PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Wie Mitarbeiter im Team über sich hinauswachsen (könnten) ...
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Oliver Steeger
Teams verblüffen ihre Projektmanager immer wieder: Da wachsen einzelne Mitarbeiter in der Gruppe über sich hinaus. Oder: Einem Team geht über Nacht die Luft aus; die Motivation bricht zusammen. Oder: Bei Teamdiskussionen geben sonst eigensinnige Mitarbeiter klein bei; sie passen sich trotz gegensätzlicher Auffassung der Gruppenmeinung an. Bei solchen „Überraschungen“ sind zumeist sogenannte Gruppenphänomene am Werk. In Gruppen wirkt ein hochdynamisches Beziehungsgeflecht. Es sorgt dafür, dass Gruppen sich häufig völlig anders verhalten als vom Projektmanager erwartet. Prof. Stephan Schneider (Institut für Wirtschaftsinformatik an der Fachhochschule Kiel) führt in die merkwürdige Welt der Gruppenphänomene ein: Mit welchen Phänomenen sollten Projektmanager rechnen? Wie können Projektmanager das Verhalten in der Gruppe verändern? Und wie können sie sozialpsychologische Forschungsergebnisse auch für ihr Stakeholdermanagement nutzen? – Ein wissenschaftliches Gespräch über die Ab- gründe, die sich bei der Arbeit in und mit Gruppen auftun können.
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projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2016 28 REPORT Gruppenphänomene - Rückenwind und Stolperstein für Projektmanager Wie Mitarbeiter im Team über sich hinauswachsen (könnten) ... Autor: Oliver Steeger Teams verblüffen ihre Projektmanager immer wieder: Da wachsen einzelne Mitarbeiter in der Gruppe über sich hinaus. Oder: Einem Team geht über Nacht die Luft aus; die Motivation bricht zusammen. Oder: Bei Teamdiskussionen geben sonst eigensinnige Mitarbeiter klein bei; sie passen sich trotz gegensätzlicher Auffassung der Gruppenmeinung an. Bei solchen „Überraschungen“ sind zumeist sogenannte Gruppenphänomene am Werk. In Gruppen wirkt ein hochdynamisches Beziehungsgeflecht. Es sorgt dafür, dass Gruppen sich häufig völlig anders verhalten als vom Projektmanager erwartet. Prof. Stephan Schneider (Institut für Wirtschaftsinformatik an der Fachhochschule Kiel) führt in die merkwürdige Welt der Gruppenphänomene ein: Mit welchen Phänomenen sollten Projektmanager rechnen? Wie können Projektmanager das Verhalten in der Gruppe verändern? Und wie können sie sozialpsychologische Forschungsergebnisse auch für ihr Stakeholdermanagement nutzen? - Ein wissenschaftliches Gespräch über die Abgründe, die sich bei der Arbeit in und mit Gruppen auftun können. Herr Prof. Schneider, fast jeder Projektmanager hat beim Führen von Teams Erstaunliches beobachtet. Ein Mitarbeiter - sonst eher zurückhaltend - treibt das Team an und liefert eine Leistung, die der Projektmanager kaum erwartet hätte. „In der Gruppe ist der Mitarbeiter aufgeblüht“, heißt es dann. Doch die Sozialpsychologie erklärt diese Beobachtung anders. Sozialpsychologen sprechen von Gruppenphänomenen. Was ist damit genau gemeint? Prof. Stephan Schneider: Bleiben wir bei Ihrem Beispiel. Ein Mitarbeiter legt sich kräftig in die Riemen und strengt sich enorm an. Eine mögliche Erklärung ist: Er will durch sein Verhalten die vermeintlich schwache Leistung anderer Teamkollegen unbewusst ausgleichen und Defizite im Team wettmachen. Er beurteilt die Leistung oder Leistungsfähigkeit anderer - und passt sein Engagement dieser Bewertung an. In der Sozialpsychologie wird dieses Phänomen „soziale Kompensation“ genannt. Sie nennen dieses Verhalten unbewusst. Das heißt, hinter der sozialen Kompensation muss keine bewusste Überlegung stehen, kein rationaler Entschluss? Die soziale Kompensation kann - wie auch andere Gruppenphänomene - in der Tat unbewusst ablaufen. Dies macht Gruppenphänomene so spannend. Die Phänomene können entstehen, ohne dass dies den Gruppenmitgliedern bewusst ist oder eine rationale Strategie Einzelner dahintersteht. Nehmen Sie ein anderes Beispiel: das „soziale Faulenzen“. Jemand in der Gruppe reduziert seine Anstrengungen. Dies kommt recht häufig vor in Projektteams. Ein Mitarbeiter lässt die Zügel schleifen. Andere arbeiten ja für ihn! Schauen wir uns auch dieses Phänomen näher an. Dieser Mitarbeiter hat vielleicht das Gefühl, dass sein Beitrag beim Erreichen des Gruppenziels kaum ins Gewicht fällt. Oder er hat kein besonderes Interesse daran, dieses Ziel zu er- Stephan Schneider Prof. Dr. Stephan Schneider ist Professor für ABWL und Wirtschaftsinformatik an der Fachhochschule Kiel. Er studierte an der Universität Regensburg Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Wirtschaftsinformatik, Operations Research, Ökonometrie und Finanzwissenschaft. Später promovierte er an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht. Währenddessen war er freiberuflich in beratender und unterstützender Form bei zahlreichen Unternehmen tätig. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen Kognitions- und Sozialpsychologie, intelligente und lernende Organisationen sowie Wissensmanagement. PM-aktuell_4-2016_Inhalt_01-88.indd 28 11.08.2016 13: 07: 11 Uhr REPORT 29 projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2016 Dafür haben wir in der Wissenschaft eine gute, weitgehend anerkannte Definition. Unter Gruppen verstehen wir relativ fest und dauerhaft verbundene Personen. Sie teilen Werte und Vorstellungen und sie entwickeln bestimmte Regeln und Handlungsmuster. Sie kommunizieren und interagieren, definieren Rollen und bauen Strukturen auf, auch Führungsstrukturen. Wichtig sind zwei Punkte, die auch jeder Projektmanager aus der Teamführung kennt: Erstens, Gruppen haben Kohäsion, also ein Gefühl der Zusammengehörigkeit … … umgangssprachlich Teamgeist oder „Wir- Gefühl“ … Richtig. Und zweitens haben Gruppen essenziell ein Ziel. Sie streben Ziele an - und dies hat Auswirkungen darauf, wie Gruppen Rollen, Strukturen und Führung definieren. Gruppen wollen ihr gesamtes Verhalten darauf ausrichten, ihre jeweiligen Ziele zu erreichen. Dem Team ein herausforderndes Ziel geben, Rollen und Spielregeln formulieren, den Teamzusammenhalt fördern - mit dieser Strategie liegen also viele Projektmanager richtig? Oder auch anders: Im Team laufen einzelne Mitarbeiter zur Höchstform auf, stehen füreinander ein, treten in einen Wettbewerb, ohne einander zu verletzen. Meine Frage: Wie kommt es nach Ansicht der Wissenschaft zu dieser Dynamik? Der Gruppendynamik können wir uns gut mithilfe der Systemtheorie nähern. Systemtheoretiker betrachten alles - vom Universum bis hin zu Atombausteinen - als System. Ähnlich stehen auch Mitglieder einer Gruppe in einer wechselseitigen Beziehung. Das heißt, der Einzelne beeinflusst die Gruppe, und die Gruppe beeinflusst ihn wieder? In einer Gruppe ist das Ganze mehr als die Summe ihrer Teile. Durch soziale Interaktionen und gegenseitige Beeinflussung entsteht eine große Dynamik. So kommt es zu Ereignissen in der Gruppe, über die der Projektmanager nur staunt. Von denen er sagt: „Das hatte ich nicht auf dem Radarschirm.“ Versuchen wir eine Begriffsbestimmung: Was verstehen Sozialpsychologen unter einer Gruppe? reichen. Beides kann dazu führen, dass dieses Mitglied seine Anstrengung reduziert. Dieses soziale Faulenzen ist sehr gut erforscht und mit Erklärungsansätzen hinterlegt. Was Wissenschaftlern aufgefallen ist: Frauen neigen tendenziell weniger zum sozialen Faulenzen als Männer. Aha? Wie erklärt sich das denn? Frauen konzentrieren sich stärker auf persönliche Beziehungen. In der Wissenschaft sprechen wir von „Relational Interdependence“. Dies kann dem sozialen Faulenzen einen kleinen Riegel vorschieben. gruppenDynamik - Die bezieHung macHt’s Im Alltag ist viel von Gruppendynamik die Rede. Damit meint man häufig: Die Gruppe verhält sich anders als erwartet und geplant. Da bauen sich plötzlich Fronten in der Gruppe auf, da werden unkritisch Entscheidungen gefällt, hohe Risiken eingegangen oder fast wie im Rausch die eigene Überlegenheit zelebriert. Foto: Clemens Schüßler - Fotolia.com PM-aktuell_4-2016_Inhalt_01-88.indd 29 11.08.2016 13: 07: 12 Uhr projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2016 30 REPORT können Selbstinszenierer diesen Nachteil nämlich wieder wettmachen. Wir haben es in der Sozialpsychologie selten mit eindeutigen Gesetzen und Regeln zu tun. Ich möchte unser Gespräch zurückbringen auf Gruppenphänomene. Wir haben vorhin zwei Gruppenphänomene genannt, das „soziale Faulenzen“ und die „soziale Kompensation“. Wir haben festgehalten: Diese Phänomene sind den betreffenden Gruppenmitgliedern häufig nicht bewusst. Es gibt