eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 28/2

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0886
UVK Verlag Tübingen
31
2017
282 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Zwei fremde Welten

31
2017
Martina Huemann
In vielen Organisationen existiert ein steigender Bedarf an Projektorientierung und das Personal arbeitet vermehrt in Projekten. Allerdings existieren Human Resource Management (HRM) und Projektmanagement in den meisten Unternehmen als zwei voneinander unabhängige Welten. Der Artikel geht der Frage nach, wie HRM ausgestaltet sein soll, um Projekte und das Projektpersonal besser zu unterstützen. Der strukturelle Bruch zwischen temporären Projekten und auf Dauer angelegten Linienorganisationen führt zu Widersprüchen. Mittendrin steht das Personal. Daraus entsteht der Bedarf, HRM aus dem Blickwinkel der Projektorientierung zu hinterfragen und anzupassen. Der Artikel stellt das Modell „Projekt orientiertes HRM-System“ vor und zeigt exemplarisch auf, wie sich HRM-Prozesse, -Rollen und -Strategien ändern müssen, um die Projektorientierung besser zu unterstützen und das Unternehmen als attraktiven modernen Arbeitgeber zu positionieren.
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Projektmanagement trifft Human Resource Management Zwei fremde Welten Autorin: Martina Huemann >> Für eilige Leser In vielen Organisationen existiert ein steigender Bedarf an Projektorientierung und das Personal arbeitet vermehrt in Projekten. Allerdings existieren Human Resource Management (HRM) und Projektmanagement in den meisten Unternehmen als zwei voneinander unabhängige Welten. Der Artikel geht der Frage nach, wie HRM ausgestaltet sein soll, um Projekte und das Projektpersonal besser zu unterstützen. Der strukturelle Bruch zwischen temporären Projekten und auf Dauer angelegten Linienorganisationen führt zu Widersprüchen. Mittendrin steht das Personal. Daraus entsteht der Bedarf, HRM aus dem Blickwinkel der Projektorientierung zu hinterfragen und anzupassen. Der Artikel stellt das Modell „Projektorientiertes HRM-System“ vor und zeigt exemplarisch auf, wie sich HRM-Prozesse, -Rollen und -Strategien ändern müssen, um die Projektorientierung besser zu unterstützen und das Unternehmen als attraktiven modernen Arbeitgeber zu positionieren. Kaum ein erfolgreiches Unternehmen kann heutzutage auf Projekte verzichten. Mit Projekten werden Kundenaufträge durchgeführt und Infrastrukturinvestitionen verwirklicht. Zunehmend gewinnen Projekte auch an Bedeutung in der Unternehmensführung, um die Zukunftsfähigkeit zu gestalten und das Unternehmen langfristig zu erhalten. Dadurch steigt der Bedarf an Projektorientierung und der Anteil des Personals, das in Projekten arbeitet, erhöht sich. Was bedeutet Projektorientierung für das Personal? Wie kann Human Resource Management (HRM) Projektorientierung unterstützen und Potenziale nutzen? Basierend auf langjähriger Forschung [1], zeigt dieser Artikel spezifische Herausforderungen und Potenziale der Projektorientierung für das Projektpersonal und bietet exemplarisch mögliche Lösungen zur Ausgestaltung eines für eine projektorientierte Organisation passenden HRM-Systems. Im Text wurde in Absprache mit der Autorin aus Gründen der besseren Lesbarkeit immer nur die männliche Form gewählt. Selbstverständlich sind damit auch weibliche Akteure gemeint. 