PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Interkulturelle Projektteamarbeit – erfolgreich über Ländergrenzen hinweg
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Markus H. Dahm
Lars Gottschling-Knudsen
Teams mit interkultureller Beteiligung bieten Potenzial für kreative Problemlösungen. Die von Hofstede aufgezeigten Kulturdimensionen machen deutlich, dass die Kultur des Herkunftslandes des jeweiligen Teammitglieds ein wesentlicher Einflussfaktor für die Projektteamarbeit ist. Die Kulturdimensionen dürfen jedoch nicht als alleiniger Maßstab zur Vorhersage des Verhaltens einzelner Mitglieder aus anderen Kulturkreisen gesehen werden. Kulturelle Differenzen werden durch die interkulturelle Betrachtung bewusst verdeutlicht. Dieses Ziel strebt auch die „GLOBE“-Studie an. Sie versucht, Erklärungen für das Vorhandensein von kulturellen Differenzen zu vermitteln. So kann mit Spannungsfeldern im Projektumfeld gezielter umgegangen werden.
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projektManagementaktuell | ausgabe 4.2016 62 Wissen Um Projekte im internationalen Umfeld erfolgreich umsetzen zu können, gilt es auch, kulturelle Aspekte umfassend zu berücksichtigen. Die Zusammenarbeit im Projektteam unterliegt u. a. Einflüssen, die kulturellen Ursprungs sind. Um den Balanceakt meistern zu können, unterschiedliche Lebens- und Arbeitseinstellungen der Projektteilnehmer im Sinne des Projektes zielführend zu beeinflussen, bedarf es interkultureller Führungskompetenzen. Dieser Artikel zeigt die wesentlichen Erfolgsfaktoren auf, die in der Anwendung von internationaler Projektteamarbeit von Bedeutung sind. In Verbindung damit ist es Ziel dieses Artikels, die wissenschaftlichen Erkenntnisse aus den Bereichen Kulturforschung und interkulturelle Führung anhand von Praxisbeispielen für Ihre Berufspraxis anschaulich darzustellen. Einleitung Die zunehmende Globalisierung, die fortschreitende informationstechnologische Vernetzung und sich verkürzende Produktlebenszyklen sind Beispiele für Rahmenbedingungen, die heute starken Einfluss auf Organisationen ausüben. Für Projektteams, die in diesen Organisationen tätig sind, entstehen vielseitige Herausforderungen, primär bedingt durch die verschiedenartige kulturelle Prägung der Teammitglieder. In der Regel werden Organisationen von einer Gruppe dominiert, die Werte, Normen und Regeln für alle Mitarbeiter bestimmt und relevante Entscheidungspositionen [1, S. 48] besetzt. Solche homogenen Organisationen haben Probleme, auf die vielseitigen kulturellen Herausforderungen angemessen zu reagieren. Interkulturelles Teamworking ist ein gutes Mittel, Homogenität in Organisationen durch kulturelle Heterogenität [2, S. 149] zu überwinden. Im Ergebnis werden kulturspezifische Problemstellungen erfolgreicher gelöst. Die sich aus einer multikulturellen Situation heraus stellenden Probleme für die Teammitglieder dürfen nicht unterschätzt werden, da sie einen erheblichen Einfluss auf den Erfolg des gesamten Projektes haben können. Unterschiede im Arbeitsstil, in den Wertvorstellungen und den Kommunikationsregeln sowie in den Denk- und Verhaltensweisen können für jedes einzelne Mitglied des Teams zur Herausforderung werden. Das Ziel dieses Beitrages ist es, die Erfolgsparameter für das Gelingen eines interkulturellen Projektteams zu benennen und kurze Handlungsempfehlungen zu geben. Zu diesem Zweck sollen Analysen der generellen Erfolgsparameter interkultureller Teamarbeit abgebildet werden. Die erklärenden Darstellungen erfolgen in Anlehnung an die Kulturdimensionen nach Hofstede und die entsprechend aktuellen Klassifizierungen und Erkenntnisse der globalen Studie „Global Leadership and Organizational Behavior Effectiveness (GLOBE)“ [3]. Erfolgsparameter für das Gelingen interkulturellen Teamworkings Der Begriff der Kultur Seinen Ursprung hat der Begriff „Kultur“ im Griechischen, wo er sich auf die Kultivierung und die Urbarmachung von Boden in der Landwirtschaft bezog. Heute kann Kultur als die Summe der geteilten Werte innerhalb einer Gesellschaft und als ein Teilbereich der nicht beeinflussbaren Umwelt verstanden werden. Diese gesellschaftlichen Werte sind individuell verinnerlicht und handlungsleitend [4, S. 279]. Generelle Erfolgsparameter Zunächst bedarf es einer Differenzierung nach mehreren Kriterien [5, S. 12-13]. Dabei ist die Art des Kontaktes zueinander von Bedeutung. Interkulturelle Projektteamarbeit - erfolgreich über Ländergrenzen hinweg autoren: Markus H. Dahm, Lars gottschling-Knudsen >> Für eilige Leser Teams mit interkultureller Beteiligung bieten Potenzial für kreative Problemlösungen. Die von Hofstede aufgezeigten Kulturdimensionen machen deutlich, dass die Kultur des Herkunftslandes des jeweiligen Teammitglieds ein wesentlicher Einflussfaktor für die Projektteamarbeit ist. Die Kulturdimensionen dürfen jedoch nicht als alleiniger Maßstab zur Vorhersage des Verhaltens einzelner Mitglieder aus anderen Kulturkreisen gesehen werden. Kulturelle Differenzen werden durch die interkulturelle Betrachtung bewusst verdeutlicht. Dieses Ziel strebt auch die „GLOBE“-Studie an. Sie versucht, Erklärungen für das Vorhandensein von kulturellen Differenzen zu vermitteln. So kann mit Spannungsfeldern im Projektumfeld gezielter umgegangen werden. PM-aktuell_4-2016_Inhalt_01-88.indd 62 12.08.2016 10: 31: 38 Uhr Wissen 63 projektManagementaktuell | ausgabe 4.2016 niemals aufgrund von Kostengesichtspunkten auf persönliche „Face-to-Face-Treffen“ verzichtet werden. Kultur als Erfolgsparameter interkultureller Teams Anhand der vorangegangenen Darstellungen wird deutlich, welche essenzielle Rolle die Berücksichtigung des Faktors „Kultur“ bei dem Aufbau eines interkulturellen Projektteams hat. Im Nachfolgenden soll deshalb eine genauere Betrachtung dieses Faktors erfolgen. Dabei wird auf den Kulturbegriff nach Geert Hofstede Bezug genommen. Dieser bildet den Ausgangspunkt und wird im Rahmen der gesamtheitlichen Betrachtung kritisch den Erkenntnissen der aktuellen Studie „GLOBE“ gegenübergestellt. Im Sinne von Hofstede gilt es, den Begriff Kultur im engeren Sinne (Ebene der Zivilisation, musische und geistige Prägung) zu verstehen und von der sogenannten „Kultur Zwei“ zu differenzieren. „Kultur Zwei“ - welche die Basis für Hofstedes Untersuchung bildet - umfasst die „kollektive Programmierung des Geistes, die die Mitglieder einer Gruppe von einer anderen unterscheidet“ [4, S. 4]. Auch die „GLOBE“-Studie bedient sich der Gruppenebene, um den Begriff Kultur näher zu beschreiben. Im Gegensatz zu Hofstede fokussiert die „GLOBE“-Studie jedoch sehr stark Kulturformen, die aus gesellschaftlicher sowie organisatorischer Perspektive erklärt werden können. Dieser Unterschied ist bedingt durch den Umfang der „GLOBE“-Studie [3, S. 602], die in 62 Ländern dem Phänomen Kultur nachging. Darüber hinaus zielt diese Studie sehr stark auf die Erklärung von Unterschieden in kulturell bedingtem Führungsverhalten ab. Auch die primäre Konzentration auf die Gruppe des mittleren Managements spiegelt den starken Fokus der „GLOBE“- Kulturanalyse in Bezug auf die Anwendung von Führungsverhalten wider. Daher ist die „GLOBE“- Studie unter Hinweis auf ihren speziellen Fokus und ihre Aktualität sowie ihren Umfang sehr empfehlenswert für den Kontext der internationalen Unternehmensführungspraxis. Mit dem Ziel dieses Beitrags, Kultur im grundlegenden Sinne zu verstehen und auch auf die Herausforderungen im Umfeld der Unternehmensführung zu