übrigens ein dem sozialen Faulenzen ähnliches Phänomen, das sich aber bewusst vollzieht. Ich meine das Trittbrettfahren. Was steht genau hinter dem Trittbrettfahren? Was geht in Trittbrettfahrern vor? Trittbrettfahrer meinen, dass ihr Beitrag nur einen geringen Einfluss darauf hat, wie die Gruppe ihr Ziel erreicht. Sie entscheiden sich ganz bewusst dafür, auf Kosten der Gruppe eine ruhige Kugel zu schieben und vom Einsatz der anderen zu profitieren. Im Gegensatz zum sozialen Faulenzen läuft dies also bewusst ab, und dies ist auch der Hauptunterschied. Also: Soziale Faulenzer vermindern ihre Leistung unbewusst, also ohne dies selbst zu merken. Hinter dem Trittbrettfahren steht eine Wie kommt dies? Den Grund haben die Studien direkt mitgeliefert. Asiaten definieren sich selbst mehr aus der Gruppe hinaus. Sie beschreiben das eigene „Ich“ mehr im Verhältnis zu den anderen; im Fachjargon wird dies auch als „Interdependent View of the Self“ bezeichnet. Geht es beispielsweise um eine Beurteilung, so beziehen Asiaten andere Gruppenmitglieder mehr mit ein, als wir es im Westen tun. Das Beziehungsgeflecht spielt dort also eine große Rolle. Andersherum: Die individualistische Entscheidung, bei Missfallen aus einem Team auszusteigen, ist bei uns deutlich mehr verbreitet als in Asien. Asiaten geben im Team nicht so schnell auf. trittbrettfaHrer unD „trotteL-effekt“ Anders gesagt: In asiatischen Teams findet man weniger Selbstinszenierer und andere Paradiesvögel … Womöglich. Diese „Paradiesvögel“ können pures Gift für die Kohäsion sein. Können Gift sein - oder sind sie Gift für die Kohäsion? Ich sage ganz bewusst, dass die Möglichkeit besteht. Durch eine starke individuelle Leistung Ja. Es ist sicherlich sinnvoll, das Ziel fesselnd zu beschreiben, es in einem besonderen Licht erstrahlen zu lassen. Dadurch kann man Desinteresse vermeiden. Eine gute Strategie ist auch die Förderung des Zusammenhalts in der Gruppe - also die Stärkung der Kohäsion. Es hilft, die Teammitglieder persönlich miteinander bekannt zu machen und sie anzuregen, Freundschaften zu schließen. Gute Profimannschaften etwa im Fußball erkennt man daran, dass sie auch nach dem Training noch etwas zusammen unternehmen. stärkung Der gruppenkoHäsion „Dienst ist Dienst, Schnaps ist Schnaps“, heißt es oft in Deutschland. Ich entnehme Ihrer Erklärung, dass die strikte Trennung von Beruflichem und Privatem ungünstig ist für die Entwicklung der Gruppenkohäsion? In Asien oder Südamerika gehen ja Privatleben und Beruf wesentlich mehr ineinander über. Auch mit dieser Vermutung dürften Sie richtig liegen. Dazu gibt es Untersuchungen aus dem asiatischen Raum. Man hat in der Tat kulturelle Unterschiede zwischen asiatischen und westlichen Gruppen festgestellt. Demnach sind westliche Kulturen wesentlich anfälliger für das soziale Faulenzen als asiatische Kulturen. Foto: Clemens Schüßler - Fotolia.com PM-aktuell_4-2016_Inhalt_01-88.indd 30 11.08.2016 13: 07: 12 Uhr REPORT 31 projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2016 knapp mit Personal ausgestattet. Es kommt darauf an, dass alle im Team optimal an einem Strang ziehen. Meine Frage: Wie können Projektmanager mit den Gruppenphänomenen umgehen und zu einem Motivationsgewinn kommen? Für viele Phänomene ist die Frage entscheidend, ob die Leistung der einzelnen Gruppenmitglieder gemessen und beurteilt wird. Ob also für alle erkennbar ist, was die jeweiligen Mitarbeiter dazu beitragen, das Ziel zu erreichen. Nach allem, was ich weiß, wird in Teams nur die Gesamtleistung gemessen - so, wie bei Sportmannschaften der Sieg ein Verdienst aller ist. Langsam! Bei Sportmannschaften steht selbstverständlich die Gesamtleistung im Vordergrund. Der Sieg lässt sich nur gemeinsam erkämpfen. Aber im Profisport wird auch sehr genau ermittelt, wie sich die Einzelnen einbringen. Ob beispielsweise beim Fußball ein Spieler mehr oder weniger läuft als sein Pendant der gegnerischen Jemand strengt sich an, um die vermutete Schwäche anderer auszugleichen. Dadurch gewinnt ja die Gruppe. Solche quasi positiven Phänomene fassen wir unter den Oberbegriff „soziale Erleichterung“ zusammen. Soziale Erleichterung kann die Gruppenmotivation erhöhen. Wir haben es in der Tat mit Gewinnen bei diesen Gruppenphänomenen zu tun. Ein typisches Beispiel