PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Welchen Wert hat ein Kulturgut?
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Andreas Schmid
In Zeitgen leerer öffentlicher Kassen muss die Politik Prioritäten setzen. Hierdurch rückt die Unterhaltung von Kulturgütern auf die politische Agenda. Es stellt sich die Frage, ob Deutschland in der Lage ist, sein kulturelles Erbe dauerhaft zu erhalten. Den Nutzen eines Kulturguts kann man in Geldeinheiten nicht (sinnvoll) ausdrücken: Welchen Wert hat der Kölner Dom? Welchen Wert hat das Brandenburger Tor? Durch ein Projekt zur Messung der Wirkungen eines Kulturguts wurde der Nutzen untersucht. Das Projekt hat beispielgebenden Charakter für die Bewertung von Kulturgütern.
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projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2016 Die Auswirkungen des Organisationshandelns sind in den vergangenen Jahren zunehmend in das Bewusstsein der Öffentlichkeit geraten. In Deutschland kann die Energiewende hierfür exemplarisch genannt werden. Es geht um die Frage, welche (Neben-)Wirkungen durch die Produktion von Gütern und Dienstleistungen erzeugt werden. Bei der Verwendung öffentlicher Mittel steht immer die erzielte Wirkung im Vordergrund. In Zeiten knapper öffentlicher Ressourcen muss die Politik priorisieren. Kunst und Kultur sind oftmals Leidtragende, weil ihr Nutzen nicht unmittelbar offensichtlich wird. Dem Nachweis des Nutzens und der Wirkung eines Kulturguts wurde im Rahmen des nachfolgend beschriebenen Projekts wissenschaftlich nachgegangen. 1 Wert von Kulturgütern Die sogenannte „Schuldenbremse“ in Deutschland [1] und die demografische Entwicklung stellen alle Gebietskörperschaften vor große Herausforderungen. Die Konsequenzen zur Einhaltung der Schuldenbremse können die Bürger beobachten. In vielen Bundesländern sind zum Beispiel kommunale Gebietsreformen durchgeführt worden und der Investitionsstau in der Infrastruktur ist unbestritten. Angesichts der demografischen Entwicklung muss die Politik immer mehr Prioritäten setzen. Die Erhaltung der in Deutschland umfangreich existierenden Kulturgüter rückt auf die Agenda. Es ist fraglich, ob zukünftig unser kulturelles Erbe in bisheriger Form erhalten werden kann. Dass dieses in der Regel subventioniert werden muss, liegt im Wesentlichen an den Unterhaltungskosten und zu geringen Einnahmen. Dass ein Kulturgut nicht oder nur unzureichend monetär bewertet werden kann, ist naheliegend: Welchen Wert hat das Brandenburger Tor? Die Bewertung der baulichen Substanz würde zu einem überschaubaren Ergebnis führen. Bewertet man das Brandenburger Tor als das Wahrzeichen Deutschlands, welches mit der Grenzöffnung 1989 untrennbar verbunden ist, dann ist es unbezahlbar. Eine sinnvolle monetäre Bewertung von Kulturgütern ist kaum möglich. In der öffentlichen Betriebswirtschaftslehre hat man diese Herausforderung frühzeitig erkannt. Im Kontext der Ausgestaltung des öffentlichen Rechnungswesens gab es Überlegungen, einen eigenen Rechnungskreis für eine wirkungs- und gesellschaftsbezogene Funktion einzuführen [2]. Diese Konzeptionen haben sich nicht durchgesetzt. Die International Group of Controlling (IGC) konstatierte im Jahr 2010, dass es an einem geeigneten „Instrumentenkoffer“ für Wirkungsindikatoren und an zugehörigen Berichtswesenstandards fehlt [3]. Die Messung von Wirkungen ist in der öffentlichen Betriebswirtschaftslehre ein aktuelles und vielbeachtetes Thema [4]. 