eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 28/1

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
11
2017
281 Gesellschaft für Projektmanagement

Lean Construction - auch für Mittelstand und kleinere Projekte?

11
2017
Elisabeth Köln
„Muda. Es ist das einzige japanische Wort, das Sie wirklich kennen müssen.“[4] Die Vermeidung und Reduzierung von Verschwendung ist, neben einem ausgeprägten Kooperationsgedanken und flachen Hierarchien, zentraler Fokus von LEAN. Dieses Potenzial zum Reduzieren von Verschwendung auf Prozess- und Materialebene wird derzeit im Bauwesen intensiv wahrgenommen. Kürzere Bauzeiten sind bei konsequenter Anwendung von Taktplanung ebenso möglich wie kooperativere Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Voraussetzungen sind jedoch unter anderem eine feste organisatorische und vertragliche Verankerung der neuen Arbeitsweisen, entsprechende Ausbildung und teils auch veränderte Organisationsformen.
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WISSEN 41 projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2017 ein Dorn im Auge, denn das Fehlerrisiko erhöht sich hier unmittelbar. Inwieweit der in Deutschland weit verbreitete Grundsatz der (unternehmerischen) Trennung von Planung und Ausführung ein Hemmnis für die Anwendung von Lean ist, wird unterschiedlich diskutiert. Die, wenn auch fallenden, aber immer noch hohen Anteile einer In-situ-Fertigung auf Baustellen und die „Stückzahl 1“ als Standardfall gelten als weitere Herausforderungen. Und: In kaum einem Nachbarland ist der Anteil der öffentlichen Baumaßnahmen so hoch (in Deutschland ca. 50 % des Bauvolumens, wenn Hoch-, Tief- und Infrastrukturbau zusammen betrachtet werden). Die stark reglementierten Vergabeprozesse wirken sich eher innovationshemmend aus. Juristische Auseinandersetzungen sind zahlreich, dies allerdings auch im privaten Sektor. Umso offensichtlicher scheint derzeit der Wille zur Veränderung. Nicht nur die großen Baukonzerne, sondern auch der zahlreiche Mittelstand befasst sich mit dem Werkzeugkoffer von LEAN. Berater mit entsprechendem Spezialwissen sind gut ausgelastet. Viele Erfolgsgeschichten kursieren und versprechen Effizienzsteigerungen und damit Kostenvorteile von bis zu 50 Prozent. Im vergangenen Jahr gründete sich mit dem German Lean Construction Institut auch ein deutschsprachiger Verband. Er kümmert sich nun um den fachlichen Austausch, Weiterbildung und Forschung. Auch an der Hochschule Augsburg ist das Thema Gegenstand mehrerer Masterarbeiten. Nachfolgend werden einige der Erkenntnisse, die im Rahmen des weiterbildenden Masterstudiums Projektmanagement (Bau + Immobilie/ Fassade/ Ausbau) gewonnen wurden, dargestellt: erfolgt oft noch auf sehr unterschiedlichen technologischen Niveaus, insbesondere dann, wenn die „Nachunternehmerketten“ lang sind, also kleinteilige Aufgaben weitervergeben werden, teils an Kleinstunternehmen mit geringer Qualifikation. Diese führen häufig zum Bruch der sogenannten Wertkette, oft verbunden mit einem Medienbruch. Medienbrüche sind auch dem klassischen Qualitäts- und Prozessmanagement Die Prinzipien des LEAN-Managements entfachen im Bauwesen in Deutschland aktuell eine beeindruckende Breitenwirkung und tragen zu verbesserter Wertschöpfung im Unternehmen bei. Auch Bauherren profitieren in Form kürzerer Bauzeiten. Dies trifft nicht nur auf die großen