PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Wie kann „gesundes Projektmanagement“ aussehen?
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Eva Aue
Martina Baehr
Ilona Eggert
Anke Makkai
Roswitha Müller-Ettrich
Der Artikel beruht auf den Ergebnissen der GPM Studie zur Burn-out-Gefährdung der Projektmanagerinnen und Projektmanager von 2014. Die Ergebnisse wurden in zahlreichen Regionalgruppen vorgestellt. In den Workshops ging es um die Möglichkeiten der Burn-out-Prävention für die in der Projektwirtschaft Beschäftigten und wie sie ihre eigene Resilienz ausbauen können. Es wurden im Einzelnen die Themen innere Einstellung und gesundes Verhalten, Projekt- und Unternehmenskultur sowie Projektführung und Organisation diskutiert. Zudem werden praktikable Anforderungen und Maßnahmen an ein „gesundes Projektmanagement“ beschrieben.
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projektManagementaktuell | ausgabe 4.2016 70 KaRRieRe In einer Studie der PM-Expertinnen der GPM über die Arbeitsbedingungen und Karrierechancen von Projektmanagerinnen und Projektmanagern [1] von 2009 sahen die Befragten den größten Vorteil der Projektarbeit (knapp 100 %) in den immer neuen Herausforderungen. Als größten Nachteil gaben 65 Prozent der Befragten die „Furcht vor Burn-out“ an. Woher kommt diese Besorgnis? Was sind die größten Treiber dafür? Ist es der Termin- und Leistungsdruck, der Innovationsdruck, sind es unrealistische Pläne, nicht beherrschbare Änderungen in den Projekten, ist es die fehlende Unterstützung und Anerkennung durch die Vorgesetzten? Welchen Einfluss hat das private Umfeld? Letztlich lautet die Kernfrage: Ist diese Furcht berechtigt, sind Mitarbeiter der Projektwirtschaft tatsächlich Burnout-gefährdet und in welchem Maße? Um dies herauszufinden, initiierten die PM-Expertinnen 2014 in Zusammenarbeit mit dem Centrum für Disease Management an der TU München eine Studie zu diesem Thema (Ergebnisse der Burnout-Studie 2014 siehe [2]). Während der „Arbeitskreis Burn-out-Studie“ mit Eva Aue, Martina Baehr, Ilona Eggert, Anke Makkai und Roswitha Müller-Ettrich (Projektleitung) die projektmanagementspezifischen Fragen erarbeitete, deckte die Ärztin Dr. Tatjana Reichhart sowohl die medizinische Seite der Burn-out-Symptomatik als auch die Gegebenheiten zur psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz ab. Bereits die sehr hohe Studienbeteiligung mit über 1.000 Teilnehmern aus dem Bereich Projektmanagement bewies das immense Interesse an diesem Thema. Die Ergebnisse der Online-Befragung zeigen im Vergleich zu den berufsübergreifenden Studien der Krankenkassen [3-4], dass die Teilnehmer der GPM Studie in fast allen Punkten kritischere Werte aufwiesen. Anhand eines standardisierten Messinstruments konnte bei 35 Prozent der Befragten ein erhöhtes Burn-out- Risiko festgestellt werden. Dabei ist der Burn-out keine eigenständige Diagnose, er gilt aber als Risikofaktor und möglicher Wegbereiter bei der Entstehung einer diagnostizierbaren und behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung wie zum Beispiel Depression und Abhängigkeitserkrankung. Neben äußeren risikohaften Bedingungen, z. B. häufige Unterbrechung bei der Arbeit, kommen bestimmte Persönlichkeitseigenschaften als potenzielle Risikofaktoren hinzu. So stimmten zum Beispiel 90 Prozent der Studienteilnehmer der Aussage „Ich bin erst dann mit mir zufrieden, wenn ich mein Bestes gegeben habe“ zu. Es sind gerade die Projektmanager besonders gefährdet, die sehr leistungsorientiert sind, sich selbst antreiben, zu wenig auf ihre eigenen Bedürfnisse achten und dabei oft über ihre eigenen Grenzen gehen. Die Warnzeichen ihres Körpers werden ignoriert, weil die Bedürfnisse anderer häufig