PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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Gesellschaft für ProjektmanagementWie Zuhören, Netzwerken und „Sangeslust“ in Asien Türen öffnen
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Oliver Steeger
China gilt unter deutschen Projektmanagern nach wie vor als schwieriger Einsatzort. Die Mentalität, die Kultur und auch die Verhaltensweisen sind für Projektmanager kaum zu durchblicken. Doch Chinesen geht es bei der Zusammenarbeit mit deutschen Projektmanagern nicht anders: Deutsche Manager gelten als unnahbar; sie nehmen in der täglichen Kommunikation kein Blatt vor den Mund und suchen bei Fehlern zunächst nach Schuldigen, dann nach Lösungen. Die China-Kenner Joanne Huang und Ingolf Popel von der GPM Special Interest Group „Go International“ berichten aus ihrer Erfahrung – und zeigen, dass es für Deutsche in China doch einen guten Weg der Verständigung gibt.
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Interkulturelles Projektmanagement in Asien Wie Zuhören, Netzwerken und „Sangeslust“ Autor: Oliver Steeger China gilt unter deutschen Projektmanagern nach wie vor als schwieriger Einsatzort. Die Mentalität, die Kultur und auch die Verhaltensweisen sind für Projektmanager kaum zu durchblicken. Doch Chinesen geht es bei der Zusammenarbeit mit deutschen Projektmanagern nicht anders: Deutsche Manager gelten als unnahbar; sie nehmen in der täglichen Kommunikation kein Blatt vor den Mund und suchen bei Fehlern zunächst nach Schuldigen, dann nach Lösungen. Die China-Kenner Joanne Huang und Ingolf Popel von der GPM Special Interest Group „Go International“ berichten aus ihrer Erfahrung - und zeigen, dass es für Deutsche in China doch einen guten Weg der Verständigung gibt. Projekte in China zu leiten, davor schrecken viele deutsche Projektmanager zurück. Das Land scheint unvertraut, die Arbeitsmentalität ist fremd, das soziale Miteinander ein Rätsel. Projektmanagement in China, dies bedeutet für viele Deutsche den sprichwörtlichen „Ritt auf dem Drachen“. Joanne Huang (JH): Nicht nur Deutsche empfinden dies so. Auch Chinesen - oder allgemein Asiaten - überkommt häufig ein mulmiges Gefühl, wenn der Projektmanager aus Deutschland anreist. Deutsche Projektmanager haben in China einen sehr guten Ruf. Aber es ist für Asiaten nicht leicht, mit Deutschen zusammenzuarbeiten. Man sagt, Deutsche seien schwierige Partner und deshalb ist die Zusammenarbeit mit ihnen häufig auch für Asiaten ein „Ritt auf dem Drachen“. Joanne Huang Joanne Huang ist Taiwanesin mit den Muttersprachen Mandarin und Kantonesisch. Sie ist Projektberaterin, Koordinatorin für deutsche und chinesische Unternehmen, interkulturelle Trainerin und Coach sowie Mitinhaberin des Wirtschaftsbüros Huang+Jaumann in Augsburg. Nach ihrer Ausbildung zum Bachelor of Business Administration arbeitete sie in der IT-Branche in Taiwan und kam 1992 nach Deutschland. In Augsburg schloss sie dann das Studium zur Diplom-Ökonomin ab und machte sich 2001 selbstständig. Seit 2003 veranstaltet sie bundesweit Seminare. Außerdem ist sie Autorin und schreibt Bücher über die chinesische Mentalität und Verhaltensmuster im Geschäftsleben. Foto: Zebulon For & more/ Anneliese Boos Ingolf Popel Ingolf Popel ist Programmleiter für die Bereiche Luftfahrt und Verteidigung bei einem mittelständischen Unternehmen. Seit