Baukonzerne, sondern auch auf den Mittelstand zu. Es entstehen bauspezifisch angepasste Werkzeuge und Verfahrensweisen. Anhand der Ergebnisse von drei Masterarbeiten an der Hochschule Augsburg wird gezeigt, dass sich auch kleinere Projekte dafür eignen. Immer jedoch müssen neben den LEAN-Methoden selbst auch die Organisationsformen für Projekte bedacht werden. So beispielsweise, inwieweit bei weit verzweigten Nachunternehmerketten noch der notwendige Kontakt mit den Ausführenden herstellbar ist. Aktueller Status quo Vertreter anderer Industriezweige mögen erstaunt sein: LEAN Management entfacht im Bauwesen in Deutschland aktuell eine beeindruckende Breitenwirkung. Warum jetzt, warum nicht, wie in der produzierenden Industrie, schon vor gut einem Jahrzehnt, und warum in Deutschland später als im englischsprachigen Raum? Selbstverständlich, die Bauausführung und die vorangehende Planung sind komplex. Die Komplexität nahm und nimmt weiter zu, so durch Innovationen im Bereich Material und Bauteile, durch die steigende Regelungsdichte, erhöhte Sicherheitsniveaus und energetische Standards. Die Arbeitsteilung in Planung und Ausführung ist weiter steigend. Das bedingt eine große Zahl beteiligter Unternehmen. Die Zusammenarbeit Erfolgsrezept kooperative integrale Ablaufplanung Lean Construction - auch für Mittelstand und kleinere Projekte? Autorin: Elisabeth Krön >> Für eilige Leser „Muda. Es ist das einzige japanische Wort, das Sie wirklich kennen müssen.“[4] Die Vermeidung und Reduzierung von Verschwendung ist, neben einem ausgeprägten Kooperationsgedanken und flachen Hierarchien, zentraler Fokus von LEAN. Dieses Potenzial zum Reduzieren von Verschwendung auf Prozess- und Materialebene wird derzeit im Bauwesen intensiv wahrgenommen. Kürzere Bauzeiten sind bei konsequenter Anwendung von Taktplanung ebenso möglich wie kooperativere Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Voraussetzungen sind jedoch unter anderem eine feste organisatorische und vertragliche Verankerung der neuen Arbeitsweisen, entsprechende Ausbildung und teils auch veränderte Organisationsformen. projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2017 42 WISSEN lems. Am Ende werden, egal mit welchem Ausgang, in diese Angelegenheit allein acht Firmen involviert sein, die eine Klärung zur Wiederinbetriebnahme der Schiebetür herbeiführen bzw. die daraus entstandenen Kosten verteilen müssen, die allesamt keine Wertsteigerung mit sich gebracht haben. Nicht selten wird es das schwächste Glied in der Kette treffen, den Trockenbauer-Sub, der neben dem geringsten Verdienst auch die geringste Erfahrung in der Verteidigung mit sich bringt [5].“ Es wurden für die Fallstudie Ansatzpunkte für Verbesserungen zur Qualitäts- und Produktivitätssteigerung identifiziert und Lean-Prinzipien und Verschwendungsarten zugeordnet. Die Intensität des Einflusses und das Umsetzungspotenzial von Maßnahmen für einen größeren mittelständischen Metallbauunternehmen wurden ermittelt. Die Anzahl der beteiligten Parteien Da er der deutschen Sprache nicht mächtig ist, kann er vor Ort keinen direkten Einfluss nehmen und hält Rücksprache mit seinem Auftraggeber, wie er sich verhalten soll, nicht ohne ihm auch sofort Stundenzettel für die unproduktive Wartezeit anzukündigen. Diese werden selbstverständlich direkt abgelehnt und in seiner Verzweiflung öffnet der Trockenbauer-Sub irgendwann selbst