Vorrang haben und die verbleibende Zeit nicht ausreicht, sich regelmäßig zu erholen. Die äußeren (umweltbezogenen) und inneren (persönlichkeitsbezogenen) Risikofaktoren zu kennen und zu beachten, ist sowohl für Unternehmen als auch für die im Projektmanagement Beschäftigten von besonderer Bedeutung, um Krankheiten zu vermeiden und die Widerstandskraft gegenüber Stress zu stärken. Diese Erkenntnisse waren für die Mitglieder des Arbeitskreises Burn-out-Studie der PM-Expertinnen Anlass genug, eine Vielzahl von Regionalgruppen, von Köln bis Chemnitz und von Hamburg bis München zu besuchen, die Studienergebnisse vorzustellen und auf die unterschiedlichen Risikofaktoren hinzuweisen. Die Vorträge bei den Regionalgruppen bestanden in der Regel aus einem Vortrag zu den Studienergebnissen und einem anschließenden Workshop, in dem die Teilnehmer Präventionsmaßnahmen formulieren konnten, die sich ihrer Erfahrung nach in der Praxis bewährt haben oder die ihrer Erfahrung nach risikomindernd wirken. Die in den Regionalgruppenveranstaltungen gesammelten Maßnahmen - an die 200 - wurden auf Metaplankarten festgehalten und in folgende drei Oberthemen untergliedert: 1. Innere Einstellung und gesundes Verhalten 2. Projekt- und Unternehmenskultur 3. Projektführung und Projektorganisation 1. Innere Einstellung und gesundes Verhalten In der Studie zur Burn-out-Gefährdung von Projektmanagerinnen und Projektmanagern wurde Ergebnisse einer Workshop-Reihe zur Burn-out-Prävention in der Projektarbeit Wie kann „gesundes Projektmanagement“ aussehen? autorinnen: eva aue, Martina baehr, ilona eggert, anke Makkai, Roswitha Müller-ettrich >> Für eilige Leser Der Artikel beruht auf den Ergebnissen der GPM Studie zur Burn-out- Gefährdung der Projektmanagerinnen und Projektmanager von 2014. Die Ergebnisse wurden in zahlreichen Regionalgruppen vorgestellt. In den Workshops ging es um die Möglichkeiten der Burn-out-Prävention für die in der Projektwirtschaft Beschäftigten und wie sie ihre eigene Resilienz ausbauen können. Es wurden im Einzelnen die Themen innere Einstellung und gesundes Verhalten, Projekt- und Unternehmenskultur sowie Projektführung und Organisation diskutiert. Zudem werden praktikable Anforderungen und Maßnahmen an ein „gesundes Projektmanagement“ beschrieben. PM-aktuell_4-2016_Inhalt_01-88.indd 70 12.08.2016 10: 31: 44 Uhr KaRRieRe 71 projektManagementaktuell | ausgabe 4.2016 nisse nicht beachtet werden. Die Studie hat gezeigt, dass erfahrene Projektleiter ein geringeres Burn-out-Risiko haben. Das könnte unter anderem damit zusammenhängen, dass sie ihre Grenzen besser kennen und auch mehr Übung im Umgang mit Abgrenzung haben. Umso wichtiger wäre es, dieses Thema in der Ausbildung von Projektmanagern stärker zu berücksichtigen. Ein zweiter Schwerpunkt, der in diesem Zusammenhang genannt wurde, betrifft das Delegieren. Hier ist die Entwicklung von Vertrauen in die Fähigkeiten der Kolleginnen und Kollegen von zentraler Bedeutung, und manchmal sind auch 90 Prozent der geplanten Leistung ausreichend, um die Projektziele zu erreichen. Balance zwischen Berufs- und Privatleben halten: Für viele Diskussionsteilnehmer spielt der private Ausgleich eine wichtige Rolle. Die Vorschläge lauten im Einzelnen: soziale Kontakte und die Familie als Energiespender pflegen und regelmäßig einem Hobby nachgehen sowie ausreichend Urlaub machen und diesen nicht immer wieder wegen dringender Projektarbeiten verschieben. Multitasking vermeiden: Die meisten Diskussionsteilnehmer sind sich einig: Ständiges Multitasking ist eine Illusion. Die „Rüstzeit“ für die zusätzlichen Tätigkeiten bzw. der schnelle Wechsel unterschiedlicher Tätigkeiten erzeugen einen anwachsenden Druck und eine zunehmende