seiner Ausbildung zum Bachelor of Business Administration arbeitet er in internationalen Unternehmen mit Schwerpunkt asiatische Märkte. In den Jahren 2007 bis 2010 war Ingolf Popel in gehobener Managementposition in China tätig. Er leitete ein Organisationsprojekt vor Ort mit einem Team von 80 chinesischen Mitarbeitern. Auch derzeit bildet der asiatische Markt einen Arbeitsschwerpunkt mit B2B- und B2G-Projekten. Foto: KAPPA optronics GmbH in Asien Türen öffnen projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2017 16 REPORT REPORT 17 projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2017 IP: Ich spreche für China, dort habe ich über mehrere Jahre gelebt und gearbeitet. Dort habe ich beobachtet, dass man bei deutschen Managern - und auch Projektmanagern - Empathie vermisst. Für einen Deutschen ist Dienst Dienst - und Schnaps ist Schnaps. Er trennt zwischen Arbeit und Freizeit. Nach Feierabend zieht er sich zurück und lässt sein Team oder seine Kollegen allein. Dies wird in Asien geradezu gefürchtet: Asiaten finden keinen persönlichen Zugang zu uns Deutschen, und das ist für sie fast dramatisch. Hinzu kommt, dass manche Deutsche wegen ihres berühmten technischen Know-hows arrogant wirken können. Man stellt eine gewisse Überheblichkeit an uns fest. Da liegen Tugend und Laster also eng beieinander … IP: Klar! Man schätzt die sorgfältige, kenntnisreiche Arbeit von Projektmanagern aus Deutschland, ihre Gründlichkeit, ihre formelle Vorgehensweise - und manchmal auch ihre preußische Pünktlichkeit. Aber ihre Unnahbarkeit und Kühle empfindet man als schwierig. JH: Asiaten vermissen häufig die Flexibilität bei Deutschen. Hat der Deutsche sich etwas in den Kopf gesetzt, dann bleibt er stur - so meint man in Asien. Dann ist es schwer, sich mit ihm zu verständigen. Und: Seine Art, Kritik zu üben, macht ihn nicht beliebt. Es heißt, Asiaten vertragen keine Kritik. JH: Nein, das ist so nicht richtig. Asiaten vertragen durchaus Kritik. Aber sie diskutieren Meinungsverschiedenheiten oder Kritik anders. Gegenüber Deutschen spüren Asiaten häufig den Druck, sich verteidigen zu müssen. Und, was Ingolf Popel eben sagte, die Unnahbarkeit. Asiaten wollen auch nach der Arbeit mit Kollegen oder im Team essen gehen oder etwas unternehmen. Der Projektmanager sollte in der Lage sein, die Erwartungen zu erfüllen, die Asiaten an ihn als Führungskraft richten. Eben fiel das Stichwort Kritik. Was ist mit Konflikten in Asien? JH: Der deutsche Projektmanager braucht in Asien passende Strategien zur Konfliktbewältigung. Konkret bedeutet dies: Er muss lernen, sich nicht zu sehr auf Probleme zu konzentrieren, sondern auf Lösungen. Anderenfalls ist er zu sehr durch das Problem gebunden. In Asien steht stark die lösungsorientierte Herangehensweise im Vordergrund. sche mit China, dem Land des Drachens? Ingolf Popel (IP): In Deutschland ist die Meinung zu Asien, der Welt des Drachens, durchaus gespalten und das Stimmungsbarometer schwankt stark. Derzeit sieht man Asien im Sinne des Glückssymbols als „freundlichen Drachen“. In Asien finden sich viele aufstrebende Wirtschaftsnationen. Die Wirtschaft dort wächst erheblich. Dies überträgt sich auch auf Deutschland. Aber: Asien - und gerade China - hat man bis vor einigen Jahren als Konkurrenz gesehen. In Deutschland sind viele Branchen verschwunden, die nun in Asien ansässig sind. Auch heute