2 Projektidee Das Land Sachsen-Anhalt ist bemüht, die sogenannte „Schuldenbremse“ einzuhalten. Hierzu sind in der Vergangenheit zahlreiche Einschnitte bei den Ausgaben vorgenommen worden. Es gab zum Beispiel Kürzungen im Bildungsbereich und eine große Kreisgebietsreform. Diese Maßnahmen waren unvermeidbar, weil kaum ein anderes Bundesland unter der demografischen Entwicklung mehr leidet, als Sachsen- Anhalt [5]. An der Hochschule Harz in Halberstadt [6] werden am Fachbereich Verwaltungswissenschaften sog. „semesterübergreifende Projekte“ durchgeführt. Diese haben unter anderem das Lernziel, die Studierenden echte Projektarbeit kennenlernen zu lassen. Aus diesem Grund ist die Laufzeit der Projekte länger als ein Semester, um einen Lerneffekt zu erzielen. Die Bedeutung dieser Projekte wird dadurch unterstrichen, dass sie mit zehn ECTS-Punkten bewertet werden. Das entspricht zwischen 250 und 300 Stunden Arbeitsaufwand pro Studierendem. Mit dem Image vieler ostdeutscher Städte und Gemeinden ist es nicht zum Besten bestellt. Sie werden verbunden mit hoher Arbeitslosigkeit und Fremdenfeindlichkeit. In Ostdeutschland finden sich nur wenige prosperierende Gebiete, die meist großstädtisch geprägt sind. Aus den spezifischen Umständen heraus entwickelt sich die Projektidee, die Wirkungen und damit den Nutzen eines Kulturgutes zu messen. Die zugrunde liegende Methodik sollte in reproduzierbarer Form entwickelt werden. Eine Übertragbarkeit auf weitere Kulturgüter würde hierüber gesichert. Ein Projekt zur Wirkungsmessung in Zeiten leerer öffentlicher Kassen Welchen Wert hat ein kulturgut? Autor: Andreas Schmid >> Für eilige Leser In Zeiten leerer öffentlicher Kassen muss die Politik Prioritäten setzen. Hierdurch rückt die Unterhaltung von Kulturgütern auf die politische Agenda. Es stellt sich die Frage, ob Deutschland in der Lage ist, sein kulturelles Erbe dauerhaft zu erhalten. Den Nutzen eines Kulturguts kann man in Geldeinheiten nicht (sinnvoll) ausdrücken: Welchen Wert hat der Kölner Dom? Welchen Wert hat das Brandenburger Tor? Durch ein Projekt zur Messung der Wirkungen eines Kulturguts wurde der Nutzen untersucht. Das Projekt hat beispielgebenden Charakter für die Bewertung von Kulturgütern. ERFAHRUNG 37 PM-aktuell_5-2016_Inhalt_01-88.indd 37 11.11.2016 12: 17: 55 Uhr projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2016 38 WISSEN Die bis zu diesem Zeitpunkt allgemein formulierten Bedarfe des Auftraggebers mussten für die Zieldefinition weiter konkretisiert werden. Zudem galt es, Erwartungsmanagement durch Abgrenzung von Leistungsgegenständen zu betreiben. Daher wurde eine Konkretisierung der Projektziele vorgenommen und diese in eine geeignete Substruktur überführt. Hierfür boten sich die Themen „Kommunikation“, „Motivation“ und „Wirkung“ an. Für diese Themengebiete wurden Ziele definiert und mit dem Auftraggeber vereinbart. Hierdurch erfolgte gleichzeitig die Abgrenzung der Projektinhalte. 