PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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Gesellschaft für ProjektmanagementFreiheit oder Selbstausbeutung?
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Sybille Peters
Jörg van Garrel
Ansgar Düben
Hans-Lludger Dienel
Im Auftrag der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e.V. befragten die TU Berlin, das nexus Institut für Kooperationsmanagement und interdisziplinäre Forschung GmbH und die SRH Fernhochschule Riedlingen Projektbeschäftigte zur selbstbestimmten Gestaltung ihrer Arbeitszeit (Arbeitszeitsouveränität). Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen, dass die Dichte und Komplexität der Arbeit in Projekten zugenommen hat und eine Entgrenzung der Wahrnehmung von Projekttätigkeiten stattfindet. Die Arbeitsdichte (Komplexität) vollzieht dabei einen Wandel, wobei sich aber Regelungen von bzw. über Arbeitszeiten dabei nicht explizit gewandelt haben, sondern in die Selbstverantwortung der Akteure verlagert werden.
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Im Auftrag der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. untersuchten die TU Berlin, das nexus Institut für Kooperationsmanagement und interdisziplinäre Forschung GmbH und die SRH Fernhochschule Riedlingen, in welchem Umfang und in welcher Form Arbeitszeitsouveränität bereits verbreitet ist und wie sich diese für Projektbeschäftigte, ihre Projekte und Organisationen konkret darstellt. Es zeigte sich, dass Arbeitszeitsouveränität weit verbreitet ist und ein selbstbestimmter Umgang mit Arbeitszeit von den Befragten mehrheitlich positiv konnotiert wird. 1 Ausgangssituation Am Hochlohnstandort Deutschland nimmt der wissensintensive Sektor einen hohen Stellenwert als Innovations- und Beschäftigungsmotor der deutschen Wirtschaft ein [1]. Wissensarbeit ist dabei gekennzeichnet durch ein kontinuierliches Wachstum und eine hohe Dynamik. Dies bedingt einen hohen Kommunikations- und Kooperationsaufwand (vor allem bei Projektarbeit), einen permanenten Lernbedarf sowie eine hohe Komplexität (z. B. geringe Planbarkeit, viele Sonderfälle, unerwartete Situationen) [2]. Die traditionelle Arbeitsorganisation (fixer Arbeitsplatz, fixe Arbeitszeit und -ort) wird diesen Anforderungen meist nicht mehr gerecht (u. a. [3]). In diesem Kontext bietet die Digitalisierung die Chance, Wissensarbeit und ihren Umgang mit Arbeitszeit neu zu definieren. Daraus können für die Mitarbeiter zahlreiche Vorteile, wie eine bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben, die Reduzierung von Pendelzeiten und die Erhöhung des selbstbestimmten Handelns resultieren. Diesen Chancen können allerdings auch Risiken (z. B. Entgrenzung von Arbeit und Privatleben, Stress aufgrund zunehmender Verdichtung von Arbeit) gegenüberstehen [4]. Generell scheint ein solcher selbstbestimmter Umgang mit der Arbeitszeit den veränderten Anforderungen der viel diskutierten „Generation Y“ gerecht zu werden, von der allgemein angenommen wird, sie habe veränderte Anforderungen an Arbeit, Karriere und Lebensstil. Letzterer schlage sich insbesondere in Fragen des selbstbestimmten Umgangs mit Arbeitszeit nieder [5]. Der Wunsch nach und die Realisierung von Arbeitszeitsouveränität beschäftigt aber nicht nur die Generation Y, sondern generationenübergreifend Lebensstile. Im Rahmen dieses Artikels werden die Ergebnisse einer empirischen Untersuchung vorgestellt. Ziel der Untersuchung war, herauszufinden, wie Arbeitszeit aktuell im Projektmanagement gestaltet ist, welche Erfahrungen möglicherweise mit dem selbstbestimmten Umgang mit Arbeitszeit gemacht wurden und welche Chancen und Risiken hiermit verbunden sind [6, 7, 8]. 2 Untersuchungsdesign und Sample Die Befragung erfolgte mittels eines Online-Fragebogens im Zeitraum April bis September 2015. Die Teilnahme an der Online-Befragung wurde über verschiedene Kanäle beworben. So wurde einerseits der Fragebogen über die Homepage und den Newsletter der GPM bekannt gemacht. Andererseits wurden zahlreiche wissensintensive Unternehmen per E-Mail zur Teilnahme an der Befragung eingeladen. Hierfür wurde auf die Arbeiten von Gehrke et al. zurückgegriffen und mittels einer Firmendatenbank Unternehmensadressen aus insgesamt 47 wissensintensiven Branchen extrahiert [9]. Aufgrund des Teilnahmekriteriums einer vorwiegenden Beschäftigung innerhalb von Projekten gingen insgesamt 424 auswertbare Fragebögen in die Ergebnisauswertung ein. Die Teilnahme zeigte, dass 43,8 Prozent der Befragten weiblich sind (n = 185), 55,2 Prozent männlich (n = 233) 1) . Das Durchschnittsalter beträgt 43 Jahre, wobei die weiblichen Teilnehmer mit einem Altersdurchschnitt von 39 Jahren deutlich jünger 2) als die männlichen Umfrageteilnehmer (46 Jahre) sind. Der überwiegende Teil der Befragten (85 %) lebt in einer festen Part- Der souveräne Umgang mit Arbeitszeit in Projekten Freiheit oder Selbstausbeutung? autoren: sibylle Peters, Jörg von garrel, ansgar Düben, Hans-Liudger Dienel >> Für eilige Leser Im Auftrag der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. befragten die TU Berlin, das nexus Institut für Kooperationsmanagement und interdisziplinäre Forschung GmbH und die SRH Fernhochschule Riedlingen Projektbeschäftigte zur selbstbestimmten Gestaltung ihrer Arbeitszeit (Arbeitszeitsouveränität). Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen, dass die Dichte und Komplexität der Arbeit in Projekten zugenommen hat und eine Entgrenzung der Wahrnehmung von Projekttätigkeiten stattfindet. Die Arbeitsdichte (Komplexität) vollzieht dabei einen Wandel, wobei sich aber Regelungen von bzw. über Arbeitszeiten dabei nicht explizit gewandelt haben, sondern in die Selbstverantwortung der Akteure verlagert werden. 1) Diese Anteilswerte spiegeln sich auch in anderen Studien der GPM wider [10, 7]. 2) Die GPM Studie „Frauen im Projektmanagement“ weist für Frauen ein Durchschnittsalter von 38 Jahren und für Männer von 41 Jahren aus. Karriere 65 projektManagementaktuell | ausgabe 3.2016 PM-aktuell_3-2016_Inhalt_01-84.indd 65 30.05.2016 11: 19: 03 Uhr projektManagementaktuell | AUSGABE 3.2016 66 KARRIERE durchführen zu können (87 %), verbunden wird (Abb. 1). Es folgt die Option, Heimarbeit als Arbeitszeit anrechnen zu können (84 %), und der Abbau von Überstunden (72 %). Demgegenüber spielt es für einen deutlich geringeren Teil (45 %) der Befragten eine Rolle, wenn sie ihre eigene Arbeitszeit nicht dokumentieren oder nachweisen müssen. Für fast 38 Prozent trifft dieser Punkt überhaupt nicht oder kaum zu, etwa 18 Prozent erachten dies nur teilweise als relevant. Die Freiheit, die eigene Arbeitszeit gestalten zu können, ist mit einem Anteil von 72 Prozent unter und räumliche (z. B. Homeoffice) Lage von Arbeit erstrecken. Das hier vertretene Verständnis von Arbeitszeitsouveränität geht damit über eine reine zeitliche Flexibilisierung der Arbeitszeitdauer hinaus. Vor diesem Hintergrund wurden die Projektverantwortlichen zu ihrem Verständnis von einem selbstbestimmten Umgang mit Arbeitszeit befragt. Dabei zeigt sich, dass Arbeitszeitsouveränität deutlich mit der Verfügung über die Lage (92 %) der Arbeitszeit (Uhrzeit Beginn/ Ende) und der Freiheit, Arbeitsaufgaben selbstbestimmt nerschaft bzw. Ehe, wobei hier in etwa neun von zehn Fällen die Partner/ -innen in einem gemeinsamen Haushalt wohnen. Fast die Hälfte der Befragten (46 %) haben in ihrem Haushalt lebende Kinder. Fast neun von zehn Befragten (88 %) sind seit mehr als zwei Jahren für ihre aktuelle Organisation tätig. Implizit kann davon ausgegangen werden, dass die Befragten über ihre eigene Sicht hinaus auch die Sichtweise ihrer Organisation kennen und einschätzen können. Die Betriebszugehörigkeit liegt im Mittel bei 11,5 Jahren. Projektleitungen machen gut zwei Drittel (67 %) des Samples aus. Innerhalb der Organisation geben 42 Prozent „Angestellte ohne Personalverantwortung“ und 33 Prozent „Angestellte mit Personalverantwortung“ an. Geschäftsführer/ -innen und Inhaber/ -innen sind zu 20 Prozent sowie weitere 5 Prozent mit einer „anderen Position“ vertreten. Teilgenommen haben besonders Projekttätige aus Betrieben/ Verwaltungen mit Beschäftigten zwischen 60 und 100 Mitarbeitern (33 %), bzw. mit 500 und mehr Mitarbeitern (21 %). Außertarifliche (unbefristete) Verträge bilden gut die Hälfte (52 %) der vertraglichen Basis der Befragten. Es folgen tariflich (unbefristete) Verträge mit 21 Prozent und an dritter Stelle befristete Verträge nach Tarif (11 %). Die Freiberuflichen und befristet Beschäftigten machen zusammen 11 Prozent aus. Hinsichtlich der Arbeitszeit bildet die 40-h-Woche mit 59 Prozent den vorherrschenden (vertraglichen) Stundenumfang unter den befragten Projektbeteiligten. Nur 5 Prozent nannten Verträge mit mehr als 40 h und 26,5 Prozent Teilzeitverträge mit einem Umfang von 30 bis 39 Stunden. Im Durchschnitt ergeben sich damit Verträge mit 37,5 Stunden. Gegenüber dem vertraglich vereinbarten Arbeitsumfang liegt der tatsächliche Umfang mit 44 Stunden/ Woche deutlich über der Vertragsbasis. Für die meisten folgen daraus Überstunden von durchschnittlich ca. 6,5 Stunden/ Woche. 3 Forschungsergebnisse - Arbeitszeitsouveränität in der Wissensarbeit 3.1 Arbeitszeitsouveränität Der Begriff der Arbeitszeitsouveränität kann sich als selbstbestimmter Umgang mit Arbeitszeit auf die Dauer, den Umfang und/ oder die zeitliche 268 116 257 243 222 118 73 111 105 82 29 74 42 35 63 6 83 9 16 33 75 2 18 20 0 % 25 % 50 % 75 % 100 % … Beginn und Ende (Uhrzeit) meines Arbeitstags selbst zu bestimmen. … meine Arbeitszeit nicht dokumentieren/ nachweisen zu müssen. … meine Arbeitsaufgaben selbstbestimmt durchführen zu können. … Heimarbeit (Homeoffice) als Arbeitszeit anrechnen zu können. … Überstunden zu machen und diese anderntags wieder abzubauen. trifft vollkommen zu trifft weitgehend zu trifft teilweise zu trifft kaum zu trifft überhaupt nicht zu Abb. 1: Unter einem selbstbestimmten Umgang mit meiner Arbeitszeit verstehe ich, ... 