PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Projekterfolg durch vertragliches Management
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Ralph Schuhmann
Bert Eichhorn
Der Vertrag ist ein bedeutendes Instrument zur Steuerung von Projekten. Die Unternehmen setzen ihn jedoch überwiegend zu juristischen Zwecken ein, meist mit begrenztem Erfolg. Um sein Steuerungspotenzial zu nutzen, ist ein Paradigmenwechsel erforderlich: Der Vertrag darf nicht Gegenstand des Managements sein – wie gegenwärtig im Rahmen des Vertragsmanagements –, sondern muss Hilfsmittel des Managements werden. Dies lässt sich durch ein vertragliches Management er- reichen. Es richtet die Handhabung des Vertrages auf die Steuerungsgegenstände Projekt und Unternehmen aus und integriert die auf ihn bezogenen Managementprozesse. Dadurch kann er umfassend für das Risiko- und das Wissensmanagement genutzt und widerspruchsfrei in die Projekt- und Unternehmensziele integriert werden.
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Wissen 57 projektManagementaktuell | ausgabe 5.2016 In der Praxis wird der Vertrag meist als juristisches Instrument verstanden, ausgestaltet und eingesetzt und kann dann nur einen Teil seines Potenzials entfalten. Die nachfolgende Abhandlung zeigt, welche Wirkmöglichkeiten Verträge für Projekte, aber auch für das Unternehmen haben und wie sie zum Tragen gebracht werden können. Dazu müssen die mit dem Vertrag angestrebten Ziele explizit bestimmt und der Vertrag dann entsprechend ausgestaltet und gehandhabt werden. Am besten lässt sich dies durch ein vertragliches Management bewerkstelligen, das alle vertragsbezogenen Prozesse integriert und auf die Steuerungsgegenstände Projekt und Unternehmen ausrichtet. 1 Die Krux mit den Projektverträgen Das Spannungsverhältnis zwischen Transaktion und Vertrag wird selten so deutlich wie bei Projekten. Einerseits erfolgen Verhandlung, Implementierung, Controlling und Änderungsmanagement des Vertrages mit erheblichem Aufwand; andererseits messen ihm die Manager eine nur geringe Bedeutung bei und sehen ihn für die Realisierung der Projektziele als eher hinderlich oder gar schädlich an. Ursache hierfür ist, dass die Wirkmöglichkeiten des Vertrages und deren Voraussetzungen in der Praxis kaum reflektiert und noch seltener die Ergebnisse im Vertrag umgesetzt werden. Stattdessen folgt sein Einsatz Branchengepflogenheiten und Unternehmenspraxis, weswegen er die Projekt- und Unternehmensziele häufig nicht angemessen unterstützt. Dieser ambivalenten Rolle des Vertrages entsprechend, befassen sich verschiedene Wissensdisziplinen bereits des Längeren mit seinen Wirkungen, deren Voraussetzungen und ihrem Monitoring. Dies gilt besonders für komplexe Langzeitverträge und damit auch für Projektverträge. Letztlich geht es dabei um die Frage, ob Projekte mehr Vertrag, weniger Vertrag oder einen ganz anderen Vertrag benötigen. Neue Einsichten haben hier vor allem die von den USA ausgehende Professionalisierung des Berufsbildes des Contract Managers [1] sowie der in den skandinavischen Ländern vorangetriebene Ansatz des Proactive Law [2] gebracht. Sie ergänzen die in den letzten beiden Dekaden durch die Entwicklungen des Risikomanagements, des Contract Lifecycle Managements und der Corporate Governance erheblich angewachsenen Erkenntnisse über die Relevanz des Vertrages für die betrieblichen Managementprozesse. Damit steht heute ein beträchtliches Wissensinventar zur Verfügung, das danach ruft, die überkommenen Abläufe bei der Entwicklung und beim Einsatz von Projektverträgen - wie auch anderer Verträge - auf den Prüfstand zu stellen. 