leiden einige westliche Branchen stark unter dem Wettbewerbsdruck aus Asien, etwa die Automobilindustrie. Erst kamen japanische Automarken nach Europa, dann koreanische - und derzeit erobern chinesische Autos unseren Markt. Kurzum - der asiatische Drache ist sowohl Glückssymbol als auch Unheilbringer für uns? IP: Ja, viele sehen dies so. Ein starker Markt und ein starker Wettbewerber. Eben sagten wir, dass ein deutscher Projektmanager Asiaten durchaus Bauchschmerzen bereiten kann. Welche Eigenschaften des deutschen Projektmanagers werden in Asien gefürchtet? Apropos „Drache“! Man muss wissen: Der Drache gilt in China als Symbol für Glück - nicht für Gefahr, wie in Deutschland. Was hat es mit dem Drachen in China auf sich? JH: Der Drache ist in China ein sehr wichtiges Symbol. Die Chinesen sehen sich selbst als Nachkommen des Drachen. Dafür gibt es einen interessanten Hintergrund: In frühester Zeit war fast die gesamte Bevölkerung mit Landwirtschaft befasst. Man arbeitete auf dem Feld und war von Regen abhängig. Wasser war überlebenswichtig. Drachen nun leben in der Nähe von Gewässern, von Seen und Flüssen. Erscheinen sie, bringen sie Regen mit - und so gelten Drachen traditionell als Glücksbringer. Bis heute als Glücksbringer? JH: Auch heute - bis in den Alltag hinein. In der chinesischen Astrologie kennt man das Jahr des Drachen, das alle zwölf Jahre wiederkehrt. In diesem speziellen Jahr werden viel mehr Kinder als sonst geboren; die Geburtenrate ist doppelt so hoch wie in anderen Jahren. Im Sprachgebrauch ist die Figur des Drachens ebenfalls fest verankert. Sagt man, ein Mann sitzt auf dem Kopf eines Drachen, so meint man: Er führt gerade. Herr Popel, in Deutschland steht der Drache in einem weniger guten Ruf. Was verbinden Deut- Der Drache ist eines der verbreitetsten Glückssymbole in China. Foto: enanuchit - Fotolia.com projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2017 18 REPORT Mitarbeiter untereinander einplanen. Sie sollten die eben erwähnten persönlichen Verbindungen auch ihren Mitarbeitern ermöglichen. Und kennenlernen heißt dabei mehr als nur oberflächliches Shakehands und das Austauschen der Geschäftskarten. Mehr - was genau mehr? JH: Ein Beispiel: Beim Kennenlernen sollten die Mitarbeiter auch die Arbeitsmethoden und die Arbeitsmentalität des anderen kennenlernen. Was heißt Kommunikation? Was versteht man jeweils unter Qualität - oder einem Termin? Oder Verbindlichkeit? Dieser Austausch ist sehr wichtig für die spätere Durchführung des Projekts. IP: Wir Deutschen sollten auch in einem Punkt vorsichtig sein. So, wie es nicht den Westeuropäer gibt, so gibt es auch nicht den Asiaten. Zwischen den einzelnen Ländern Asiens bestehen zum Teil große Unterschiede. Chinesen sind anders als Koreaner, Koreaner anders als Thailänder - und Thailänder wieder anders als Chinesen. Dafür muss der Projektmanager ein Gespür entwickeln. Beispielsweise werden in China jährlich mehrere Millionen Absolventen entlassen, die auf den Arbeitsmarkt drängen und sich hocharbeiten wollen. Trotz allen Arbeitens im Konsens, trotz der auf Zustimmung der Gruppe ausgerichteten Mentalität, es handelt sich vielfach um ehrgeizige Einzelkämpfer mit sehr konkreten Zielen für ihr Leben. Viele wollen IP: Ja. Es geht um ein breites Beziehungsnetz, auch über das direkte Projektumfeld hinaus - beispielsweise in das lokale Management