4 Projektteam Da das Projektteam aus unerfahrenen Mitgliedern bestehen würde, mussten zu Beginn die wichtigsten Grundlagen des Projektmanagements vermittelt werden. Dies war unabdingbar, um den Projektauftrag, die Rollen, die Verantwortung und das Vorgehen verstehen und als Projektmitglied aktiv werden zu können. Ein Schwerpunkt wurde auf die essenziellen Grundlagen im konkreten Projektkontext gelegt. Beispielhaft sei an dieser Stelle das Stakeholdermanagement genannt: Eine Studentengruppe der Generation Y trifft auf einen Projektauftraggeber, der eher Großelternals Elterngeneration für die Projektteammitglieder darstellt. Durch das Verstehen des Begriffs „Stakeholder“ und der Herausforderungen im Umgang mit Stakeholdern wurde unter anderem ein wichtiger Beitrag zur zielorientierten Kommunikationskultur im Projekt geleistet. Ein weiterer wichtiger Aspekt war das Projektcontrolling. Zum einen besteht aufgrund sozialer Prozesse insbesondere in Non Profit-Projekten immer die Gefahr, dass einzelne Projektteammitglieder über- und andere unterfordert werden. Zum anderen sind die prüfungs- und abschlussrelevanten Credit-Points für die Studenten von großer Bedeutung. Durch geeignete Projektinstrumente musste sichergestellt werden, dass die Arbeitsbelastung in etwa gleichverteilt ist und der Projektfortschritt gewährleistet wird. Es wurden Zeit- und Arbeitserfassungen in MS-Excel- Formaten entwickelt. Diese mussten wöchentlich personenscharf von den Teilprojektleitungen an die Projektleitung übermittelt werden. Auf Basis der fachlichen Grundlagen und der Projektdefinitionsphase wurden drei Teilprojekte konstituiert: „Kommunikation“, „Motivation“ und „Wirkung“: In Gesprächen mit dem Förderverein über ein Wirkungsmessungsvorhaben wurden weitere Bedarfe deutlich. Hierzu gehörten generell die Steigerung der Einnahmen und die Wahrnehmung des Fördervereins. Ein weiteres Anliegen war die Verjüngung des Mitgliederbestandes. Es besteht die Sorge, dass sich der Verein aufgrund der demografischen Entwicklung von alleine auflösen könnte. Der Förderverein fungierte seit Abschluss der Vorgespräche als Projektauftraggeber. 3 Projektdefinition Die Voraussetzung für die Projektdefinition waren die Abstimmungen mit dem Förderverein. Die gewonnenen Informationen mussten in eine Zieldefinition überführt werden. Der zeitliche Projektumfang war durch die zwei Semester gemäß Hochschulvorgabe festgelegt. Die Anzahl der Projektteammitglieder konnte frei bestimmt werden. Deutlich wurde aus den Gesprächen mit dem Auftraggeber, dass sich das Projekt mit weiteren Inhalten neben der Wirkungsmessung des Kulturguts befassen musste. Eine Konzentration auf die Wirkungsmessung hätte ein kleines Projektteam (ca. 4 bis 7 Personen) bedeutet. Durch die Aspekte „Einnahmenerhöhung“, „Bekanntheitsgrad“ und „Verjüngung“ zeichneten sich Teilprojekte ab, die einen Mehrbedarf an Personen nahelegten. Aus diesem Grund wurde die Teilnehmerzahl auf 15 festgelegt. Der Dom Sankt Stephanus und Sankt Sixtus zu Halberstadt ist das bekannteste Kulturgut der Stadt Halberstadt. Seine Wurzeln gehen bis in das 9. Jahrhundert zurück. Er verfügt über einen Domschatz, der in dieser Form einzigartig ist. Bereits der erste deutsche Papst (Clemens II, 1005-1047) wirkte als Domkanoniker am Halberstädter Dom. Mehr als 50.000 Besucher im Jahr unterstreichen heutzutage die Bedeutung des Doms für die Stadt und den, im Vergleich zu anderen Harzstädten, überschaubaren Tourismus. Die Einzigartigkeit dieses Kulturguts macht es zu einem idealen Objekt für eine Wirkungsmessung. Der Dom gehört einer landeseigenen Stiftung, die für weitere Kulturgüter des Landes verantwortlich ist. Die evangelische Kirchengemeinde hat eine Art „Nießbrauchsrecht“ für den Dom. Der Förderverein Dom und Domschatz e. V. sammelt Spenden insbesondere für Vorhaben, die vom Land nicht (mehr) finanziert werden (können). Er ist