1 Projektorientierung In projektorientierten Organisationen werden Projekte als eine strategische Option zur Organisation von Geschäftsprozessen betrachtet. „Management by Projects“ ist Organisationsstrategie und bedeutet, dass Projekte als Organisation für die Durchführung von ausgewählten Geschäftsprozessen eingesetzt werden [2]. Damit wird im projektorientierten Unternehmen auch die Unternehmensführung über Projekte gestaltet. Projekte werden in der Strategieentwicklung und den Strategieumsetzungen, bei organisatorischem oder technischem Wandel sowie bei Produkt-, Markt- und Infrastrukturentwicklung eingesetzt, um die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens zu sichern. schiedlichen Logiken in permanenten und temporären Strukturen. Differenzierung und Integration Projekte führen zu einer starken organisatorischen Differenzierung, die das Unternehmen flexibler und agiler macht. Projekte ermöglichen eine funktionenübergreifende Zusammenarbeit und integrieren über Funktionsgrenzen hinweg, allerdings führen Projekte, wie oben betont, auch zu einer organisatorischen Differenzierung. Die Organisation hält zusätzlich zu den permanenten Linienstrukturen einen temporären Anteil an mehr oder weniger temporären Projekten. Daher bedarf es einer entsprechenden Integration der Projekte in die Organisation über passende Governance-Strukturen. Einerseits wird eine gewisse Autonomie des Projekts ermöglicht, damit sich die temporäre Organisation auf die jeweiligen Projektziele konzentrieren kann, andererseits muss sichergestellt werden, dass das Projekt nicht zu viel Eigenleben entwickelt. Unterschiedliche Logiken Wird der zunehmende Bedarf nach Projektorientierung in einem Unternehmen bewusst, dann werden Project Management Offices (PMO) etabliert, Projektmanagement-Richtlinien entwickelt sowie Projektmanager qualifiziert und zertifiziert. Und das ist auch gut so. Allerdings wird oft übersehen, dass ein Unternehmen, das mit temporären Projekten und permanenten Linienstrukturen organisiert ist, mit Widersprüchen und fundamentalen strukturellen Herausforderungen konfrontiert ist. Permanente Linienstrukturen und temporäre Projekte haben einen anderen Rhythmus und Takt. Sie haben andere Dynamiken und folgen unterschiedlichen Managementlogiken. Tabelle 1 stellt die unterschiedlichen Managementlogiken in Projekten und in der Linienorganisation gegenüber. Dadurch kommt es zu KARRIERE 69 projektManagementaktuell | AUSGABE 2.2017 Es ist bekannt, dass Projekte Unruhe in Organisationen bringen. Warum ist das so? Temporäre Projekte führen in Organisationen zu strukturellen Brüchen und Widersprüchen. Besonders herausgegriffen werden im Folgenden die organisatorische Differenzierung und die unter- PM-aktuell_02-2017_InhaltV4.indd 69 10.04.17 10: 33 projektManagementaktuell | AUSGABE 2.2017 70 KARRIERE In Projekten ist oft die intrinsische Motivation aus der Aufgabenstellung heraus besonders hoch. Dementsprechend kann die Identifikation mit den Projektzielen und Aufgaben zu hohem Engagement und Selbstverpflichtung führen. Das ist insbesondere in technischen Projekten mit hohem Innovationsanteil zu beobachten. Ungewissheit und Neuartigkeit Für jedes Projekt wird das Personal, das an diesem Projekt arbeitet, neu zusammengestellt. Die zeitliche Begrenztheit von Projekten führt dazu, dass Personen immer wieder neuen Projekten beziehungsweise Teams in Projekten zugeteilt werden. Damit ist die soziale Unsicherheit verbunden, in welchem Projekt mit welchen anderen Personen in Zukunft zusammengearbeitet werden soll. Zusätzlich zu dieser sozialen Dimension kommen inhaltliche oder technische Ungewissheit und damit verbundene Unklarheiten über benötigte Kompetenzen und Rollen im Projekt. Insbesondere wenn Projekte sehr neuartig sind, ändern sich die Arbeitsanforderungen an das Personal. Die Kompetenzanforderungen sind oft unklar für das einzelne Projekt bzw. es bedarf sehr spezifischer zeit in Projekten. Damit stellen diese Projekte mit ihren spezifischen Charakteristiken, wie zeitliche Begrenztheit und hoher Dynamik den Arbeitsalltag für das Projektpersonal dar. Potenziale und Herausforderungen für das Projektpersonal ergeben sich einerseits durch das Projekt