PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Der Anteil der Projektarbeit in Deutschland und Norwegen im Vergleich
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Andreas Wald
Maria Magdalena Aguilar Velasco
Torbjørn Bjorvatn
Aiste Grønvold
Jenny Skeibrok
Frida Linnea Svensson
In der Ausgabe 5/2015 der Zeitschrift projektManagement aktuell wurden die Ergebnisse einer von der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. gemeinsam mit der EBS Universität für Wirtschaft und Recht durchgeführten Studie zur Messung des Anteils der Projekttätigkeit in der deutschen Wirtschaft vorgestellt. Diese Studie wurde nun an der University of Agder in Norwegen repliziert. Insgesamt zeigt sich, dass auch in Norwegen ein wesentlicher Anteil der Wirtschaftsleistung in Projekten generiert wird. Der Anteil der Projektarbeit betrug dort im Jahr 2014 32,6 Prozent und ist damit ähnlich hoch wie in Deutschland (34,7% 2013). Interessante Unterschiede zwischen beiden Ländern zeigt jedoch die detailliertere Betrachtung einzelner Branchen.
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projektManagementaktuell | ausgabe 4.2016 50 Wissen In vielen Veröffentlichungen zum Projektmanagement wurde immer wieder auf die starke Zunahme der Projektarbeit und damit einhergehend die steigende Bedeutung des Projektmanagements hingewiesen. Das tatsächliche Ausmaß der Projektarbeit, insbesondere im Verhältnis zur regulären Arbeit in der Linienorganisation, wurde jedoch nicht gemessen. Die GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. hat gemeinsam mit der EBS Universität für Wirtschaft und Recht im Jahr 2014 erstmals eine Studie durchgeführt, in deren Rahmen die volkswirtschaftliche Bedeutung der Projektarbeit für Deutschland insgesamt, aber auch für einzelne Branchen untersucht wurde. Die Ergebnisse dieser Studie wurden in der Ausgabe 5/ 2015 der projektManagement aktuell vorgestellt. Insgesamt wurde für das Jahr 2013 ein Anteil der Projektarbeit von 34,7 Prozent ermittelt, wobei deutliche branchenspezifische Unterschiede bestehen [4, 6]. Die Ergebnisse der deutschen Studie unterstreichen die hohe Bedeutung der Projektarbeit für die gesamte deutsche Volkswirtschaft und bieten zum ersten Mal eine aussagekräftige Prozentzahl, die das Ausmaß der Projektarbeit im Vergleich zur Linienarbeit angibt. Doch wie hoch ist der Anteil der Projektarbeit in anderen Ländern? Lassen sich deutliche Unterschiede beobachten und in welchen Branchen liegen diese vor? Dazu wurde an der University of Agder (Kristiansand, Norwegen) die deutsche Studie für Norwegen repliziert. Um die Vergleichbarkeit der Ergebnisse zwischen dem skandinavischen Land und Deutschland zu gewährleisten, wurde dazu das gleiche Erhebungsinstrument eingesetzt. 