltes Beispiel für eine solche Implementierung runden das Buch ab. Das Phasenmodell für das Change- Projekt „Einführung von Multiprojektmanagement“ ist mit Sicherheit ein hervorragender Plan und durch die systematische Darstellung der einzelnen Phasen nach dem Format „Notwendigkeit, Ziel, Annahmen, Weg und Achtung! (Fallstricke) ...“ direkt anwendbar auf die eigene Projektsituation. Zahlreiche Tipps, Hinweise auf notwendige Rahmenbedingungen und die checklistenartige Auflistung von Annahmen zeigen die fundierte Erfahrung der Autoren bei der Einführung des Instruments „Multiprojektmanagement“. Die Darstellung ist erfrischend schnörkellos und zeigt Handwerk für die Umsetzung. Der Höhepunkt und quasi die „Conclusio“ des Buches ist die detaillierte Darstellung des über mehrere Jahre dauernden Prozesses der Einführung eines „stadtweiten IT-Multiprojektmanagements“ - konkret in München. Fragen des tatsächlichen Reifegrads des gelebten Projektmanagements in der Organisation und die Analyse, welche Auswirkungen das auf das einführbare Multiprojektmanagement hat, kommen sehr pragmatisch ins Kalkül. Die aufgeführten Erfolgsfaktoren „klare Einführungsstrategie und projektorientiertes Vorgehen, Begrenzung auf einige wenige Kernelemente des MPM, Orientierung an Schmerzpunkten in der Organisation und möglichen Quick Wins, intensive Stakeholder- Kommunikation und die Schaffung eines stadtweiten Verständnisses für MPM“ fassen die Erfahrungen des Autors zusammen. Der Ausblick am Ende des Buches zeigt noch mal, was die Themen der Fachgruppe über die Jahre waren, wie sich die Schwerpunkte verändert haben und was die künftigen Herausforderungen sein werden. So waren die Bildung von Portfolios, die Klärung der Aufgaben von Portfolio- und Programmmanager, Auswahl und Priorisierung von Projekten und die Rolle von PMOs die anfänglichen Schwerpunkte. Zu diesen Bereichen gibt das Buch ehrliche Antworten, gute Ansätze fürs eigene Weiterdenken und -entwickeln. Wie es nun weitergeht? Hier werden exakt die Themen genannt, die man zurzeit noch vermisst. Was verändert sich im Multiprojektmanagement, wenn das Projekt- und das gesamte Management immer agiler werden? Wenn sequenzielle Phasenpläne und Wasserfallmodelle zunehmend durch iterative Modelle abgelöst werden und dies nicht mehr nur den IT-Entwicklungsbereich betrifft? Ansatzweise wird die Antwort bereits durch das Kapitel „Ist ein unternehmensweit einheitliches Vorgehen sinnvoll? “ vorweggenommen, aber eben tatsächlich noch nicht durch Erfahrungen oder durch konkrete Vorgehensweisen unterstützt. Da ist noch ein spannendes Feld zu bearbeiten. Auch die Aufgabe, beim Umgang mit zunehmender Dynamik und Komplexität den Überblick über die Projektlandschaft nicht zu verlieren, gibt noch genügend Raum für neue Ideen und Gelegenheit, anhand von neuen Best Practice-Beispielen seinen Horizont zu erweitern. Hier sind nicht alle Artikel des Buches explizit angesprochen worden. Sicher wird jemand anderes andere Schwerpunkte wählen. Und genau das ist die Stärke dieses Bandes. Viele Aspekte des Multiprojektmanagements werden seriös und fundiert zusammengetragen. Sie bieten dem Leser ein facettenreiches Bild des Multiprojektmanagements. Das Buch macht Lust, sich mit dem Thema weiter auseinanderzusetzen, und zeigt die Vielfalt des Themas. Die Lektüre setzt aber sicher Erfahrungen im Einzelprojektmanagement und erste Einblicke in die Problematik von Multiprojektmanagement voraus. Für alle, die dies haben und in die Gestaltung ihres Multiprojektmanagements eingreifen wollen, ist es ein anregender und zum Nach- und Weiterdenken führender Lesestoff. Viele Fragen werden beantwortet, viele Ideen und Erfahrungen geteilt und auch viele Fragen neu aufgeworfen. Autor: Stefan Derwort Fortsetzung von S. 58 PM-aktuell_3-2016_Inhalt_01-84.indd 54 31.05.2016 8: 31: 17 Uhr