ist der „soziale Wettbewerb“: Ähnlich starke Gruppenmitglieder treten untereinander in Wettbewerb. Sie beflügeln sich gegenseitig. Ein weiteres Beispiel ist der sogenannte Köhler-Effekt. Ein schwächeres Mitglied der Gruppe strengt sich besonders an, um im Falle des Gruppenversagens nicht verantwortlich zu sein. motiVationsgeWinne im team Für Projektmanager sind solche Effekte nicht unerheblich. Ihre Projektteams sind häufig persönliche Analyse der Situation, dass der eigene Beitrag nicht so wichtig ist - und dann der bewusste Entschluss. Richtig? Im Kern, ja. Trittbrettfahrer sind in Gruppen verständlicherweise unbeliebt … Natürlich! Die anderen in der Gruppe merken, dass Trittbrettfahrer ohne Gegenleistung profitieren. Dann kommt es möglicherweise zu einem weiteren Gruppenphänomen, dem Gimpel- oder Trottel-Effekt. Auch dahinter steht eine bewusste Entscheidung. Die „Fleißigen“ in der Gruppe fühlen sich ausgenutzt - und verringern wiederum ihre Anstrengung. Sie fragen sich, ob sie denn hier „die Trottel vom Dienst“ sind. Durch diese Gegenreaktion verliert die Gruppe ein weiteres Mal an Motivation. Wir haben vorhin angedeutet: Gruppenphänomene können nicht nur zu Motivationsverlusten führen, sondern auch zu Gewinnen. Ein Beispiel ist die „soziale Kompensation“. Foto: Clemens Schüßler - Fotolia.com PM-aktuell_4-2016_Inhalt_01-88.indd 31 11.08.2016 13: 07: 13 Uhr projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2016 32 REPORT andere Erklärungsansätze kein Triebverhalten in den Vordergrund. Sondern? Sie betonen, dass der Einzelne durch die anderen Gruppenmitglieder beobachtet und bewertet wird. Und genau diese Bewertung führt zu der Erregung. Im Zentrum der Überlegungen stehen also die Erwartungen der anderen Gruppenmitglieder. Die daraus entstehende Erregung führt zur Leistungssteigerung - oder auch zum Leistungsabfall. Darüber hinaus finden Sie in der Sozialpsychologie noch einen weiteren, völlig anderen Erklärungsansatz. Da geht es um einen Ablenkungskonflikt oder Anwesenheitskonflikt. einzeLLeistungen erkennbar macHen Klingt kompliziert … Nein, ist es eigentlich nicht. Die Anwesenheit anderer Gruppenmitglieder führt den Einzelnen gewissermaßen in einen Konflikt. Auf was soll er seine Aufmerksamkeit richten: auf die Aufgabe selbst oder darauf, welchen Eindruck sein Arbeiten bei anderen hinterlässt? Geht es um kor- Ein zusätzlicher Einflussfaktor also. Ja. Angenommen, die Einzelleistungen werden gemessen und beurteilt. Dann entsteht beim Einzelnen Druck - oder Erregung, wie wir in der Wissenschaft sagen. Die Gruppenmitglieder werden sich bei einfachen Aufgaben vermehrt anstrengen. Bei schwierigen Aufgaben fällt die Leistung aber eher ab. Genau andersherum verhält es sich, wenn die Einzelleistungen nicht gemessen werden. Dann kommt es bei einfachen Aufgaben zum Leistungsabfall und zu einer Leistungssteigerung bei schwierigen Aufgaben. Erstaunlich! Wie erklärt sich dies? Dafür gibt es mehrere sozialpsychologische Erklärungsansätze. Ein Ansatz geht von einem angeborenen Triebverhalten aus: In der Gruppe sind andere Menschen anwesend. Die Einzelleistung ist sichtbar und dies führt beim Einzelnen automatisch zu physiologischen Reaktionen. Dann empfindet der Einzelne bei einfachen Aufgaben eine gewisse Dominanz, und diese dominante Haltung führt dann etwa zu stärkeren Leistungen bei einfachen Aufgaben. Wichtig bei diesem Ansatz ist: Dies alles wird als reines Triebgeschehen verstanden. Dagegen stellen Mannschaft. Und es ist gut so, dass beides gemessen wird. erkLärungsansätze Der soziaLpsycHoLogie Es kommt also darauf an, dass neben der Gruppenleistung auch die individuelle der Mitglieder sichtbar ist? So lässt sich bestimmten Gruppenphänomenen ein Schnippchen schlagen - und sogar Motivationsgewinn in Gruppen erzielen? Ja. Auf diese Weise wird soziales Faulenzen erschwert, dies liegt auf der Hand. Denn jeder hat Angst davor, in der Gruppe schlecht bewertet zu werden und als Faulenzer dazustehen. Außerdem: Wird die individuelle Leistung sichtbar, fühlen sich starke Mitglieder motiviert, bei schwächeren Mitgliedern die Leistungsdefizite auszugleichen - soziale Kompensation also. So einfach ist dies alles? Nicht ganz, leider. Es fällt bei alledem die Art der Aufgabe ins Gewicht. Ist die Aufgabe schwierig? Ist sie leicht? Dies hat Einfluss auf das Verhalten. Foto: Clemens Schüßler - Fotolia.com Anzeige SHIT HAPPENS. Change Veränderungen begleiten uns unser Leben lang. 