1. Zur Vergleichbarkeit beider Länder Deutschland und Norwegen weisen eine Reihe von Gemeinsamkeiten, aber auch bedeutende Unterschiede auf, die es beim Vergleich der Ergebnisse zu beachten gilt. Gemessen an Indikatoren wie dem Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt handelt es sich um zwei der weltweit führenden Volkswirtschaften: So lag 2014 Norwegen weltweit auf Platz 1 und Deutschland auf Platz 16 [8]. Es gibt jedoch einen erheblichen Größenunterschied: Deutschland ist mit 81 Millionen Einwohnern (2015) deutlich größer als Norwegen mit 5,2 Millionen Einwohnern (2015). Beide Länder haben eine ausdifferenzierte Volkswirtschaft mit einem für entwickelte Länder üblichen großen Dienstleistungssektor. Eine nationale Besonderheit stellt der primäre Sektor in Norwegen dar. Die Förderung von Öl und Gas sowie die dazugehörigen vor- und nachgelagerten Industrien tragen über 20 Prozent zur gesamten Bruttowertschöpfung (BWS) bei. Aufgrund der hohen Lohn- und Produktionskosten sind sowohl Deutschland als auch Norwegen auf ihre Innovationsfähigkeit angewiesen, um international wettbewerbsfähig zu sein. Projekte werden in diesem Zusammenhang oft als geeignete Organisationsform beschrieben, um Innovationen zu generieren und umzusetzen [2, 3]. Dementsprechend ist auch in Norwegen ein hoher Projektifizierungsgrad zu erwarten. 2. Studiendesign Um die internationale Vergleichbarkeit der Daten zur Projektifizierung zu gewährleisten, wurde die deutsche Studie weitestgehend repliziert. Insbesondere wurde exakt der gleiche Fragebogen übernommen, der sowohl ins Englische als auch ins Norwegische übersetzt wurde (vgl. dazu den GPM Studienbericht [4]). Bei der deutschen Studie wurden die Daten im Rahmen von Telefoninterviews erhoben. Dies ermöglichte eine weitgehende Kontrolle bei der Da- Projektifizierung auch im Norden Der Anteil der Projektarbeit in Deutschland und Norwegen im Vergleich autoren: andreas Wald, Maria Magdalena aguilar Velasco, Torbjørn bjorvatn, aiste grønvold, Jenny skeibrok, Frida Linnea svensson >> Für eilige Leser In der Ausgabe 5/ 2015 der Zeitschrift projektManagement aktuell wurden die Ergebnisse einer von der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. gemeinsam mit der EBS Universität für Wirtschaft und Recht durchgeführten Studie zur Messung des Anteils der Projekttätigkeit in der deutschen Wirtschaft vorgestellt. Diese Studie wurde nun an der University of Agder in Norwegen repliziert. Insgesamt zeigt sich, dass auch in Norwegen ein wesentlicher Anteil der Wirtschaftsleistung in Projekten generiert wird. Der Anteil der Projektarbeit betrug dort im Jahr 2014 32,6 Prozent und ist damit ähnlich hoch wie in Deutschland (34,7 % 2013). Interessante Unterschiede zwischen beiden Ländern zeigt jedoch die detailliertere Betrachtung einzelner Branchen. PM-aktuell_4-2016_Inhalt_01-88.indd 50 12.08.2016 10: 31: 32 Uhr Wissen 51 projektManagementaktuell | ausgabe 4.2016 erhoben wurden. Dieses führt im Wesentlichen externe Projekte durch. Darüber hinaus wird der vergleichsweise höhere Anteil externer Projekte in der norwegischen Wirtschaft auch durch den Öl- und Gassektor bedingt. Die Anteile der unterschiedlichen internen Projektarten auf Ebene der gesamten Volkswirtschaft variieren nur unwesentlich und bewegen sich zwischen 14 Prozent (Organisations-/ HR- Projekte, Infrastrukturprojekte) und 18 Prozent (F & E-Projekte). Die durchschnittliche Größe eines Projektteams in Norwegen betrug im Jahr 2014 5,6 Mitarbeiter (Deutschland: 9,2). Die durchschnittliche Dauer betrug 8,2 Monate (Deutschland: 9,3). Dem entspricht auch ein geringeres durchschnittliches Projektbudget von ca. 660.000 Euro (Deutschland: 1,3 Millionen Euro). Diese Werte unterscheiden sich jedoch deutlich voneinander, wenn man einzelne Wirtschaftsbereiche betrachtet. So beträgt beispielsweise die durchschnittliche Größe des Projektteams im Öl- und Gassektor 10,6 Mitarbeiter, während diese in der Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei nur 4,9 Mitarbeiter umfasst. 