2 Möglichkeiten und Grenzen der Projektverträge Ausgangspunkt für einen rationalen Umgang mit dem Vertrag ist eine Betrachtung der Effekte, die durch ihn hervorgerufen werden oder sich mit ihm erzielen lassen, sowie der diesbezüglichen Einflussfaktoren. Erst hiernach ist eine Einschätzung möglich, was von dem Vertrag erwartet werden kann, welcher Ressourceneinsatz für ihn angemessen ist und welche Anforderungen an die Kompromissbereitschaft des Vertragspartners gerechtfertigt sind. 2.1 Funktionen und Einsatzzwecke des Vertrages In der Mikroökonomie herrscht heute grundsätzlich Einigkeit, dass die primäre Funktion des Vertrages darin besteht, die Koordination bzw. die Kontrolle des Parteiverhaltens zu unterstützen. Auch die traditionelle Sicht der Rechtswissenschaft auf den Vertrag als Mittel zur Absicherung der Partikularinteressen der Vertragsparteien verwirklicht diese Kontrollfunktion. Ihr nachgeordnet werden weitere, sekundäre Funktionen unterschieden. So vor allem, die Verantwortlichkeiten der Parteien zu klären, Unsicherheit zu reduzieren, die Kommunikation innerhalb der und zwischen den Parteien zu lenken sowie Vertrauen aufzubauen und zu entwickeln. Die Vertragsfunktionen beschreiben Wirkungen, die nicht zwingend beabsichtigt sein müssen. Projekterfolg durch vertragliches Management autoren: ralph schuhmann, bert eichhorn >> Für eilige Leser Der Vertrag ist ein bedeutendes Instrument zur Steuerung von Projekten. Die Unternehmen setzen ihn jedoch überwiegend zu juristischen Zwecken ein, meist mit begrenztem Erfolg. Um sein Steuerungspotenzial zu nutzen, ist ein Paradigmenwechsel erforderlich: Der Vertrag darf nicht Gegenstand des Managements sein - wie gegenwärtig im Rahmen des Vertragsmanagements -, sondern muss Hilfsmittel des Managements werden. Dies lässt sich durch ein vertragliches Management erreichen. Es richtet die Handhabung des Vertrages auf die Steuerungsgegenstände Projekt und Unternehmen aus und integriert die auf ihn bezogenen Managementprozesse. Dadurch kann er umfassend für das Risiko- und das Wissensmanagement genutzt und widerspruchsfrei in die Projekt- und Unternehmensziele integriert werden. PM-aktuell_5-2016_Inhalt_01-88.indd 57 11.11.2016 12: 26: 55 Uhr projektManagementaktuell | ausgabe 5.2016 58 Wissen Rahmen des Transaktionsmanagements steuert er die Parteibeziehung, indem er Rechte und Pflichten erzeugt und damit auch Ermächtigungen zum Eingriff in rechtlich geschützte Interessen des Vertragspartners. Für Projekte geht das Transaktionsmanagement im Projektmanagement auf. Eine weitere Steuerungsaufgabe des Vertrages besteht darin, die in ihm niedergelegten Vereinbarungen innerhalb des Unternehmens zu kommunizieren und es zu ermöglichen, ihre Einhaltung zu überwachen. Desgleichen ist seine zentrale Bedeutung für das Management der Projektrisiken anerkannt, zumal sich der Vertragsinhalt über den Risikogedanken vollständig [5] oder doch zumindest weitgehend erfassen lässt. Im Rahmen der Unternehmensführung ist der Vertrag Bezugspunkt für die Corporate Governance und dabei insbesondere für das Compliance Management und das Enterprise Risk Management (ERM). So erfordert die Corporate Governance über die Pflicht zur Einrichtung und Unterhaltung eines adäquaten Risikomanagements u. U. auch die Implementierung eines Vertragsmanagementsystems [6]. Das Compliance Management bestimmt die Vorgaben für die Anbahnung und inhaltliche Erstellung des Vertrages, überwacht deren Einhaltung und