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PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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2017
281 Gesellschaft für Projektmanagement

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projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2017 74 NACHRICHTEN zurück. Alle zwei bis vier Monate fanden sogenannte Intensivtage statt. Dazu kam das Projektteam - inklusive des Generalunternehmers und externer Stakeholder - für zwei bis drei Tage zusammen, um das Verständnis für die Rollen, Interessen und Prozesse der anderen Projektbeteiligten zu erhöhen. Abläufe im Projekt wurden nicht nur theoretisch besprochen, sondern auch praktisch durchgespielt. Die konkrete Agenda wechselte ihre Schwerpunkte im Projektverlauf; in frühen Phasen standen Ziele und Auftragsklärung im Vordergrund, als später die Bauausführung näher kam, waren es Methoden und Prozesse, und gegen Ende des Projekts Lessons Learned. Diese bewusste und systematische Förderung der Zusammenarbeit hat sich in Brasilien bewährt. Nicht nur konnten kulturelle Unterschiede im internationalen Projektteam überbrückt werden, auch die BMW Group als Unternehmen profitierte eindeutig davon: Keine Nachforderungen sowie Konzentration auf wertschöpfende Tätigkeiten - dies war das Ziel im Projektteam. Beides ist gelungen, denn es gab tatsächlich keine Claims beizulegen und statt langer E-Mail-Ketten wurde von allen Beteiligten das persönliche Gespräch gesucht. So konnten nachweislich Zeit und Geld gespart werden. Dieser Vorteil ist auch für andere Projekte so überzeugend, dass Intensivtage jetzt als Standard im BMW-Baubereich eingeführt werden.- Lean Construction: Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die große Zeitersparnis im brasilianischen Werksneubau war das Vorgehen nach Lean Construction. Das bedeutet, dass die Gewerke sich nicht sequenziell, sondern gemeinsam in Takten durch die Fläche arbeiten. Der Takt wird so harmonisiert, dass sich Teams von Tiefbauern, Betonarbeitern, Monteuren für den Aufbau der Fertigteile, Installateuren, Elektrikern und weiteren Spezialisten immer in gleichen Zeiteinheiten vorwärts arbeiten. Abweichungen können dank der kurzen Zyklen schnell erkannt und korrigiert werden, bevor sie zu großem Ausmaß anwachsen.- Um das Prinzip von Lean Construction weiter im Unternehmen zu vermitteln, wurde die Montagehalle des Werks in Brasilien im Maßstab 1 : 100 nachgebaut. Das Modell wird jetzt als Simulation in Trainings eingesetzt. So können Projektbeteiligte den Unterschied von klassischer Bauausführung und dem Lean-Ansatz selber durchspielen. Die Planspiele lassen vermuten, dass die Projekt- und Kollaboration ausprobiert und eingesetzt wurden. Lean Construction war ein Schlüssel zur Beschleunigung dieses Großprojekts. Das Projekt fand unter widrigen Umständen statt, es kam zu teils unerwarteten Risiken - trotzdem gelang es dem Projektteam, ein neues Benchmark innerhalb des Unternehmens zu setzen und auch darüber hinaus ein Beispiel für professionelles und innovatives Baumanagement vorzulegen. Heute bemühen sich Unternehmen aus allen Branchen, mit den Bauspezialisten von BMW in Austausch zu kommen, um von ihren Erfahrungen und Ansätzen zu lernen.- Ein einzelnes erfolgreiches Projekt macht aber noch lange kein erfolgreiches Projektmanagementsystem. Das ist den verantwortlichen Managern der BMW Group bewusst. Deshalb werden die Methoden und Erkenntnisse aus dem Brasilien-Projekt jetzt institutionalisiert. 