4. Umfang der Projekttätigkeit in Norwegen Um das Ausmaß der Projektifizierung einer Volkswirtschaft zu messen, wurde in der deutschen der Subsektor „Öl und Gas“ separat betrachtet. Dies spiegelt die hohe Bedeutung der Öl- und Gasförderung für die norwegische Wirtschaft wider. Die in der deutschen Studie nicht erhobenen, sondern geschätzten Werte für die Bauindustrie, des Grundstücks- und Wohnungswesen sowie Unternehmensdienstleister wurden in der norwegischen Studie erhoben, sind aber in der Kategorie „Sonstige Dienstleistungen“ zusammengefasst. 3. Die Projektlandschaft in Norwegen Tabelle 1 zeigt die Häufigkeit des Auftretens unterschiedlicher Projektarten sowohl insgesamt als auch differenziert nach den einzelnen Wirtschaftsbereichen. Insgesamt haben in Norwegen externe, das heißt für Kunden durchgeführte Projekte, einen Anteil von 22 Prozent und interne Projekte einen Anteil von 78 Prozent. Damit liegt der Anteil externer Projekte höher als in Deutschland (16 %). Die detaillierte Betrachtung der einzelnen Wirtschaftsbereiche zeigt, dass insbesondere das produzierende Gewerbe, Öl und Gas sowie die in der Residualkategorie „Sonstige Dienstleister + Baugewerbe + Grundstücks- & Wohnungswesen“ vertretenen Wirtschaftsbereiche einen hohen Anteil externer Projekte aufweisen. In Letzterer ist das Baugewerbe enthalten, für das in der deutschen Studie keine Daten tenerhebung und sicherte eine hohe Datenqualität. Telefoninterviews gehen jedoch mit einem sehr hohen Aufwand einher, sodass die deutsche Studie auf eine Stichprobe von n = 500 Fällen beschränkt war [4, 6]. Bei der norwegischen Studie wurden zu Beginn einige Telefoninterviews durchgeführt, um die Verständlichkeit der Fragen zu testen, die eigentliche Datenerhebung erfolgte jedoch internetbasiert. Dazu wurden per E-Mail Firmen aus der norwegischen Firmendatenbank „Proff“ angeschrieben. Die E-Mail enthielt einen Link zum Online-Fragebogen, der die gleichen Angaben und Erläuterungen (Projektdefinition, Projektarten etc.) enthielt wie der deutsche Fragebogen. Insgesamt konnten so 1.412 verwertbare Antworten gewonnen werden. Dieser erheblich größeren Stichprobe, insbesondere wenn man die kleinere norwegische Volkswirtschaft beachtet, steht jedoch möglicherweise eine etwas geringere Datenqualität gegenüber. Aufgrund der begrenzten Stichprobengröße in der deutschen Studie wurde der Anteil der Projektarbeit für sehr stark projektorientierte Branchen, z. B. die Bauindustrie, ebenso geschätzt wie für eher projektferne Branchen, z. B. Landwirtschaft. Hier unterscheidet sich die Vorgehensweise in der norwegischen Studie: Es wurden detaillierte Daten zum Sektor „Land- & Forstwirtschaft, Fischerei“ erhoben, und innerhalb des Sektors „Produzierendes Gewerbe“ wurde Interne Projekte Externe Projekte n Organisations-/ HR-Projekte IT- Projekte F&E/ Neuproduktentwicklungsprojekte Marketing-/ Vertriebsprojekte