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Ich versuche dies meinen Studierenden immer wieder nahezubringen: Vermeidet eine krampfhaft distinguierte, wenn sich Projektmanager überlegen, wie sie Einzelleistungen ermitteln und operationalisierbar machen können. Projektmanager könnten dafür beispielsweise ein Bewertungsmodell einführen. Im Zeitalter der Digitalisierung wird man viele Möglichkeiten finden, Einzelleistungen zu erkennen und an das Team zurückzuspielen. Dann werden Trittbrettfahrer vorsichtiger sein; denn letztlich haben auch sie Angst, für ihre schlechte Leistung von der Gruppe kritisiert zu werden oder gar das Team verlassen zu müssen. Ich sehe ein anderes Problem: Einfache Aufgaben würden demnach die Zusammenarbeit in der Gruppe begünstigen. Die Schwierigkeit ist nur: Viele Projekte haben nur eine begrenzte Menge einfacher Aufgaben. In der Regel sind die Aufgaben schwierig, echte Kopfnüsse und Herausforderungen. Natürlich! Komplizierte und zugleich komplexe Aufgaben gehören zum Projektmanagement. rekte Bearbeitung der Sache oder um einen guten Eindruck bei Kollegen in der Gruppe? Daraus kann sich ein Konflikt ergeben. - Es gibt noch mehr Erklärungsansätze. Doch an diesen Beispielen erkennen Sie, auf welche Weise die Sozialpsychologie Erklärungen und Modelle entwickelt, um Gruppenphänomene zu verstehen. Hinter den Erkenntnissen stehen Experimente und stringente Erklärungsmodelle. Zurück zur Praxis. Ich möchte eine Regel für Projektmanager formulieren: „Macht die Einzelleistungen im Team deutlich und gebt Mitarbeitern einfache Aufgaben.“ Liege ich mit dieser Regel richtig? Langsam, bitte. Wir sprechen von wissenschaftlich erhärteten Befunden, aber nicht von Gesetzen, auf die man sich stützen kann. Dies dürfen wir nicht vergessen. Deshalb kann ich Ihnen keine „goldenen Regeln“ und Patentrezepte liefern. - Aber tendenziell haben Sie natürlich recht mit Ihrer Regel. Es ist sicherlich hilfreich, Anzeige SHIT HAPPENS. Change Veränderungen begleiten uns unser Leben lang. Wir von next level begleiten Ihr Unternehmen dabei. Interessiert? AT: +43 1 4780660-0, DE: +49 228 28926-0, CH: +41 41 7400455, www.nextlevelconsulting.eu # project # process # change PM-aktuell_4-2016_Inhalt_01-88.indd 33 11.08.2016 13: 07: 14 Uhr projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2016 34 REPORT … und reiben sich am Ende verwundert die Augen, wenn etwa Schulungsmaßnahmen beim Changemanagement nicht den erhofften Erfolg bringen. Projektmanager wollen beim Changemanagement ihre Stakeholder dazu bringen, eine neue Situation zu akzeptieren oder Aufgaben anders als gewohnt zu bearbeiten. Am Ende gelingt dies nicht. Alles wundert sich. Weshalb klappt das nicht? Man hat doch mit allen Gruppen gesprochen. Auch die Menschen, die nicht mitziehen, gehörten doch zu diesen Gruppen. Also, wo liegt der Fehler? Die Maßnahmen im Stakeholdermanagement und Changemanagement verkennen eine wichtige Tatsache unserer Zeit: Menschen gehören heute nicht nur einer Gruppe an, sondern mehreren. Sie tragen Werte, Vorstellungen und Gesinnungen aus mehreren Gruppen in sich. Deshalb müssen wir heute beim Stakeholdermanagement näher hinschauen und mehr über die Stakeholder herausfinden. Daran erkennen Sie: Stakeholdermanagement ist heute alles andere als simpel. Konkret, bitte: Wie wurde bei dem Changeprojekt am Klinikum das Stakeholdermanagement verbessert? Wir haben für das Changemanagement einen neuen Ansatz entwickelt. Bei uns stehen die Gruppenzugehörigkeiten und die dynamischen Interaktionen der Gruppen untereinander weit im Vordergrund. Es wurde eine Kulturuntersuchung durchgeführt und Gruppen erkannt mit bestimmten Wesensmerkmalen wie Werten und Wertschätzung. Dies hat längst nichts mehr zu tun mit der herkömmlichen Grobeinteilung der Stakeholder nach Berufsgruppen oder Fachrichtungen. Durch diese Untersuchungen haben wir wichtige Informationen und Gruppenprofile erhalten, die uns helfen, die Gruppen besser anzusprechen und beim Changemanagement zu greifen. gruppenpHänomene unD stakeHoLDermanagement Lassen Sie mich raten! Bei der Gruppe der Ärzte oder der