projizieren, wurden die nach wie vor allgemeingültigen Kulturdimensionen nach Hofstede ausgewählt. Die Bedeutung dieser Kulturdimensionen wurde auch in der „GLOBE“praktischen Anwendung der Arbeitssprache auftreten. Das bedeutet, dass eventuell Übersetzung oder gar Sprachwechsel angeboten werden muss; nur so kann vermieden werden, dass einzelne Mitglieder aus dem aktiven Vorbereitungs- und Arbeitsprozess herausfallen. Innerhalb des Teams ist eine gleichberechtigte, gleichwertige Kommunikationsbeteiligung aller Mitglieder unerlässlich. Jeder Einzelne muss in der Lage sein, sowohl inhaltlich als auch hinsichtlich der Gestaltung der Kommunikationssituation mitzuwirken. Daher ist ein Teammitglied als „Sprachvermittler“ weniger sinnvoll; diese Person würde kaum in der Lage sein, gleichzeitig ihre eigenen Interessen und Anliegen einzubringen [9, S. 26]. Was sind die Hauptansatzpunkte zur Steigerung der Erfolgsaussichten eines interkulturellen Teams? Ein Kernelement dabei ist die Berücksichtigung und Achtung des jeweiligen kulturellen Hintergrunds der einzelnen Mitglieder. Die meisten Probleme in interkulturellen Projektteams basieren nicht auf dem Vorhandensein kultureller Unterschiede, sondern auf deren mangelhafter Berücksichtigung [10, S. 1051]. Wichtig ist vor allem, dass der einzelne Mitarbeiter kulturelle Sensibilität entwickelt und diese auch zeigt. Hierzu muss allerdings eine generelle Offenheit gegenüber anderen Kulturen vorhanden sein; nur so lässt sich das für den Erfolg des Teams notwendige Vertrauen aufbauen. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Verteilung des kulturellen Einflusses innerhalb des Teams. Diese kulturelle Einflussverteilung sollte ausgeglichen sein, da bei kultureller Dominanz der Verlust der positiven Effekte der interkulturellen Teamarbeit droht. Die Teammitglieder aus anderen Kulturen, den dann devoten Kulturen, werden nicht mehr in der Lage sein, ihre Ideen und Ansätze durchzusetzen. Besonders eine Einflussverteilung zugunsten von Teammitgliedern aus den oftmals größeren Zentralen der Muttergesellschaften kann sich nachhaltig negativ auf die Produktivität innerhalb der Gruppe auswirken [11, S. 48]. Um trotz der eventuellen geografischen Zerstreutheit des Teams zu einer für alle Mitglieder verlässlichen Routine zu kommen, ist es unerlässlich, eine explizite Abfolge von Gruppen-Meetings zu planen. Hierbei ist es wichtig, auf eine ausgewogene Mischung aus persönlichen Treffen und dem Kontakt über moderne Kommunikationsmittel zu achten. Die Nutzung von Telefon, Video und E-Mail ist üblicherweise für den täglichen Ablauf unabdingbar, doch sollte Sie definiert, wie häufig und auf welche Art das Team kommuniziert. Zu unterscheiden ist zwischen täglichen und nur sporadischen Zusammenkünften. Entscheidend ist auch, ob die Treffen vor Ort stattfinden, ob der Kontakt über Medien, wie Telefon, Video oder E-Mail überwiegt, ob es sich also um ein sogenanntes virtuelles Team [6] handelt. Für die Identifikation der Problemfelder ist die Zusammensetzung des Teams relevant. Hierbei ist festzustellen, ob tatsächlich ein multikulturelles Team vorliegt oder ob es innerhalb der Gruppe zu einer bestimmten Kulturdominanz [7, S. 200] gekommen ist. Auch die jeweilige Aufgabenstellung ist von Bedeutung. Die Maßnahmen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit sollen im Kontext ihres Einsatzzeitpunkts - das heißt vor Beginn der Arbeitsaufnahme und während des Arbeitsprozesses - dargestellt werden. Aufgrund der Problematik der Kommunikation kommt schon vor Beginn der eigentlichen Projektteamarbeit der Auswahl der Teammitglieder eine Schlüsselrolle zu; dabei sollte die individuelle Sprachkompetenz ein wesentliches Auswahlkriterium sein. Diese Fähigkeit