unabhängig von der Kirchengemeinde und fühlt sich ausschließlich dem Dom als Kulturgut verpflichtet. Die Arbeit des Fördervereins ist sehr erfolgreich. In den letzten Jahren wurden mehrere 100.000 Euro von Groß- und Kleinspendern akquiriert. Durch das ehrenamtliche Engagement der Vereinsmitglieder kommt das Geld ausschließlich dem Dom zugute. Die jährlichen Beiträge der rund 80 Mitglieder überkompensieren die Verwaltungskosten so deutlich, dass ein Großteil der Einnahmen zusätzlich in das Kulturgut fließt. Abb. 1: Halberstädter Dom; Quelle: [7] 38 ERFAHRUNG PM-aktuell_5-2016_Inhalt_01-88.indd 38 11.11.2016 12: 17: 56 Uhr projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2016 Die dargestellte Vorgehensweise ist auf konkret erzielbare (Zwischen-)Ergebnisse ausgerichtet. Sie eignet sich daher im Besonderen als handlungsorientierter Ansatz zur Messung von Wirkungen. Die Arbeitspakete I bis III verdeutlichen den hohen Aufwand, der in die Vorbereitung eines Wirkungsmessungsvorhabens investiert werden muss. Die Bestimmung des Wirkungsraums und die Definition der Ziele sind für den weiteren Untersuchungsgang unabdingbar. Grund hierfür ist, dass nur auf dieser Basis Forschungsfragen und Hypothesen entwickelt werden können, deren Messung sozialwissenschaftlichen Standards genügt. 6 Projektplanung - Teilprojekt „Wirkung“ Auf Basis der theoretischen Grundlagen wurde zunächst der Projektauftrag formuliert. Es war wichtig, diesen so konkret wie möglich zu formulieren. Hierdurch wurde sichergestellt, dass sowohl Studierende als auch Auftraggeber ein Ursache-Folge-Beziehung. Die Folge wird nicht durch die Ursache ausgelöst, sondern von ihr angestoßen: das subjektive Sicherheitsgefühl eines Bürgers durch die Existenz einer Feuerwache oder die Unfallfolgen nach Reduzierung der vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeit. Durch Wirkungsmessungen werden Effekte transparent, die monetär nicht oder nicht sinnvoll messbar sind. Eine Wirkungsrechnung hat keine feststehende Form, sie ist vielmehr ein nach den Bedürfnissen der Organisation ausgestaltetes Informationssystem, welches hauptsächlich aus statistischen Daten besteht [8]. Für eine Wirkungsmessung werden daher im Wesentlichen Daten gesammelt, analysiert und interpretiert [9]. Da sich Wirkungsdaten in vielen Bereichen nicht mit finanziellen Größen in Verbindung bringen lassen [10], ist eine wirkungsorientierte Steuerung zweifellos anspruchsvoller, als die bloße Steuerung über das Budget [11]. Die für das vorliegende Projekt als Methodik herangezogene Vorgehensweise basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und ist nachfolgend dargestellt: • Das Teilprojekt „Kommunikation“ befasste sich mit allen Initiativen, die zur Erhöhung der Bekanntheit der Arbeit des Fördervereins beitragen. Diese Maßnahmen dienten mittelbar der Steigerung der Einnahmen. • Das Teilprojekt „Motivation“ konzentrierte sich auf die Verjüngung der Mitglieder. Auf Basis empirischer Sozialforschungsmethoden wurde im ersten Schritt untersucht, unter welchen Umständen sich die Generation Y überhaupt ehrenamtlich engagieren würde. Aus diesen Ergebnissen wurden im zweiten Schritt Empfehlungen für den Förderverein zur Gewinnung junger Mitglieder abgeleitet. Schwerpunkt dieses Beitrags ist die Wirkungsmessung von Kulturgütern in Zeiten knapper öffentlicher Ressourcen. Die nachfolgenden Ausführungen konzentrieren sich aus diesem Grund auf das Teilprojekt „Wirkung“. 