selbst, andererseits durch den notwendigen Wechsel zwischen den temporären Projekten und permanenten Organisationen. Die Charakteristiken der Projektarbeit können zusammengefasst werden mit • hoher Ergebnisorientierung, • Ungewissheit und Neuartigkeit, • Multirollenträgerschaft, • schwankender Auslastung und • fragmentierten Karrieren. Hohe Ergebnisorientierung Die zeitliche Befristung des Projekts stattet die Aufgabe mit einer gewissen Dringlichkeit aus, die Mitarbeitende unter Handlungsdruck setzt. Allerdings kann durch die Nähe zur Aufgabe und dem Erleben des eigenen Beitrags zum Projektergebnis Motivation und Sinnstiftung geschöpft werden. Spannungen zwischen den temporären und den permanenten Anteilen des projektorientierten Unternehmens. Spezifika der Projektorientierung Projektorientierte Organisationen weisen einige Besonderheiten auf. Diese umfassen die Organisationsstrategie „Management by Projects“, den herausfordernden Umgang mit permanenten und temporären Strukturen sowie die Ausgestaltung einer spezifischen Kultur. Tabelle 2 fasst diese Besonderheiten zusammen. 2 Mittendrin das Personal Mittendrin in diesen Widersprüchen steht das Personal, das häufig sowohl in Projekten als auch in Linienrollen eingesetzt wird. Projektpersonal umfasst Personen in den Rollen Projektmanager, Projektteammitglied und Projektmitarbeitende, aber auch Projektauftraggeber, die das Bindeglied zwischen permanenten und temporären Strukturen bilden, können dazugezählt werden. Projektmanager, Projektteammitglied und Projektmitarbeitende verbringen die meiste Arbeits- Projekt Permanente Organisation Zeit • Existenz des Projekts ist zeitlich begrenzt geplant • Zeitliche Begrenzung erzeugt Dringlichkeit • Kurzbis mittelfristige zeitliche Orientierung • Zeitlicher Rhythmus bestimmt durch Projektmeilensteine und Projektendtermin • Existenz ohne zeitliche Begrenzung • Kurz-, mittel- und langfristige zeitliche Orientierung • Zeit ist zyklisch, bestimmt durch Budgetplannungs- und Reportingzyklen Prozess • Relativ einzigartig, kurzbis mittelfristig • Strategisch eher wichtig, auf Zukunft bezogen • Mittlerer bis großer Leistungsumfang • Routine, kurzfristig • Eher geringere strategisch Bedeutung • kleiner Leistungsumfang Ergebnis • Hohe Ergebnisorientierung, da das Erreichen der Projektziele der Existenzgrund für das Projekt ist • Projektergebnis ist für Mitarbeitenden unmittelbar sichtbar • Die Ergebnisorientierung kann sehr unterschiedlich sein. • Zusammenhang zwischen eigenem Arbeitsbeitrag und Unternehmensergebnis nicht unmittelbar für Mitarbeitenden sichtbar Personal • Personal wird aufgrund der notwendigen unterschiedlichen Kompetenzen spezifisch für ein Projekt zusammengestellt • Auch externes Personal von Partnern, Lieferanten, Kunden kann in einem Projekt integriert sein • Personal mit gleichen Kompetenzen in Fachabteilungen bzw. Experten-Pools tätig Change • Oft hohe Dynamik im Projekt • Change der permanenten Organisation wird zunehmend durch Projekte organisiert • Auf Stabilität ausgerichtet • Zunehmend dynamisch, da Change in permanenter Organisation von zunehmender Bedeutung Tab. 1: Unterschiedliche Managementlogiken [3] PM-aktuell_02-2017_InhaltV4.indd 70 10.04.17 10: 33 KARRIERE 71 projektManagementaktuell | AUSGABE 2.2017 Management by Projects • Projekte werden zur organisatorischen Gestaltung eingesetzt, wenn das Projekt eine geeignete Lösung für die Organisation eines Geschäftsprozesses darstellt. • Stark differenzierte Organisation, die mit Widersprüchen wie Autonomie und Integration, Kurz- und Langfristigkeit, unterschiedlichen Kontexten und Stakeholdern umgehen kann. Temporäre und permanente Strukturen • Projekte stellen zusätzlich zu den permanenten Strukturen einen temporären Organisationsteil dar, der je nach