betreffend sollten die Mitglieder möglichst nicht weit auseinander liegen. Nur so ist eine effiziente und effektive Arbeit im Team möglich. Wichtig ist weiterhin, dass nach Möglichkeit ein kulturelles Gleichgewicht geschaffen wird, sodass die Situation einer einseitigen Dominanz umgangen wird [8, S. 79]. Die Auswahl des Teamleiters ist ebenfalls ein wichtiger Faktor: Dieser sollte ein gutes Einfühlungsvermögen für die kulturellen Unterschiede in der Gruppe aufweisen. Es sollte geprüft werden, ob für diese Funktion ein Mitarbeiter aus der Zentrale eingesetzt wird, da dies von Gruppenmitgliedern aus Niederlassungen als ein ethnozentristischer [4, S. 137] Akt interpretiert werden kann. Zu beachten ist auch, dass in manchen Ländern wie Japan oder Deutschland ein für die jeweilige Aufgabe exzellentes Fachwissen notwendig ist, um den Respekt der anderen Teammitglieder zu erlangen. Notwendig ist es, eine gemeinsame Teamkultur zu etablieren. Zu berücksichtigen sind dabei die Wünsche und Erwartungen des Einzelnen an die Gruppe, die Stärken und Schwächen jedes Mitglieds und die verschiedenen, auf dem jeweiligen kulturellen Hintergrund basierenden Arbeitsweisen. In interkulturell besetzten Teams muss davon ausgegangen werden, dass Probleme bei der PM-aktuell_4-2016_Inhalt_01-88.indd 63 12.08.2016 10: 31: 39 Uhr projektManagementaktuell | ausgabe 4.2016 64 Wissen derungen und beruflichen Erfolgen eine eher höhere Bedeutung zu. Teammitglieder aus feminin geprägten Kulturen legen Wert auf ein gutes Verhältnis zum Vorgesetzten, eine reibungslose Zusammenarbeit mit den anderen Teammitgliedern und einen sicheren Arbeitsplatz. Maskulinität kennzeichnet eine Gesellschaft, in der die Rollen der Geschlechter klar gegeneinander abgegrenzt sind: Männer haben bestimmt, hart und materiell orientiert zu sein, Frauen müssen bescheidener, sensibler sein und Wert auf Lebensqualität legen. Femininität kennzeichnet eine Gesellschaft, in der sich die Rollen der Geschlechter überschneiden: Sowohl Frauen als auch Männer sollten bescheiden und feinfühlig sein und Wert auf Lebensqualität legen. Die Unterschiede zwischen beiden Kulturen lassen sich wie folgt verdeutlichen: Das von der Maskulinität geprägte Teammitglied würde sagen: „Ich lebe, um zu arbeiten.“ Das von der Femininität geprägte Teammitglied würde sagen: „Ich arbeite, um zu leben.“ Teamleiter in femininen Kulturen verlassen sich auf ihr „Bauchgefühl“ und streben nach dem Kompromiss, wohingegen in maskulinen Kulturen von ihnen erwartet werden würde, zielstrebig und bestimmt zu sein. Unsicherheitsvermeidung Unter Unsicherheitsvermeidung kann der Grad, in dem Menschen aus einer Kultur sich durch ungewisse oder unbekannte Situationen bedroht fühlen, verstanden werden. Teammitglieder können darauf mit Nervosität oder dem Verlangen nach festen Regeln und Vorschriften reagieren. Die Teammitglieder aus Kulturen, bei denen Hofstede einen stärker ausgeprägten Unsicherheitsvermeidungsindex ermittelte, wirken auf andere häufig unruhig, emotional, aggressiv und aktiv, während sie in Kulturen mit einem schwach ausgeprägten Unsicherheitsvermeidungsindex eher einen ruhigen, gelassenen, trägen, kontrollierten oder gar faulen Eindruck vermitteln. Im Allgemeinen versuchen Teammitglieder, die einer stärker ausgeprägten Unsicherheitsvermeidung anhängen, die Ungewissheit zu reduzieren. Dies impliziert, dass unsicherheitsvermeidende Teammitglieder versuchen, in ihren Projekten Strukturen zu schaffen, die die Ergebnisse klar interpretierbar und vorhersehbar machen. Ein Zeichen dafür ist, dass es in Teams mit starker Neigung zur Unsicherheitsvermeidung zahlreiche Formalitäten gibt, die die Rechte und Pflichten keit - was zu einem autokratischen oder patriarchalischen