des eigenen Unternehmens. JH: Wie eben gesagt, die Asiaten wünschen und suchen diese persönlichen Verbindungen. Der Projektleiter braucht die Verbindungen, um in Asien überhaupt arbeiten zu können. Mit dem Netzwerken ist beiden Seiten geholfen. Werden wir konkret. Es heißt, für einen Europäer sei es beispielsweise schwierig, die versteckten Einflusspersonen zu identifizieren. Wie kann er Beziehungen aufbauen, um an solche Informationen zu kommen? JH: Asiaten haben da eine ziemlich einfache Methode: Sie pflegen den Small Talk. Beim Small Talk darf man Fragen etwa nach Einflusspersonen stellen. Auf diesem Weg wird man recht schnell die wichtigen Personen finden. Einfach, aber in Asien sehr wirkungsvoll. Vorhin fiel das Stichwort der Kultur. Mentalität, Arbeitskultur, soziales Gefüge, der tägliche Umgang - vieles ist in Asien anders als in Deutschland. Wie können Asiaten und Deutsche besser, interkulturell harmonischer zusammenarbeiten? Etwa in einem kulturell gemischten Team aus Asiaten und Europäern? JH: Aus meiner Sicht ist es nötig, dass Projektmanager mehr Zeit für das Kennenlernen der Herr Popel, wie deckt sich dies mit Ihren Erfahrungen in China? IP: Sehr gut deckt sich dies! Besonders wichtig finde ich, dass der Projektmanager Respekt vor der asiatischen Arbeitskultur mitbringt. Respekt - wie darf ich dies genau verstehen? IP: Ganz einfach: Der Projektmanager muss respektieren, dass die Menschen in Asien anders denken und sich ihm gegenüber anders verhalten. Dass - bei aller scheinbaren Ähnlichkeit - die Kulturen in Asien anders sind als im Westen. In Asien braucht man beispielweise mehr Geduld als etwa in Europa. Und auch Begeisterungsfähigkeit ist hilfreich. Der Projektmanager muss sein Team begeistern und motivieren können - vielleicht noch mehr als im Westen. Und, was aus meiner Sicht ganz wichtig ist, ist das mikropolitische Geschäft. Beispielsweise sollte die Projektleitung in Asien kein „Teilzeitjob“ sein, für den der Projektmanager für einige Tage im Monat nach Asien fliegt und nach dem Rechten schaut. Er sollte also dauerhaft präsent sein vor Ort? IP: Genau dies. Der Projektmanager muss wirklich vor Ort und dort präsent, greifbar sein. Wir sollten uns vor Augen halten: Asiaten bezeichnen jemanden, der etwa aus Europa eintrifft, zunächst als „lau wei“, wie es dort heißt - als den Fremden „von draußen“. Man ist also nicht per se im inneren Kreis eines Projekts, sondern zunächst draußen, außerhalb dessen Grenzen. JH: Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Ein deutscher Projektmanager ist in Asien zunächst wirklich ein Fremder. Er ist allein, kann aber allein sein Projekt nicht durchführen. Er braucht vor Ort Unterstützung. Und deshalb empfehle ich, sich verschiedene Wege zu überlegen, wie man einheimische Partner an sich binden kann. Nicht nur geschäftlich, sondern auch persönlich. Wie soll dies gehen? IP: Vergleichen Sie das Projekt und sein Umfeld mit dem Zwiebelschalen-Prinzip. Zunächst hat der Projektmanager gewissermaßen keine Verbindung zu dieser Zwiebel. Da stehen ihm keine Türen offen. Ihm obliegt es nun, in diese Zwiebel hinein zu finden - Schale für Schale. Immer weiter. Diese Aufgabe steht am Anfang seiner Tätigkeit in Asien, und sie ist vielleicht die wichtigste. Mit einem Wort - klassisch netzwerken. Sich unter die Menschen begeben, Kontakt suchen, Beziehungen