Überforderung. Diese Erkenntnis sollte allen Akteuren bewusst sein. Wenn in Meetings laufend E-Mails gecheckt werden und Teilnehmer immer wieder rausgehen, um zu telefonieren, geht dies zulasten der Konzentration und Dauer. Wenn hingegen feste Mittagspausen. Ein anderer Vorschlag lautet: mittags rausgehen und einfach mal abschalten. Andere machen gymnastische Übungen im Arbeitsalltag oder halten, soweit möglich, einen kurzen Mittagsschlaf. Delegieren, sich abgrenzen, „Nein sagen lernen“: Das Thema Grenzen setzen und auch mal Nein sagen fällt offensichtlich vielen Mitarbeitern schwer. Manche haben Angst vor den Konsequenzen, andere haben die Befürchtung, Kollegen vor den Kopf zu stoßen. Wichtig ist, die eigenen Grenzen und die Grenzüberschreitung durch andere wahrzunehmen und sich bewusst zu machen, dass vor allem die eigenen Bedürfzwischen inneren und äußeren Risikofaktoren unterschieden. Die inneren Risikofaktoren werden maßgeblich durch die innere Einstellung und das eigene Verhalten beeinflusst. Hat jemand beispielsweise einen hohen Leistungsanspruch an sich selbst - was immerhin 87,9 Prozent der Befragten mit Ja beantwortet haben -, kann das dazu führen, dass man unter Stress und Belastung einen immer höheren inneren Druck aufbaut. Damit es nicht so weit kommt, ist es wichtig, sich über seine Bedürfnisse und seine persönlichen Belastungsgrenzen bewusst zu werden. Dabei hilft eine zweistufige Vorgehensweise: Man muss sich zuerst die Zeit nehmen, die eigenen, oft automatisierten Reaktionsmuster wahrzunehmen. Solange man ständig in hektischer Betriebsamkeit steckt, einen Termin nach dem anderen absolviert oder von einer Aktivität zur nächsten wechselt, wird das nicht gelingen. Danach geht es darum, sich neue, gesündere Rituale oder Routinen zu überlegen, diese dann über einen längeren Zeitraum zu praktizieren, bis sie schließlich zur Gewohnheit werden. Im Folgenden werden die in den Diskussionsrunden am häufigsten genannten Maßnahmen beschrieben: Pausen, Entspannung, Bewegung: „Auszeiten“ stehen hier an erster Stelle. Sie dienen nicht nur der Entspannung, sondern vor allem dem Erhalt der eigenen Leistungsfähigkeit und Kreativität. Das heißt, regelmäßig Pausen einhalten oder auch kurze Entspannungsübungen in den Arbeitsalltag integrieren. Hierzu zählen auch Abb. 1: Äußere Risikofaktoren bei Projektmanagern (Ergebnis Burn-out-Studie); Grafik: CFDM Centrum für Disease Management/ GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. Abb. 2: Innere Risikofaktoren bei Projektmanagern (Ergebnis Burn-out-Studie); Grafik: CFDM Centrum für Disease Management/ GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. , PM-aktuell_4-2016_Inhalt_01-88.indd 71 12.08.2016 10: 31: 48 Uhr projektManagementaktuell | ausgabe 4.2016 72 KaRRieRe jekterfolg entscheidend. Fehler müssen rechtzeitig gemeldet werden, damit alle Projektmitarbeiter darauf in angemessener Zeit reagieren und Maßnahmen einleiten können. Bei auftretenden Problemen müssen Lösungen geschaffen werden, da hilft es wenig, nach Schuldigen zu suchen. Das sogenannte „Fingerpointing“ bringt das Team nicht weiter, eher schwächt es die Arbeitsfreude und Leistung der Mitarbeiter. Zwei Regeln, die eine vertrauensvolle Zusammenarbeit fördern und das Projektteam nach außen stärken: • Probleme werden immer im Team geregelt und • Entscheidungen werden von allen umgesetzt und vertreten. Um eine offene Kommunikation zu fördern, können im Rahmen der regelmäßigen Statussitzungen Feedback-Runden etabliert werden, für die unter anderem Folgendes gilt: zuerst das positive Feedback geben, danach die Verbesserungsoptionen wertschätzend mitteilen. Generell ist zu empfehlen, Meetings kürzer zu halten und dafür öfter stattfinden zu lassen. Als