113 70 82 182 145 79 84 193 125 127 138 107 107 130 78 110 101 62 63 92 91 28 66 71 22 43 69 24 10 48 42 16 65 77 76 0 % 50 % 100 % Alles in allem kann ich meine Arbeitszeit frei gestalten. Meiner Organisation ist egal, wann (Uhrzeit Beginn/ Ende) ich arbeite. Meiner Organisation ist egal, wie lange (Stunden/ Tag) ich arbeite. Meine Organisation erwartet von mir, dass ich selbstbestimmt mit meiner Arbeitszeit umgehe. Meine Arbeitszeit wird nicht kontrolliert. Relevant ist die termingerechte Leistungserbringung. Die Leistungskontrolle meiner Arbeit erfolgt auf Basis von Zielvereinbarungen. Eine effektive Bearbeitung internationaler Projekte macht einen selbstbestimmten Umgang mit Arbeitszeit notwendig. trifft vollkommen zu trifft weitgehend zu trifft teilweise zu trifft kaum zu trifft überhaupt nicht zu Abb. 2: Inwieweit treffen folgende Aussagen hinsichtlich Ihrer Arbeitszeit zu? PM-aktuell_3-2016_Inhalt_01-84.indd 66 31.05.2016 8: 31: 17 Uhr Karriere 67 projektManagementaktuell | ausgabe 3.2016 mehrheitlich darin, dass Arbeitszeitsouveränität den Mitarbeiter/ -innen größere Handlungsspielräume eröffne (80 %) sowie die Balance von Berufs- und Familienleben ermögliche (72 %). Nur wenig Zuspruch erfuhren die Thesen, dass Arbeitsleistungen außerhalb des Büros (z. B. Homeoffice) von Kollegen/ Kolleginnen und Vorgesetzten nicht wahrgenommen würden, dass Arbeitszeitsouveränität eine Zunahme von Zusatzaufgaben bedeute, die gegenseitige Unterstützung im Projektteam erschwere oder das Konfliktpotenzial im Projektteam erhöhe (Abb. 4 und 5). Dass Arbeitszeitsouveränität (z. B. im Zuge von Heimarbeit) die Möglichkeit zum Feedback durch Vorgesetzte einschränke, erachtet eine knappe Mehrheit der Befragten (52,6 %) als „kaum“ bzw. „überhaupt nicht zutreffend“. Viele Befragte werten die Freiheit, ihre Arbeitszeit gestalten zu können, bereits als „vollkommen zutreffend“ (28 %) und können somit als „souverän“ bezeichnet werden. Unter ihnen machte die Mehrheit die Erfahrung, dass sie nunmehr insgesamt mehr/ länger arbeiten (61 %) und „deutlich öfter nach 18.00 Uhr noch im Büro arbeiten“ würde (50,6 %). Ein Drittel (33 %) konstatierte, dass es dafür sorgt, dass Kollegen und Vorgesetzte diese Mehrarbeit mitbekommen. Einem deutlich geringeren Teil (10 %) ist dagegen daran gelegen, dass Kollegen und Vorgesetzte die Mehrarbeit nicht mitbekommen. Immerhin 35,6 Prozent arbeiten dank ihrer Arbeitszeitsouveränität seltener nach 18.00 Uhr noch im Büro bzw. deutlich weniger/ kürzer (11,5 %). Nur etwa 16 Prozent leiten aus ihrer Arbeitszeitsouveränität einen Anspruch auf mehr Gehalt ab, hingegen meinten 10 Prozent, für ihre Freiheit im Umgang mit der Arbeitszeit auf Gehalt zu verzichten! 3.2 Die Folgen von Arbeitszeitsouveränität Bei den möglichen Folgen von Arbeitszeitsouveränität zeigt sich ein insgesamt durchwachsenes Bild. Einigkeit herrscht zum Beispiel darin, dass die Verantwortung des einzelnen Mitarbeiters/ der einzelnen Mitarbeiterin (92 %) wachse und die Ansprüche an sich selbst (60 %) steigen. Ob daraus auch ein größerer Zeit- und Erfolgsdruck folgt, kann nicht eindeutig abgelesen werden: Ein Großteil (37,5 %) erachtet einen zunehmenden Zeit- und Erfolgsdruck als „teilweise zutreffend“, somit zugleich aber auch als teilweise nicht zutreffend. Nur 36 Prozent stimmen dem steigenden Druck „weitestgehend“ oder „vollkommen“ zu, während zugleich aber auch 26 Prozent „kaum“ oder „überhaupt nicht“ dieser Auffassung sind. Einigkeit besteht dagegen den Befragten deutlich vorherrschend (Abb. 2). Weitere 18,5 Prozent sehen diese immerhin als „teilweise zutreffend“ an, sodass sich zusammen ca. 90 Prozent einen selbstbestimmten Umgang mit Arbeitszeit attestieren. Auch bewertet ein Großteil (62 %) die eigene Einflussmöglichkeit auf die Gestaltung der Arbeitszeit als „sehr gut“ oder „gut“ bzw. im Durchschnitt mit der Note 2,3 (Abb. 3). Arbeitszeitsouveränität nimmt dabei einen hohen persönlichen Stellenwert ein. Sie reiht sich hinter dem Interesse an interessanten Projekten in ihrer Wichtigkeit bereits an zweiter Stelle ein und wird somit als wichtiger angesehen als z. B. das Gehalt, langfristige berufliche Entwicklungsoptionen sowie das Ansehen bei Vorgesetzten und Kollegen (Tab. 1). Das hohe Ausmaß von Arbeitszeitsouveränität deutet dabei innerhalb des Projekts und auch gegenüber der Organisation - unabhängig von der Position in der Organisation - auf eine zunehmende Autonomie in den Entscheidungen bei der Arbeitszeitgestaltung hin. Auf der anderen Seite stellt sich klar heraus, dass der selbstbestimmte Umgang mit Arbeitszeit nicht nur von den Angestellten begrüßt, sondern bei 76 Prozent der Befragten von ihrer Organisation explizit erwartet wird. Nur bei 9 Prozent besteht diese Erwartung seitens der Organisation nicht. Großteils können die Projektmitarbeiter/ -innen über den Umfang (Anzahl Stunden/ Tag) sowie die Lage (Uhrzeit Beginn/ Ende) ihrer Arbeitszeit eigenverantwortlich verfügen (49 % bzw. 46 %). Nur jeweils ca. 27 Prozent gaben an, ihrer Organisation sei es nicht egal, wann und wie lange sie arbeiteten. 