Betrachtungszeitpunkt unterschiedlich groß und bedeutend sein kann. • Es gibt strukturelle Brüche und Spannungen zwischen permanenten und temporären Strukturen z. B. aufgrund unterschiedlicher Managementlogiken. • Projekte als temporäre Organisationen und soziale Systeme haben eine gewisse Autonomie, sind aber auch mit der permanenten Organisation zu koppeln. Projektorientierte Kultur • Empowerment, Teamorientierung, Zukunftsorientierung, Lern- und Innovationsorientierung, Change-Orientierung, Nachhaltigkeit, Diversity etc. Tabelle 3 fasst zentrale Charakteristiken der Arbeit in Projekten zusammen und zeigt sowohl Herausforderungen als auch Potenziale für das Projektpersonal auf. Die Beschreibung der Projektorientierung und der spezifischen Charakteristiken der Projektarbeit machen deutlich, dass Projektpersonal in einem sehr spezifischen Kontext tätig ist. Daher benötigten Personen, die in Projekten arbeiten, nicht nur die entsprechenden sozialen und inhaltlichen Kompetenzen zur Erfüllung der jeweiligen Projektziele, sondern sie müssen insbesondere gut mit Dynamik, Unsicherheit und Widersprüchen umgehen können. Andererseits wird nachvollziehbar, dass es HRM- Praktiken braucht, um die Herausforderungen der Projektarbeit zu meistern und ihre Potenziale für das Personal auszuschöpfen. Damit stellt sich die Frage, wie ein passendes HRM-System gestaltet sein kann? 3 Human Resource Management Human Resource Management kann als das Gestalten der Beziehungen zwischen Mitarbeitenden und der Organisation definiert werden. Diese Austauschbeziehung beinhaltet nicht nur Arbeit, Entgelt und Zeit, sondern vielmehr auch Dimensionen wie Kompetenz, Wissen, Information, Lernen, Partizipation, Karrierechancen und Wohlbefinden [5]. In der strategischen HRM-Literatur wird die Notwendigkeit eines passenden HRM für das jeweilige Unternehmen hervorgehoben. Dabei soll HRM den Zusammenhang mit der Unternehmenskultur, der strategischen Unternehmensfühsonal hat in vielen projektorientierten Unternehmen eine hohe Bedeutung, da es hilft, den je nach Auftragslage schwankenden Bedarf an Personal auszugleichen oder aber spezielle Expertisen in das Projekt einbringen. Der Umgang mit temporärem Projektpersonal bringt allerdings auch wieder spezielle Herausforderungen, wie etwa den Bedarf an einer schnellen Integration ins Projekt, mit sich. Um bei Bedarf schnell reagieren zu können, halten betroffene Unternehmen einen Pool an temporären Mitarbeitenden bereit, die immer wieder bei Bedarf in den Projekten eingesetzt werden. Fragmentierte Karrieren Karrieren von Projektpersonal - insbesondere von Projektmanagern - sind durch die Aneinanderreihung von Projekten gekennzeichnet. Damit ergeben sich fragmentierte Karrierewege und das Bild der Projektnomaden, die von einem Projekt zum nächsten ziehen. Das bedeutet, dass das Projektpersonal, insbesondere Projektmanager, ihre Karrieren aktiver managen müssen. Sie müssen aktiv nach Projekten Ausschau halten, die ihnen ein Weiterkommen in ihrer Karriere ermöglichen. Für das Unternehmen, besonders wenn es große Projekte durchführt und Personen nur in einem Projekt mitarbeiten, wird für Kernpersonal aktiv die Übergänge zu neuen Projekten gestaltet, um sie im Unternehmen zu halten. Wenn ein Projekt abgeschlossen ist und nicht sofort das nächste spannende Projekt wartet, besteht die Gefahr, dass der Projektmanager das Unternehmen verlässt. Kompetenzen, welche im Rahmen des Projekts erworben werden müssen. Multirollenträgerschaft In Unternehmen mit vielen kleinen und mittleren Projekten ist das Projektpersonal immer in mehreren Projekten gleichzeitig tätig und erfüllt gleichzeitig Linientätigkeiten. Durch die Multirollenträgerschaft entstehen Herausforderungen für die Mitarbeitenden, wie etwa der Umgang mit Überlastung