Beispiel können die täglichen Stand-up-Meetings aus Scrum angeführt werden. Offener Umgang mit Überlast: Je gefestigter die Vertrauensbasis im Team ist, umso einfacher und wirkungsvoller können Probleme gelöst werden. In Anbetracht der zunehmenden Fehltage muss erreicht werden, dass die Mitarbeiter gesund bleiben. Ein betriebliches Gesundheitsmanagement kann dazu beitragen, entsprechende Maßnahmen für einen körperlichen Ausgleich zu initiieren, zum Beispiel Angebote zum gemeinsamen Lauf- oder Rückentraining. Darüber hinaus können die Unternehmen innerhalb der eigenen Organisation wie auch außerhalb der Firma Vertrauenspersonen benennen, an die sich die Mitarbeiter wenden und Hilfe für ihre individuellen Fragestellungen erhalten können. 3. Projektführung und Projektorganisation Der Projektleiter ist in der Regel nicht unmittelbarer Vorgesetzter und damit auch nicht mit einer disziplinarischen Weisungsbefugnis ausgestattet. Für seine Projektteams ist er Führungskraft auf Zeit. In dieser Funktion ist er verantwortlich für den Projekterfolg und ihm obliegt die fachliche Führung der Projektteams. Da die Teammitglieder in der Regel dem Linienvorgesetzten und dem Projekt verpflichtet sind, ist die oft noch unter erschwerten Bedingungen erbracht wird. Dennoch geht es im Arbeitsalltag vielfach unter. Das Lob für erzielte Ergebnisse, ein einfaches „Danke“ für eine geleistete Hilfestellung, das Zuhören bei Problemen der Kollegen oder die Achtsamkeit gegenüber den Gefühlen anderer ist von entscheidender Bedeutung. Jeder freut sich über eine positive Rückmeldung und Wertschätzung durch andere. Anerkennung und Freude: Viele Projektmanager und Projektmitarbeiter schätzen die Abwechslung im Projektgeschäft, obwohl sie oft Mehrarbeit bedeutet. Daher ist es umso wichtiger, dass Freude an der Arbeit und die Anerkennung nicht zu kurz kommen. Hier spielen teambildende Maßnahmen eine große Rolle, das können zum Beispiel gemeinsame Aktivitäten außerhalb der Arbeitszeit oder regelmäßige Treffen zum Abendessen sein, wo bewusst nicht über die Arbeit gesprochen wird. Das führt vielfach zu einer vertrauensvolleren Zusammenarbeit im Projektteam. Lösungen können miteinander schneller erarbeitet und die Ergebnisqualität gesteigert werden. Zu wichtigen Meilensteinen, Projektphasen oder spätestens zum Projektende darf der erfolgreiche Abschluss auch gefeiert werden. Prämien und sonstige Aufmerksamkeiten sind ebenso willkommen. Selbstverantwortung: Das Prinzip der Selbstverantwortung ist oftmals im Unternehmensleitbild verankert. Dennoch ist es sinnvoll, es im Rahmen der Projektorganisation anzusprechen, möglicherweise zu konkretisieren und in den Regeln zur Projektabwicklung festzuschreiben. Soll jeder Mitarbeiter selbstverantwortlich handeln, müssen auch Gestaltungsspielräume vereinbart und zugelassen werden. Hierzu gehören zum Beispiel flexible Arbeitszeiten und die Möglichkeit zum „Homeoffice“, um zumindest zeitweise ungestört und ohne Ablenkung arbeiten zu können. Projektgruppen können zum Beispiel einen Workshop-Tag in einem Seminarhotel durchführen, um in einer neutralen Umgebung neue Ideen zu entwickeln. „Für den Projekterfolgt trägt jeder Mitarbeiter gleichermaßen Verantwortung“, könnte eine der Regeln lauten. Ein Beispiel: Trotz der Vereinbarung einer Bring- und Holschuld reicht es nicht, auf eine offene Anforderung zu warten. Jeder muss seinen Beitrag leisten und ebenfalls darüber wachen, dass der gewünschte Liefertermin eingehalten wird. Offene und ehrliche Kommunikation fördern: Auch eine offene Fehlerkultur ist für den Prodie Meetings diszipliniert abgehalten werden, können Ergebnisse umso schneller erzielt und die Besprechungshäufigkeit reduziert werden. Selbstbewusstsein/ Selbstwertgefühl stärken: Die Bedeutung dieses Punktes wurde von den Teilnehmern der Workshops sehr hoch eingeschätzt. Grundlage ist, die eigenen Stärken und Schwächen realistisch einzuschätzen und die eigene Leistung nicht kleinzureden bzw. dies auch nicht durch andere zuzulassen. Im Volksmund heißt es „Bescheidenheit ist eine Zier, doch …“. Mehrere Teilnehmer regten an, ein Tagebuch über Situationen, Erfolge und Entscheidungen zu führen, sodass über einen längeren Zeitraum hinweg die Wirksamkeit der eigenen inneren Einstellung und das daraus resultierende Verhalten dokumentiert ist. Das gilt auch für die Wertschätzung der Kolleginnen und Kollegen. Perfektionismus und Erwartungen relativieren: Hier geht es vor allem darum, die Ansprüche sowie den Perfektionismus zu hinterfragen und die eigenen Ansprüche zu relativieren. Als „Gegenmittel“ zu überhöhten Erwartungen kam von den Workshop-Teilnehmern häufig die Aussage „Selbstwertgefühl aufbauen“. Eine einfache Methode, um mehr Selbstwertgefühl zu bekommen ist, sich die eigenen Stärken bewusst zu machen. Was schätzen meine Teamkollegen/ meine Projektmitarbeiter an mir? Was kann ich besonders gut? Über welche Fähigkeiten und Kompetenzen verfüge ich bereits? Denn übertriebener Perfektionismus entsteht oft aus dem Gefühl heraus, nicht gut genug zu sein. 2. Projekt- und Unternehmenskultur Ein Projekt ist nicht nur dadurch erfolgreich, dass das Projektteam mit den entsprechenden fachlichen Kompetenzen ausgestattet ist. Gleichermaßen ist eine Projektkultur von großer Bedeutung. Durch die Vereinbarung gemeinsamer Werte und Verhaltensregeln kann die Grundlage für eine wertschätzende Projektkultur gelegt werden. Sie erhöht die Identifikation der Teammitglieder mit dem Projekt und steigert so die Leistung aller Beteiligten. Um die Zusammenarbeit und das Verhalten der Mitarbeiter positiv zu beeinflussen, wird häufig in einem Unternehmensleitbild das Miteinander zwischen Unternehmensführung und Unternehmensmitarbeitern festgelegt. Umgangsformen und Wertschätzung: Jeder weiß, wie wichtig ein Lob für gute Arbeit ist, PM-aktuell_4-2016_Inhalt_01-88.indd 72 12.08.2016 10: 31: 48 Uhr KaRRieRe 73 projektManagementaktuell | ausgabe 4.2016 der Freizeit festgehalten. In Zeiten geringeren Arbeitsaufkommens könnten die Projektmitarbeiter die Möglichkeit erhalten, dieses „Guthaben“ aufzulösen und ihre „Akkus wieder aufzufüllen“, sei es durch vermehrte „Qualitätszeit“, also Zeit für Freunde und Familie, sei es durch gesundheitsfördernde Maßnahmen. Projektarbeit zeichnet sich durch Flexibilität aus. Das spiegelt sich wider in hohen Arbeitszeiten und vermehrter Mobilität. Deshalb ist auf die Einhaltung von „Auszeiten“ wie Feierabend, Wochenenden und Urlaub besonders zu achten. Maßnahmen zur Unterstützung der Arbeit im Projekt: Projektarbeit ist in erster Linie Teamarbeit. Dennoch gibt es über den Tag verteilt Zeiten, zu denen ungestört und konzentriert gearbeitet werden muss. Beispiele hierfür sind das Bearbeiten von E-Mails, das Lesen und Erstellen von Projektergebnisberichten oder administrative Arbeiten. Hier sind technische Hilfsmittel nützlich, wie zum Beispiel Telefonansagen, dass man temporär nicht zu erreichen ist. Weiterhin wurde vorgeschlagen, dass die Arbeitsabläufe so zu organisieren sind, dass zu definierten Zeiten im gesamten Projektteam keine Meetings, Anrufe oder andere Gespräche stattfinden dürfen. Dafür braucht es zusätzliche Räume, um sich zurückziehen zu können. Adäquate Projektmanagementvorgaben: Die Forderung nach klaren Zielen, Vorgaben und Strukturen setzt sich fort bei der Empfehlung, ein Programm- und Portfoliomanagement einzuführen, das Priorisierungen vorgibt und die Aufgaben und Rollen klar