33 44 44 91 19 144 178 160 248 167 74 216 137 131 106 95 148 44 41 51 11 43 91 10 22 29 9 19 65 3 0 % 25 % 50 % 75 % 100 % Wie gut funktioniert die Möglichkeit zum selbstbestimmten Umgang mit Arbeitszeit als Leistungsanreiz (Incentive/ Zielvereinbarung)? Wie gut eignen sich Zielvereinbarungen zur Messung der Leistung von Projektakteuren? Wie gut wirkt sich der selbstbestimmte Umgang mit Arbeitszeit auf die Produktivität der Projektakteure aus? Wie bewerten Sie Ihre Einflussmöglichkeit auf die Gestaltung Ihrer Arbeitszeit? Wie bewerten Sie die Rahmenbedingungen, die das derzeitige Arbeitsrecht für den selbstbestimmten Umgang mit Arbeitszeit bietet? Wie gut kann der selbstbestimmte Umgang mit Arbeitszeit zur persönlichen Lebensqualität beitragen? sehr gut gut befriedigend ausreichend mangelhaft/ ungenügend Abb. 3: Bitte bewerten Sie generell folgende Aspekte mit Noten zwischen 1 und 6. Rang 1 Interressantes Projekt Rang 2 Ein selbstbestimmter Umgang mit meiner Arbeitszeit Rang 3 Vereinbarkeit von Beruf und Familie Rang 4 Langfristige berufliche Entwicklungsoptionen (Boni/ Karriere) Rang 5 Gehalt Rang 6 Arbeiten ohne Zeit- und Leistungsdruck Rang 7 Ansehen bei den Vorgesetzten Rang 8 Ansehen unter den Kollegen Rang 9 Materielle Incentives wie Firmenwagen usw. Tab. 1: Was ist Ihnen persönlich am wichtigsten? PM-aktuell_3-2016_Inhalt_01-84.indd 67 30.05.2016 11: 19: 04 Uhr projektManagementaktuell | ausgabe 3.2016 68 Karriere wird folglich mehrheitlich gewünscht bzw. angestrebt; manche sind auch bereit, hierzu auf Gehalt zu verzichten (s. o.). Dementsprechend sieht ein großer Teil der Projektverantwortlichen (51,3 %) die Aussicht auf selbstbestimmte Arbeitszeit als „gut“ oder „sehr gut“ geeigneten Leistungsanreiz (Incentive) an (Durchschnittsnote: 2,6). Der selbstbestimmte Umgang mit Arbeitszeit wird tendenziell mit positiven Begriffsassoziationen wie „Freiheit“ oder „Chance“ in Verbindung gebracht. Die Befragten erachten diese Selbstbestimmung eher als Privileg, als etwas, das sie „dürfen“ und weniger als etwas, das sie „müssen“. Auch wird Arbeitszeitsouveränität eher als „effizient“, denn als „ineffizient“ betrachtet. Uneinigkeit herrscht dagegen beim Begriffspaar „Gewissheit“ und „Ungewissheit“: Vergleichbar große Anteile sprechen sich jeweils für das eine oder andere Extrem aus, ein sehr großer Teil (45 %) votierte für die Einschätzung, beides könne teilweise zutreffen oder auch nicht. Die Frage, ob und inwieweit Arbeitszeitsouveränität als Belastung empfunden werden kann, wird von den Projektverantwortlichen insgesamt offensichtlich sehr unterschiedlich interpretiert. Dies wird z. B. auch hinsichtlich der Gefahr von Burn-out deutlich: Immerhin 27,7 Prozent sehen das Risiko für Burn-out durch einen selbstbestimmten Umgang mit Arbeitszeit ansteigen und weitere 40 Prozent erachten diese Gefahr als „teilweise zutreffend“. Demgegenüber stehen 32 Prozent, für die mit zunehmender Arbeitszeitsouveränität kein Risiko für Burnout verbunden ist. Andererseits sind insgesamt 86 Prozent der Auffassung, Arbeitszeitsouveränität trage „gut“ oder sogar „sehr gut“ zur persönlichen Lebensqualität bei (Durchschnittsnote: 1,8). Arbeitszeitsouveränität wird insgesamt positiv eingeschätzt. 3.3 Die Vor- und Nachteile von Arbeitszeitsouveränität Als besonderer Vorteil von Arbeitszeitsouveränität wurde am häufigsten die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben angeführt. Hierbei spielt das Familienleben eine herausragende Rolle, häufig wurde auch auf unterschiedliche Termine wie Arztbesuche oder auch Hobbys und Sport sowie andere spontane Ereignisse im privaten Umfeld verwiesen. Ebenfalls sehr oft genannt wurde der Begriff der Flexibilität, wobei ein all- Fünfte (20,5 %) geht von weniger Arbeitszeit in den Abendstunden aus, wobei 50,6 Prozent der „souveränen“ Projektverantwortlichen (s. o.) von „deutlich häufiger Arbeit nach 18.00 Uhr“ berichten. Entsprechend weicht die Auffassung ab, insgesamt „mehr/ länger“ (12 %) bzw. „weniger/ kürzer“ (11 %) zu arbeiten, wenn mit der Arbeitszeit selbstbestimmt umgegangen werden könnte. Trotz