greift gegebenenfalls steuernd ein. Das ERM ist zwar auf die Risikosituation des Unternehmens ausgerichtet, dazu muss es aber die Risiken aus besonders bedeutsamen Transaktionen - wie zum Beispiel Großprojekten - bzw. aggregierte Einzelrisiken von geringerem Gewicht erfassen. Dies erfordert eine informationelle Aufschließung und Analyse der Verträge oder eines Vertragsportfolios, wie sich umgekehrt aus dem ERM Vorgaben für die Vertragsgestaltung (z. B. Minimum Requirements) und die Vertragsimplementierung ableiten. Insgesamt zeigt sich, dass der Vertrag vor allem informationell in die betrieblichen Managementprozesse eingebunden ist. Seine optimale Nutzung erfordert daher eine systematische Handhabung der in ihm abgelegten und der auf ihn bezogenen Daten nach den Grundsätzen des Wissensmanagements. 3 Strukturelle Hindernisse beim Einsatz von Verträgen Die Umsetzung einer aus den Vertragsfunktionen entwickelten Vertragsstrategie stößt in den Unternehmen auf beträchtliche Widerstände, die Damit hat Macaulay zwei Sichtweisen vorweggenommen, die sich erst später etablieren sollten. Zum einen wird die Funktion des Vertrages heute auch darin gesehen, dass er ein Ritual ermöglicht und eine Tradition reflektiert. Verträge werden also - auch - geschlossen, weil dies so üblich ist und weil der Partner dies erwartet. Es geht somit primär um den Vorgang und weniger um den Inhalt. Zum anderen ist die Bedeutung des Vertrages für die Vertrauensbildung mittlerweile belegt, das heißt, seine Funktion wird darin gesehen, den Partner von dem eigenen Commitment zu überzeugen. Das Effizienzparadigma ist auch problematisch, weil ein Vertrag kaum im Sinne einer eindimensionalen Ursache-Wirkung- Korrelation instrumentalisiert werden kann. Dazu sind seine Funktionen und sein Wirkkontext zu komplex. So weist ein Vertrag typischerweise ein Funktionsbündel auf, das weder homogen noch statisch ist: Die Vertragsparteien können ihm unterschiedliche Aufgaben ebenso zuweisen wie verschiedene Struktureinheiten innerhalb desselben Unternehmens; Untersuchungen zeigen, dass bei seinem Abschluss andere Funktionen im Vordergrund stehen als während der Abwicklung. Und schließlich wird in der Mikroökonomie diskutiert, inwieweit vertrauensbasierte und kontrollzentrierte Vertragsregelungen sich gegenseitig negativ beeinflussen. Insgesamt ist festzustellen, dass die Betrachtung der Funktionen hilft, die Wirkungen eines Vertrages besser einzuschätzen, ein bestimmte Effekte zielgerichtet erzeugender Vertrag lässt sich hieraus jedoch kaum konstruieren. 2.3 Die Querschnittsfunktion des Vertrages Fast alle Bereiche eines Unternehmens sind in der einen oder anderen Form mit dem Vertrag befasst. Sie beziehen aus ihm Verhaltensvorgaben und sonstige Informationen, ebenso wie sie das Vertragsmanagement für ihre Zwecke nutzen. Die entsprechenden Prozesse sind einerseits auf die Transaktion, hier also das Projekt, andererseits - direkt oder mittelbar - auf das Unternehmen ausgerichtet. Überdies kann der Vertrag zur Zielverwirklichung einer Funktionaleinheit eingesetzt werden, etwa für die IT oder das Marketing, was vorliegend jedoch außer Betracht bleiben kann. Die größte Bedeutung hat der Vertrag naturgemäß für die Transaktion, die er inhaltlich gestaltet, auslöst und deren Abwicklung er lenkt. Im Von ihnen zu unterscheiden sind die Einsatzzwecke des Vertrages, d. h. die von den Parteien mit ihm angestrebten Effekte. Sie liefern Vorgaben dafür, wie der Vertrag inhaltlich auszugestalten, zu handhaben und in seinem Erfolg zu beurteilen