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PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2016
275 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Nachrichten

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naChriChten 73 projektManagementaktuell | ausgabe 5.2016 ßende Serien- und Massenfertigung und unternehmensübergreifende Wertschöpfungsketten gibt es seit über 100 Jahren. In der Windenergie gibt es sie in nennenswertem Umfang seit weniger als zehn Jahren. Ingenieure, Kaufleute und Juristen, Geologen und Meteorologen, Umweltschützer und Investoren sind nur einige der Akteure der Energiewende. Auch Hochschulen reagieren inzwischen mit zahlreichen Studiengängen auf die steigende Nachfrage. Ergebnis sind zahlreiche beeindruckende Leistungen, aber fast ebenso viele Fehl- und Rückschläge. Selbst das Verhalten der Umweltschützer ist inzwischen kaum noch berechenbar. Sind sie gegen die Kernenergie und fossile Brennstoffe und damit für die Windenergie? Oder agieren sie gegen die Aufstellung von Windkraftanlagen zum Schutz von Fledermäusen, Schreiadlern und dem Rotmilan? Ein Projektleiter in der Windenergie plant und steuert damit nicht nur die Errichtung der größten technischen Anlagen unserer Zeit. Er bewegt Die Energiewende ist ein kleines Wort, das für so viel steht. Die wichtigsten Meilensteine sind die bewusste Wahrnehmung der begrenzten Verfügbarkeit fossiler Energieträger, die Öl- und Energiekrise der 1970er-Jahre und Fukushima und das dadurch ausgelöste Bewusstsein über die Unbeherrschbarkeit der Kernenergie auch durch führende Industrienationen. Die Geburtsstunde der Energiewende in Deutschland begann mit dem Atomausstiegs- und dem dann folgenden Stromeinspeisegesetz. Nach einer kurzfristigen Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke gibt es seit dem Reaktorunglück von Fukushima 2011 einen deutlichen gesellschaftlichen Konsens zur Beschleunigung der Energiewende - verbunden mit dem Ausbau erneuerbarer Energien. Der Branche blieb nicht viel Zeit, erwachsen zu werden. Der langsame Reifungsprozess einer Branche Die Automobilindustrie, ihre professionelle Technologie- und Produktentwicklung, die anschlie- Wochenendwerkstatt Windenergie: Künftige Projektleiter in der Windenergie sind bestens vorbereitet sich insbesondere während seiner mehrjährigen Projektlaufzeit in einem hochkomplexen Stakeholder-Szenario und entscheidet regelmäßig über Millionenbudgets (im Onshore-Bereich) und Milliardenbeträge (in Offshore-Projekten). Um zukünftig der Branche nicht nur gut ausgebildete Fachexperten bereitzustellen, sondern Projektleiter, die Komplexität erkennen und in angemessenem Maße damit umgehen können, wurde die Wochenendwerkstatt Windenergie für Hochschulteams aus ganz Norddeutschland organisiert. Pilotierung in Schleswig-Holstein Nach PASS, dem Project Award Schleswig-Holsteiner Schulen (Bericht über die erfolgreiche Pilotierung in PM aktuell 4/ 2012), wurde erneut im nördlichsten Bundesland eine große nachwuchsfördernde Initiative gestartet. „Wir sind weder das größte, auch nicht das bevölkerungsreichste Bundesland. Aber vielleicht ist Schleswig-Holstein gerade deshalb so gut geeignet, Phasenplan zur Planung und Errichtung von Windparks; ein Modell, das einige der teilnehmenden Teams nutzen, gegebenenfalls sogar ergänzen oder detaillieren; Quelle: in