dieser unterschiedlichen Sichtweise herrscht unter den Befragten eine insgesamt positive Einstellung gegenüber Arbeitszeitsouveränität vor. Es scheint unstrittig zu sein, dass daraus Wirkungen außerhalb des Arbeitslebens folgen, die von den Mitarbeiter/ -innen positiv wahrgenommen werden. Arbeitszeitsouveränität Auffällig ist, dass diejenigen, die (noch) nicht über Arbeitszeitsouveränität verfügen, eine etwas andere Sicht der Dinge haben als diejenigen, die sich als „selbstbestimmt“ im Umgang mit ihrer Arbeitszeit sehen (Abb. 6 und 7). Die Mehrheit (59 %) würde nach eigenen Angaben voraussichtlich „nichts anderes machen als bisher“, wenn sie mehr Freiheiten im Umgang mit ihrer Arbeitszeit hätte. Ähnlich wie bei den bereits „Souveränen“ wäre ein geringer Teil (7 %) bereit, auf Gehalt zu verzichten, während ein demgegenüber deutlich größerer Anteil (16 %) dafür eher „mehr Gehalt fordern“ würde. Auffallend abweichend ist dagegen die Auffassung, im Falle von mehr Freiheiten „deutlich seltener nach 18.00 Uhr noch im Büro zu arbeiten“: Jede/ -r 34 73 121 206 46 134 83 115 184 182 106 202 170 144 97 31 159 72 96 64 17 2 95 12 40 24 3 2 17 2 0 % 25 % 50 % 75 % 100 % Der selbstbestimmte Umgang mit Arbeitszeit erhöht das Risiko für Burn-out. Arbeitsleistungen außerhalb des Büros (z. B. Homeoffice) werden von Kollegen und Vorgesetzten nicht wahrgenommen. Ein selbstbestimmter Umgang mit Arbeitszeit ermöglicht die Balance von Berufs- und Familienleben. Mit dem selbstbestimmten Umgang mit Arbeitszeit wächst die Verantwortung des einzelnen Mitarbeiters. Der selbstbestimmte Umgang mit Arbeitszeit bedeutet mehr Zeit- und Erfolgsdruck. Der selbstbestimmte Umgang mit Arbeitszeit eröffnet Mitarbeitern größere Handlungsspielräume. trifft vollkommen zu trifft weitgehend zu trifft teilweise zu trifft kaum zu trifft überhaupt nicht zu Abb. 4: Welche Folgen sehen Sie bei einem selbstbestimmten Umgang mit Arbeitszeit? 13 30 23 28 23 61 62 79 77 79 59 187 122 138 178 151 138 108 177 119 106 127 145 40 42 47 33 29 49 18 0 % 25 % 50 % 75 % 100 % Der selbstbestimmte Umgang mit Arbeitszeit schränkt die Möglichkeit zum Feedback durch Vorgesetzte ein. Der selbstbestimmte Umgang mit Arbeitszeit wird nicht angemessen entlohnt. Ein selbstbestimmter Umgang mit Arbeitszeit erhöht das Konfliktpotenzial im Projektteam. Ein selbstbestimmter Umgang mit Arbeitszeit erschwert die gegenseitige Unterstützung im Projektteam. Der selbstbestimmte Umgang mit Arbeitszeit bedeutet eine Zunahme von Zusatzaufgaben. Durch den selbstbestimmten Umgang mit Arbeitszeit steigen die Ansprüche des Mitarbeiters an sich selbst. trifft vollkommen zu trifft weitgehend zu trifft teilweise zu trifft kaum zu trifft überhaupt nicht zu Abb. 5: Welche Folgen sehen Sie bei einem selbstbestimmten Umgang mit Arbeitszeit? (Fortsetzung) PM-aktuell_3-2016_Inhalt_01-84.indd 68 30.05.2016 11: 19: 04 Uhr KARRIERE 69 projektManagementaktuell | AUSGABE 3.2016 heit. Das Selbstverständnis der Befragten beinhaltet die Eigenverantwortung als Statusindikator, aus dem wiederum Selbstbewusstsein und weitere Fähigkeiten zur Selbstorganisation folgen. Aus den zugestandenen Freiheitsgraden im Umgang mit Arbeitszeit könne zudem ein Vertrauensbeweis der Organisation und der Vorgesetzten abgeleitet werden. Arbeitszeitsouveränität wird als Wertschätzung empfunden, aus welcher sich Loyalität und Identifikation mit der Organisation/ dem Arbeitgeber ableite. Aus dieser Anerkennung ziehen einige Befragte eine gesteigerte Motivation, individuelle Zufriedenheit und „Glück“. So wird der Aspekt der Zufriedenheit mehrfach in Zusammenhang mit Begriffen wie „Lebensqualität“, „Ausgeglichenheit“ oder „weniger Stress“ verwendet. Neben den positiven Aspekten führten die Projektverantwortlichen auch Nachteile auf. Häufig wird der selbstbestimmte Umgang mit der eigenen Arbeitszeit mit insgesamt längerer Arbeit bzw. Mehrarbeit in Verbindung gebracht. Die Mehrarbeit erfolge vielfach in den Abendstunden sowie zudem am Wochenende. Es folgt ein allgemeines Verschwimmen der Grenzen von Arbeitszeiten und die Schwierigkeit der Abgrenzung vom Arbeitstag, von der Arbeitswoche, unter die nur schwer ein Schlussstrich gezogen werden könne. Arbeitszeitsouveränität setze eigene Motivation, Selbstorganisation und Selbstdisziplin voraus, sowohl bezüglich der Dauer als auch der Lage der Arbeitszeit. Hierbei geht es auch um die Überwindung, mit der Arbeit zu beginnen und konzentriert (auch im Homeoffice) am Projekt zu arbeiten, und schließlich um das Beenden des Arbeitstages. Dabei wachsen die Ansprüche und Notwendigkeiten zu Abstimmungen mit der Organisation und zur Strukturierung von Arbeitsaufgaben. Hier sehen einige Umfrageteilnehmer/ -innen die Gefahr, dass mit dem Verschwimmen von Arbeitszeitgrenzen die inhaltliche