ist. Insoweit lassen sich heute drei grundsätzliche Ausrichtungen beobachten: (1) Die Vertragsimplementierung fokussiert auf die rechtliche Durchsetzung des vertraglichen Leistungsprogramms. (2) Das aus der Transaktionskostenökonomie entwickelte Relational Contracting betrachtet zudem die sozialen Normensysteme, die neben dem Recht bestehen und aus denen sich weitere Sollensvorschriften wie Loyalität, Respekt, Rücksichtnahme etc. ableiteten. (3) Die Theorie des Relationship Managements [3] richtet den Blick nicht primär auf Vertrag und Transaktion, sondern auf das Unternehmen und dessen langfristige Ziele und Interessen. Sie sieht die Effizienzbetrachtung des Vertrages sogar als abträglich an, weil durch eine Überbetonung des kurzfristigen Transaktionserfolges der Unternehmenserfolg gefährdet werden kann. Notwendig ist somit ein systematischer Abgleich von Projekt- und Unternehmenszielen. 2.2 Das Effizienz-Paradigma Vor allem durch die in den 1990er-Jahren einsetzende Governance-Bewegung fand der Vertrag als Steuerungsinstrument eine gewisse Anerkennung, womit die Frage seiner Effizienz und seiner Effektivität in den Mittelpunkt der Betrachtung rückte. In der Praxis führt dies jedoch leicht in ein Dilemma, da die Wirkweise von Verträgen über den Effizienzgedanken nicht vollständig erfasst werden kann. So ist keineswegs geklärt, in welchem Umfang Verträge überhaupt durch ihren Inhalt wirken. Macaulay [4] wies seit seiner bahnbrechenden Untersuchung aus dem Jahr 1963 wiederholt darauf hin, dass die Aufgabe des Vertrages darin besteht, den Parteien ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln, das sie benötigen, um in eine Transaktion zu investieren. Das durch den Vertrag zum Ausdruck gebrachte Commitment habe dann zwar nicht unbedingt seine Erfüllung zur Folge, zumindest aber eine Erfüllung, was für Geschäftsleute ausreichend sei. Demnach erfüllen die Parteien den Vertrag, weil sie ihn abgeschlossen haben; auf seinen Inhalt kommt es vorrangig gar nicht an. PM-aktuell_5-2016_Inhalt_01-88.indd 58 11.11.2016 12: 26: 55 Uhr Wissen 59 projektManagementaktuell | ausgabe 5.2016 Um den Vertrag für seine vielfältigen und sehr heterogenen Aufgaben nutzen zu können, muss seine Handhabung stärker als bislang in die betrieblichen Managementprozesse integriert werden. Die Praxis zeigt dies nur für wenige Teilbereiche. Auf die Relevanz des Vertragsmanagements für Unternehmensführung, Risikomanagement und Projektmanagement wird im Schrifttum zwar hingewiesen, eine größere praktische Bedeutung hat es zurzeit aber nur für das Risikomanagement, wohl nicht zuletzt aufgrund der hierfür erhältlichen Softwarelösungen. Dabei wird das Vertragsrisikomanagement aber weiterhin im Sinne eines Managements der Vertragsrisiken und nicht eines Projektrisikomanagements mithilfe des Vertrages verstanden. Entsprechend ist das Vertragsrisikomanagement dann nicht oder nur unzulänglich in das allgemeine Risikomanagement integriert. Mit Ausnahme des von den Autoren entwickelten Contractual Management Models [9] liefert das Schrifttum keinen theoretischen Ansatz für eine umfassende Integration der vertragsbezogenen Managementprozesse. Ursache dafür ist die in den verschiedenen Wissensdisziplinen noch immer traditionell geprägte Sicht auf den Vertrag. So versteht ihn die Managementlehre als ausschließlich juristisches Instrument, während sich die Rechtswissenschaften Managementfragen fast vollständig verschließen. Die informationelle Aufschließung des Vertrages wiederum beschäftigt bisher nur die Wirtschaftsinformatik. 