Vorgesetzten führt - oder mit völliger Ablehnung. Machtdistanz kann also definiert werden als das Ausmaß, bis zu welchem die weniger mächtigen Mitglieder von Institutionen bzw. Organisationen eines Landes erwarten und akzeptieren, dass Macht ungleich verteilt ist. Reibungspunkte in den kulturellen Ausprägungen sind etwa, dass Teammitglieder mit gering ausgeprägter Machtdistanz eher erwarten, an der Entscheidungsfindung teilzuhaben. Hingegen erwarten Teammitglieder mit stark ausgeprägter Machtdistanz Vorgaben zu erhalten, wobei der ideale Vorgesetzte ein „wohlwollender Autokrat oder gütiger Vater“ ist. Individualismus/ Kollektivismus Diese Dimension wird hauptsächlich durch die Rolle des Individuums gegenüber der Rolle der gesamten Gruppe determiniert. Teams, in denen das Interesse des Einzelnen den Interessen der Gruppe untergeordnet ist, können als „vom Kollektivismus geprägt“ bezeichnet werden. Teams, in denen das Interesse des Einzelnen Vorrang vor den Interessen der Gruppe hat, können als „vom Individualismus geprägt“ betrachtet werden. Individualismus beschreibt Gesellschaften, in denen Bindungen zwischen Menschen locker sind; man erwartet von jedem, dass er für sich selbst sorgt. Der Kollektivismus hingegen beschreibt Gesellschaften, in denen der Mensch von Geburt an in starke, geschlossene Wir-Gruppen integriert ist, die ihn ein Leben lang schützen. In den vom Individualismus geprägten Teams gilt als wichtiges Kriterium für den Einzelnen etwa persönliche Zeit für Privates. In der Regel stehen Individualismusindex und Machtdistanzindex in negativer Beziehung; viele Länder, die beim Machtdistanzindex einen hohen Wert aufweisen, weisen einen niedrigen beim Individualismus auf und umgekehrt. Dieser Sachverhalt lässt sich daran verdeutlichen, dass Kulturen, in denen die Menschen von Wir-Gruppen abhängig sind, normalerweise auch von Autokraten bestimmt werden. Maskulinität/ Femininität Bei dieser Dimension geht es darum, ob Bestimmtheit, also Maskulinität, oder Bescheidenheit, Femininität, im Verhalten betont ist. Teammitglieder aus maskulinen Kulturen messen Punkten wie Einkommen, beruflichen Herausfor- Studie [3, S. 286-287, 338, 558, 603, 608- 611, 644-645] mehrfach bestätigt. Daher wird sehr oft auf Hofstedes Kulturdimensionen verwiesen. Zusätzlich widmet sich die Studie genau diesen Kulturdimensionen und baut ihre Analysen oft auf Grundlage dieser auf. Daher ist es nicht verwunderlich, dass auch die Bezeichnungen der Hofstede-Kulturdimensionen Eingang in die „GLOBE“-Studie [3, S. 282, 513, 602] als eigenes Kapitel fanden und weitreichend um die neuen Studienergebnisse ergänzt wurden. Kulturdimensionen nach Hofstede Im Folgenden sollen die fünf Ausprägungen der „Kultur Zwei“ näher dargestellt werden. Dabei wird auf die Ergebnisse Hofstedes [12, S. 4-197] aus den Befragungen von Angestellten der IBM Corporation in ähnlichen beruflichen Positionen, aber aus unterschiedlichen Kulturen zurückgegriffen. Wegen der großen Anzahl gesammelter Daten, der Berücksichtigung einer Vielzahl von Kulturen und ihrer empirischen Beweislegung ist diese Studie bisher die bedeutendste der vorliegenden Kulturuntersuchungen. Hofstede ermittelte die nachfolgend dargestellten Kulturdimensionen durch die Analyse von über 100.000 Personen in 67 Ländern. Dabei wurden durch Ermittlung von Indexwerten in den einzelnen Dimensionen Länderranglisten aufgestellt. Die Kulturdimensionen werden hier zur Veranschaulichung direkt auf die Arbeit in interkulturellen Teams bezogen. Machtdistanz Der Begriff der Machtdistanz beschreibt die soziale Distanz, die zwischen einem Teammitglied und dem Teamleiter besteht. Die Analyse der Machtdistanz ergibt den Grad der Abhängigkeit in Beziehungen. Innerhalb von