Anlehnung an das BWE-Handbuch „Windenergie im Binnenland“ PM-aktuell_5-2016_Inhalt_01-88.indd 73 11.11.2016 12: 27: 11 Uhr projektManagementaktuell | ausgabe 5.2016 74 naChriChten und die GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement (vertreten durch die Fachgruppe Windenergie) initiieren so auch gemeinsam die Ausschreibung in ganz Norddeutschland; maßgeblich werden sie dabei von der EKSH (Gesellschaft für Energie- und Klimaschutz Schleswig- Holstein) unterstützt. Am 22./ 23. Juli 2016 trafen sich im PowerPark Glücksburg die studentischen Vertreter der Fachhochschulen Flensburg, Kiel, Westküste, Hannover und der Beuth Hochschule Berlin. Projektmanagement-Grundkenntnisse waren als Zugangsvoraussetzung nachzuweisen und sollten in einem komplexen Planungsszenario angewendet werden. Die vierköpfigen Teams traten studiengangs- oder jahrgangsübergreifend an, um der vielschichtigen Aufgabe gewachsen zu sein. Der Windkraftanlagen-Entwickler und -Hersteller Senvion, Hauptsponsor der Veranstaltung, stellte einen realitätsnahen Vertrag bereit sowie simulierte Umweltauflagen. „Wir wissen, dass in Deutschland viele gute Projektleiter ausgebildet werden“, sagte Alexander Dort, „und jetzt engagieren wir uns dafür, dass sie auch den Weg zu uns in die Windenergie finden.“ Man lernt durch eigene Anwendung Zwei Tage lang wurde ein Windpark geplant. Von der Termin-, Ressourcen- und Budgetplanung bis zur Berücksichtigung der Interessen der Anwohner und zum Einfluss des wechselhaften Wetters durfte nichts vergessen werden. Zahlreiche technische und logistische, auch rechtliche und wirtim Norden ab; die Errichtung von Offshore-Windparks in Nord- und Ostsee sogar ausschließlich hier“, ergänzte Nicole Knudsen vom BWE. Der BWE, Bundesverband Windenergie (vertreten durch den Landesverband Schleswig-Holstein), Konzepte zu pilotieren. Wir können schnell ein ganzes Bundesland oder mehr bedienen“, sagte Prof. Steffen Rietz, einer der Initiatoren der Wochenendwerkstatt Windenergie. „Und die Windenergie spielt sich nun einmal überwiegend Windenergieanlage in der Südermarsch an der Westküste Schleswig-Holsteins: Hier einen Fertigstellungsgrad von zwei Dritteln anzunehmen, wird dem Projektstatus eher nicht gerecht. Foto: GPM Fachgruppe Windenergie Nach harter Projektplanungsarbeit des ersten Tages folgt das Networking am Abend in entspannter Atmosphäre. Vorne rechts: Herr Marc Wilmsen, der abschließend für seine sehr gute individuelle Leistung prämiert wurde. Foto: GPM Fachgruppe Windenergie Die Projektgruppe aus dem Masterstudiengang Green Energy der Fachhochschule Westküste in konzentrierter Teamarbeit; v. l. n. r.: Jana Rasch (Projektleiterin), Marc Wilmsen, Niklas Gansohr und Lisa Niemann; Foto: GPM Fachgruppe Windenergie PM-aktuell_5-2016_Inhalt_01-88.indd 74 11.11.2016 12: 27: 17 Uhr naChriChten 75 projektManagementaktuell | ausgabe 5.2016 unbedingt in das Unternehmen X in Position Y - ist das realistisch? Und wie schaffe ich das? Geschlechtsspezifische Fragen künftiger Projektmanagerinnen mussten nicht mehr explizit thematisiert werden. Hier ist die Branche offensichtlich schon weiter als andere. Vier der fünf Projektgruppen wurden sehr erfolgreich von Frauen geführt. Im Mittelpunkt des zweiten Tages standen die Auswertung und Prämierung. Ein jahrgangsübergreifendes Team des Studiengangs Green Energy