mit bloßen Händen die Tür, um seine Arbeit fortsetzen zu können. Dabei nimmt der Antrieb der automatischen Schiebetür Schaden. Dies ist später allerdings nicht sofort und jedem klar, sodass der Schiebetürbauer mit seinem wiederum beauftragten Elektriker, der den Anschluss der Tür vornahm, hier auf einem grundsätzlichen Problem mit dem Hausanschluss des bauseitigen Elektrikers besteht. Auch der vom Generalübernehmer beauftragte Bauleiter (Freelancer) verbringt einige Zeit mit der Klärung dieses Prob- „Muda. Es ist das einzige japanische Wort, das Sie wirklich kennen müssen.“ [4] Das Reduzieren bzw. Ausschließen von Verschwendung ist der zentrale Grundgedanke von Lean. Die Klassifikation in zehn verschiedene Verschwendungsarten dient der systematischen Erfassung und Analyse von Bestandsprozessen und zur Identifikation von Hebeln zur Optimierung. Diese sind: 1. Wartezeiten 2. nicht sachgerechte Verfahren 3. zu hohe Bestände 4. Reparatur- und Nacharbeit 5. Energie- und Betriebsstoffvorräte 6. unnötige Bewegungen 7. unnötige Transporte 8. Übermengen/ Blindleistungen 9. Mitarbeiterpotenziale nutzen 10. Information/ Kommunikation Das Senken zu hoher Bestände (Verschwendung Nr. 3) ist hierbei nicht nur eine Art der Verschwendung, die es abzustellen gilt, sondern gleichzeitig auch ein Diagnoseinstrument für das Aufdecken weiterer Missstände (Abb. 1 und 2). Folgendes modellhafte, überzeichnete, dem Grunde nach aber realistische Szenario diente als Studienobjekt für die Diagnose und Ableitung von Handlungspotenzial im Bereich des Metallbau-Handwerks: „Eine automatische Schiebetür wurde sachgerecht und wunschgemäß bei einem größeren Bauvorhaben eingebaut. Zuvor wurde trefflich zwischen den Parteien Generalunternehmer und Metallbauer darüber gestritten, ob dies wirklich der richtige Zeitpunkt sei, da gerade jetzt der Innenausbau startet und einzig und allein dieser Weg die Transportöffnung in das Gebäude darstellt. Telefonate, Briefe, E-Mails und andere deshalb liegen gebliebene Arbeiten sind die ersten Anzeichen von Muda. Aber damit nicht genug. Mitten im Baugeschehen versagt die Tür plötzlich und bleibt verschlossen. Der Metallbauer wird informiert und, da er diese Tür nicht selbst eingebaut hat, wendet er sich wiederum an den beauftragten Schiebetürspezialisten, der nicht sofort reagieren kann, da seine Leute bei einem anderen Bauvorhaben beschäftigt sind. Der verärgerte polnische Subunternehmer des beauftragten Trockenbauers verbringt zunächst einige Wartezeit, da er keinen Materialnachschub vollziehen kann. Abb. 1 und 2: Bestände senken, denn hohe Bestände verdecken die eigentlichen Probleme [3]. Fallstudie Metallbau - Diagnose und Ableitung von Handlungspotenzial Die Probleme erscheinen, wenn die Bestände (Material im Prozess) gesenkt werden Probleme Fehlendes Material Maschinenausfälle Nacharbeit Planung Wartezeit Fehlendes Material Maschinenausfälle Nacharbeit Rüstzeit zu lang Verspäteter Liefertermin Lagerbestand Lagerbestand WISSEN 43 projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2017 Abb. 3: Themenschwerpunkte, Maßnahmen, Einflussstärke, Umsetzung 3. Taktplanung: Definition des Regelablaufs innerhalb eines Gewerkezugs unter Berücksichtigung eines Puffertages als Reaktionsmöglichkeit bei auftretenden Störungen 4. Taktsteuerung: wöchentliche Besprechung, visualisiert Der Teilnehmerkreis der wöchentlichen Taktbesprechungen