Pfleger rechnet man damit, dass die Gruppenmitglieder stark dem Wert der Hilfe folgen, dem Dienst am Nächsten … Die Vermutung ist nicht abwegig, aber sehr undifferenziert. Viele Mediziner sind auch in anderen Gruppen „zu Hause“, deren Mitglieder beihalten. Motivation allein hilft in der Regel nur kurzfristig. Also wie ein Kaffee, dessen anregende Wirkung sich nach geringer Zeitspanne wieder verliert. Wenn Sie es so vergleichen wollen - ja. Was ich damit sagen will: Ich glaube nicht, dass man durch Motivation Stakeholder an sich binden kann. Langfristig sollten Projektmanager auch die Emotionen und die Einstellungen der Stakeholder erreichen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Ich beteilige mich wissenschaftlich an einem groß angelegten Changemanagementprojekt in einer norddeutschen Universitätsklinik. Das Klinikum mit seinen über 10.000 Mitarbeitern steht vor einem tiefgreifenden Wandel; da stehen wirklich große Veränderungen an. Die Mitarbeiter sollen bewegt werden, sich auf diesen Wandel vorzubereiten, ihn mitzutragen und mit umzusetzen. Mit einem Wort, die Stakeholder sollen ihr Verhalten verändern. Offen gesagt: Dafür finde ich das herkömmliche Stakeholdermanagement - und auch das Changemanagement - nicht ausreichend. Wir haben festgestellt, dass es in diesem Projekt nicht funktioniert. mitgLieD in meHreren gruppen Erstaunlich! Was ist aus Ihrer Sicht falsch am Stakeholdermanagement? Es geht doch darum, Interessengruppen zu identifizieren … Damit beginnen die Schwierigkeiten schon! Für diese Aufgabe ist das herkömmliche Stakeholdermanagement methodisch zu simpel gestrickt. Es arbeitet beispielsweise mit recht groben Clustern. Dies beginnt mit der Identifizierung der Stakeholdergruppen. Bei solchen Projekten findet man gewöhnlich die Gruppe des Pflegepersonals, der Ärzte und der Verwaltung … … und genau diese Einteilung ist viel zu grob, um die Mitarbeiter genau kennenzulernen. Also auch ihre Emotionen und ihre Einstellungen zu studieren und sie ganzheitlich anzusprechen. Ich kann nicht ganz folgen. Nach allem, was ich höre, funktioniert unser Stakeholdermanagement recht gut. Projektmanager nehmen Erwartungen und Interessen von Stakeholdern auf … vermeintlich wissenschaftliche Sprache. Vermeidet unnötig lange Schachtelsätze und Fremdwörter - die ihr am Ende des Tages vielleicht selbst nicht mehr versteht. Was unser Gruppenphänomen betrifft: Sind Aufgaben klar und einfach beschrieben, entsteht nicht so schnell eine Bewertungsangst, die dann die Motivation untergräbt. Man könnte auch direkt bei der Bewertungsangst ansetzen. Also den Gruppenmitgliedern die Angst nehmen, an den schwierigen Aufgaben zu scheitern. Dies kann eine gute Strategie sein. Vergessen Sie aber eines nicht: Eine gewisse Bewertungsangst ist wiederum bei einfachen Aufgaben hilfreich. Da kann sie zur Steigerung der Leistung führen. Nochmals: Vorsicht vor Patentrezepten und Schnellschüssen! Wir haben bislang viel von Projektteams gesprochen. Der Projektmanager hat darüber hinaus bekanntlich auch mit anderen Gruppen zu tun. Ein alltägliches Beispiel dafür sind Stakeholdergruppen, deren Unterstützung er für sein Projekt braucht. Wie kann der Projektmanager das Verhalten dieser Gruppen beeinflussen? Die Frage mutet einfach an - doch die Antwort darauf ist aus Sicht der Sozialpsychologie ebenso komplex wie kompliziert. Die Antwort ist nicht in zwei oder drei Sätze zu fassen … Versuchen wir eine Antwort! Wollen wir Verhalten verändern, haben wir es mit drei Faktoren zu tun. Meinen Studenten gebe ich eine kleine Merkhilfe, nämlich die Dame mit dem Namen, dem ein „M“ fehlt. Nämlich EMA: Emotion, Motivation und Attitude, deutsch: Einstellung. Wer Verhalten dauerhaft verändern will, muss diese drei Faktoren im Blick halten. motiVation „motiViert“ nicHt DauerHaft Mit der Motivation operieren Projektmanager häufig. Sie versuchen Stakeholdern einen Gewinn durch das Projekt in Aussicht zu stellen. Wenn Stakeholder das Projekt unterstützen, haben sie davon einen besonderen Vorteil - einen Anreiz, einen „Motivationsfaktor“. Das ist manchmal kaum mehr als die sprichwörtliche Mohrrübe, die wir dem Esel vor die Nase PM-aktuell_4-2016_Inhalt_01-88.indd 34 11.08.2016 13: 07: 14 Uhr REPORT 35 dabei mit gruppenphänomenologischen Hypothesen ins