der Fachhochschule Westküste konnte insgesamt am besten überzeugen. Die Fachkompetenz wurde in einen strukturierten Planungsansatz eingebettet. Eine gute Selbstorganisation über die zwei Tage wurde durch eine überzeugende Ergebnispräsentation abgeschlossen und führte zum verdienten ersten Platz. Einen ähnlich hervorragenden Gesamteindruck hinterließ ein gemischtes Team aus Vertretern der FH Flensburg und der FH Kiel. Das Team konnte nach zwei konzentrierten Arbeitstagen mit der besten Abschlusspräsentation überzeugen. Auf Platz 3 landete das Berliner Projektteam, das die Hinweise vom Vorabend am besten umsetzte und sich am zweiten Tag nochmals deutlich steigerte. Auch alle nicht prämierten Teams haben sich trotz fast 30 °C zwei Tage lang engagiert, viel Erfahrung gesammelt und sind zu guten und sehr guten Ergebnissen gekommen. In ihrem Kern war die Wochenendwerkstatt Windenergie kein Wettkampf, sondern eine sehr praxisnahe Ausbildung. Das macht sich auch in den Preisen bemerkbar, die den Ausbildungsgedanken aufgreifen und fortführen. Das Siegerteam wählte das Sea Survival-Training, gesponsert vom OffTEC-Trainingszentrum in Enge-Sande. Hier möchten sie für weitere anderthalb Tage in theoretischen und auch praktischen Übungen das Überleben auf hoher See trainieren, wie es Projektbeteiligte an Offshore-Anlagen vor Ort können sollten, aber hoffentlich nie brauchen. Weitere Preise waren neben einigen Exemplaren des Kompetenzbasierten Projektmanagements (PM3) zur permanenten Vertiefung des persönlichen Wissensstandes im Projektmanagement eine Exkursion zur Senvion-Fertigung und Verladung von Großkomponenten der Windenergie in Bremerhaven. Positives Fazit von allen Beteiligten „Im Grunde ist ein erfolgreiches Projekt immer das Ergebnis erfolgreicher Teamleistung“, sagte Tag, d. h. die persönlichen Gespräche und persönlichen Erfahrungen der Dozenten waren sehr wertvoll“, heißt es dann auch in den Feedback- Bögen zur ersten Wochenendwerkstatt Windenergie. Beim abendlichen Grillen standen Entspannung und Networking im Vordergrund. Aber auch hier wurde weiter der Austausch mit den Coaches zu fachlichen und strategischen Themen gesucht. Sollte ich an mein Bachelorein Masterstudium anschließen? Worauf ist bei der Bewerbung zum Praktikum oder beim Berufseinstieg besonders zu achten? Ich möchte schaftliche Fragestellungen sowie die Wechselwirkungen zwischen diesen Aspekten waren in dem Planspiel zu berücksichtigen. So brachte nicht nur das Sommerwetter die Studenten zum Schwitzen. Die Coaches verteilten sich auf die Gruppenarbeitsräume und nahmen sich der vielfältigen Fragen an. Das interdisziplinäre Planspiel führte zu technischen und juristischen Verständnisfragen, aber auch zu methodischen Fragen nach der notwendigen Detaillierungstiefe der Planung und dem Umgang mit fehlenden Informationen. „Besonders der Abschluss am ersten Ausgewählte Projektmanagement-Schwerpunkte in der Wochenendwerkstatt Windenergie • Termin- und Ressourcenplanung • werden hochkomplex, wenn Megakräne für 12.000,- EUR/ Tag eine Woche lang untätig auf besseres Wetter warten. • Kosten und Finanzierung: • Sechs- und bis zu zehnstellige Projektbudgets gilt es zu kalkulieren, zu rechtfertigen und bereitzustellen (zzgl. kostenintensiver Vorprojekte). • Vertragspartner und sonstige Stakeholder: • Die große Anzahl, wie auch die