4 Möglichkeiten zur Optimierung der Vertragswirkungen Trotz der beschriebenen strukturellen Hindernisse lässt sich die Wirksamkeit von Projektverträgen deutlich erhöhen, wenn ihre Handhabung effektiv in die betrieblichen Managementprozesse eingebunden und auf deren Zwecke ausgerichtet wird. 4.1 Die Integration in die betrieblichen Managementprozesse Die Einbindung der vertragsbezogenen Prozesse in das Projektmanagement und die Unternehmensführung lässt sich mithilfe des Risiko- und des Wissensmanagements realisieren. Dies veranschaulicht die Abbildung 1. Wie bereits festgestellt, ermöglicht das Konstrukt „Risiko“, alle projektrelevanten Regelungen des Vertrages zu erfassen. Über das Projektrisikoniert, weil hier eine gegnerschaftliche Einstellung vorherrscht, die die kollaborative Konzeption der GMP-Verträge konterkariert. Umgekehrt belegen Untersuchungen, dass sehr detaillierte Verträge eine vorhandene Vertrauensbasis untergraben können. Der in der deutschen Baubranche verbreitete Gebrauch der VOB/ B zeigt, dass stark ausdifferenzierte Vertragssysteme allein weder die Konfliktträchtigkeit von Projekten reduzieren noch Auseinandersetzungen in einer effizienten Weise auflösen können. 3.3 Erscheinungsbild des Vertrages Traditionell werden Verträge „von Juristen für Juristen“ erstellt. Dies prägt nicht nur ihren Inhalt, sondern auch ihre Erscheinung. Es ist empirisch jedoch hinreichend belegt, dass die ausschließlich textuale Fassung, die juristische Fachsprache und eine nur für den Fachmann durchschaubare Strukturierung der Verträge Nichtjuristen kognitiv überfordern. Dies hat zur Folge, dass das Abwicklungspersonal die Verträge nur widerstrebend oder oberflächlich liest und - was vor allem für Bauverträge gezeigt wurde - häufig nicht versteht. Mangelndes Vertragsverständnis ist jedoch die Hauptquelle für Meinungsverschiedenheiten. Vor allem in einigen angelsächsischen und in den skandinavischen Ländern zeigen Ansätze einer transparenteren Fassung von Verträgen - hinsichtlich Sprache, Layout und Struktur - einen beachtlichen Durchsetzungsgrad. Für den speziell für Nichtjuristen konzipierten NEC2-Vertrag ist beispielsweise belegt, dass er besser verstanden wird als seine Vorgänger und ein geringeres Konfliktpotenzial aufweist als vergleichbare Standardverträge. Auch haben Versuche einer ergänzenden oder ersetzenden Visualisierung von Regelungen positive Ergebnisse erbracht. 3.4 Management des Vertrages Das Vertragsmanagement zeigt noch immer einen unzureichenden Entwicklungsstand [6]. Eine Ursache dafür ist die nach wie vor dominierende Ansicht, dass der Vertrag die Implementierung des in ihm niedergelegten Leistungsprogramms bezweckt. Entsprechend wird Vertragsmanagement als Management des Vertrages und nicht als Management mithilfe des Vertrages verstanden. Selbst neuere Ansätze wie die des Procative Law und des Contract and Commercial Management sind durch diese Sichtweise geprägt. teils aus einer nicht mehr zeitgemäßen Vertragshandhabung, teils aus Sachzwängen resultieren. 3.1 Vertragsfokussierung auf Rechtsfragen In der Wirtschaft werden Verträge meist als primär juristisches Instrument verstanden. Entsprechend liegt bei ihrer Verhandlung das Hauptaugenmerk auf Rechtsfragen und nicht auf ihrer Steuerungsfunktion. Praktiker beklagen denn auch eine falsche inhaltliche Schwerpunktsetzung der Verträge, was durch die IACCM bereits seit Längerem durch jährliche Erhebungen bei ihren mehr als 38.000 Mitgliedern belegt wird [7]. Die häufig berichtete Nichtbeachtung der Verträge durch die Projektmanager ist wohl auch auf diese inhaltlichen Defizite zurückzuführen. 