18 Monate nachdem das Projekt auf der Bühne des DPEA gefeiert wurde, ist es Zeit für einen Zwischenstand. Intensivtage: Um das Team in Brasilien einzuschwören und auf eine gemeinsame Linie zu bringen, zog es sich regelmäßig in Klausur Wie die BMW Group Excellence in Bauprojekten sucht BMW steht für Autos der Premiumklasse. Aber: Die BMW Group baut nicht nur Autos, sondern auch Gebäude und Infrastruktur - und dies in ganz großem Maßstab. Im Baubereich des Konzerns sind etwa 160 Projektleiter, Architekten und Ingenieure damit befasst, Produktionsstätten, Teststrecken, Verwaltungs- und Verkaufsgebäude zu bauen und zu renovieren. In 27 Ländern auf fünf Kontinenten wurden 2016 mehr als 300 Projekte geplant und realisiert. Die Verantwortung dafür liegt bei den Mitarbeitern der Organisationseinheit „Architektur und Bauprojekte“. Derzeit arbeiten 70 Planungsbüros und 500 ausführende Firmen weltweit an BMW-Bauprojekten. Und ein Ende des Bauens ist nicht in Sicht, im Gegenteil: Neue Technologien, Elektromobilität und autonomes Fahren erfordern neue Fertigungsanlagen, Werke, Büros oder Prüfstandsgebäude. Im Jahr 2015 wurde das Projekt zum Neubau eines Werkes in Brasilien mit dem Deutschen Project Excellence Award (DPEA) ausgezeichnet. In diesem Projekt war es gelungen, die Zeit und die Kosten zu halbieren, die für vergleichbare Projekte bei BMW veranschlagt wurden. Möglich war das, weil neue Formen von Planung Abb. 1: An einem Modell des Werks in Brasilien können die Projektbeteiligten Anwendung und Nutzen von Lean Construction live erfahren. Foto: BMW Group NACHRICHTEN 75 projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2017 Ausblick: Vieles ist unterwegs. Die BMW Group ist als Automobilhersteller in großem Umbruch, was die Fahrzeugtechnologie angeht, und gleichzeitig wird im Unternehmen auch die Art weiterentwickelt, wie Bauprojekte geführt werden. Der Project Excellence-Gedanke ist dabei ein Leitmotiv. Als der Werksbau in Brasilien 2015 mit dem DPEA prämiert wurde, hat das bei BMW Aufmerksamkeit für das Thema erzeugt und bringt heute Glaubwürdigkeit für Veränderungsprozesse mit sich. Diese finden gerade statt, in iterativen Schritten, sich selber reflektierend und lernend. Erste Erfolge sind sichtbar und motivieren, den Weg weiterzugehen.- Autoren: Georg Zeller, E-Mail: Georg.Zeller@bmw.de, Benedict Gross, E-Mail: mail@B-Gross.com Literatur [1] PE-Schnelltest. Abrufbar als PDF unter www. gpm-ipma.de/ DPEA oder als interaktive Version unter www.gpm-ipma.de/ PE-Schnelltest andererseits ist es das Project Excellence-Modell selber: Durch seine Fundierung im EFQM-Modell ist es eine bekannte und unstrittige Sichtweise in einem produzierenden Unternehmen. Warum auch soll man etwas, das sich in der Produktion bewährt, nicht auch auf Projekte im selben Unternehmen anwenden? Der Aufwand für eine Evaluierung kann freilich groß werden, fällt aber angesichts der Projektdimensionen nicht ins Gewicht. Wohl aber der Effekt, wenn Verbesserungspotenziale und absehbare Fehltritte von Projekten früh erkannt werden, bevor sie teuer und ärgerlich werden können. Eine Erkenntnis seit Einführung der Evaluierungen ist die Bedeutung der Befähigerkriterien im Project Excellence-Modell, insbesondere die Führungs- und Kollaborationsskills und die Perspektiven von Stakeholdern. Die Projektbeteiligten der Bauprojekte bei der BMW Group werden jetzt in einem dreitägigen „Skills-Training“ noch einmal vertieft auf die Themen der Kriterien 1-4 geschult (Bsp. Führung, Ziele und Strategie, Mitarbeiter, Partner und Lieferanten). laufzeiten mit dem neuen Ansatz wesentlich reduziert werden können. Das Potenzial für das Unternehmen ist auch hier enorm. Project Excellence im Bau: Im Jahr 2015 hat sich das Brasilien-Projekt einem ausführlichen Assessment nach dem Project Excellence-Modell (PE-Modell) für den DPEA unterzogen. Inzwischen werden diese Evaluierungen interne Praxis und schon während der Laufzeit für große oder kritische Bauprojekte bei der BMW Group durchgeführt.