Übersicht leide und die Kontrolle über die Arbeitsaufgaben verloren gehe. Besonders zeige sich dies hinsichtlich der Arbeit im Projektteam: Die gegenseitige Erreichbarkeit und damit Koordination innerhalb des Teams könne durch unterschiedliche Anwesenheiten und zeitliche Verfügbarkeiten den Projekterfolg gefährden. Manche Befragten gaben an, die Übersicht über die geleisteten Arbeitsstunden zu verlieren (sofern nicht Zeiterfassungssysteme vorliegen). So wurde bemerkt, dass durch das Wegfallen der Arbeitszeitstruktur keine Referenzen und Vergleichsgrundlagen zu Leistungsbewertung vorliegen Der bedarfsgerechte Umgang mit Arbeitszeit in Projekten wird allerdings nicht allein auf organisatorischer oder personalplanerischer Ebene des Projekts gesehen, sondern in hohem Maße auf der individuellen Ebene der Projektverantwortlichen begriffen. Die Mitarbeiter/ -innen könnten ihrer eigenen „Leistungskurve“, ihrem „Tages-“ oder auch „Biorhythmus“ folgen und somit individuell produktive Phasen und „Leistungshochs“ optimal und produktiv nutzen. Verbunden wird Arbeitszeitsouveränität zudem mit einem hohen Maß an Eigenverantwortung und Selbstbestimmtgemein flexibles Arbeiten sowohl in der Balance mit dem Privatleben als auch für Projektabläufe als vorteilhaft angesehen wurde. Dank flexibler Arbeitszeiten könne zudem bedarfsgerecht auf Herausforderungen innerhalb von Projekten reagiert werden, inklusive der Kommunikation im Projektteam sowie des ergebnis- und zielorientierten Arbeitens im Projekt. Ein flexibler Umgang mit Arbeitszeit ermögliche in arbeitsintensiven Projektphasen einen größeren Arbeitsstundenumfang und helfe, in weniger arbeitsintensiven Phasen „Leerlauf“ zu vermeiden. 60,9 % 50,6 % 35,6 % 33,3 % 16,1 % 11,5 % 10,3 % 10,3 % … arbeite ich mehr/ länger. … arbeite ich deutlich öfter nach 18.00 Uhr noch im Büro. … arbeite ich deutlich seltener nach 18.00 Uhr noch im Büro. … sorge ich dafür, dass Kollegen und Vorgesetzte meine Mehrarbeit auch mitbekommen. Da ich den Umgang mit meiner Arbeitszeit frei gestalte, fordere ich mehr Gehalt. … arbeite ich deutlich weniger/ kürzer. … sorge ich dafür, dass Kollegen und Vorgesetzte meine Mehrarbeit nicht mitbekommen. … verzichte ich auf Gehalt. Da ich den Umgang mit meiner Arbeitszeit frei gestalten kann … Bei dieser Frage war eine Mehrfachantwort möglich. Somit ergibt die Summe der Anteilswerte mehr als 100 %. n = 300 Abb. 6: Da ich den Umgang mit meiner Arbeitszeit frei gestalten kann … 58,7 % 23,7 % 20,5 % 18,0 % 15,9 % 12,0 % 11,7 % 11,0 % 7,1 % 2,5 % … nichts anderes machen als bisher. … dafür nötigenfalls auch meinen Arbeitgeber (Organisation) wechseln. … deutlich seltener nach 18.00 Uhr noch im Büro arbeiten. … dafür sorgen, dass Kollegen und Vorgesetzte noch im Büro arbeiten. … dafür mehr Gehalt fordern. … deutlich mehr/ länger arbeiten. … deutlich öfter nach 18.00 Uhr noch im Büro arbeiten. … deutlich weniger/ kürzer arbeiten. … dafür auf Gehalt verzichten. … dafür sorgen, dass Kollegen und Vorgesetzte meine Mehrarbeit NICHT mitbekommen. Wenn ich mehr Freiheiten im Umgang mit meiner Arbeitszeit hätte, würde ich … Bei dieser Frage war eine Mehrfachantwort möglich. Somit ergibt die Summe der Anteilswerte mehr als 100 %. n = 116 Abb. 7: Wenn ich mehr Freiheiten im Umgang mit meiner Arbeitszeit hätte, würde ich … PM-aktuell_3-2016_Inhalt_01-84.indd 69 31.05.2016 8: 31: 18 Uhr projektManagementaktuell | AUSGABE 3.2016 70 KARRIERE 4 Resümee Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse der Studie, dass die Dichte und Komplexität der Arbeit in Projekten zugenommen hat und eine Entgrenzung der Wahrnehmung wissensintensiver Tätigkeiten stattfindet. Infolge der Weisungen der Organisation an die Projektbeschäftigten, ihre Arbeitszeiten selbstorganisiert einzuteilen, zeigt sich aber, dass sich grundlegende Fragen der Regelungen von Arbeitszeiten nicht gewandelt haben. Die Einteilung und Verteilung von Arbeitszeit ist durch Weisungsbefugnisse in die Selbstverantwortung der Akteure verlagert worden - als Eigenkontrolle der eigenen Arbeitszeit. Die Arbeitsdichte (Komplexität) vollzieht somit einen Wandel, wobei sich aber Regelungen von bzw. über Arbeitszeiten dabei nicht explizit gewandelt haben, sondern in die Selbstverantwortung der Akteure verlagert wurden. Arbeitszeit ist somit nicht den Bedingungen von Wissensarbeit angepasst. In diesen Wandlungsprozessen nehmen die Organisation und ihre Linienführungen die ihnen innewohnenden Delegations- und Weisungsbefugnisse selbst nicht mehr wahr, was sie auch aufgrund zunehmender Komplexität immer weniger können. Sie verlagern sie an die Projektbeschäftigten, die in Fragen der Arbeitszeitverteilung individuell vor komplexen Aufgaben stehen. Lage, Dauer und Volumen in der Verteilung von Arbeitszeit nehmen mit Bezug