große Vielfalt/ Heterogenität der Stakeholder ist eine Besonderheit des Windenergiesektors; insbesondere bei Bürgerwindparks mit bis zu 1.000 Kommanditisten. • Projektorganisation und Teamarbeit • werden zum kritischen Erfolgsfaktor, wenn Ingenieure, Kaufleute, Juristen, Gutachter, Investoren, Kommunen, Genehmigungsstellen, Netzbetreiber und viele andere gemeinsam erfolgreich sein wollen. • Information und Kommunikation • beginnen beim sensiblen Erstkontakt mit den Landeigentümern und ziehen sich über den grundsätzlich emotionalen Umgang mit Bürgerinitiativen bis zum rauen Umgangston auf der Baustelle. • Problemlösung • kennt jeder Autofahrer, der schon hinter Rotorblättern auf rangierenden Großraum- und Schwerlasttransportern gewartet hat. • Konfigurations- und Änderungsmanagement • sind fast nicht zu umgehen, wenn parallel die Technologieentwicklung unaufhaltsam läuft und auch die rechtlichen Rahmenbedingungen alles andere als stabil sind. • Rechtliche Aspekte • ergeben sich aus der Gesetzeslage inkl. sich stetig ändernder Förderrichtlinien/ Einspeiseregelungen und ganz hautnah aus diversen Kauf-, Pacht-, Miet-, Werks- und Dienstleistungsverträgen. • Gesundheits- und Arbeitsschutz • können nicht groß genug geschrieben werden bei Anlagen der 3 MW-Klasse mit tonnenschweren Komponenten und Montagearbeiten in über 100 m Höhe. • Projektziele und Projekterfolg • müssen nicht nur in Abwägung ökonomischer und ökologischer Interessen definiert werden, sondern auch der Umweltschutz kennt Pro- und Contra-Statements zur Windanlagenerrichtung.  Neben den typischen Projektmanagementmethoden - nur wenige ICB-Elemente sind hier exemplarisch aufgeführt - sind persönliche Kompetenzen wie Moderations-, Kreativitäts- und Präsentationsfähigkeiten der Teilnehmer der Wochenendwerkstatt Windenergie gefragt. PM-aktuell_5-2016_Inhalt_01-88.indd 75 11.11.2016 12: 27: 18 Uhr 76 naChriChten Daniel Meier von der sponsernden WKN AG, „aber wir freuen uns auch, für sehr gute individuelle Leistungen Praktikumsplätze anbieten zu können, bei denen die Studenten auch Einfluss darauf nehmen können, in welchen Bereichen der Branche sie noch etwas lernen wollen.“ So zogen Organisatoren, Sponsoren und alle Teilnehmer ein positives Fazit. Die Teilnehmer verteilten sich nach der Prämierung an den nahe gelegenen Ostseestrand oder streiften noch durch den gastgebenden Power- Park, der viele erkenntnisreiche und erlebnisreiche Experimente rund um das Thema Energie bereithält. Das Team der Beuth Hochschule Berlin hatte vom Austragungsort am fast nördlichsten Punkt der Republik noch einen weiten Heimweg, nachdem die Projektleiterin Olga Kruglyk resümierte: „Es war ein tolles, lehrreiches Wochenende. Gerade auf dem Heimweg wurde mir klar, wie viel es mir nicht nur fachlich, sondern auch persönlich gebracht hat.“ Autoren: Nicole Knudsen, BWE Bundesverband Windenergie, Steffen Rietz, FHW Fachschule Westküste, E-Mail: S.Rietz@gpm-ipma.de Veranstaltungen Dezember 2016 the “APM Project Management Conference Manchester: Shaping the Northern Powerhouse” by apm association for project management will take place on 8 th of December 2016 in Manchester/ united Kingdom. further information: phone: ++44/ 1844/ 27 16 40 or www.apm.org.uk/ event/ apm-conference-manchester (english) Januar 2017 the “16 th International Conference & Exibition: New