Infrastrukturprojekte Kundenprojekte Anzahl der Fälle Land- & Forstwirtschaft, Fischerei 16 % 12 % 22 % 15 % 14 % 21 % 37 Produzierendes Gewerbe (ohne Baugewerbe und Öl und Gas) 14 % 14 % 19 % 16 % 13 % 24 % 230 Öl und Gas 11 % 16 % 20 % 14 % 13 % 25 % 67 Handel, Verkehr, Gastgewerbe 15 % 17 % 14 % 21 % 15 % 18 % 315 Information & Kommunikation 10 % 18 % 20 % 16 % 12 % 24 % 94 Finanz- und Versicherungsdienstleister 14 % 21 % 14 % 17 % 14 % 21 % 44 Öffentlicher Dienst, Erziehung, Gesundheit 19 % 17 % 17 % 12 % 16 % 19 % 270 Sonstige Dienstleister + Baugewerbe + Grundstücks- & Wohnungswesen 14 % 15 % 15 % 16 % 13 % 27 % 355 Gesamt 14 % 16 % 18 % 16 % 14 % 22 % 1.412 Tab. 1: Projektarten differenziert nach Wirtschaftsbereichen PM-aktuell_4-2016_Inhalt_01-88.indd 51 12.08.2016 10: 31: 32 Uhr projektManagementaktuell | ausgabe 4.2016 52 Wissen 5. Entwicklung der Projekttätigkeit von 2010 bis 2020 Der Begriff Projektifizierung wird nicht nur verwendet, um einen hohen Anteil der Projektarbeit zu beschreiben. Es wird vielmehr davon ausgegangen, dass es sich dabei um einen Prozess handelt, bei dem eine Zunahme der Projektarbeit im zeitlichen Verlauf zu beobachten ist [3]. Auch diese dynamische Entwicklung wurde in der deutschen Studie empirisch belegt, indem eine Zunahme des Anteils der Projektarbeit von 29,3 Prozent im Jahr 2009 bis auf 41,3 Prozent im Jahr 2019 prognostiziert wurde. Die entsprechenden Werte für die norwegische Studie sind in Tabelle 3 verzeichnet. Dabei ist wie für die deutsche Studie zu beachten, dass es sich bei den Werten für das Jahr 2020 um Prognosen der befragten Personen handelt. Insgesamt zeigt sich für die zeitliche Entwicklung der Projektifizierung auch in Norwegen eine Zunahme im Zeitraum 2010 bis 2020. Wie in Deutschland wird hier von abnehmenden Wachsschiedlichen Bedeutung einzelner Wirtschaftsbereiche wird durch dieses Ergebnis die Annahme eines hohen Projektifizierungsgrades, insbesondere in entwickelten Volkswirtschaften, weiter empirisch belegt. Größere Unterschiede fallen bei der Betrachtung der einzelnen Wirtschaftsbereiche auf. Der in Deutschland weitestgehend unbedeutende Öl- und Gassektor weist in Norwegen mit 50,7 Prozent den höchsten Anteil von Projektarbeit auf, gefolgt von Information und Kommunikation (48 %) und dem produzierenden Gewerbe (47,7 %). Der Projektanteil in den Bereichen Handel, Verkehr, Gastgewerbe liegt in Norwegen deutlich niedriger als in Deutschland (13,4 % zu 42 %), ebenso wie der Projektanteil im öffentlichen Sektor (14,2 % zu 17,8 %). Interessant ist auch der Projektanteil von Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei, der mit 28,6 Prozent überraschend hoch ausfällt. Dieser Wert wurde aufgrund des geringen Anteils an der Bruttowertschöpfung in Deutschland nur geschätzt (4 %). Studie vor allem der Indikator „Anteil der Arbeitszeit in Projekten“ verwendet [4, 6]. Diese inputorientierte Kennzahl wird in Prozent der Gesamtarbeitszeit in einer Organisation angegeben. Diese Kennzahl wurde auch in der norwegischen Studie erhoben. Aus den Werten der einzelnen Unternehmen wurden Durchschnittswerte für die verschiedenen Wirtschaftsbereiche berechnet. Diese wurden dann mit dem jeweiligen Anteil des Sektors an der