5 Theorie der Wirkungsmessung Allgemein wird unter einer „Wirkung“ eine Veränderung verstanden. Diese ergibt sich aus einer Abb. 2: Vorgehensweise zur Wirkungsmessung; Quelle: [12] ERFAHRUNG 39 PM-aktuell_5-2016_Inhalt_01-88.indd 39 11.11.2016 12: 18: 00 Uhr projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2016 40 WISSEN weitere Kulturgüter der Stadt fokussierten. Der Auftraggeber hatte eine andere Wahrnehmung: Er ging davon aus, dass mit Halberstadt insbesondere negative Dinge assoziiert werden (z. B. ein schlechtes Image aufgrund ausländerfeindlicher Übergriffe). Im Ergebnis einigte man sich darauf, die Frage den Touristen offen zu stellen. 7 Projektsteuerung und Projektstand Auf Basis des Pretests, der leichte Änderungen am Fragebogen nach sich zog, und gemäß den Anforderungen an einen ausreichenden Rücklauf für eine valide statistische Auswertung wurde eine Befragungsplanung entwickelt. Diese orientierte sich am Ziel, mindestens 100 Fragebögen auswerten zu können. Die jährliche Besucherzahl von über 50.000 verdeutlicht, dass eine Grobplanung ausreichte. Diese sollte aus Gründen der Validität auch von Zufällen wie zum Beispiel dem Wetter am Befragungstag, der Jahreszeit und der Herkunft der Befragten geleitet sein. Es wurden mehr als 130 Personen befragt. Verwertet werden konnten 112 Fragebögen. Von diesen beantworteten alle die Fragen vor und nach dem Dombesuch. Hiervon war nur ein Teil abgeleitet werden. Diese können einen wichtigen Beitrag zur Steigerung der Einnahmen liefern und damit zum einen zum Erhalt des Kulturguts selbst beitragen, zum anderen kann hierdurch das Budget der landeseigenen Stiftung entlastet werden, was für den Erhalt aller Kulturgüter des Landes wichtig wäre. Im Rahmen einer Wirkungsmessung ist es nicht nur von grundlegender Bedeutung zu beweisen, dass eine Wenn-Dann-Beziehung existiert, sondern auch, dass sie dauerhaft existiert. Das empirische Design bestand daher aus einem kurzen Fragebogen, mit dem Touristen vor und nach dem Dombesuch persönlich befragt wurden. Im Abstand von mehreren Monaten wurden die Teilnehmer abermals befragt, um die Nachhaltigkeit der Wahrnehmungen des Dombesuchs beweisen oder widerlegen zu können. Weitere Arbeitspakete umfassten Zwischenabstimmungen mit dem Auftraggeber, die Planung der Befragungen und einen Fragebogenpretest. Im Rahmen der Abstimmungen mit dem Auftraggeber wurde unter anderem der Fragebogen vorgestellt. In diesem befand sich eine Assoziationsfrage, ob der befragte Tourist bereits etwas mit „Halberstadt“ verbindet. Vorgesehen war hierfür eine geschlossene Frage mit vorgegebenen Antworten, die sich im Wesentlichen auf klares Zielbild vor Augen hatten. Die Teilprojektziele verdeutlichen den theoretischen Bezug zu den Inhalten und dem Vorgehen: Aus dem Projektauftrag wurden die Arbeitspakete abgeleitet. Die ersten zwei Arbeitspakete umfassten die Stakeholderanalyse und die Entwicklung der Forschungsfrage. Aus dieser ergab sich das empirische Design für die Wirkungsmessung, welches eine Voraussetzung für die Ablauf- und Terminpläne darstellte. Rein monetär betrachtet ist die Existenz des Doms für das Land Sachsen-Anhalt negativ. Die Forschungsfrage musste sich daher aus den (positiven) Wirkungen des Doms als Kulturgut speisen. Konkret ging es um die Frage, wie der Existenznutzen des Doms ermittelt und bewertet werden kann. Zur Ableitung einer messbaren Wenn-Dann- Hypothese wurden