Kulturen mit geringer Machtdistanz ist das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Teammitglied und Teamleiter begrenzt und es wird ein eher beratender Stil des Teamleiters bevorzugt. Damit ist die soziale Distanz zwischen ihnen auch eher gering, d. h., für das Teammitglied ist der Teamleiter immer ansprechbar und es ist ihm möglich, diesem zu widersprechen. In Ländern mit großer Machtdistanz ist eine große Abhängigkeit des Teammitglieds von seinem Teamleiter festzustellen. Die Teammitglieder reagieren darauf mit Akzeptanz dieser Abhängig- PM-aktuell_4-2016_Inhalt_01-88.indd 64 12.08.2016 10: 31: 39 Uhr Wissen 65 projektManagementaktuell | ausgabe 4.2016 ment von interkulturellen Beziehungen verstärkt an Bedeutung. Mit den Chancen der Globalisierung, auf unterschiedliche Ressourcen in verschiedenen Geografien zurückgreifen zu können, geht auch die Herausforderung einher, die Risiken der unterschiedlichen interkulturellen Wertvorstellungen aller Beteiligten umfassend koordinieren zu müssen. Speziell bei Innovationsprojekten besteht oft die Unsicherheit, wie das Ergebnis letztendlich aussieht und auf welchem Weg das Ziel am besten erreicht werden kann. Hierbei kommt dem interkulturellen Management besonders die Aufgabe zu, die von Hofstede [12, S. 4-197] und der „GLOBE“-Studie [3, S. 4, 602-647] beschriebenen Dimension der „Unsicherheitsvermeidung“ in ihren verschiedenen Erscheinungsformen erkennen und ergebnisorientiert steuern zu können. Mit Bezug auf diese Herausforderungen in der Rolle einer interkulturell aktiven Führungskraft ist die „GLOBE“-Studie umfassend informativ, um bestehende Erscheinungsformen von „Unsicherheitsvermeidung“ im internationalen Unternehmensumfeld verständlich aufzuzeigen. Daher ist der bewusste Einsatz von interkulturellen Kompetenzen unabdingbar für eine erfolgreiche interkulturelle Projektarbeit. Trotz der vielfachen Kritik [15, S. 1-3; 3, S. 4, 609] an Geert Hofstedes langjährigen Forschungsergebnissen führt sein Sohn Gert Jan Hofstede die Forschung [16, S. 15-16; 17; 18] weiter fort. Besonders die neuen Betrachtungen von Gert Jan Hofstede, Kultur u. a. mithilfe von gesellschaftlich-sozialen Aspekten und historisch gewachsenen Beziehungen modellartig zu erklären, bieten durchaus neue Perspektiven. Literatur/ Anmerkungen [1] Vedder, G.: Diversity Management - Es lebe der Unterschied. In: Direkt Marketing, Heft 2, 2001, S. 48-49 [2] von der Oelsnitz, D.: Kulturelle Heterogenität - Leitlinien der Teamführung im interkulturellen Kontext. In: Zeitschrift für Management, 1, 2006, S. 142-166 [3] House, R. J./ Global Leadership and Organizational Behavior Effectiveness Research Program: Culture, leadership, and organizations: The GLOBE study of 62 societies. Sage Publications, Thousand Oaks, Kalifornien 2006 [4] Perlitz, M.: Internationales Management. 4. Auflage, Stuttgart 2000 Themas mit dem Namen „Culturally Indorsed Implicit Leadership Theory“. Daher ist diese Studie sehr nützlich, das Verständnis für das Vorhandensein von kulturellen Differenzen zu erklären, um mit Spannungsfeldern und Lösungsansätzen im beruflichen Umfeld informierter und gezielter umgehen zu können. Ferner sei darauf hingewiesen, dass Hofstede in seiner Analyse nur die von ihm erdachte „Kultur Zwei“ beleuchtete. In erster Linie macht jedoch die „Kultur Eins“ den Charakter eines Menschen aus. Aus diesem Grund ist eine abschließende allgemeingültige Handlungsempfehlung bezüglich interkultureller Projektarbeit nicht möglich. Es können höchstens die menschlichen Eigenschaften festgestellt werden, die einen idealen interkulturellen Teamplayer ausmachen. Als die wichtigsten Eigenschaften [2, S. 144, 149] für Mitarbeiter in interkulturellen Teamsituationen gelten