Rennen. Beispielsweise neigt die Gruppe der Pfleger zu sozialem Faulenzen. In der Verwaltung ist eher das Trittbrettfahren ausgeprägt. Durch diese Kenntnis der Phänomene können wir die Gruppen unserer Stakeholder noch besser greifen. Um Missverständnissen vorzubeugen: Selbstverständlich verwenden auch wir die Einteilungen und Cluster des herkömmlichen Stakeholdermanagements. Doch diese Raster bilden quasi nur die Eingangspforte zu unserem Stakeholdermanagement. Sie sind nur der Anfang. Auf ihrer Basis denken wir weiter. Lassen Sie mich bitte abschließend nochmals zu den Gruppenphänomenen selbst zurückkehren. Bestimmte Gruppenphänomene werden unter dem umgangssprachlichen Begriff „Herdentrieb“ zusammengefasst. Eine Beobachtung: In Gruppendiskussionen neigen Menschen dazu, sich der Mehrheitsmeinung anzupassen. Selbst Fachleute mildern ihre Äußerungen ab oder halten Informationen zurück, die der Mehrheitsmeinung entgegenstehen; sie wollen sich nicht zu weit vom Mitglieder dieser Gruppe sind eher „Herzmenschen“, also stark emotional getriggert. Offen gesagt, dies überrascht wenig … … und doch sind diese Befunde für das Stakeholdermanagement wichtig. Wenn Sie beispielsweise wissen, dass einige Stakeholder tendenziell einen starken Bezug zu Gruppen haben oder dass einige Gruppen ausgesprochene Kopfmenschen sind, dann können Sie das Stakeholdermanagement zielgerichteter gestalten. Sie können sogar Annahmen formulieren, welche Gruppenphänomene in welcher Gruppe auftreten können. präzisere „zuorDnung“ Der stakeHoLDer Gruppenphänomene, wie wir sie gerade besprochen haben? Sie machen das Wissen über Gruppenphänomene für das Stakeholdermanagement nutzbar? Ja. Ich untersuche, welche Stakeholdergruppe für welche Phänomene anfällig ist. Wir gehen spielsweise vom Geltungsbewusstsein gesteuert werden. Um einem Missverständnis vorzubeugen: Das Handeln aus Geltungsbewusstsein führt nicht zu schlechter Arbeit. Beim Stakeholdermanagement müssen wir aber davon wissen, wenn wir mit diesen Menschen kommunizieren wollen. Es ist wichtig zu erkennen, wie diese Mediziner genau „ticken“. Was ist ihnen in diesen Gruppen wichtig? Und: Wie stark ist die Kohäsion in diesen Gruppen? Mit welchen emotionalen Ausprägungen haben wir es in diesen Gruppen zu tun? Welche Werte und Einstellungen werden in ihnen geteilt? Spannend! Was haben Sie genau festgestellt? Ein Beispiel: Pfleger und Verwaltungsmitarbeiter denken eher gruppenorientiert. Sie sehen sich selbst im Verbund mit Gruppen - vielleicht nicht so sehr wie Asiaten, über die wir vorhin gesprochen haben. Aber die Gruppenorientierung ist bei Pflegern und Verwaltungsmitarbeitern stark, verglichen etwa mit Ärzten. Erstaunlich finde ich auch: Ärzte und Verwaltungsmitarbeiter sind eher „Kopfmenschen“, bei ihnen steht rationales Handeln im Vordergrund. Anders das Pflegepersonal. Foto: Clemens Schüßler - Fotolia.com PM-aktuell_4-2016_Inhalt_01-88.indd 35 11.08.2016 13: 07: 14 Uhr projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2016 36 REPORT zu einer zu starken Kohäsion, kann es sein, dass man andere Gruppen stark kritisiert, nur deshalb, weil sie nicht Teil der eigenen Gruppe sind. Die Logik ist: Die anderen müssen ja eine andere, falsche Haltung haben. Hätten sie die richtige Haltung, so wären sie Teil unserer Gruppe. Versuchsweise hat man Mitglieder zwischen solchen Gruppen ausgetauscht. Das Ergebnis: Die Gesinnungen der einzelnen Mitglieder haben sich schnell verändert. An diesem Phänomen kann man sehr gut erkennen, wie sich Menschen in Gruppen sozial beeinflussen. In zumeist stark abgemilderter Form tritt dieses Phänomen bei internationalen, multikulturellen Projektteams auf. Die verschiedenen Nationen oder Kulturen bleiben unter sich. Nicht nur bei internationalen Projektteams. Wir haben dies auch bei unseren Studierenden an der Hochschule beobachtet. Jeder sucht seinesgleichen. So bleiben etwa indische, französische oder italienische Studenten unter sich - aber ohne, dass sich Fronten gegen andere Gruppen ausbilden. Wie gesagt, die Tendenz des Menschen, seine eigene Gruppe zu favorisieren, ist ihm angeboren. Dennoch sollte man versuchen, dieses Verhalten bewusst zu durchbrechen. Wie haben Sie dies an Ihrer Hochschule getan? Wir haben Gruppen aus Studierenden aus verschiedenen