setzt sich aus der Projektleitung, Bauleitern, Polieren und den zugehörigen Obermonteuren zusammen [5]. Die Ergebnisse der Taktsteuerungsbesprechung werden in einer Datenbank erfasst. Aus dieser werden wöchentliche Arbeitslisten für die am Bau beteiligten Firmen erstellt und versandt. Der sogenannte PEA-Wert (Prozentsatz der eingehaltenen Aussagen) wird mitgeführt und macht die Zielerreichung ebenso wie die Nichterreichung öffentlich (Motivationswirkung). Der Vergleich eines auf Basis der oben genannten Prinzipien erstellten Terminplans mit einer konventionellen, in der Praxis häufig weniger detaillierten Terminplanung zeigt auch in diesem Fall erhebliches Potenzial für Zeiteinsparungen, verbunden mit klaren Abläufen und damit positiven Effekten auf Qualität und Sauberkeit. Fallstudie Wohnungsbau - Last Planner Das Last Planner-System ist eines der Kernstücke in der Anwendung des Lean-Konzepts auf wendung jedoch auf bestimmte Bereiche, zum Beispiel den Schalungsbau. Ein Schalungssatz kann nur nach einem bestimmten Takt weiterziehen, und dies auch am besten vollständig. Folgende Taktregeln werden bei einer LEAN- Taktplanung zugrunde gelegt: 1. Die Einhaltung des Gewerkezugs/ der Gewerkereihenfolge und des Takts sind oberstes Ziel. 2. An jedem Taktende steht die 100-prozentige Leistung in Termin und Qualität. 3. Jeder Bereich wird zum Taktende besenrein übergeben. 4. Bei Abweichungen verpflichten sich die Beteiligten zur schnellstmöglichen Rückkehr in den Takt (Samstag als Puffertag! ). 5. Es werden schnelle Lösungen für festgestellte Probleme erarbeitet. 6. Die Materialvorhaltung erfolgt gewerkeweise über eine festgelegte Anzahl von Bereichen. 7. Pro Bereich ist ein Hauptgewerk tätig. In einer weiteren Masterarbeit wurde anhand eines realisierten Wohnungsbaus mit komplexerer, sich nicht auf den ersten Blick erschließenden Geometrie untersucht, inwieweit die Taktplanung anzuwenden ist. Man ging hierbei in Einzelschritten vor: 1. Definition gleichartiger/ gleichmäßiger Lose/ Abschnitte 2. Definition bzw. gemeinsame Erarbeitung des Gewerkezugs auf Grundlage der sogenannten Pull-Planung scheint hier ein wesentlicher Problempunkt zu sein, insbesondere dann, wenn diese sich nicht im Vorfeld auf gemeinsame Prinzipien und Arbeitsweisen verständigt haben. Fremdvergebene Leistungen erfordern eine Berücksichtigung im Optimierungskonzept. Fallstudie Wohnungsbau - Taktplanung und -steuerung Eine wichtige Voraussetzung für die Anwendung des Last Planner-Systems ist die Gliederung der Baumaßnahme in möglichst gleich große Einheiten. Diese ermöglichen ein synchrones „Weiterziehen“ der verschiedenen Gewerkekolonnen zum nächsten Einsatzort, quasi analog einer Fließfertigung. In manchen Projekten gibt es viele wiederholbare und nahezu identische Bereiche, so zum Beispiel in einem standardmäßigen Mehrfamilienwohnhaus. Hier sind die Synergieeffekte besonders groß. Aber auch nicht wiederholbare Bereiche, zum Beispiel Technikzentralen und Treppenhäuser werden eingetaktet, möglichst so, dass auch bei unterschiedlichen Bauinhalten die Größe und das zu leistende Arbeitsvolumen in die Taktung passen. Zu einem sogenannten Gewerkezug werden die Bereiche, wenn sie in eine sinnvolle Reihenfolge gebracht sind und die Richtung des „Weiterwanderns“ bestimmt ist. Dabei ist Taktplanung für das Bauwesen nichts grundsätzlich Neues. Bisher beschränkte