verteilt. Projektmanagementregeln sind demzufolge vorzugeben und einzuhalten, ohne gleichzeitig einen Auswuchs von Regeln und formalen Anforderungen entstehen zu lassen. Methoden müssen auf die Erfordernisse des Projektes zugeschnitten sein, mit dem Ziel: „Weniger ist mehr“. Projektaufträge müssen klar formuliert und vom Management ohne Einschränkung akzeptiert werden. Änderungen des Projektumfangs dürfen nur durch ein Change- und Claimmanagement erfolgen, indem der Mehraufwand identifiziert und genehmigt wird. Werden Arbeitspakete ausreichend detailliert, sind Erfolge schneller greifbar. In diesem Zusammenhang wurden besonders die Vorteile des agilen Vorgehens hervorgehoben. Eine immer wieder genannte Forderung war, realistische Termine vorzugeben, Puffer einzuplanen und einen gewissen Prozentsatz an „Aufwandsreserve“ zu berücksichtigen. Gerade jüngere und klagten häufig, dass die Projekte nicht immer nach den spezifischen Fähigkeiten einzelner Personen besetzt werden, sondern danach, welche Ressourcen gerade verfügbar sind. Kritisch wurde auch die oft geübte Praxis bewertet, dass Projektmitarbeiter schon für ein neu anlaufendes Projekt verplant werden, obwohl sie noch in zahlreichen Arbeiten eines auslaufenden Projektes gebunden sind. Zwischen den Projektdurchläufen sollte idealerweise immer eine merkbare Zäsur in Form einer Pause mit Abbau von Überstunden und Urlaub gesetzt werden. Hat man ein ausgewogenes Team zusammengestellt und die Rolle des Projektleiters mit einer erfahrenen Persönlichkeit besetzt, gibt es noch weitere Möglichkeiten, die Arbeitsbelastung durch den Zuschnitt und die Zuordnung der Aufgaben zu reduzieren: So bietet sich gerade bei Großprojekten die Möglichkeit an, die Projektleiter nach Abschluss der einzelnen Phasen oder bestimmter Meilensteine auszuwechseln und sie zeitweilig aus einer Dauerbelastung herauszunehmen. Oft erfordern die unterschiedlichen Phasen auch unterschiedliche Spezialisierungen, denen man somit gerecht werden kann. Damit dieser Austausch ohne Störungen verläuft, sollte er von vornherein eingeplant werden. Der Auftraggeber muss diese Entscheidung ebenfalls mittragen. Weiter wurde von den Teilnehmern immer wieder darauf hingewiesen, dass die Rolle des Projektleiters in der Regel überfrachtet wird. Ein Projektleiter muss nicht für jedes Projektdetail verantwortlich und auskunftsfähig sein. Die Teilnehmer sahen die wichtigste Aufgabe des Projektleiters darin, dafür zu sorgen, dass das Team „funktioniert“. Jeder einzelne Projektmitarbeiter ist Experte auf seinem Fachgebiet. Es ist ihm zuzutrauen, dass er seine Rolle eigenverantwortlich wahrnimmt. Nur bei auftretenden Problemen ist eine Intervention des Projektleiters angezeigt. Als weitere Maßnahme wurde die Etablierung einer Doppelspitze genannt. Die Projektleitung könnte zum Beispiel von einem kaufmännischen und einem technischen Projektleiter wahrgenommen werden. So wird auch sichergestellt, dass Fehlzeiten durch Urlaub und Krankheit ohne zeitliche Verzögerung überbrückt werden können. Projektarbeit verläuft nicht kontinuierlich, die Arbeitsbelastung ist starken Schwankungen unterworfen. Das eröffnet die Möglichkeit zur Einrichtung eines sogenannten „Stress-Kontos“ für jeden Projektmitarbeiter. Hier werden z. B. Überstunden, die Dienstreisen und Projektarbeit in es für sie immer wieder eine Herausforderung, sozusagen Diener zweier Herren mit entsprechendem Konfliktpotenzial zu sein. Der Projektleiter ist Führungskraft mit Verantwortung und Befugnissen: Der Projektleiter muss Kenntnis über alle anstehenden Aufgaben und deren Zusammenhänge haben, um die Steuerung und den Erfolg des Gesamtprojektes zu gewährleisten. Während sich die Projektmitarbeiter um die Arbeitspakete im