Dimensions of Project Delivery - Challenging Realities”, organized by the arabian gulf Chapter of PMi Project Management institute, will take place from 23 rd to 25 th of January 2017 in the Kingdom of bahrain. further information: vinodmanik kara@hotmail.com or www.pmiagc.org/ pmi-agc-conference-2017 (english) Februar 2017 the “12 th International Project Management Conference”, organized by aryana industrial and research group, will take place from 12 th to 13 th of february 2017 in tehran, iran. further information: www.iipmc.com or www. iipmc.com/ Portals/ 14/ pdfLinks/ 12th% 20bro-%20latin%20web.pdf (english) März 2017 Die „PM-Tage 2017: Projektmanagement 4.0“ werden von der tiba Managementberatung am 22. und 23. März 2017 in München durchgeführt. Weitere infos: birgit Weber, tel. 089/ 89 31 61 90, oder www.pmtage.de/ home/ Der 2. fachkongress „PM Welt 2017“ des Projekt Magazins findet am 30. März 2017 in München statt. Weitere infos: info@pmwelt.com oder www.pmwelt.com April 2017 Die „Projektmanagement Tagung 2017“ unter der Motto „Projekt Mensch - ,Nomen est Omen‘ … der Name ist Programm“, veranstaltet von studierenden des Lehrgangs „nDs Projektmanagement-Praxis“ unter der schirmherrschaft des bildungszentrums kvbL, findet am 27. april 2017 in basel, schweiz, statt. Weitere infos: margarethe.multerer@pm2017.ch oder www.pm2017.ch/ tagung Mai 2017 Die „Projektmanagement-Frühjahrstagung“ des DVP Deutscher Verband der Projektmanager in der bau- und immobilienwirtschaft e. V. findet am 5. Mai 2017 in München statt. Weitere infos: info@dvpev.de oder www.dvpev. de/ fachtagungen-2017 Oktober 2017 Der „PMO Tag“ der gPM Deutsche gesellschaft für Projektmanagement e. V. wird am 23. Oktober 2017 in nürnberg durchgeführt. Weitere infos: info@pm-forum.de oder www.pmforum.de/ pmo-tag.html Das „34. Internationale Projektmanagement Forum“ der gPM Deutsche gesellschaft für Projektmanagement e. V. findet am 24. und 25. Oktober 2017 in nürnberg statt. Weitere infos: info@pm-forum.de oder www.pmforum.de November 2017 Die „Projektmanagement-Herbsttagung“ des DVP Deutscher Verband der Projektmanager in der bau- und immobilienwirtschaft e. V. wird am 17. november 2017 in berlin durchgeführt. Weitere infos: info@dvpev.de oder www.dvpev.de/ fachtagungen-2017 Eine überzeugende Ergebnispräsentation inkl. einer Szenarioplanung für die Umsetzung schaffte das gemischte Team aus den Fachhochschulen Flensburg und Kiel mit Lewe Jepsen, Yannick Pfeiffer, Moritz Pohlmann und der Projektleiterin Melanie Koch, die für ihre überzeugende Leistung zusätzlich mit einem bezahlten Praktikumsplatz bei der WKN AG ausgezeichnet wurde. Foto: GPM Fachgruppe Windenergie projektManagementaktuell | ausgabe 5.2016 PM-aktuell_5-2016_Inhalt_01-88.indd 76 11.11.2016 12: 27: 21 Uhr naChriChten 77 projektManagementaktuell | ausgabe 5.2016 Erwartungsgemäß werden agile Techniken insbesondere in der Softwareentwicklung genutzt, aber auch IT-nahebzw. IT-ferne-Aktivitäten machen bereits 41 Prozent bzw. 27 Prozent aus. Mit 86 Prozent ist Scrum der meistgenutzte agile Handlungsrahmen. Danach folgen Kanban, eXtreme Programming und Feature Driven Development. Agile Techniken werden nach Kriterien wie „Ergebnisqualität“, „Termintreue“ und „Mitarbeitermotivation“ oft besser bewertet als klassische Projektmanagementtechniken. In der Zertifizierungsprüfung