auf eine effektive und effiziente Gestaltung von und in Projekten verschiedene Facetten ein, die differenziert zu betrachten und zu bewerten sind. Die Lage der Arbeitszeit (Ortsvielfalt und Ortswechsel der Bearbeitung) erhöht in Projekten die Intransparenz. Sie begünstigt dadurch ein gewisses Misstrauen und verstärkt bei Abwesenheit der Akteure einen Vergleich und das Gerechtigkeitsempfinden. Der Grund: Es gibt keine • Entwicklungsprojekt (Inhalt/ Gegenstand ist die Umsetzung und der Transfer von Wissen), • Organisationsprojekt (Inhalt/ Gegenstand ist die Verbesserung der Leistungsfähigkeit einer Organisation) und • Investitionsprojekt (Inhalt/ Gegenstand ist die Standardisierung bisheriger Erfahrungen), können bspw. Investitionsprojekte, die in direkter Abstimmung mit einem Kunden durchzuführen sind, zu einem höheren Abstimmungsbedarf führen und somit einen selbstbestimmten Umgang mit Arbeitszeit mindern. Tabelle 2 stellt dabei die Projektinhalte in Zusammenhang mit einem selbstbestimmten Umgang mit Arbeitszeit dar. Hier wird deutlich, dass insbesondere Projektakteure, die in Forschungsprojekten tätig sind, den höchsten Grad hinsichtlich einer Arbeitszeitsouveränität aufweisen. Akteure, die in Investitionsprojekten agieren, weisen den geringsten Grad auf, der aber, um es zu betonen, immer noch eine hohe bis mittlere Zustimmung aufweist. würden. Dies ginge häufig mit gegenseitigem Misstrauen untereinander einher, gegebenenfalls in unterschiedlicher Intensität zu arbeiten oder dass manche länger bzw. mehr als andere arbeiteten. Die Einschätzung der Leistung sei dann auch für Vorgesetzte schwierig, da z. B. gleiche Endresultate mit unterschiedlichem Zeit-Ressourcen-Aufwand erledigt würden. Schwierigkeiten werden in der Ausgewogenheit der Work-Life-Balance, d. h. in der Vermischung von Privatem und Beruflichem, gesehen, wodurch teilweise das Familienleben leide. Von vielen Vorgesetzten werde eine ständige Erreichbarkeit und Leistungsbereitschaft vorausgesetzt. Dies schließe die selbstverständliche Verfügbarkeit am Wochenende und in den Abendstunden mit ein. 3.4 Arbeitszeitsouveränität und Projektarbeit Unter den äußeren Rahmenbedingungen mit Einfluss auf die Arbeitszeit spielen die Projekte selbst die wichtigste Rolle: Bei 83 Prozent bestimmen die Projekte und somit die individuellen Herausforderungen und Situationen die eigene Arbeitszeit. Die Rolle der Arbeitsverträge oder Vorgaben der Linie bzw. Organisation (jeweils ca. 41 %) scheinen demgegenüber deutlich zurückzustehen (Abb. 8). Dabei existieren aber Unterschiede hinsichtlich Art und Gegenstand des Projekts. Bei einer Differenzierung der Projekte bzw. von deren Inhalten in • Forschungsprojekt (Inhalt/ Gegenstand ist die Entwicklung von Wissen), Mittelwert Häufigkeit Standardabweichung Investitionsprojekt 2,20 70 1,030 Forschungsprojekt 1,99 83 0,804 Entwicklungsprojekt 2,13 134 0,945 Organisationsprojekt 2,12 129 0,976 Gesamt 2,11 416 0,943 Tab. 2: Mittelwerte - Projektinhalte und Arbeitszeitsouveränität 193 50 69 142 157 120 103 157 53 149 114 63 14 76 78 33 5 24 53 24 0 % 25 % 50 % 75 % 100 % … meine Projekte. … die Linie/ Organisation. … meinen Arbeitsvertrag. … meine Fähigkeiten, meine eigene Arbeitszeit zu managen. trifft vollkommen zu trifft weitgehend zu trifft teilweise zu trifft kaum zu trifft überhaupt nicht zu Abb. 8: Meine Arbeitszeit wird letztendlich bestimmt durch … PM-aktuell_3-2016_Inhalt_01-84.indd 70 31.05.2016 8: 31: 18 Uhr Karriere 71 projektManagementaktuell | ausgabe 3.2016 Autoren Prof. Dr. Hans-Liudger Dienel; Leitung des Fachgebiets Arbeit und Technik sowie geschäftsführender Direktor des Instituts für Berufliche Bildung und Arbeitslehre der TU Berlin, Geschäftsführer des nexus Instituts für Kooperationsmanagement in Berlin. Dienel forscht an der Schnittstelle von Arbeit, Technik und Partizipation. E-Mail: Hans-Liudger.Dienel@tu-berlin.de Ansgar Düben, Dipl.- Geogr.; Studium der Geografie (Dipl.), Sozialwissenschaften und Kartografie an der Humboldt- Universität zu Berlin und FU Berlin; seit 2005 am nexus Institut in Evaluations- und Forschungsprojekten tätig, mit Schwerpunkt Methoden der qualitativen und quantitativen Sozialforschung sowie Statistik E-Mail: Dueben@nexusinstitut.de Prof. Dr. Jörg von Garrel; Professur an der SRH Mobile University in Riedlingen; Forschung zu managementorientierter Entwicklung von Organisationen, Verbesserung wertschöpfender Tätigkeiten im Zusammenspiel von Mensch, Organisation und Technik sowie zu effektiver und effizienter Gestaltung digitalisierter Wissensarbeit E-Mail: Joerg.Vongarrel@hs-riedlingen.de Prof. Dr. Sibylle Peters; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Fakultät für Humanwissenschaften, Prof. für Berufliche Weiterbildung und Personalentwicklung, Schwerpunkte: Führungskräftenachwuchsentwicklung, Diversity, Projekt- und Wissensmanagement; Gastwissenschaftlerin am Institut für Arbeit und Technik der TU Berlin E-Mail: Sibylle.Peters@campus.tu-berlin.de Arbeitskern selbst in Arbeitszeitregelungen allein nicht mehr fassbar. Konnotierte Tätigkeiten gehören mit zur Dauer der täglichen Arbeit. Zielvereinbarungen und Vertrauensarbeit sind in diesem Kontext möglicherweise geeignete Instrumente, um die Selbstorganisation der zu erledigenden Arbeitsaufgaben in entgrenzten Arbeitszeiten einzuschätzen und bei Einhaltung der vereinbarten Ergebnisvorgaben für Abhilfe zu sorgen. Literatur [1] Müller, B./ Gottschalk, S./ Niefert, D./ Rammer, C.: Unternehmensdynamik in der Wissenswirtschaft in Deutschland 2012: Gründungen und Schließungen von Unternehmen. www. e-fi.de/ fileadmin/ Innovationsstudien_2014/ StuDIS_3_2014.pdf, Stand: 14.7.2015 [2] Garrel, J. v./ Tackenberg, S./ Seidel, H./ Grandt, Ch.: Dienstleistungen produktiv erbringen. Eine empirische Analyse wissensintensiver Unternehmen in Deutschland. Schenk, M. (Hrsg.), Springer Gabler, Wiesbaden 2014 [3] Pinnow, D. F. (Hrsg.): Führen: Worauf es wirklich ankommt. 5. Aufl., Gabler, 2011, S. 19-37 [4] Hirsch-Kreinsen, H.: Digitalisierung von Arbeit: Zukunft der Industriearbeit (Fachtagung). Berlin, Mai 2016 [5] Hanisch, R.: Das Ende des Projektmanagements. Linde Verlag, Wien 2013 [6] Peters, S./ v. Garrel, J.: Arbeits-Zeitsouveränität für Führungskräfte von Morgen. Vereinbarkeit von Beruf und Privatheit. München/ Mering 2013 [7] Peters, S./ v. Garrel, J.: Arbeitszeit in Projekten - eine empirische Untersuchung. GPM, 2014 [8] Elbe, M./ Peters, S.: Die temporäre Organisation. Grundlagen der Kooperation, Gestaltung und Beratung. Springer Gabler, 2016 [9] Gehrke et al.: Listen wissens- und technologieintensiver Güter und Wirtschaftszweige. Studien zum deutschen Innovationssystem 19-2010. Hrsg.: Expertenkommission Forschung & Innovation, 2010 [10] Schoper, Y.: Frauen im Projektmanagement. GPM, Nürnberg 2014 Schlagwörter Arbeit und Privatheit, Arbeitszeitsouveränität, Digitalisierung, Projektarbeit, Wissensarbeit, Zukunft der Arbeit Kompetenzelemente der ICB 4.0 2.01 Selbstreflexion und Selbstmanagement, 3.05 Organisation, Information und Dokumentation praktikablen Instrumente, die es erlauben, die Auswirkungen von An- und Abwesenheit auf das Arbeitsergebnis zu vergleichen. Aus der individuellen Perspektive betrachtet, ist die Autonomie über die Lage der Arbeitszeit unabdingbare Voraussetzung, um die autonome Arbeitszeit selbstbestimmt so einzuteilen, dass die Akteure offensichtlich ihre Arbeitszeiten differenzieren können in intensive Arbeitszeiten (Büro) und kontierte Arbeitszeiten für erweiterte, zusätzliche Arbeitsaufgaben (Lage). Die Dauer der Arbeitszeit (Verteilung von Stunden auf Tage und Wochenverteilung) ist unabdingbarer Bestandteil ihrer Tätigkeit für ihre wissensintensive Arbeit. Intensive Tätigkeiten und kontierte Tätigkeiten in ihrer Dauer zu gestalten, ist unumgänglich. Das ist ihnen in Weisungsrechten auch zugestanden worden und sie bezeichnen es als ein grundlegendes Element und als Voraussetzung für die Arbeit im Projekt. Bei den Teams bzw. bei den Kollegen der Wissensarbeiter im Projekt zeigt sich: Sie verschweigen teilweise verlängerte Arbeitstätigkeiten und sie erledigen diese, wenn die Kollegen das nicht sehen können. Verlängerte Anwesenheits- und Arbeitszeiten werden verheimlicht. Ein kleiner Teil lässt die Kollegen bewusst an der Gestaltung der Arbeitszeit und damit auch an ihren Überstunden als Anwesenheit teilhaben. Es hängt wohl individuell jeweils davon ab, ob den Akteuren situationsbedingt gerade ihre Autonomie und damit auch professionelle Situation wichtig ist und sie dies schätzen und verteidigen oder ob sie sich infolge des Fehlens kollegialer Regelungen schutzlos fühlen. Über Arbeitsunterbrechungen während der Dauer der Arbeitszeit bzw. Beeinträchtigungen in der Ausübung der Dauer liegen keine Ergebnisse vor. Die Verteilung des Volumens der Arbeitszeit scheint für die Projektakteure kein tägliches Problem zu sein. In den Antworten spiegelt sich eher wider, dass sie ja nach Ende des Projekts eine Auszeit nehmen können, vielleicht nehmen wollen und eine Option für die Zukunft haben. Die generelle Verteilung des Volumens in Sabbatzeit, also Unterbrechung, ist wohl eher Bestandteil der Gestaltung der Lebensphasen generell, nicht täglicher Gegenstand der Zeiteinteilung. Die Freiheit der Gestaltung der Arbeitszeit erhöht den Druck, alles aus individueller Perspektive „gut und richtig“ zu machen. Obwohl mögliche Zeitbelastungen nicht wirklich von den Projektakteuren als negative Belastungen wahrgenommen werden, ist der eigentliche PM-aktuell_3-2016_Inhalt_01-84.indd 71 30.05.2016 11: 19: 08 Uhr