Bruttowertschöpfung gewichtet und im letzten Schritt wurde daraus über alle Sektoren hinweg ein Gesamtwert berechnet. Auch hier entspricht die Vorgehensweise der in der deutschen Studie. In Tabelle 2 sind die durchschnittlichen Anteile der Arbeitszeit in Projekten für die einzelnen Wirtschaftsbereiche und insgesamt, für die gesamte Volkswirtschaft, dargestellt. Der Anteil der Arbeitszeit in Projekten an der Gesamtarbeitszeit betrug im Jahr 2014 in Norwegen 32,6 Prozent. Damit ergibt sich auf Ebene der gesamten Wirtschaft ein ähnlicher Wert wie in Deutschland (34,7 % 2013). Trotz der Größenunterschiede beider Länder sowie der unter- NACE-Code Sektor Deutschland Norwegen Anteil Arbeitszeit Projekte 2013 Anteil an BWS 2013 * Anteil Arbeitszeit Projekte 2014 Anteil an BWS 2014 ** A Land- & Forstwirtschaft, Fischerei 4,0 % 0,9 % 28,6 % 1,7 % B-E Produzierendes Gewerbe ohne Baugewerbe 41,9 % 26,1 % 47,2 % 32,6 % davon produzierendes Gewerbe - - 37,6 % 8,8 % davon Öl und Gas - - 50,7 % 23,9 % F Baugewerbe 80,0 % 4,6 % - - G-I Handel, Verkehr, Gastgewerbe 42,0 % 15,6 % 13,4 % 13,9 % J Information & Kommunikation 37,7 % 4,7 % 48,0 % 3,8 % K Finanz- und Versicherungsdienstleister 23,0 % 4,1 % 21,4 % 5,1 % L Grundstücks- & Wohnungswesen 2,0 % 11,1 % - - M-N Unternehmensdienstleister 60,0 % 10,7 % - - O-Q Öffentliche Dienstleister, Erziehung, Gesundheit 17,8 % 18,1 % 14,2 % 22,0 % S Sonstige Dienstleister 23,0 % 4,1 % - - S + F + L + M-N Sonstige Dienstleister + Baugewerbe + Grundstücks- & Wohnungswesen + Unternehmensdienstleister - - 40,5 % 20,9 % Gesamt *** 34,7 % 100,0 % 32,6 % 100,0 % * Quelle: Statistisches Bundesamt ** Quelle: Eurostat, Statistics Norway *** Die Gesamtwerte wurden nach dem Anteil der Wirtschaftsbereiche an der Bruttowertschöpfung (BWS) gewichtet. Kursiv gedruckte Werte wurden geschätzt. Tab. 2: Anteil der Projekttätigkeit an der Gesamtarbeitszeit im Vergleich PM-aktuell_4-2016_Inhalt_01-88.indd 52 12.08.2016 10: 31: 32 Uhr Wissen 53 projektManagementaktuell | ausgabe 4.2016 Wert (34,7 %). Dadurch wird die hohe Bedeutung der Projektarbeit für entwickelte, ausdifferenzierte Volkswirtschaften weiter unterstrichen und damit auch die Notwendigkeit des Einsatzes von effektivem und effizientem Projektmanagement. Gezeigt wurde auch, dass die Berücksichtigung nationaler Besonderheiten bei der Messung des Anteils der Projektarbeit notwendig erscheint, wie am Beispiel des Öl- und Gassektors in Norwegen ersichtlich wurde. Neben den Werten zum Projektifizierungsgrad des skandinavischen Landes insgesamt sowie einzelner Wirtschaftsbereiche unterstreichen die Ergebnisse für Norwegen auch die Zuverlässigkeit des eingesetzten Messverfahrens. Wie bei der Präsentation der deutschen Studie ausführlich erläutert, liegen weder vonseiten der nationalen statistischen (Bundes-)Ämter Zahlen zum Anteil der Projektarbeit vor, noch werden entsprechende Kennzahlen systematisch und vollständig in den Kostenrechnungssystemem von Unternehmen erfasst. Daher wurden die Werte im Rahmen von großzahligen Befragungen von Unternehmen erhoben, bei denen Experten in den Unternehmen die entsprechenden Werte geschätzt haben. Obwohl solche Einschätzungen immer nur eine Annäherung darstellen, scheint