sich die An- Wartezeiten nicht sachgerechte Verfahren zu hohe Bestände/ Vorräte Reparatur und Nacharbeit Energie- und Betriebsstoffvorräte unnötige Bewegungen unnötige Transporte Übermengen/ Blindleistungen Mitarbeiterpotenziale nutzen Information/ Kommunikation 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Themenschwerpunkt Maßnahme Einfluss Umsetzung 1 Kommunikation vertragliche Regelung der Kommunikation schnell + direkt 2 interkulturelle Kommunikation vertragliche Regelung von Sprache, Zeitdenken und ggf. kultureller und religiöser Aspekte schnell + direkt 3 Motivation und das Alle-Integrations-Prinzip vertragliche Regelung von weichen Faktoren wie Teamgeist, Miteinander und Firmen-Philosophie schnell + direkt 4 Null-Fehler-Prinzip Teambuilding bereits in der Planungsphase schnell + direkt vertragliche Regelung der Fehlerkommunikation schnell + direkt 5 Variantenvielfalt und Vorschriften möglichst frühes, gemeinsames Planungsstadium zur Variantenreduktion schnell + direkt Schaffen von Standards (Bauteile) mittelfristig 6 EDV-Lösungen Schaffen von Standards (Bauteile in EDV und EDV selbst) mittelfristig Zusammenführung von BIM, System- und Projektplanungssoftware mittelbis langfristig 7 Takt-Modell Einführung einer getakteten Montagetätigkeit mit gewerkeübergreifenden Teams mittelbis langfristig 8 Projektplan/ Partitur Bauablaufpläne, Explosionszeichnungen mit Montageschritten aus BIM mittelbis langfristig 9 Fremdvergabe Lean-Management mit dem Ziel der Fertigungstiefenerhöhung mittelfristig kein Einfluss mäßiger Einfluss großer Einfluss Wartezeiten nicht sachgerechte Verfahren zu hohe Bestände/ Vorräte Reparatur und Nacharbeit Energie- und Betriebsstoffvorräte unnötige Bewegungen unnötige Transporte Übermengen/ Blindleistungen Mitarbeiterpotenziale nutzen Information/ Kommunikation 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Themenschwerpunkt Maßnahme Einfluss Umsetzung 1 Kommunikation vertragliche Regelung der Kommunikation schnell + direkt 2 interkulturelle Kommunikation vertragliche Regelung von Sprache, Zeitdenken und ggf. kultureller und religiöser Aspekte schnell + direkt 3 Motivation und das Alle-Integrations-Prinzip vertragliche Regelung von weichen Faktoren wie Teamgeist, Miteinander und Firmen-Philosophie schnell + direkt 4 Null-Fehler-Prinzip Teambuilding bereits in der Planungsphase schnell + direkt vertragliche Regelung der Fehlerkommunikation schnell + direkt 5 Variantenvielfalt und Vorschriften möglichst frühes, gemeinsames Planungsstadium zur Variantenreduktion schnell + direkt Schaffen von Standards (Bauteile) mittelfristig 6 EDV-Lösungen Schaffen von Standards (Bauteile in EDV und EDV selbst) mittelfristig Zusammenführung von BIM, System- und Projektplanungssoftware mittelbis langfristig 7 Takt-Modell Einführung einer getakteten Montagetätigkeit mit gewerkeübergreifenden Teams mittelbis langfristig 8 Projektplan/ Partitur Bauablaufpläne, Explosionszeichnungen mit Montageschritten aus BIM mittelbis langfristig 9 Fremdvergabe Lean-Management mit dem Ziel der Fertigungstiefenerhöhung mittelfristig kein Einfluss mäßiger Einfluss großer Einfluss projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2017 44 WISSEN Abb. 4: Übersicht Gewerkezug Wohnungen und Treppenhäuser Grafik: eigene Darstellung TRH C TRH B TRH A TRH D TRH E TRH F TRH G TRH H A- TB8 B- TB7 C- TB6 D- TB5 E- TB4 F- TB3 G-TB2 