eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 27/4

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
101
2016
274 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Pst ... schon gehört? Held oder Nicht-Held, das ist hier die Frage

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2016
Jacqueline Irrgang
Siegfried ist Projektleiter. Er heißt genauso wie jener Siegfried aus der Nibelungensage und das war so: Siegfried badete in Drachenblut und wurde dadurch unverwundbar. Ein kleines Blatt fiel vom Baum ihm auf den Rücken und machte ihn dort verwundbar, weil diese Stelle nicht mit Drachenblut getränkt wurde.
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projektManagementaktuell | ausgabe 4.2016 68 Wissen Siegfried ist Projektleiter. Er heißt genauso wie jener Siegfried aus der Nibelungensage und das war so: Siegfried badete in Drachenblut und wurde dadurch unverwundbar. Ein kleines Blatt fiel vom Baum ihm auf den Rücken und machte ihn dort verwundbar, weil diese Stelle nicht mit Drachenblut getränkt wurde. Doch zurück zu Projektleiter-Siegfried: Er ist groß, drahtig und sehr elegant gekleidet. Und so begibt es sich eines Tages, dass er zu einem Projekt gerufen wird. Als zertifizierter und hoch dekorierter Projektleiter, als Keynote Speaker auf namhaften Projektmanagementkongressen und als gefeiertes Projektmanagementgenie braucht er eines gewiss nicht: eine Rüstung. Denn er glaubt, unverwundbar zu sein. Der Sack voller Goldmünzen als Obulus für den Projektkrieg ist schnell verhandelt und seine Aufgaben glasklar: der Aufbau eines Risikofrühwarnsystems für die Unternehmenssteuerung. Zwei Wochen später schreitet er zur Tat. Er lädt alle Führungskräfte ein und beginnt mit den Worten: „Ich heiße Siegfried und bin unverwundbar. Wer nicht für mich ist, ist gegen mich! “ Die Führungskräfte schauen sich irritiert an. Er fährt fort: „In den nächsten vier Wochen werden wir ein Frühwarnsystem aufbauen.“ Leise meldet sich Friedrich, der CIO, und gibt zu bedenken, dass dies unmöglich zu schaffen sei. Siegfried lässt ein Exempel statuieren, beschimpft ihn als Bedenkenträger und entfernt ihn kurzerhand aus der Sitzung. Doch was macht ein top ausgebildeter Projektmanager, der noch nie etwas von einem gruppendynamischen Prozess gehört hat, geschweige denn das Feingefühl besitzt, diesen zu erkennen? Die Führungskräfte schauen sich während der Sitzung verschwörerisch an und der entfernte Friedrich schreibt an alle eine SMS mit dem Wortlaut: „Heute Abend um 19.00 Uhr bitte alle in mein Büro kommen, Friedrich“. Noch am selben Abend treffen sich die Führungskräfte zu einer konspirativen Sitzung. Die Gruppe recherchiert über Siegfried und sucht nach einem Ansatzpunkt, mit dem sie es ihm heimzahlen kann. Denn auch sie kennt die Nibelungensage. Stunde um Stunde vergeht. Siegfrieds Vita ist makellos. Sie sind müde und gerade dabei, die Sitzung abzubrechen, als sich Walther, der Finanzvorstand, meldet: „Ich hab‚s. Schaut her. Er hat noch nie Risiken gemanagt. Damit weiß er nicht, dass Risiken klassifiziert werden müssen. Wir werden ihn mit Risiken überschütten und ihm nicht verraten, wie sie zu klassifizieren sind. Wollen wir doch mal sehen, wie unser Projektgenie das hinkriegt.“ Auf Kommando klatschen alle und rufen unisono: „Ja, das ist es. So machen wir das.“ Mit frischem Elan und hoch motiviert identifizieren die Führungskräfte in den nächsten vier Wochen Risiken, was das Zeug hält. Siegfried ist begeistert über den Projektfortschritt und das Anschwellen der Risikodatenbank. Prima denkt er sich mit stolzgeschwellter Brust. Es ist eben wichtig, von Anfang an klarzumachen, wer das Sagen hat, und schon klappt alles wie am Schnürchen. Nach vier Wochen, pünktlich zum vereinbarten Einführungstermin, hält Siegfried die Projektabschlusspräsentation. Stolz präsentiert Siegfried die Zahl „894“. Dies ist die Anzahl der vom Projektteam identifizierten Risiken. Siegfried sieht sich am Ziel, als sich lächelnd Walther, der Finanzvorstand, zu Wort meldet: „Ihre Analyse in allen Ehren. Aber dies ist nur die halbe Miete. Die Risiken müssen klassifiziert und kategorisiert werden, ansonsten nützt uns das nichts.“ Siegfried versucht dagegen zu halten, merkt aber schnell, dass er Walthers Argument nicht entkräften kann. Er hat sein Projektziel nicht erreicht. Welch eine Schmach! Tja, wie war das noch einmal mit der Unverwundbarkeit? Unterschätze niemals die Gruppendynamik und vor allem denke immer daran: Hochmut kommt vor dem Fall.  Autorin Jacqueline Irrgang managt mit Herz und Verstand Projekte und hat sich auf Kundenservice spezialisiert. Sie ist studierte Wirtschaftsinformatikerin, diplomierter systemischer Coach sowie Executive Interimsmanagerin und schaut auf über 30 Jahre Projektarbeit zurück. Nach dem Motto „Projektmanagement mal ganz anders“ hat sie das Buch „Tatort Projekt“ veröffentlicht. Ihr Lebensprojekt: Sie möchte Service-Päpstin von Deutschland werden. Anschrift: E-Mail: J.Irrgang@ccq.de Projektgeflüster Pst … schon gehört ? Held oder Nicht-Held, das ist hier die Frage autorin: Jacqueline irrgang PM-aktuell_4-2016_Inhalt_01-88.indd 68 12.08.2016 10: 31: 43 Uhr