3.2 Parteibeziehung und Vertragsmuster Die Wirkungen des Vertrages sind nicht nur von seinem Inhalt, sondern auch von dem Kontext abhängig, in dem er eingesetzt wird. Oder anders gewendet: In unterschiedlichen Kontexten wird ein und derselbe Vertrag eine unterschiedliche Wirkung entfalten. Geprägt ist der Wirkkontext insbesondere von der Art der Parteibeziehung, die jeweils innerhalb des weiten Spektrums von einer kollaborativen bis hin zu einer gegnerschaftlichen Einstellung zu verorten ist. Die Unternehmen messen dem Charakter der Parteibeziehung in der Regel jedoch keine Bedeutung bei, und wenn doch, berücksichtigten sie ihn in der Mehrzahl der Fälle jedenfalls nicht bei der Vertragsplanung und -gestaltung. Das Effizienz-Paradigma beherrscht mittlerweile nicht nur den Vertrag, sondern auch dessen Management. Entsprechend ist die neuere Entwicklung des Vertragsmanagements durch eine Zentralisierung und Standardisierung der Prozesse, aber auch der Verträge geprägt [8]. Musterverträge werden zudem eingesetzt, weil Geldgeber oder Organisationsvorschriften dies fordern, es branchenüblich ist oder eine Backto-back-Lösung angestrebt wird. Eine Ausrichtung des Vertrages auf die Besonderheiten der jeweiligen Parteibeziehungen ist dann jedoch nicht möglich. Eine Steuerungsfunktion kann Verträge jedoch nur realisieren, wenn sie den Charakter der Parteibeziehungen widerspiegelt. Die GMP-Verträge haben in der deutschen Baupraxis nicht funktio- PM-aktuell_5-2016_Inhalt_01-88.indd 59 11.11.2016 12: 26: 55 Uhr projektManagementaktuell | ausgabe 5.2016 60 Wissen tragsabschluss. Neben dem Compliance Management ist hier wiederum das Risikomanagement von Bedeutung, aus dem sich die Priorität der in den Vergabegesprächen zu behandelnden Fragen sowie Dealbreakers und akzeptable Rückfallpositionen ergeben. Eine solcherart abgeleitete Verhandlungsagenda gewährleistet, dass juristische Fragen sich widerspruchsfrei in den Kontext der unternehmerischen Zielsetzung einfügen. Die letzten drei Stadien sind der Nach-Vertragsabschlussphase zuzuordnen. Hier liefern Wissens- und Risikomanagement weitere Informationen für die Vertragsimplementierung und eine eventuell erforderliche Vertragsänderung. Umgekehrt erfolgt eine Rückspeisung von Informationen für die Unternehmensführung, z. B. indem über den Vertragsbestand des Unternehmens hinweg Daten zu bestimmten Risiken (Währungsrisiken, Haftungsrisiken etc.) aggregiert werden. Im sechsten Stadium sind Daten bereitzustellen, um gegebenenfalls über eine vorzeitige Vertragsbeendigung oder das Ziehen von Optionen entscheiden zu können. Das letzte Stadium, die Auswertung und Dokumentation des Vertrages, generiert Informationen zur Nutzung für andere Transaktionen, zur Pflege von Checklisten, Wissensdatenbanken, Musterverträgen etc., aber auch etwa für die Zwecke des Compliance Managements. wertet und bereitgestellt wird. Dazu greift es auf das in den Verträgen abgelegte und das auf sie bezogene, in dem Unternehmen sonst vorhandene Wissen zu und übermittelt es an die Entscheidungsträger. Die Abbildung 2 veranschaulicht die integrative Wirkung von Risiko- und Wissensmanagement über die Lebensphasen des Vertrages hinweg. Hierzu wird dessen Lebenszyklus in sieben Stadien eingeteilt. Die ersten drei Stadien des Vertragslebenszyklus‚ bilden die Vor-Vertragsabschlussphase. Sie beginnt mit der Erfassung der unternehmerischen Anforderungen und wird von der Markterforschung/ Beschaffungsplanung gefolgt. Beide