verschiedene Analysen über mögliche Wirkungen des Doms (z. B. Einfluss auf Touristen) und ihre Konsequenzen (z. B. Zweitbesuch in Halberstadt) durchgeführt. Am Ende einer eingehenden Umfeldanalyse wurde eine Hypothese entwickelt, die den Besuch des Doms in Verbindung mit dem Image der Stadt setzte. Positive Imageeffekte lassen sich ggf. monetarisieren. Des Weiteren könnten völlig neue Tourismuskonzepte aus den Forschungsergebnissen Abb. 3: Projektauftrag Teilprojekt „Wirkung“, Quelle: [13] 40 ERFAHRUNG PM-aktuell_5-2016_Inhalt_01-88.indd 40 11.11.2016 12: 18: 04 Uhr projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2016 [6] Halberstadt ist die Kreisstadt des Landkreises Harz. Sie liegt am Nordrand des Harzes im Bundesland Sachsen-Anhalt. Die Stadt hat rund 40.000 Einwohner und seit 1990, trotz Eingemeindungen, einen Rückgang der Einwohnerzahl um rund zehn Prozent zu verzeichnen. [7] Halberstädter Dom. Bild zur Verfügung gestellt von der Domschatzverwaltung Halberstadt [8] Vgl. Brede, Helmut: Grundzüge der Öffentlichen Betriebswirtschaftslehre. 2. überarbeitete und verbesserte Auflage, München 2005, S. 207 [9] Ein guter und kompakter Überblick über die Methoden findet sich in: Fink, Susanne: Wirkungsmessung im öffentlichen Sektor. Analyse gängiger Verfahren zur Wirkungsmessung aus Sicht der externen Kontrolle. Saarbrücken 2010 [10] Vgl. Meynhardt, Timo/ Schulze, Eric: Ist die Doppik wirklich das geeignete Rechnungswesen? In: Innovative Verwaltung, Ausgabe 3/ 2010, Wiesbaden 2010, S. 29 [11] Vgl. Hofmeister, Albrecht: Die Politik stärker für die Verwaltungsreform gewinnen: Thesen zur Zusammenführung von Politik und Verwaltung. In: Innovative Verwaltung, Ausgabe 1/ 2003, Wiesbaden 2003, S. 10 [12] Eigene Darstellung in Anlehnung an Schmid, Andreas: Wirkungscontrolling zur nachhaltigen Steuerung von Organisationen. In: Controlling, 1/ 2013, S. 39 [13] Eigene Quelle Schlagwörter Kulturgüter, öffentliche Haushalte, Schuldenbremse, Stadtimage, Tourismus, Wirkungsmessung Autor Dr. Andreas Schmid ist Professor für allgemeine Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt des öffentlichen Haushalts- und Rechnungswesens. Er beschäftigt sich mit neuen Einflüssen (z. B. Big Data) auf das Controlling und das Rechnungswesen. Anschrift: Hochschule Harz, Hochschule für angewandte Wissenschaften, Domplatz 16, 38820 Halberstadt, E-Mail: ASchmid@hs-harz. de, www.hs-harz.de/ aschmid besonders stark auf Touristen. Daher sollten Städte ihr bedeutendstes/ markantestes Kulturgut in den Mittelpunkt ihrer Stadtmarketingkampagnen stellen. • Der Besuch des Doms führt zu einem schwach positiven Image der Stadt (Korrelation nach Pearson: 0,297, Signifikanz zweiseitig: 0,008). Hieraus lässt sich folgern, dass die touristische Vermarktung von Kulturgütern positiv auf das Stadtimage wirkt (wirken kann). Für das Land Sachsen-Anhalt bedeutet das Ergebnis, dass die Kulturgüter einen hohen Wert haben. Eine Monetarisierung dieses Werts ließe sich zum Beispiel durch die Analyse der touristischen Ausgaben erreichen. • In diesem Zusammenhang wäre es von großer Bedeutung, Panel- und Vergleichsstudien durchzuführen. Wenn sich die Ergebnisse bestätigen ließen, dann existieren konkrete Ansatzpunkte für eine Verbesserung des Landes-, Städte- und Kulturmarketings. Die dargestellten Ergebnisse und weiteren Ansatzpunkte stellen nur einen Ausschnitt dar. Mit den Stakeholdern wurden verschiedene Konsequenzen