Detail kümmern, hat der Projektleiter darauf zu achten, dass die vereinbarten Aufgaben, Termine und Kosten des Gesamtprojektplans eingehalten werden und die Schnittstellen sauber geklärt sind. Im Rahmen der Projektführung sollte der Projektleiter ein Gespür dafür entwickeln, wie die Mitarbeiter mit ihren Aufgaben zurechtkommen, ob sie Unterstützung benötigen oder ggf. überlastet sind. Eine erhöhte Aufmerksamkeit, aktives Zuhören und kurze Unterstützungsphasen können ihnen helfen, wieder Kraft für die anstehenden Tätigkeiten zu bekommen. Mitarbeiter sind nach ihren Kompetenzen einzusetzen: Wer hat bei Teammeetings nicht manchmal das Bild aus „Konferenz der Tiere“ vor Augen, wo unterschiedliche Charaktere in einem Kreis sitzen, wie etwa der Redselige, der Ablehnende, der Positive und der Streitsüchtige. Es zeigt im übertragenen Sinne, dass die Menschen unterschiedlich sind und dennoch gemeinsam ein Ziel zu erreichen haben. Zur Sicherung des Projekterfolgs gilt es, diese unterschiedlichen Charaktere mit ihren Eigenschaften und Kompetenzen so einzusetzen, dass sich die Projektmitarbeiter verstanden und akzeptiert fühlen und jeder seinen größtmöglichen Beitrag für das Projekt erbringt. Qualifizierung der Projektleiter und Projektmitarbeiter: Der Projektleiter sollte darauf achten, dass die Teammitglieder entsprechende Kompetenzen mitbringen und in der Lage sind, die ihnen übertragenen Aufgaben selbstständig zu bewältigen. Neue Kollegen, die erstmalig an einem Projekt mitarbeiten, müssen entsprechend qualifiziert und/ oder einem erfahrenen Kollegen zugeordnet werden. Was die Projektleiter angeht, hat sich ein kollegialer Erfahrungsaustausch zwischen ihnen bewährt. Denkbar ist auch das Hinzuziehen eines Coachs oder Mentors. Ein Projektleiter sollte auch wissen, wie er mit überforderten Teammitgliedern umgehen und bei wem er sich ggf. externen Rat holen kann. Projektbesetzung, Aufgabenzuschnitt und Arbeitszeit: Die Teilnehmer der Workshops be- PM-aktuell_4-2016_Inhalt_01-88.indd 73 12.08.2016 10: 31: 48 Uhr projektManagementaktuell | ausgabe 4.2016 74 KaRRieRe der GPM Studie „Expertinnen im Projektmanagement“, 2009. Martina Baehr, Arbeits- und Organisationspsychologin, ist seit 2009 als freiberufliche Projektmanagerin, Trainerin und Coach tätig. Arbeitsschwerpunkt: Projektmanager und Führungskräfte dabei zu unterstützen, erfolgreich mit Veränderungen im Berufsalltag umzugehen. Ilona Eggert, Dipl.-Ing. Medizintechnik, arbeitet seit zehn Jahren als Projektleiterin in der Medizintechnik und Pharmaindustrie. Sie ist Assessorin des PM-Awards und gehört zu den Gründungsmitgliedern der PM-Expertinnen. Anke Makkai ist IT-Projektleiterin bei der Ostfriesischen Tee Gesellschaft und verantwortlich für die strategische und operative Weiterentwicklung des Projektmanagements im Unternehmen. Sie ist unter anderem Assessorin des PM- Awards. Roswitha Müller-Ettrich, Dipl. Volkswirtin, arbeitet schwerpunktmäßig in der Beratung, Schulung und Einsatzunterstützung und ist Referentin und Autorin zu Themen rund um das Projektmanagement. Sie ist Gründungs- und Ehrenmitglied der Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement e. V. Roswitha Müller-Ettrich hat 2007 zusammen mit Prof. Dorothee Feldmüller die Special Interest Group (SIG) „PM-Expertinnen“ gegründet. Sie ist im Leitungsteam der SIG und Mitglied des Fachbeirats für die Fachgruppen. Kontaktanschrift: R.Mueller-Ettrich@gpmipma.de wichtige Grundlage für ein „gesundes Projektmanagement“. Sie geben Orientierung und Handlungssicherheit. Die Ergebnisse der Burn-out-Studie und die Diskussionsergebnisse zeigen, dass es wichtig ist, das Augenmerk vor allem auf die menschlichen Aspekte der Zusammenarbeit zu richten. Diese zu fördern