Nationen und Kulturen gebildet. Oder aus verschiedenen Fachrichtungen; denn jeder Studierende favorisiert die Gruppe seiner eigenen Fachrichtung. Dies ist bei den Studierenden anfangs nicht auf Sympathie gestoßen. Aber am Ende wurde dies akzeptiert - und teils sogar begrüßt. Es lohnt sich also, bestimmte Gruppenphänomene bewusst zu durchbrechen. Die Leute zu zwingen: Vertraut uns, dieses Durchbrechen von Gruppenphänomenen tut euch letztlich gut. Zunächst sollten sie die Mitglieder bewusst zur Offenheit ermuntern und sich mit ihrer eigenen Meinung zurückhalten. Denn sonst kann es sein, dass die Gruppenmitglieder sich der Meinung ihres Projektmanagers anpassen. Also nicht vor der Gruppe seine Position darlegen und dann nach der Meinung der anderen fragen. - Eine weitere Strategie: Der Projektmanager setzt zwei Gruppen ein, die unabhängig voneinander die offenen Fragen diskutieren. Im Idealfall wissen die Gruppen nicht einmal voneinander. externe experten - eine Lösung mit tÜcken Lohnt es sich in diesen Situationen, externe Experten hinzuzuziehen? Dies wird häufig versucht. Und dies kann auch glücken. Man muss diesen externen Experten natürlich möglichst von der Gruppe abschotten, damit er sich nicht ihrer Meinung anpasst. Manche Gruppen schenken dem Urteil von Experten Glauben. Andere Gruppen wehren Experten aber auch ab - eben weil der Experte von der Gruppe abgeschottet ist und nicht zur „Ingroup“ gehört. Kurz: Man muss aufpassen. Der Schuss kann auch nach hinten losgehen. Projektmanager sollten nicht der Illusion verfallen, dass durch das Hinzuziehen eines Experten das Social Proof- Phänomen oder das Group Thinking automatisch verhindert werden. Sie haben eben den Begriff „Ingroup“ genannt. Beim Stakeholdermanagement ist vereinzelt zu beobachten: Interessengruppen entwickeln ein unangenehmes Eigenleben. Sie heben sich enorm hervor, werten andere Gruppen ab und bauen hohe Mauern zwischen sich und der Umwelt auf. Sie spielen auf das „polare Ingroup-Outgroup- Denken“ an. Jeder Mensch favorisiert die Gruppe, der er selbst angehört. Das ist normal. Führt dies „Mainstream“ ihrer Gruppe entfernen. Je stärker der Zusammenhalt der Gruppe ist, desto eher sind Mitglieder bereit, sich diesem Gruppenzwang zu fügen. Ob es sich um einen echten Zwang handelt im Sinne des „Pistole-auf-die-Brust-Setzens“, dies stelle ich mal dahin. Sozialwissenschaftler sprechen bei diesen Phänomenen von „sozialer Bewährtheit“ oder „Social Proof“. Bei dem Ansatz des „Social Proof“ ist von keinem aktiven Zwang die Rede. Das Gruppenmitglied folgt dem Satz: Je mehr Menschen eine Meinung für richtig halten, desto „wahrer“ muss sie wohl sein. Aus diesem Grund passt der Einzelne seine Meinung an - auch wenn er damit seine eigentliche Position aufgibt. Der Druck der Gruppe wirkt still und indirekt. riskantes „group tHinking“ Ähnlich wie bei dem berühmten Phänomen des Gruppendenkens, dem „Group Thinking“? Beim Group Thinking spielt ein starker Gruppenzusammenhalt sowie die Homogenität einer Gruppe eine Rolle. In homogenen, hochkohäsiven Gruppen sind Personen aufgrund ihres Harmoniestrebens besonders darauf bedacht, ihre Meinung der erwarteten Gruppenmeinung anzupassen. Auch Stresssituationen führen zu dieser Anpassung der Meinung. Dadurch kommt es zu defizitären Denkprozessen und sachlich unangemessenen Entscheidungen. Dieses „Group Thinking“ kann durchaus gefährlich werden … Man hat wissenschaftlich verschiedene Symptome des Group Thinking erkannt. Beispielsweise überschätzen sich Gruppen beim Group Thinking; sie halten sich für unverwundbar und moralisch integer - häufig eine große Illusion! Oder: Die Sichtweise wird eingeschränkt. Die Gruppe beginnt ihre Entscheidungen zu rationalisieren. Sie beurteilt Außenstehende nach Stereotypen und argumentiert mit Scheinbegründungen. Auch entsteht Druck zur Einstimmigkeit. Die Folge sind Selbstzensur, Zwang auf Andersdenkende und im Extremfall der Auftritt selbst ernannter „Bewusstseinswächter“. Solche Phänomene führen zu falschen Einschätzungen und Entscheidungen. Wie können Projektmanager vorbeugen? Beilagen in diesem Heft • 2 x GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. • Haufe Akademie GmbH & Co. KG Wir bitten um Beachtung. PM-aktuell_4-2016_Inhalt_01-88.indd 36 11.08.2016 13: 07: 15 Uhr