aufgrund der ähnlichen Gesamtwerte und plautumsraten ausgegangen, das heißt, der Anteil der Projektarbeit scheint sich in der Zukunft auf einem hohen Niveau zu stabilisieren. In Deutschland wird dabei für das Jahr 2019 von einem Anteil der Projektarbeit von insgesamt 41,3 Prozent ausgegangen, während die Prognose für Norwegen mit 33,8 Prozent für das Jahr 2020 deutlich darunter liegt. Die Zuwachsraten liegen hier für den Zeitraum 2010 bis 2014 bei 24,3 Prozent und für den Zeitraum 2014 bis 2020 bei nur noch 7,5 Prozent. Möglicherweise ist in der norwegischen Wirtschaft der Prozess der Projektifizierung bereits weiter vorangeschritten, sodass sich der Sättigungsgrad etwas früher einstellt als in Deutschland. 6. Fazit Nachdem für Deutschland weltweit erstmalig eine systematische und vollständige Messung des Anteils der Projektarbeit in der gesamten Volkswirtschaft vorgenommen wurde, wurde in diesem Beitrag eine Studie für Norwegen vorgestellt, in der die deutsche Studie hinsichtlich des eingesetzten Messverfahrens weitestgehend repliziert wurde. Der gefundene Wert des Projektifizierungsgrades der norwegischen Volkswirtschaft (32,6 %) liegt dabei sehr nahe am deutschen Sektor Anteil an BWS 2014 * Anteil Arbeitszeit Projekte 2010 Anteil Arbeitszeit Projekte 2014 Anteil Arbeitszeit Projekte 2020 P Steigerung 2010-2014 Steigerung 2014-2020 Land- & Forstwirtschaft, Fischerei 1,7 % 22,6 % 28,6 % 27,4 % 26,6 % -4,2 % Produzierendes Gewerbe ohne Baugewerbe 32,6 % 42,2 % 47,2 % 47,8 % 11,8 % 1,3 % davon produzierendes Gewerbe 8,8 % 31,9 % 37,6 % 38,6 % 18,0 % 2,6 % davon Öl und Gas 23,9 % 45,8 % 50,7 % 51,0 % 10,7 % 0,6 % Handel, Verkehr, Gastgewerbe 13,9 % 9,0 % 13,4 % 16,0 % 49,1 % 19,2 % Information & Kommunikation 3,8 % 35,1 % 48,0 % 50,7 % 36,9 % 5,5 % Finanz- und Versicherungsdienstleister 5,1 % 16,3 % 21,4 % 23,3 % 31,4 % 8,8 % Öffentliche Dienstleister, Erziehung, Gesundheit 22,0 % 11,1 % 14,2 % 16,2 % 28,2 % 13,8 % Sonstige Dienstleister + Baugewerbe + Grundstücks- & Wohnungswesen + Unternehmensdienstleister 20,9 % 34,0 % 40,5 % 42,1 % 19,1 % 4,0 % Norwegen Gesamt ** 100,0 % 27,1 % 32,6 % 33,8 % 24,3 % 7,5 % * Quelle: Eurostat, Statistics Norway ** Die Gesamtwerte wurden nach dem Anteil der Wirtschaftsbereiche an der Bruttowertschöpfung (BWS) gewichtet. P = Prognose Tab. 3: Die Projektifizierung im Zeitablauf siblen Teilwerte der einzelnen Wirtschaftsbereiche in beiden Ländern eine recht zuverlässige Messung vorzuliegen. Nachdem der Projektifizierungsgrad in einem nord- und einem westeuropäischen Land gemessen wurde, wäre es für die Zukunft wünschenswert, entsprechende Studien in süd- und osteuropäischen Ländern vorzunehmen, um im Ergebnis einen gesamteuropäischen Überblick zu erhalten. Dieser könnte dazu dienen, Vergleiche mit anderen Ländern und Regionen durchzuführen, wobei hier insbesondere der Anteil der Projektarbeit in Entwicklungs- und Schwellenländern interessant wäre. 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Studienbericht, GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V., 2015, www.gpm-ipma.de/ fileadmin/ user_ upload/ Know-How/ studien/ GPM_Studie_Ver messung_der_Projektt%C3%A4tigkeit.pdf [5] Statistics Norway: National accounts and business cycles. 