und auch einzufordern ist eine wesentliche Aufgabe des Projektleiters. Die Initiatoren der Studie bedanken sich bei allen, die mit ihren Vorschlägen und Ideen zu diesem Artikel beigetragen haben. Es hat viel Freude gemacht, die oft sehr lebhaften und angeregten Diskussionen zu moderieren. Literatur [1] Pander, S.: Expertinnen im Projektmanagement. Erkenntnisse - Erfahrungen - Erwartungen. GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V., Nürnberg 2009, ISBN 978-3-924841-56-0 [2] Müller-Ettrich, R./ Reichhart, T.: Burnout-Gefährdung bei Projektmanagerinnen und Projektmanagern - Ergebnisse Burnout-Studie 2014. GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V., Nürnberg 2014, www.gpm-ipma.de/ know how/ studienergebnisse.html [3] Bödecker, W./ Barthelmes, I.: Arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren und Berufe mit hoher Krankheitslast in Deutschland. iga-Report 22, AOK-Bundesverband, 2011 [4] Meusch, D.: Bleib locker, Deutschland! - TK-Studie zur Stresslage der Nation. Hamburg 2013 Schlagwörter Burn-out-Gefährdung, Burn-out-Prävention, gesundes Verhalten, Projektführung, Projekt- und Unternehmenskultur, Resilienz Kompetenzelemente der ICB 4.0 2.01 Selbstreflexion und Selbstmanagement Autorinnen Eva Aue, M. A., Dipl. Projektmanagerin, ist selbstständig und seit mehr als zehn Jahren bei diversen Kunden im Einsatz. Sie gehört zu den Gründungsmitgliedern der GPM Special Interest Group „PM-Expertinnen“ und ist Mitinitiatorin unerfahrene Mitarbeiter sollten dazu angehalten werden, ihre Arbeitsaufwände realistisch zu planen, unterstützt durch erfahrene Teambzw. Projektleiter. Fazit Es wird schnell deutlich, dass die Bandbreite der Maßnahmen, die im Zusammenhang mit einem „gesunden Projektmanagement“ diskutiert werden, sehr groß ist. Sie umfasst sowohl „weiche Themen“ wie die innere Einstellung der Projektmitglieder und ihr Verhalten sowie die Projektkultur und den persönlichen Umgang miteinander. Es gehören aber auch Themen wie Projektorganisation, die Vereinbarung klarer Regeln und das Thema Zeit- und Aufgabenmanagement dazu. Zwei Themen, die sich durchgängig wiederfinden, fallen dennoch auf: Es geht in fast allen Punkten um mehr Achtsamkeit und Selbstbewusstsein. Und zwar in Bezug auf sich selbst und in Bezug auf die anderen Teammitglieder. Dies hat viel mit der eigenen Wahrnehmung zu tun. Wer ständig in Betriebsamkeit ist, keine Pausen macht und sich keine Zeit für Reflexion gönnt, wer also ständig im Stressmodus ist, dessen Wahrnehmung ist eingeschränkt. Wer unter Druck steht, wird unter Umständen nicht darauf achten, ob er wertschätzend und respektvoll mit anderen kommuniziert. Der achtsame Umgang mit den menschlichen Ressourcen - ob den eigenen oder der Kollegen - ist sicher ein Schlüsselthema in Hinblick auf „gesundes Projektmanagement“. Ein weiteres Thema, das stets genannt wurde, war Vertrauen. Nur wer anderen vertraut, ist bereit sich zu öffnen und auch mal Schwäche zu zeigen. Zuzugeben, dass man nicht mehr weiterkommt und Hilfe braucht, oder rechtzeitig zu artikulieren, dass die Einhaltung festgelegter Termine nicht realistisch ist, ist kein Zeichen von Schwäche, sondern steht im Interesse des Projekterfolgs. Nur wer anderen vertraut, kann Aufgaben delegieren, ohne ständig das Ergebnis zu kontrollieren. Ohne Vertrauen gibt es auch keine Fehlerkultur. Vertrauen lässt sich nicht anordnen oder durch den Einsatz geeigneter Methoden entwickeln. Vertrauen wächst aus Achtsamkeit und mehr Bewusstsein sich selbst und anderen gegenüber. Systematisches Arbeiten, klare Vorgaben und Verantwortlichkeiten sowie Kenntnisse über passende Projektmanagementmethoden sind eine PM-aktuell_4-2016_Inhalt_01-88.indd 74 12.08.2016 10: 31: 50 Uhr