entwickeln. Lösungsorientiert, diplomatischer und aufgeschlossener für persönlichen Umgang - so wünschen sich viele Chinesen deutsche Manager. Foto: imtmphoto - Fotolia.com REPORT 19 projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2017 Wirtschaftsmacht China - die Skyline von Shanghai. Foto: Oleksandr Dibrova - Fotolia.com Vorhin haben Sie die kulturellen Unterschiede in Asien angesprochen. Ein Koreaner ist anders als ein Chinese, ein Thailänder anders als ein Koreaner … IP: … das ist richtig! Es gibt viele ethnische und historische Besonderheiten in Asien. Ähnlich wie in Europa existieren in Asien jahrhundertealte Zwistigkeiten zwischen den Ländern und Völkern. Dies wirkt bis heute nach. Beispielsweise gibt es solche Brüche zwischen Chinesen und Koreanern - vor allem, wenn es um Hierarchie und das Verhältnis zu Vorgesetzten geht. Man sollte besser nicht auf die Idee kommen, einen japanischen Vorgesetzten nach China oder Korea zu bringen. Dies ist heute noch ein heißes Eisen! In Indien muss man beim Einsetzen von Vorgesetzten nach wie vor das Kastenwesen im Blick behalten. Wer darf wem wirklich etwas sagen? Auch ist es nicht gut, wenn ein Inder eine chinesische Gruppe führt, diese Erfahrung musste ich machen. Diese Konstellation wird nicht akzeptiert. JH: Das ist gut beschrieben. Wer dazu neigt, alle Asiaten quasi in einen Topf zu werfen, der tritt Doch genau diese Meinungsvielfalt im Team wünschen sich Projektmanager. Sie wollen im Team die unterschiedlichen Positionen herausarbeiten, um sich selbst ein gutes, rundes Bild von einem Sachverhalt zu machen. Meine Frage: Was tun? IP: Die Schwierigkeit können wir uns an einem Beispiel klarmachen. Dem Deutschen fällt es leicht, zu widersprechen und „nein“ zu sagen. Er meint „nein“, und er sagt „nein“. Bei Asiaten ist dies anders. Japaner sagen nie „nein“. Versucht der Projektmanager dann in der Mimik oder Gestik seines japanischen Gesprächspartners zu lesen - er wird nichts finden. Er schaut zumeist in steife Gesichter. Bei Chinesen ist dies anders. Besonders im Vier-Augen-Gespräch, wenn sie Vertrauen gefasst haben, können sie abweichende Meinungen äußern, auch Unmut oder Begeisterung. Für den Projektmanager heißt dies: In Einzelgesprächen erfährt er deutlich mehr als im Gruppengespräch. Koreaner übrigens können durchaus „nein“ sagen, sie bleiben dabei aber reserviert und selbstbeherrscht. nach oben, eine Position erklimmen, auf der sie etwas zu entscheiden haben. Dafür brauchen Projektmanager ein Gespür. Ich empfehle meinen Kollegen, dass sie gut zuhören und spontane Reaktionen vermeiden. Spontane Reaktionen vermeiden - inwiefern? JH: Anerkannte Projektmanager stehen für Chinesen in der Hierarchie weit oben. Ihre Äußerungen werden nicht als spontan empfunden, sondern als Richtungsentscheidung. Nach einer spontanen Reaktion ist es beispielsweise schwierig, im Team sachlich kontrovers weiter zu diskutieren. Die chinesischen Mitarbeiter meinen, dass die Sache entschieden sei; sie halten ihre weiteren Argumente zurück. Deshalb: Projektmanager sollten sich mit ihrer eigenen Meinung zurückhalten und zunächst zuhören. Es heißt, dass es asiatischen Mitarbeitern ohnehin schwerfällt, eine Meinung zu äußern, die nicht in den Gruppenkonsens passt - oder gar der vermuteten Meinung des Projektmanagers entgegensteht. projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2017 20 