H-TB1 Abb. 5: Gewerkesequenz Rohbau (Ausschnitt) Bauteil Inhalt Dauer (AT) Waggons (= 1 Woche) Planie erstellen 3,5 W1 Sauberkeitsschicht erstellen Folie auf Sauberkeitsschicht auslegen Randschalung erstellen Bewehrung inkl. Abstandshalten und Trennelement bei Betonierabschnitten Betonage Bodenplatte inkl. Flügelglättung einseitige Schalung stellen Bewehren inkl. Abstandhalter Schalung zweite Seite stellen Betonage Wände + Stützen Schalung Deckenuntersicht + Randschalung erstellen Bewehrung inkl. Abstandshalter und Trennung zum nächsten Betonierabschnitt Betonage Decke inkl. Flügelglättung Einseitige Schalung stellen Bewehren inkl. Abstandshalter Schaltung zweite Seite stellen Betonage Wände + Stützen Schalung Deckenuntersicht + Randschalung erstellen Bewehrung inkl. Abstandshalter und Trennung zum nächsten Betonierabschnitt Betonage Decke Einseitige Schalung stellen Bewehren inkl. Abstandshalter Schaltung zweite Seite stellen Betonage Wände + Stützen Schalung Deckenuntersicht + Randschalung erstellen Bewehrung inkl. Abstandshalter und Trennung zum nächsten Betonierabschnitt Betonage Decke W6 + W7 UGs und EG, 1 Betonierabschnitt (von 6) W1 + W2 8 W2 W3 + W4 7 W4 + W5 Wände + Stützen 7 3 7 Bodenplatte 8 Decke 8 W4 + W5 8 W5 + W6 1.OG 2.OG Decke Wände + Stützen Decke Wände + Stützen W2 + W3 WISSEN 45 projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2017 chitekten von denen der Ausführenden um 50 bis 100 Prozent abwichen, insbesondere bei jeweils zwar kurzen, aber stark ineinandergreifenden Teilprozessen, wie Rohkonstruktion Trockenbau, Rohmontage Sanitär, Trockenbaufertig, Endmontage Sanitär. Kumuliert lagen im Beispiel die Unterschiede schon allein in der Prognose bei 13,5 Prozent. 2. Vertiefte und rechtzeitige Auseinandersetzung mit der Bauaufgabe durch die Ausführenden 3. Einbeziehung der tatsächlich Ausführenden zur stärkeren Identifikation mit den getroffenen Absprachen - auch gegenseitig! (Das wäre im Sinne eines agilen Projektmanagements, zum Beispiel bei der Anwendung von Scrum.) Phase 4: Detailplanung Phase 5: Auswerten, Lernen, Verbesserung Bei der regelmäßigen wöchentlichen Auswertung wird jeweils der PEA-Wert (Prozentsatz der erledigten Arbeiten) ermittelt und die Genauigkeit der Zusagen im Laufe des Projekts gesteigert. Mit dem Last Planner-System werden mehrere Komponenten einer klassischen Terminplanung modifiziert: 1. Einbeziehung der tatsächlich Ausführenden zur Erhöhung der Prognosegenauigkeit durch Einbindung von Ausführungs-Know-how (während klassischerweise der Architekt seine Annahmen trifft. basierend auf seinen Erfahrungswerten). In der Pilotanwendung zeigte sich, dass die Prognosewerte des Ar- Bauabläufe. Analog einem Just in Time-Prinzip in der Fertigung, bei dem die Materialflüsse optimiert werden, gilt es beim Bauen die „Arbeitsflüsse“ oder „Gewerkeflüsse“ positiv zu beeinflussen und verlässlicher zu gestalten. Dem sogenannten Last Planner obliegt verantwortlich die Aufgabe, einen Prozess zu stoppen, sollte ein Arbeitsschritt nicht abgeschlossen oder fehlerhaft sein. Basis für ihn als „letzten Planer“ ist ein kooperativ mit allen Beteiligten erarbeiteter und verbindlich verabschiedeter Terminplan. Dieser entsteht in mehreren Phasen: Phase 1: Rahmenterminplan Phase 2: kooperative Phasenplanung (einschl. Taktplanung) Phase 3: Vorschauplanung Abb. 6: Prinzipdarstellung Last Planner-System