Empathie, Ausdauer und Leistungsbereitschaft, Toleranz und Offenheit sowie eine ausgeprägte Kontaktfreudigkeit. Deshalb bedarf es in erster Linie einer bedachten Auswahl der Teammitglieder, um die Potenziale der interkulturellen Teams auszuschöpfen. Die folgenden drei Erfolgsfaktoren stellen die wesentlichen Triebfedern dar: • Interkulturelle Trainings in Vorbereitung auf erfolgreiches, interkulturelles Führen [14, S. 70] • Anwendung unterschiedlicher und adaptierter Führungsstile [10, S. 1051] • Bewusste Steuerung kultureller Heterogenität zur Steigerung der Innovationskraft [13, S. 93] Die Relevanz dieser drei Faktoren für die Anwendung in der Managementpraxis wird besonders deutlich im Zusammenhang mit der Studie [14, S. 63-69] zu interkultureller Führung im Projektteam 360° ELECTRIC bei der BMW Group. In Anlehnung an die beschriebenen Kulturdimensionen von Hofstede wurden in der BMW- Fallstudie Kulturdimensionen in geografische Cluster unterteilt. Das Erlangen von interkulturellen Kompetenzen wird als Voraussetzung beschrieben, anschließend kulturadaptierte Führungsstile erfolgreich anzuwenden. Die hieraus resultierenden Herausforderungen in der Managementpraxis stehen besonders im Zusammenhang mit der Priorisierung und der Durchführung von Projekten. Denn gerade mit Bezug auf die Durchführung von Innovationsprojekten im Projektumfeld und die vorab benannten Erfolgsfaktoren gewinnt das erfolgreiche Managefestlegen - zusätzlich zu zahlreichen internen Regeln, die den Arbeitsablauf bestimmen. Langzeitorientierung Die Dimension der Langzeitorientierung beschreibt, in welchem Ausmaß in einer Kultur langfristiges Denken wertgeschätzt wird. Teammitglieder mit starker Langzeitorientierung zeichnen sich durch eine beharrliche, stark zielgerichtete Arbeitsweise aus, jedoch werden Ergebnisse nur langsam erreicht. In Teams mit einem großen Anteil an langzeitorientierten Mitgliedern entstehen nach Hofstede sehr stabile und verbindliche soziale Gefüge über einen langen Zeitraum hinweg. Teammitglieder mit wenig ausgeprägter Langzeitorientierung sind eher gegenwartsorientiert und arbeiten auf rasche Ergebniserzielung hin. In Teams mit einem großen Anteil solcher Mitglieder vollziehen sich soziale Veränderungen nach Hofstede sehr leicht, die entstehenden sozialen Verhältnisse sind allerdings entsprechend instabil und unverbindlich. Schlussfolgerungen Allgemein anerkannt ist, dass Teams mit interkultureller Beteiligung ein enormes Potenzial für kreative Problemlösungen bieten [13, S. 93]. Dabei dürfen jedoch die vorhandenen Risiken nicht übersehen werden. Die von Hofstede aufgezeigten Kulturdimensionen machen deutlich, dass die Kultur des Herkunftslandes des jeweiligen Mitglieds im internationalen Team ein nicht unwesentlicher Erfolgsfaktor sein kann. Jedoch sollten die Kulturdimensionen nicht als alleiniger Maßstab zur Vorhersage des Verhaltens einzelner Mitglieder aus anderen Kulturkreisen gesehen werden. Hofstede selbst warnt in diesem Zusammenhang vor der Bildung von Stereotypen [12, S. 376]. Kulturelle Differenzen bleiben trotz deren Analyse bestehen: Sie werden durch die interkulturelle Betrachtung nur bewusst gemacht. Dieses Ziel strebt auch die „GLOBE“-Studie [3, S. 4] an. Denn vor dem Hintergrund der weiterhin anhaltenden Globalisierung beeinflussen interkulturelle Geschäftsbeziehungen ebenso den beruflichen Alltag wie die Existenz von Führungsstilen, die einer gewissen kulturellen Prägung unterliegen. Diesem Phänomen der impliziten Prägung von Führungsstilen auf Grundlage von interkulturellen Einflüssen widmet sich die „GLOBE“-Studie [3, S. 18] sehr intensiv in der Untersuchung des PM-aktuell_4-2016_Inhalt_01-88.indd 65 12.08.2016 10: 31: 39 Uhr projektManagementaktuell | ausgabe 