wird nicht nur Wissen zu agilen Techniken und den damit verbundenen agilen Handlungsrahmen überprüft, sondern auch ein tieferes Verständnis der Prinzipien agilen Managements erfragt. Dieses tiefere Verständnis kommt in der inneren Haltung zum Ausdruck; es zeigt sich besonders auch in der Fähigkeit, agile und klassische Techniken in einem komplexen Umfeld zu kombinieren. Deshalb enthält die Prüfung auch Aufgaben zur Integration und zum Transfer agiler und klassischer Techniken. Beispielsweise beleuchten Aufgaben den Zusammenhang zwischen dem Handlungsrahmen Scrum und dem PDCA-Zyklus. Der Zertifizierungsprüfung liegt folgendes Verständnis von hybridem Projektmanagement zugrunde: Hybrides Projektmanagement basiert auf einem agilen Mindset, wendet Agiles Management 4.0 an (entwickelt von der GPM Fachgruppe Agile Management) und ergänzt Die Zertifizierungsstelle PM-ZERT der Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement GPM e. V. erweitert ihr Prüfungsprogramm um eine Zusatzzertifizierung zu agilem und hybridem Projektmanagement. In einer zweistündigen, schriftlichen Prüfung weisen die Kandidaten nach, dass sie agile Prinzipien, Modelle und Techniken kennen und anwenden sowie diese sinnvoll mit klassischem Projektmanagement verbinden können. Inhaber einer IPMA Level-D-, C-, B- oder A-Zertifizierung unterstreichen mit dem Zusatzzertifikat „hybrid+“ ihre allgemeinen Kompetenzen im Projektmanagement: hybrid+ trägt der Kombination von agilem und klassischem Projektmanagement Rechnung. Die Prüfungen zum Zusatzzertifikat hybrid+ können sowohl im Rahmen von IPMA 4-L-C-Zertifizierungsrunden als auch an individuellen, mit der Geschäftsstelle der PM-ZERT zu vereinbarenden Terminen abgelegt werden. Der Hintergrund für dieses neue Zusatzzertifikat: In der Projektmanagementpraxis wird klassisches Projektmanagement zunehmend mit agilen Techniken kombiniert. Bereits die Studie „Status Quo Agile 2014“ zeigte diesen Trend. Die Mehrheit der Teilnehmer dieser Umfrage nutzt agile Techniken selektiv oder in einer Mischform. Dagegen nutzen etwa 25 Prozent einen der agilen Handlungsrahmen wie Scrum oder Kanban vollständig. Auch wird die Erfolgsquote agiler Techniken im Ergebnis der Umfrage positiver bewertet als die Techniken klassischen Projektmanagements. Neuer GPM Kompetenznachweis für agiles und hybrides Projektmanagement dieses - soweit sinnvoll - durch Modelle und Methoden des klassischen Projektmanagements. Agiles Management 4.0 ist eine Führungs- und Managementpraxis, um in einem komplexen und von Unsicherheit gekennzeichneten Handlungsfeld agil und proaktiv agieren zu können. Es ist gekennzeichnet durch ein agiles Mindset mit dem Fokus auf: • einer Führung, deren Grundlage die Selbstführung ist, • einer Führung, die auf den Grundbedürfnissen der Menschen fußt, • einer Führung, die das Verständnis komplexer Systeme fordert sowie deren Regulation durch ein iteratives Vorgehen fördert, • Menschen, die sich in Teams selbst organisieren, • fluiden/ agilen Organisationen, die das anpassungsfähige und schnelle Liefern von nutzbaren Ergebnissen fördern und durch den proaktiven Umgang mit Veränderungen innovative Kundenlösungen schaffen. Hierbei benutzt die Fachgruppe Agile Management agiles Management und agiles Projektmanagement oft synonym, da sie davon ausgeht, dass diese Unterschiede in den