Stadien sind von Chancen- und Risikoüberlegungen geprägt, die sich mit der Festlegung der Beschaffungsmethode und der Planung des Vertrages als Teil des Projektmanagements verdichten. Das dritte Stadium, die Angebotser- und -bearbeitung und im industriellen Geschäft als deren Bestandteil die Vertragserstellung, erhält weiteren Informations-Input aus dem Projektrisikomanagement (Plan of Action) und dem ERM (z. B. Minimum Requirements). In der folgenden Vertragsabschlussphase liefern die eingegangenen Informationen die Parameter für die Vertragsverhandlung, die Auswahl möglicher Vertragspartner sowie für den Vermanagement und das ERM lassen sie sich mit den Steuerungserfordernissen des Projektmanagements und der Unternehmensführung verknüpfen. Eine derart übergreifende Aufgabe hat auch das Wissensmanagement. Es liefert zum einen die vom Risikomanagement typischerweise nicht erfassten Daten und gewährleistet zum anderen, dass sämtliches benötigtes Wissen systematisch identifiziert, erworben, entwickelt, be- Abb. 1: Prozessintegration durch Risiko- und Wissensmanagement Abb. 2: Integration der Managementprozesse über den Lebenszyklus des Vertrages Abb. 3: Das Contractual Management Model; Quelle: [8] PM-aktuell_5-2016_Inhalt_01-88.indd 60 11.11.2016 12: 26: 58 Uhr Wissen 61 projektManagementaktuell | ausgabe 5.2016 [7] IACCM (Hrsg.): Top Negotiated Terms 2015. No News Is Bad News. www2.iaccm.com/ resources/ ? id=8930, Stand: 26.5.2016 [8] BearingPoint (Hrsg.): Contract Management 2010. How Excellent Contract Management Can Improve Your Business Success. 2010, www.bearingpoint.com/ en-uk/ download/ 0553_ WP_EN_Vertragsmgt_final_web.pdf, Stand: 26.5.2016 [9] Schuhmann, Ralph/ Eichhorn, Bert: From Contract Management to Contractual Management. In: European Review of Contract Law, Bd. 11, Nr. 1, 2015, S. 1-21 Schlagwörter Effizienz-Paradigma, vertragliches Management, vertragsbezogene Managementprozesse, Vertragsfunktionen, Vertragsmanagement Kompetenzelemente der ICB 4.0 1.02 Governance, Strukturen und Prozesse, 1.03 Compliance, Standards und Regelungen Autoren Nach einer leitenden Tätigkeit im Großanlagenbau lehrt Prof. Dr. jur. Ralph Schuhmann Wirtschaftsrecht am Fachbereich Wirtschaftsingenieurwesen der Ernst- Abbe-Hochschule Jena. Er ist wissenschaftlicher Direktor des Contractual Management Institute der SRH Hochschule Berlin. Prof. Dr. jur. Bert Eichhorn lehrt Wirtschaftsrecht an der SRH Hochschule Berlin. Zuvor war er als Rechtsanwalt und als Rechtsberater am Europäischen Parlament tätig. Er ist geschäftsführender Direktor des Contractual Management Institute der SRH Hochschule Berlin. Anschrift der Autoren: Contractual Management Institute Berlin, Ernst-Reuter-Platz 10, 10587 Berlin, Tel.: 0 30/ 3 74 37 45 10, E-Mail: cmiberlin@srh-hochschule-berlin.de 5 Agenda zur Optimierung der vertragsbezogenen Managementprozesse Für Projekte ist der Vertrag von erheblicher Bedeutung. Um sein Potenzial auszuschöpfen, sollten die betrieblichen Ressourcen nicht - wie zumeist bisher - auf die Verhandlung und Implementierung seines Inhalts, sondern auf folgende vier Aufgaben konzentriert werden: 1. Jedes Projekt erfordert zunächst eine Analyse der Arbeitsbeziehung der Vertragsparteien sowie der durch den Vertrag gewünschten und erzielbaren Wirkungen. 2. Das gewählte Vertragsmuster muss den Charakteristika dieser Parteibeziehung entsprechen und sodann in Übereinstimmung mit ihnen inhaltlich konkretisiert werden. 