diskutiert und erste Maßnahmen in die Wege geleitet. Es war besonders beeindruckend, dass die typischerweise älteren Kulturtouristen sehr positiv auf junge Studenten reagierten und beide Generationen das Interesse an einem bedeutenden Kulturgut verband. Literatur/ Anmerkungen [1] Grundgesetz, Artikel 109, Abs. 3 [2] Buchholz, Werner: Verbundrechnung versus Teilrechnung. In: Lüder, Klaus (Hrsg.): Entwicklungsperspektiven des öffentlichen Rechnungswesens. Speyrer Forschungsberichte, Speyer 1986, S. 27-38 [3] International Group of Controlling: Wirkungsorientiertes NPO-Controlling. Freiburg, München, Berlin 2010, S. 14 [4] Vgl. z. B. Witte, Kirsten/ Tebbe, Günter/ Beutel, Rainer Christian/ Budäus, Dietrich: Manifest zum öffentlichen Haushalts- und Rechnungswesen in Deutschland. Mehr Transparenz, Effektivität und Effizienz in Politik und Verwaltungen durch ein einheitliches doppisches Haushalts- und Rechnungswesen. Berlin 2009, S. 7 [5] Stabstelle für demografische Entwicklung und Prognosen des Ministeriums für Landesentwicklung und Verkehr des Landes Sachsen- Anhalt: Den demografischen Wandel gestalten. Berichterstattung an den Landtag Sachsen- Anhalt. Magdeburg, S. 5 bereit, sich zeitversetzt ein drittes Mal befragen zu lassen. Dies verdeutlicht zum einen den Aufwand, der mit den Befragungen verbunden ist. Zum anderen lassen sich aus der Verweigerungshaltung wichtige Erkenntnisse gewinnen. Von Interesse war zum Beispiel, ob die Ergebnisse der Drittbefragten mit denen der „nur“ zweimal Befragten korrelierten. Hierdurch ließen sich Rückschlüsse auf eine Wahrnehmungsänderung durch zeitlichen Abstand gewinnen. 8 Ergebnisse und Forschungsbedarf Das Projekt wurde im März 2016 abgeschlossen. Die wichtigsten Ergebnisse sind nachfolgend zusammenfassend dargestellt. • Ein interessanter Seiteneffekt wurde erzielt: Auf die offene Frage, was die Besucher des Doms mit Halberstadt verbinden, zeigte sich kein negatives Bild. Die Vermutung des Auftraggebers bezüglich eines schlechten Images konnte widerlegt werden. Die Besucher verbinden mit Halberstadt insbesondere die kulturelle Historie und die Bedeutung des Domschatzes. Das Selbst- und das Fremdbild weichen fundamental voneinander ab. Dies ist für die Entwicklung von touristischen und kulturellen Angeboten eine wichtige Erkenntnis. • Von den Befragten haben 71 Prozent ausgesagt, dass sie Halberstadt wieder besuchen würden. Hieraus lässt sich schlussfolgern, dass Kundenbindung ein Schwerpunkt des Stadtmarketings sein sollte. Dieser Befund wird dadurch untermauert, dass rund 90 Prozent der Befragten mit dem Auto anreisten und Individualtouristen waren. • Rund 90 Prozent der Befragten waren Kulturinteressierte im mittleren bis hohen Alter. Diese Klientel ist für den Tourismus von hohem Wert, da sie in der Regel gebildet ist und über ein überdurchschnittliches Einkommen verfügt. Ergänzende Angebote für die Touristen könnten zu Mehreinnahmen bei überschaubarem Aufwand führen. • Eine 87-jährige Touristin stellte bei der telefonischen Drittbefragung drei Monate nach dem Besuch folgendes fest: „Von Halberstadt habe ich nur den Dom in Erinnerung. Dieser war sehr, sehr beeindruckend. An andere Sehenswürdigkeiten in Halberstadt kann ich mich nicht wirklich erinnern.“ Diese Feststellung ist für die Ergebnisse der Befragung bezeichnend. Beeindruckende Kulturgüter wirken ERFAHRUNG 41 PM-aktuell_5-2016_Inhalt_01-88.indd 41 11.11.2016 12: 18: 04 Uhr