Rahmenterminplan Kooperativer Phasenplan Vorschauplan Wochenplan Einzelne Projektphasen mit Meilensteinen, bildet Grundlagen für die weitere Planung Ermittlung aller Vorleistungen Dritter, Nettozeitdauer und Output jedes Arbeitsschrittes Planung der logischen Abfolge der Arbeiten ausgehend vom Endmeilenstein, Entfernen von Individual-Pufferzeiten Übertragen aller Arbeiten im Vorschauzeitraum aus dem Phasenplan in den Vorschauplan (erneute) Kontrolle aller Vorleistungen Füllen der Arbeitsspeicher für die Wochenplanung Detaillierte Planung der nächsten Arbeiten Kontrolle der Arbeiten der Vorwoche (PEA-Wert) Zu Beginn der Planung einer neuen Projektphase Regelmäßige Besprechungen zum Fortschreiben des Vorschauplanes und der Wochenplanung Ermittelt, welche Arbeiten ausgeführt werden SOLLEN Überprüft, ob Arbeiten, die ausgeführt werden SOLLEN, auch ausgeführt werden KÖNNEN Legt fest, welche Arbeiten, die ausgeführt werden KÖNNEN, ausgeführt WERDEN Und überprüft, ob geplante Arbeiten auch GETAN wurden projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2017 46 WISSEN 2 Geeignete Verträge: Die rechtzeitige, auch vertragliche Definition der geplanten Arbeitsweise ist entscheidend. 3 Erforderliches Know-how bei allen Beteiligten: Dies bedeutet beim derzeitigen Verbreitungsgrad der Methoden häufig, dass Schulungen ein fester Bestandteil der Projekte sein müssen. Wie geht es weiter? Es ist zu wünschen, dass der Verbreitungsgrad von Lean Construction weiter zunimmt und sich die Wertschöpfung im Bauwesen damit steigert. Alle am Planen und Bauen Beteiligten sollten sich - wenn noch nicht erfolgt - mit den Methoden auseinandersetzen und diese vereinbaren und anwenden. Momentan steht bei vielen die Bauausführung im Mittelpunkt der Betrachtung. Inwieweit Lean-Prinzipien auch auf die Planung (Lean Planning) angewendet werden können und sollen, muss ebenfalls Gegenstand der Auseinandersetzung werden, ebenso wie die Anknüpfung an Lean Delivery, also die Materialwirtschaft, und an die Supply Chain. Literatur [1] Haghsheno, Shervin: Lean Construction - eine neue Form des Bauens? Grundlagen und Implikationen für das Projektmanagement. In: Deutscher Verband der Projektmanager in der Bau- und Immobilienwirtschaft: Projektmanagement-Frühjahrstagung 2015, Zukunftstrends im Bauprojektmanagement [2] Schlabach, Carina: Last Planner System als erfolgsversprechendes Steuerungsinstrument Für Bauherren liegt der Mehrwert im Zeitgewinn, in einer Kostenersparnis und in verbesserter Planbarkeit und damit verringerten Terminrisiken. Für den Objektüberwacher (angenommen, er spielt die Rolle des Last Planners) stehen einem anfänglichen Mehraufwand vor Beginn der Arbeiten ein professionellerer und zügigerer Bauablauf gegenüber. Die Bauüberwachung muss zwar intensiv und täglich durchgeführt werden und ist damit zeitintensiv, aber wirksam. Ausführende profitieren von einem klar definierten Leistungsziel an einem sauberen, ordentlichen und organisierten Arbeitsplatz, von ungestörten Arbeitsabläufen, von der Sicherheit einer zeitnahen Problemlösung, von intensiver Betreuung durch die örtliche Bauleitung sowie von Lerneffekten, die bei hohem Wiederholungsgrad effizienzsteigernd wirken [6, S. 50]. Als Voraussetzungen für die tatsächliche Erzielung eines Mehrwerts wurden folgende Faktoren identifiziert: 1. Geeignete Systemgrenzen (Unternehmen, ein-/ ausschließlich