- Diese Reviews sind ähnlich intensiv wie beim DPEA. Von bis zu 20 Projektbeteiligten und Stakeholdern werden Einschätzungen des Projekts eingeholt. Grundlage ist ein Fragebogen, der eine adaptierte Version des PE-Schnelltests ist [1]. Mit diesen Feedbacks als Input führt dann ein Team von mehreren Assessoren teilstrukturierte Interviews. Interviewpartner sind der Projektleiter und sein Team, interne Auftraggeber, Kunden bzw. die internen Nutzer der Gebäude in Betrieb oder Facility Management, interne Supportabteilungen, wie Einkauf, Controlling, Sicherheit und Umwelt, Projektsteuerer (extern), Planer (extern) und Baufirmen (extern). Aus dem Vergleich der verschiedenen Sichtweisen zeigen sich Abweichungen zwischen Selbst- und Fremdeinschätzung des Projekts und die unterschiedlichen Wahrnehmungen der Stakeholdergruppen.- Mit dem Projektleiter werden dann Maßnahmen vereinbart, um Verbesserungspotenziale in seinem Projekt zu heben. Ziel ist nicht, immer eine 100-Prozent-Bewertung in allen Kriterien des PE-Modells zu erreichen, der Richtwert sind pragmatische 75 Prozent. Als Reviewer kommen erfahrene Kollegen aus dem BMW-Baubereich zum Einsatz, die analog der Ausbildung der DPEA-Assessoren auf ihre Aufgabe vorbereitet wurden. Dabei geht es um die methodische Vorbereitung, aber vor allem werden der Umgang mit den Gesprächspartnern und Interviewtechniken trainiert. Die Interviews sollen mit einer wertschätzenden und kollegialen Haltung geführt werden und zielen auf größtmöglichen Informationsgewinn. Das sichert die Akzeptanz der Projektevaluierungen zum einen, 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% 1. Führung 2. Ziele & Strategie 3. Mitarbeiter 4. Partnerscha; & Ressourcen 5. Methoden und Prozesse 6. Kundenzufriedenheit 7. Mitarbeiterzufriedenheit 8. Zufriedenheit sonst. Interessensgruppen 9. Zielerreichung OpJmum according EFQM Actual Abb. 2: Im Spinnennetzdiagramm zeigt sich, wie das Evaluierungsteam die PM-Perfomance hinsichtlich der neun Hauptkriterien des Project Excellence-Modells einschätzt. Hieraus werden dann Maßnahmen abgeleitet. projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2017 76 NACHRICHTEN schulen, Bildungsinstitutionen und -organisationen, um das große Potenzial von Projektmanagement in Lehre und Lernen aufzuzeigen sowie spezifisches Know-how hierzu (weiter) zu entwickeln, zur Verfügung zu stellen und zu etablieren. Teach First Deutschland TFD ist eine bundesweite gemeinnützige Bildungsorganisation mit dem Ziel, bessere Bildungschancen für benachteiligte Kinder und Jugendliche zu schaffen. Um dies zu erreichen, fördert TFD die Schulbildung von Schülerinnen und Schülern mit schlechten Startbedingungen durch den Einsatz von Fellows (zusätzliche Lehrkräfte), die für zwei Jahre an Schulen in schwierigen Umfeldern arbeiten. Während ihres Vollzeiteinsatzes an den Schulen übernehmen die Fellows unterschiedliche Aufgaben: Sie sind sowohl im unterrichtlichen als auch im außerunterrichtlichen Bereich tätig, um Kinder und Jugendliche bestmöglich fachlich und persönlich zu fördern, und initiieren dazu auch eigene Projekte zugunsten der Schüler/ -innen bzw. der Schulen. Nach ihrem Schuleinsatz engagieren