Managementausprägungen in einem komplexen Umfeld zunehmend an Bedeutung verlieren. Ziel und Nutzen des hybriden Projektmanagements bestehen darin, wesentlich dazu beizutragen, dass Projekte die zum jeweiligen Unternehmen passende Agilität entwickeln und zei- NEU Die ideale Ergänzung zu allen IPMA Management! PM-aktuell_5-2016_Inhalt_01-88.indd 77 11.11.2016 12: 27: 21 Uhr projektManagementaktuell | ausgabe 5.2016 78 naChriChten betrachten. Dieses System Thinking bietet eine neue Sicht: Die systemische Sicht liefert die Einsicht, dass „das Tanzen auf vielen Hochzeiten“ in der Praxis ein wesentlicher Grund ist, warum Projekte Probleme bekommen und Multiprojektmanagement-Organisationen nicht mehr oder viel zu wenig an Wertschöpfung liefern. Agiles Management, und hier gilt der Verdienst insbesondere den Handlungsrahmen Kanban und Scrum sowie dem Lean Management, berücksichtigt nicht nur diesen Blickwinkel, sondern hat diesen sogar in seine Grundannahmen aufgenommen. Markt und Unternehmenskultur fordern, dass in immer kürzerer Zeit immer mehr erledigt werden müsse. Dies ist ein Zeichen einer komplexer werdenden Umwelt. Jedoch ist diese letzte Aussage nicht identisch mit der Aussage: Ressourcen sind zu überlasten. Agiles Management fordert an diesem Punkt nachhaltig ein Umdenken. Hier setzt auch Führung ein: Nur dann, wenn die skizzierten Mechanismen den Führungskräften im agilen Management über Selbstreflexion bekannt sind, kann eine entsprechende Führung und Veränderung der beteiligten Personen und Organisationen gelingen. Angenommen, dass ein klassisches und ein agiles Team gleich gut die anstehende Aufgabe abschätzen - so könnten beide sehr wohl einen Festpreis ermitteln. Nun die Frage: Bei welchem Team ist die Wahrscheinlichkeit größer, den Festpreis in Zeit, Qualität und Budget einzuhalten? Bei einem agilen Team, das sich fokussiert und dessen Teammitglieder nicht auf mehreren Hochzeiten tanzen? Oder bei einem Team mit klassischem Mindset, dessen Teammitglieder kaum genug Zeit haben, ihre Aufgaben sorgfältig zu erledigen und eigentlich keine Zeit finden, ihre Aktivitäten lernend zu reflektieren? Die Prüfung zum Zusatzzertifikat hybrid+ ist das erste Examen der PM-ZERT, das nach den Richtlinien der neuen IPMA Individual Competence Baseline ICB4 (http: / / products.ipma.world) entwickelt wurde. Die ICB4 gibt keine Empfehlung zu speziellen Methodologien, Handlungsrahmen, Methoden, Techniken oder Tools. Es obliegt der jeweiligen Organisation, für ihre Projektvorhaben geeignete Methodologien, Handlungsrahmen, Methoden und Tools auszuwählen und bei Bedarf an ihre Bedürfnisse anzupassen. Gleichwohl nennt die ICB4 Beispiele zu Methoden und Techniken und führt hier erstmals explizit die Handlungsrahmen Scrum und Kanban an (siehe Tab. 1). Autor: Alfred Oswald geschuldet, dass Selbstorganisation ohne Führung nicht zu haben ist. Den Unterschied in den verschiedenen Haltungen kann man am Beispiel der vermeintlichen Unvereinbarkeit von Festpreisprojekten und agiler Vorgehensweise erläutern. Diese vermeintlich prinzipielle Unvereinbarkeit wird häufig wie folgt begründet: Im agilen Handlungsrahmen Scrum, der irrtümlich oft mit agilem Management gleichgesetzt wird, verbietet der Respekt des Auftraggebers gegenüber dem Scrum-Team einen Festpreis. Denn das Team bekommt von einem Auftraggeber eine komplexe