REPORT unterhalb. Und manchmal ist oberhalb der Linie gar nichts zu erkennen. Der Projektmanager braucht also dafür ein gutes Gespür. Hilfreich sind Empathie, das Einlassen auf die Personen und die Kultur - und das „Hineinkommen“ in die vorhin erwähnten Zwiebelschalen. Und noch etwas: Der Projektmanager sollte singen können. Wie bitte - singen können? IP: Ich rate jedem Projektmanager, sich vor seiner Abreise vor den Spiegel zu stellen und zu singen. Im Ernst! Er wird dies in Asien brauchen. Karaoke ist in Asien eine sehr beliebte Freizeitaktivität. Gemeinsames Singen hat schon manche Türen geöffnet! Projektmanager aneignen und mitbringen nach Asien. Und wenn Sie mir noch eine goldene Regel gestatten: Der Deutsche sollte in Asien ein guter Gast sein, dann macht er eigentlich nichts falsch. Herr Popel, was sind Ihre goldenen Regeln? IP: Die Gefahr von Missverständnissen ist für deutsche Projektmanager in Asien wirklich sehr groß. Dies kann zu Konflikten führen. Der Projektmanager muss also nicht nur gut kommunizieren, sondern auch Konflikte früh erkennen und schlichten können. Da gilt das Eisberg-Prinzip: Man erkennt den Konflikt über der Wasserlinie nur an wenigen Symptomen, die Masse liegt sehr schnell ins Fettnäpfchen. In Asien beobachte ich durchaus Rivalität zwischen den Kulturen. Allerdings finden Asiaten im Team trotzdem zu guter Zusammenarbeit. Sie verbringen Freizeit miteinander oder gehen gemeinsam essen. Letztlich gibt es auch viel Verbindendes und Gemeinsames, Sitten und Beziehungen sind ähnlich. Wichtig ist, dass Asiaten sich kennenlernen. Dann geht vieles einfacher. Bleiben wir doch bitte noch bei den Unterschieden. Wie würden Sie Japaner beschreiben? JH: Nach meiner Meinung als Perfektionisten. Die Chinesen sind sehr fleißig, aber manchmal auch ungenau bei der Arbeit. Koreaner sind sehr stolz, Koreaner wollen immer die Besten sein und mit ihrem Fleiß viel erreichen. Die Südasiaten sind damit verglichen eher gemütlich. Angenommen, ein Projektmanager steht kurz vor seinem Einsatz in Asien - vor seinem persönlichen Ritt auf dem Drachen. Frau Huang, welche drei „goldenen Regeln“ geben Sie ihm mit auf den Weg? JH: Erstens, er sollte sehr genau auf die Kommunikation achten. Ich beobachte, dass in Projekten viel gesprochen wird - und dennoch keine richtige Verständigung stattfindet. Man hört einander zu wenig zu, es kommt zu Missverständnissen. Aktives Zuhören ist wirklich wichtig für die erfolgreiche Verständigung, nur so baut sich das erforderliche Vertrauen auf. Zweitens: Die informelle Kommunikation, das informelle Netzwerken. Für viele Deutsche ist diese Kommunikation unbekannt, sie trauen sich nicht an sie heran. Aber in Asien ist sie wirklich wichtig. Und drittens: Projektmanager sollten in Asien in der Lage sein, zwischen den Kulturen zu vermitteln. Diese Fähigkeit zur Koordinierung sollten sich Bei Problemen suchen Chinesen mehr die Lösung - und weniger einen Schuldigen. Foto: imtmphoto - Fotolia.com Zum Thema Buchtipp: Joanne Huang (Hrsg.): Unternehmensführung und Projektmanagement in China, 2015, Symposion Publishing Veranstaltungstipp: „3. Tag des Internationalen Projektmanagements“ Mitte Mai 2017 in Frankfurt/ M., Terminbekanntgabe unter: www.gpm-ipma.de Informationen zur Special Interest Group (SIG) „Go International“ finden Sie unter www.gpm-ipma.de; Kontakt: go-international@gpm-ipma.de