Fertigung, ein-/ ausschließlich Materiallogistik): Selbstredend gilt, dass möglichst große Umgriffe vorteilhaft, aber umso herausfordernder sind. 4. Kurze und öffentliche Rückmeldungsschleifen - „Erziehungseffekt“ im Projekt 5. Deutlich bessere Arbeitsvorbereitung, zumindest verglichen mit einer Vielzahl von üblichen Projekten Die Ausführenden schätzen dabei die Möglichkeit des „Durcharbeitens“ sehr und reduzieren damit unproduktive Zeiten. Das kurzfristige Beseitigen von Störungen ist ein wesentlicher Parameter, um den Takt beziehungsweise Fluss aufrechtzuerhalten. Das untersuchte Gebäude mit zwölf Wohneinheiten konnte drei Monate früher als geplant übergeben werden. Messwert(e) Die verschiedenen Untersuchungen ergeben übereinstimmend, dass Mehrwerte zu erzielen sind, dass die Instrumente auch innerhalb eines Unternehmens angewendet werden können, dass selbst komplexe Geometrien sich über die Taktplanung erschließen lassen und dass eine Anwendung auch im Rahmen kleinerer Projekte und kleinerer und mittlerer Unternehmen möglich ist. Gebäude Ebene Los Nr. Firma Tätigkeit Anzahl Mo Di Mi Do Fr Sa So- Mo Di Mi Do Fr Sa So 1 aaaaa Rohinstallation x x 2 vvvvvv Innenputzarbeiten x 3 ddddd Frischwasserstation x 4 rrrrr Stellen Wände einseitig x x x x 5 aaaaaa Verkabelung Trockenbau x KW-05 KW-06 1.2.-bis-7.2. 8.2.-bis-14.2. Abb. 7: Wochenplan Entwicklung-der-PEA‐Werte Jahr KW Erl Ges PEA Abb. 8: Entwicklung der PEA-Werte WISSEN 47 projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2017 Autorin Prof. Dr.-Ing. Elisabeth Krön ist Professorin für Projektmanagement und Bauökonomie an der Hochschule Augsburg. Dort lehrt sie in allen Studiengängen der Baufakultät (Architektur, Bauingenieurwesen, Energieeffizienz, Projektmanagement Bau+Immobilie/ Fassade/ Ausbau). Sie leitet das Institut für Bau + Immobilie, das berufsbegleitende Studiengänge für Architekten, Bauingenieure und Ingenieure verwandter Disziplinen anbietet. Seit Oktober 2016 vertritt sie als Vizepräsidentin der Hochschule Augsburg das Ressort für angewandte Forschung und Wissenstransfer. Anschrift: Hochschule Augsburg, Fakultät Architektur und Bauwesen, An der Hochschule 1, 86161 Augsburg, E-Mail: Elisabeth.Kroen@hsaugsburg.de Schlagwörter Bauprojekte, Last Planner-System, Lean Delivery, Lean Production, Optimierung von Bauprozessen, Supply Chain Kompetenzelemente der ICB 4.0 3.04 Ablauf und Termine, 3.08 Ressourcen, 3.10 Planung und Steuerung für anspruchsvolle Projektanforderungen. In: Deutscher Verband der Projektmanager in der Bau- und Immobilienwirtschaft: Projektmanagement-Frühjahrstagung 2015, Zukunftstrends im Bauprojektmanagement [3] Birnbacher, Stefan: Prozessoptimierung. Skript an der Hochschule Augsburg, 2016 [4] Jones, Daniel T./ Womack, James P.: Lean Thinking - Ballast abwerfen, Unternehmensgewinne steigern. 3. Auflage, Frankfurt/ M. 2013 [5] Lamprecht, Christian: Zurück in den Takt. Gestörte Bauabläufe, Ursachen- und Lösungssuche im Metallbau. Ist Lean Management die Partitur der Baustelle? Masterarbeit an der Hochschule Augsburg, 2016 [6] Schöffel, Tobias: Optimierung von Bauprozessen mittels LEAN-Management - Analyse und Umsetzung an ausgewählten Bauprojekten. Masterarbeit an der Hochschule Augsburg, 2016 [7] Burchart, Nicole: Potenziale von Lean Management in der Ausführungsphase bei Wohngebäuden. Masterarbeit an der Hochschule Augsburg, 2016 Anzeige