Aufgabenstellung. Es spricht das „Offensichtliche“ an: Dass ein komplexes Vorhaben bei noch so viel Erfahrung nicht hinreichend genau geschätzt werden kann. Daraus ergibt sich die „vermeintliche“ Konsequenz, keinen Festpreis abzugeben. Das Team mit einem klassischen Mindset würde diesem Verständnis folgend diese Konsequenz gegenüber dem Auftraggeber nicht aussprechen. Und der Auftraggeber würde auch auf seinem „Recht“ als Auftraggeber beharren und den Festpreis einfordern, da er sonst nicht planen kann. An diesem Beispiel wird noch etwas mehr sichtbar. Das Mindset ist von Bedeutung. Doch scheinen die obigen Überlegungen zu dem Schluss zu führen, dass sich Festpreis und agiles Management nicht „vertragen“. Hier hilft es, einen Schritt zurückzutreten und das agile Projekt und das klassische Projekt von außen als System zu gen. Agilität - als Ausdruck von Schnelligkeit und Flexibilität - versteht sich dabei als Reaktion auf zunehmend komplexere Umfelder, in denen sich die Unternehmen bewegen. Diese komplexeren Umfelder werden insbesondere durch ökologische Anforderungen, Globalisierung, Digitalisierung, disruptive Innovationen sowie die Wechselwirkung der Kulturen bestimmt. Von „fluiden Organisationen“ spricht man dann, wenn Organisationen in der Lage sind, sich adaptiv auf diese komplexen Umfelder einzustellen, indem sie entsprechende agile Strukturen und Prozesse schnell und flexibel auf- und abbauen. Im Sinne dieses Verständnisses greifen einzelne Techniken hierbei viel zu kurz, dies gilt sowohl für agile als auch für klassische PM-Techniken. Agiles und hybrides Management oder Projektmanagement ist nicht identisch mit agilen Techniken oder agilen Handlungsrahmen wie Scrum. Vielmehr betont agiles und hybrides Management eine Haltung, ein Mindset. In dieser Haltung haben Selbstreflexion, Wertschätzung des Menschen, systemisches Denken (Systems Thinking) und die Selbstorganisation sozialer Systeme vorherrschende Bedeutung. Agile Techniken, genauso wie klassische PM-Techniken, tragen nur dann zur Agilität bei, wenn sie sich diesem Mindset unterordnen. Führung spielt dabei eine prominente Rolle; diese hat ihre Wurzeln in der Selbstführung und ist der Tatsache Grundlagen von Komplexität und Agilität Was ist Komplexität? Was ist Agilität? Zusammenhang zwischen Komplexität und Agilität, Komplexitätsmodellen und Projekttypen: Cynefin-, Stacey- und Diamantmodell Grundlagen der Selbstreflexion, Mindset und Führung: Werte, Prinzipien und Grundannahmen, Führungshaltung Agiles Manifest, agile Prinzipien, menschliche Grundbedürfnisse und Agilität, Selbstreflexion, Meta-Kompetenz Agile Techniken Grundlagen der agilen Basistechniken wie u. a. Time-Boxing, Inkrement, Iteration, Arbeitsfluss; Grundlagen abgeleiteter agiler Techniken wie Daily, Sprint, Sprint Backlog, Product Backlog, ... Verbindung und Integration zu klassischen PM-Techniken Grundlagen der Selbstorganisation und Führung Was ist Selbstorganisation? Welche Führungsparameter erlauben Selbstorganisation? Beispiele zu systemischen Führungsparametern Lernen und Führung in einem komplexen Umfeld Plan-Do-Check-Act-Zyklus (PDCA-Zyklus), Empirie und Komplexität, System Thinking: systemische Muster, Komplexität und Agilität Tab. 1: Prüfungsschwerpunkte des Zusatzzertifikats hybrid+ PM-aktuell_5-2016_Inhalt_01-88.indd 78 11.11.2016 12: 27: 21 Uhr