3. Die Fassung und die Gestalt des Vertrages müssen sich an dem Sprachgebrauch und den Wahrnehmungspräferenzen derjenigen orientieren, die später mit dem Vertrag arbeiten werden. 4. Die auf den Vertrag bezogenen sowie die durch ihn unterstützten Managementprozesse müssen vollständig integriert werden. Dies lässt sich entsprechend dem Contractual Management Model verwirklichen. Literatur/ Anmerkungen [1] Dies erfolgte insbesondere durch die NCMA (www.ncmahq.org/ ) und die IACCM (www. iaccm.com/ ) [2] Siedel, George J./ Haapio, Helena: Proactive Law for Managers. A Hidden Source of Competitive Advantage. Gower Publishing, Farnham 2010 [3] Smyth, Hedley: Relationship Management and the Management of Projects. Routledge, London and New York 2015 [4] Macaulay, Steward: The Real Deal and the Paper Deal. Empirical Pictures of Relationships, Complexity and the Urge for Transparent Simple Rules. In: The Modern Law Review, Bd. 66, Nr. 1, 2003, S. 44-89 [5] Coates IV, John C.: Allocating Risk Through Contract. Evidence from M&A and Policy Implications. Discussion Paper No. 729, 9/ 2012, Harvard Law School, 2012 [6] Kähler, Lorenz: Contract-Management Duties as a new Regulatory Device. In: Law and Contemporary Problems, Bd. 76, Nr. 2, 2013, S. 89-103 4.2 Das Contractual Management Model Damit der Vertrag die ihm übertragenen Aufgaben erfüllen kann, muss seine Handhabung über seinen gesamten Lebenszyklus hinweg auf die relevanten Managementprozesse ausgerichtet werden. Gegenüber dem Vertragsmanagement in seiner zurzeit praktizierten Form erfordert dies einen Paradigmenwechsel: Ziel ist nicht mehr ein Management des Vertrages, sondern ein Management mithilfe des Vertrages. Eine solche Zwecksetzung lässt sich durch das Contractual Management Model [9] realisieren. Es basiert auf einer Integration der vertragsbezogenen Unternehmensprozesse und nutzt sie, um das Steuerungspotenzial des Vertrages vollständig zu operationalisieren. Dabei bildet es keinen realen Managementprozess, sondern legt sich als virtueller Zyklus über Risikomanagement, Projektmanagement, Wissensmanagement und Unternehmensführung und greift auf die jeweils relevanten Funktionen dieser Prozesse zu. Die Abbildung 3 veranschaulicht ein vertragliches Management anhand des Contractual Management Models [8]. Die obere Fläche des Würfels bildet die vier vertragsbezogenen Managementprozesse ab, die rechte Seitenfläche seine Gegenstände, hier also Transaktion (Projekt) und Unternehmen. Die Vorderansicht des Würfels zeigt die fünf Prozessschritte des vertraglichen Managements, die sich aus einer Nutzung einzelner Funktionen der vertragsbezogenen Unternehmensprozesse ergeben. Erster Schritt und Ausgangspunkt ist die Planung des Projektvertrages (Plan) als Teil der Projektentwicklung. Sie setzt auf dem Plan of Action auf, der im Rahmen des Risikomanagements erstellt wurde. Der zweite Schritt (Draft) realisiert diese Planung durch den Vertragsentwurf und dessen Verhandlung. Im dritten Schritt (Implement) wird der Vertrag durch die Anwendung seiner Bestimmungen entsprechend den Projekterfordernissen und der Unternehmensstrategie implementiert. Das Controlling (Control) erfasst und bewertet die Wirksamkeit der durch den Vertrag bereitgestellten Steuerungsinstrumente sowie zwischenzeitliche Verschiebungen in der Risikosituation, um gegebenenfalls Korrekturen zu ermöglichen. Der letzte Prozessschritt (Evaluate) wertet die Vertrags-Performance aus und speist die Ergebnisse in die relevanten Unternehmensprozesse ein, insbesondere in das Wissens- und das Risikomanagement. PM-aktuell_5-2016_Inhalt_01-88.indd 61 11.11.2016 12: 26: 58 Uhr