PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Rahmen mit großer Wirkung
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Jens Köhler
Die Kolumne „Ehrlich und Priesberg“ möchte mit unterhaltsamen Dialogen rund um das Thema „Mensch – Kommunikation, Verhalten, Entscheidungen“ Denkanstöße für den PM-Alltag geben.
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WISSEN 67 projektManagementaktuell | AUSGABE 2.2017 Die Kolumne „Ehrlich und Priesberg“ möchte mit unterhaltsamen Dialogen rund um das Thema „Mensch - Kommunikation, Verhalten, Entscheidungen“ Denkanstöße für den PM-Alltag geben. Ehrlich und Priesberg treffen sich am Flughafen zu einer längeren Dienstreise. Priesberg wirkt zerknirscht, als er seinem Kollegen in der Lounge begegnet. „Ich hatte gestern ein etwas unangenehmes Gespräch mit einem Projektmitarbeiter. Ich glaube, er wird mir eine längere Zeit aus dem Weg gehen oder sogar das Projekt verlassen. Dabei ging es doch nur um simple Zugriffsrechte in einem IT-System.“ Ehrlich schaut genervt von seiner Zeitung hoch und antwortet ungeduldig: „Was war denn besonderes passiert? So wie du es schilderst, hast du in letzter Minute doch sicher einen großen Schaden abgewendet.“ Priesberg schaut despektierlich auf die Zeitung, die Ehrlich immer noch nicht zusammengefaltet hat, und betont: „Ja, dadurch, dass nicht alle Zugriffsrechte sofort gesetzt wurden, konnten die Benutzer des Datenbanksystems nur einen Teil ihrer Daten lesen. Der Mitarbeiter hat, nachdem sich Nutzer beschwert hatten, den Fehler erkannt und korrigiert. Das hat aber das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Datenbank nicht gerade erhöht, und das war der wunde Punkt.“ „Also bist du, wie es hierzulande üblich ist, gleich konkret geworden und hast deinem Projektmitarbeiter ausführlich erklärt, welch großer Vertrauensverlust durch das zögerliche Setzen der Rechte entstanden ist“, resümiert Ehrlich unterkühlt. „Ja, und zwar so, dass er es so schnell nicht vergessen wird“, betont Priesberg. „Jaja, die Menschen. Sie funktionieren wie Uhren, man muss sie nur aufziehen, damit sie präzise ticken. Glaubst du, dass das auch für die Motivation des Projektteammitglieds gilt? “, stichelt Ehrlich weiter und knallt die Zeitung auf einen Abstelltisch zwischen den Sesseln. Priesberg spürt die Anspannung und spricht nachdenklich: „Das ist ja das, was mich beschäftigt. Er gehört zu den guten Mitarbeitern. Aber auch die …“, Ehrlich unterbricht ihn mit einer strengen Mimik, die in ein Lächeln übergeht: „Erzähle mir doch ein wenig über den Kontext. Was waren die Arbeiten und wie ist es im Großen und Ganzen gelaufen? “ Priesberg überlegt lange und spricht zögerlich: „Eigentlich hervorragend. Es waren viele neue Benutzer einzurichten und auch alte Zugriffe mussten entzogen werden. Eine sehr filigrane Arbeit: Man entzieht zuerst alte Rechte, bevor neue vergeben werden. Das stellt sicher, dass unbefugte Personen keinen Zugriff mehr auf die Daten haben.“ „Also war der ‚Fehler‘ des Projektteammitarbeiters eher klein und eigentlich gar keiner, denn es wurde zu jeder Zeit sichergestellt, dass kein unerlaubter Zugriff erfolgen konnte, wenn auch anfangs etwas zu streng“, grinst Ehrlich schließlich. „Worauf willst du hinaus? “ fragt Priesberg leicht ungeduldig. Ehrlich geht auf die Frage zunächst nicht ein und kontert: „Wie fühlst du dich nach unserem hitzigen Dialog? “ Priesberg antwortet: „Am Anfang nicht sonderlich beachtet und verärgert, aber dann wirktest du auf einmal viel freundlicher und mir zugewandt. Ich glaube, ich bin jetzt entspannt.“ „Siehst du. Das wäre bei deinem Kollegen auch möglich gewesen. Hättest du dich auf den großen Kontext bezogen und die deiner Aussage nach hervorragenden Arbeiten des Kollegen gelobt und wärest ganz nebensächlich auf den ‚Fehler‘ eingegangen - dein Gegenüber hätte es noch nicht mal als Kritik verstanden, sondern als einen gut gemeinten Hinweis. Er wäre weiterhin motiviert, ja sogar gestärkt aus dem Gespräch gegangen. Das nenne ich einen Rahmen spannen, in dem man sich auf Augenhöhe bewegen kann“, schließt Ehrlich. Priesberg fasst konzentriert zusammen: „Wenn Kritik im Raume steht, dann gilt es also einen Kontext so darzulegen, dass die Person sich dort mit positiven Gefühlen wiederfindet. Erst dann sollte man auf das kritische Thema eingehen - das wirkt ganz anders, als ‚nicht geschimpft ist genug gelobt‘.“ Er stutzt leicht verschämt und fährt fort: „Dabei hätte mich das keinerlei Energie gekostet, meinen Tunnelblick ausschalten zu müssen ... und der Kollege wäre noch voll dabei.“ „Und auch ich könnte dir Feedback anders geben, mit analoger Wirkung: Du wärst nicht verstanden worden und es wäre dir nicht möglich gewesen, mir weiter zuzuhören. Jetzt bist du sogar ganz alleine auf den Punkt gekommen“, spricht Ehrlich versöhnlich. Priesberg schnippt mit den Fingern: „Nicht nur das, ich habe auch kapiert: Gute Mitarbeiter benötigen ebenfalls Aufmerksamkeit, um eben die Motivation, die nichts anderes als ein Flow- Erlebnis ist, aufrechtzuerhalten oder sogar zu verstärken. Auch das verlangt Arbeit und Aufmerksamkeit von einer Führungskraft.“ Autor Dr. Jens Köhler, BASF SE. Sein Hauptfokus liegt auf der Digitalisierung in Forschung und Entwicklung. Sein Spezialgebiet ist die Regulation sozialer Komplexität zur Effizienz- und Effektivitätssteigerung von Projektteams. Anschrift: BASF SE, RB/ IC, 67056 Ludwigshafen, E-Mail: Jens.Koehler@basf.com Projektgeschichten und Fallstudien Rahmen mit großer Wirkung Autor: Jens Köhler PM-aktuell_02-2017_InhaltV4.indd 67 10.04.17 10: 33