sich die Fellows als Alumni aus verschiedenen Positionen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft heraus weiterhin für bessere Bildungschancen von benachteiligten Kindern und Jugendlichen. Zusammen mit 36 weiteren unabhängigen Länderorganisationen gehört TFD dem internationalen Netzwerk Teach for All an. unter dem Aspekt gesamtgesellschaftlicher Teilhabe von hoher Bedeutung und ausschlaggebendem Wert sind. Vor diesem Hintergrund möchten GPM und TFD in Zukunft gemeinsame Bildungsprojekte anstoßen, um die nachhaltige Entwicklung einer Projektkultur an Schulen bundesweit zu fördern und entsprechende Zugänge nachhaltig zu etablieren. GPM Bildungsbereich Durch die Förderung von Projektmanagement in Bildungsinstitutionen setzt sich die GPM dafür ein, bereits jungen Menschen den Wert gemeinschaftlichen und planvollen Handelns bei der aktiven Gestaltung der eigenen und der globalen Zukunft zu verdeutlichen und zu vermitteln. Mit „Projektmanagement macht Schule“ hat die gleichnamige Fachgruppe in den letzten Jahren ein speziell auf Schulen zugeschnittenes Fortbildungs- und Medienangebot geschaffen, das Lehrer an allgemein- und berufsbildenden Schulen im Bereich pädagogischer Projektarbeit qualifiziert. Durchgeführt werden diese Lehrgänge von erfahrenen und zertifizierten Trainern, die eine pädagogische Zusatzausbildung absolviert haben und Lehrende so optimal auf den eigenen Projektunterricht und die Anwendung entsprechender Arbeitssystematiken vorbereiten können. Der 2016 geschaffene Bildungsbereich verstärkt und erweitert das Engagement der GPM auf diesem Feld. Im Zentrum stehen der enge Dialog und die Zusammenarbeit mit Politik, Schulen und Hoch- Bekanntgabe Kooperation GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement und Teach First Deutschland Engagement für Projektlernen und Projektmanagement-Expertise an Schulen in sozial schwieriger Lage - Dies wollen die GPM und Teach First Deutschland ab sofort gemeinsam tun und freuen sich, ihre Kooperation bekannt zu geben. Im Besonderen für sehr heterogen zusammengesetzte Lerngruppen, wie sie von den TFD Fellows an Schulen in sozial schwieriger Lage mehrheitlich unterrichtet werden, ist projektausgerichtetes Lernen ein hervorragendes Instrument, um das individuelle und fachliche Potenzial der einzelnen Schüler und Schülerinnen zu entfalten. Kompetenzen wie Teamarbeit, Eigenverantwortung und Selbstorganisation stehen im Vordergrund von projektbasiertem/ -orientiertem Lehren und Lernen. In enger Zusammenarbeit möchten sich GPM und TFD zukünftig für eine stärkere Verankerung von Projektlernen und Projektmanagementexpertise an den entsprechenden Schulen einsetzen. Die GPM unterstützt die Projektmanagementqualifizierung der Teach First Deutschland Fellows in der Ausbildung und während ihres Schuleinsatzes. Diese lernen Projektmanagement als wichtiges Führungsinstrument für die eigene berufliche Zukunft kennen. Vor allem aber schaffen sie mit PM-geprägten Projekten Räume für kooperatives, interdisziplinäres, selbstorganisiertes und damit ganz besonders selbstwirksames Lernen, das benachteiligte Schüler und Schülerinnen in ihren persönlichen Kompetenzen umfassend bestärkt. Erfahrungen, die für das aktive Gestalten der eigenen Zukunft, aber auch Der Geschäftsführer von TFD, Ulf Matysiak (Mitte), mit dem GPM Präsidium, Prof. Helmut Klausing und Jürgen Engelhardt; Foto: GPM Prof. Helmut Klausing, Sarah Khayati, GPM, Ulf Matysiak, Jürgen Engelhardt und Antonio Piscopo, Projektmanager für Geschäftsführung und Programmbereich TFD (von links); Foto: GPM