4.2016 66 Wissen Autoren Prof. Dr. Markus H. Dahm ist Strategieberater und Manager bei IBM Global Business Services, Hamburg. Ferner lehrt und forscht er an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management in den Themenfeldern Internationales Projektmanagement und Strategisches Management. Er hat mehr als 20 Jahre Projekt(leitungs-) erfahrung, gerade im interkulturellen Kontext. Anschrift: IBM Deutschland GmbH, Beim Strohhause 17, 20097 Hamburg, E-Mail: Markus. Dahm@de.ibm.com FOM Hochschule für Oekonomie & Management, Schäferkampsallee 16 a, 20357 Hamburg Lars Gottschling-Knudsen ist Senior Analyst und Projektleiter bei Danske Bank, Kopenhagen. In seiner Rolle als Gastdozent lehrt er an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management, Hamburg, im Fach Internationales Projekt- und Innovationsmanagement. Er verfügt über mehr als zehn Jahre internationale Projekt(leitungs-)erfahrung. Anschrift: Holmens Kanal 2-12, 1092 Kopenhagen, Dänemark, E-Mail: lgot@danskebank.com [13] Gassmann, O.: Multicultural teams: Increasing Creativity and Innovation by Diversity. In: Creativity and Innovation Management, 2, 2001, S. 88-95 [14] Tannert, W./ Schimmelpfennig, C./ Jenewein, W.: Interkulturelle Projektarbeit - Leadership Challenge vor der Marketing Challenge. In: Marketing Review St. Gallen, 5, 2013, S. 60-71 [15] Hofstede, G.: What is culture? A reply to baskerville. In: Accounting, Organizations and Society, 7, 2003, S. 811-813 [16] Hofstede, G. J.: Research on cultures: How to use it in training? In: European Journal Cross-Cultural Competence and Management, Vol. 1, No. 1, 2009 [17] Hofstede, G. J./ Hofstede, G. H./ Pedersen, P.: Exploring culture: Exercises, stories, and synthetic cultures. Intercultural Press, Yarmouth 2002 [18] Hofstede, G. J.: Culture‚s causes: The next challenge. In: Cross Cultural Management, 4, 2015, S.545 Schlagwörter „GLOBE“-Studie, Hofstede, interkulturelle Führungskompetenzen, internationale Projektteamarbeit, Kulturdimensionen, kulturelle Spannungsfelder Kompetenzelemente der ICB 4.0 2.03 Persönliche Kommunikation, 2.06 Teamarbeit [5] Brinkmann, U./ van Weerdenburg, O.: Intercultural readiness: Four competences for working across cultures. Palgrave Macmillan, 2014 [6] Ein virtuelles interkulturelles Team ist ein interkulturelles Team, das geografisch über verschiedene Standorte verstreut ist und seine gemeinsame Arbeit ausschließlich durch Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien erledigt. [7] Tamir, Y.: A note on multiculturalism and cultural dominance. In: Proceedings of the Annual Meeting, American Society of International Law, 1996, S. 200-206 [8] Abraham, P./ Abraham, M.: Multikulturelle Teams arbeitsfähig machen. In: Organisationsentwicklung, Heft 4, 2000, S. 76-83 [9] Otten, M.: Teamentwicklung in interkulturellen Arbeitsgruppen. In: Organisationsentwicklung, Heft 4, 2000, S. 26-29 [10] Bachmann, A./ Wolf, J.: Führung multikultureller Teams: Eine Konzeptualisierung und empirische Analyse der Notwendigkeit unterschiedlicher Führungsstile. In: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 10, 2007, S.1035-1064 [11] Holtbrügge, D./ Puck, J. F.: Interkulturelle Teams - Chancen, Risiken und Erfolgsfaktoren. In: Personalmanagement, Heft 8, 2003, S. 46-49 [12] Hofstede, G.: Lokales Denken, Globales Handeln. Interkulturelle Zusammenarbeit und globales Management. 2. Auflage, München 2001 Anzeige Projektmanagement. Prozessorientiert. Durchdachte Prozesse geben in den Unternehmen die Abläufe vor. So werden zielsicherer Projektabwicklung im gesamten Projektportfolio. CONTACT Hannover | 22.09. Stuttgart | 28.10. Jetzt kostenlos anmelden! PM-aktuell_4-2016_Inhalt_01-88.indd 66 12.08.2016 10: 31: 41 Uhr