2016, www.ssb.no/ en/ nasjo nalregnskap-og-konjunkturer/ statistikker/ nr/ aar/ [6] Wald, A./ Schneider, C./ Spanuth, T./ Schoper, Y.: Die Projektifizierung der deutschen Wirtschaft: Ergebnisse einer Studie zur Messung der Projekttätigkeit. In: projektManagement aktuell, 26. Jahrgang, Heft 5/ 2015, S. 60-65 [7] Statistisches Bundesamt: Bruttowertschöpfung nach Wirtschaftsbereichen. 2014, www. destatis.de/ DE/ ZahlenFakten/ Gesamtwirtschaft Umwelt/ VGR/ Inlandsprodukt/ [8] Worldbank: Countries. 2016, www.world bank.org/ en/ country Schlagwörter Deutschland, Norwegen, Projektifizierung, Projekttätigkeit, Volkswirtschaft, Wirtschaftsbereich Autoren Prof. Dr. Andreas Wald ist Professor für Strategie an der School of Business and Law der University of Agder (Norwegen) und Adjunct Professor an der EBS Business School der EBS Universität für Wirtschaft und Recht in Oestrich- Winkel. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Temporäre Organisationen, Organisatorische Netzwerke und Innovation. Er ist Mitherausgeber der Buchreihe „Advanced Project Management“ sowie Autor einer Vielzahl von Aufsätzen zum Projektmanagement. Seine Arbeiten erscheinen unter anderem in wissenschaftlichen Zeitschriften wie Project Management Journal, International Journal of Project Management, International Journal of Project Organisation and Management und International Journal of Managing Projects in Business. Anschrift: School of Business and Law, University of Agder, Gimlemoen 25, 4630 Kristiansand, Norway, Tel.: ++47/ 957/ 3 23 42, E-Mail: Andreas.Wald@uia.no Maria Magdalena Aguilar Velasco ist Masterstudentin an der School of Business and Law der University of Agder. Sie schreibt ihre Masterarbeit zum Thema Projektorganisation und Innovationsfähigkeit von Unternehmen. Kontakt: E-Mail: Marima14@student.uia.no Torbjørn Bjorvatn ist Doktorand an der School of Business and Law der University of Agder. Er hat einen Master in International Business von der Norwegian School of Economics and Business Administration in Bergen und einen Bachelor in Politischer Wissenschaft, Russisch und Osteuropastudien von der Universität Oslo. Seine Forschungsgebiete liegen in den Bereichen Wissensmanagement, Projektmanagement, internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit und Regionalentwicklung. Kontakt: E-Mail: Torbjorn.Bjorvatn@uia.no Aiste Grønvold ist Masterstudentin an der School of Business and Law der University of Agder. Sie schreibt ihre Masterarbeit zum Thema Projektorganisation und Innovationsfähigkeit von Unternehmen. Kontakt: E-Mail: Aiste.Groenvold@gmail.com Jenny Skeibrok hat einen Master in Business Administration von der School of Business and Law der University of Agder. In ihrer Masterarbeit hat sie den Zusammenhang der Projektarbeit und Flexibilität in Organisationen untersucht. Kontakt: E-Mail: skeibrok.jenny@gmail.com Frida Linnea Svensson hat einen Master in Business Administration von der School of Business and Law der University of Agder. In ihrer Masterarbeit hat sie den Zusammenhang der Projektarbeit und Flexibilität in Organisationen untersucht. Kontakt: E-Mail: Fridalinneasvensson@gmail. com PM-aktuell_4-2016_Inhalt_01-88.indd 54 16.08.2016 6: 46: 05 Uhr