oder durch Rollenkonflikte. Insbesondere durch den Wechsel zwischen den Rollen kann Stress entstehen. Andererseits bieten Projekt zeitlich begrenzte Herausforderungen, die in Teamarbeit erreicht werden können, und stellen damit oft für Personen, die auch Routinetätigkeiten verrichten, eine willkommene Abwechslung dar. Schwankende Auslastung Die Anzahl und die Größe der durchzuführenden Projekte in einem projektorientierten Unternehmen können sich stark ändern. Insbesondere bei Kundenauftragsprojekten kann die Auftragslage großen Schwankungen unterzogen sein. In Spitzenzeiten können Projekte nicht ausreichend mit Personal ausgestattet werden und zentrale Rollen bleiben auch lange nach Projektbeginn unbesetzt. Die Ressourcenplanung und damit auch die adäquate Ressourcenzuteilungen sind im projektorientierten Unternehmen herausfordernd. Solche Schwankungen können mit temporärem Personal ausgeglichen werden. Temporäres Per- Tab. 2: Besonderheiten des projektorientierten Unternehmens [3] PM-aktuell_02-2017_InhaltV4.indd 71 10.04.17 10: 33 projektManagementaktuell | AUSGABE 2.2017 72 KARRIERE HRM-Strategien HRM gestaltet aktiv und unterstützt explizit die Projektorientierung des Unternehmens. Eine aktive Ausrichtung auf Projektorientierung bedeutet, das Projektpersonal als eine Personalgruppe mit spezifischen Anforderungen zu betrachten, wobei insbesondere der strukturelle Bruch zwischen permanenter Organisation und temporären Projekten entsprechend gemanagt wird. Karrieresystem, Anreizsystem, Ressourcenplanung, Kompetenz- und Wissensmanagement sind auf Projektorientierung adaptiert. Ein projektorientiertes HRM berücksichtigt die Strategien, Strukturen und Kultur des projektorientierten Unternehmens und ist damit eher dezentraler und flexibler gestaltet. In diesem wird HRM zunehmend zu einer Aufgabe aller Manager und Mitarbeitenden, die auch zunehmend selbst für sich HRM-Verantwortung übernehmen. Die notwendige Dezentralisierung von HRM wird durchgeführt. Eine entsprechende Delegation der HRM-Aufgaben an die Linie und an die Projekte ist erfolgt. Die Herausforderungen, die sich an das Personal durch die Projektorientierung ergeben, sind bekannt und das Wohlbefinden wird entsprechend gemanagt. Das Managen von Projekten ist eine zentrale Kompetenz des Personals. Projektmanagement ist für sämtliche Rollen im Projekt und im Unternehmen relevant, da auch Fachexperten in der Rolle als Projektteammitglieder und Manager insbesondere als Projektauftraggeber in Projek- 4 Passendes Human Resource Management Wie ein unterstützendes Human Resource Management in einer projektorientierten Organisation gestaltet sein kann, zeigt das Modell „Projektorientiertes HRM-System“. Modell „Projektorientiertes Human Resource Management-System“ Das Modell „Projektorientiertes HRM-System“ beruht auf einem systemischen Zugang und betrachtet alle HR-Kommunikationen/ Entscheidungen in der Organisation. Abbildung 1 zeigt das Modell „Projektorientiertes HRM-System“. Es unterscheidet in die internen HRM-Strukturen und den Kontext. Der Kontext besteht aus der sozialen, der zeitlichen und der inhaltlichen Dimension. Die inhaltliche Dimension wurde in diesem Artikel in der Darstellung der Projektorientierung bereits beschrieben. Die internen Strukturen des HRM-Systems umfassen: • HRM-Strategien, -Ziele, -Dienstleistungen • HRM-Prozesse • HRM-Rollen und • HRM-Infrastruktur, -Technologien Im Folgenden werden einige zentrale Dimensionen der internen Strukturen eines HRM-Systems für das projektorientierte Unternehmen exemplarisch beschrieben. rung und der organisationalen Gestaltung berücksichtigen. In vielen Unternehmen gibt es allerdings kaum Zusammenarbeit zwischen Projektmanagement und HRM. Nicht nur in der Literatur existieren noch immer wenige Berührungspunkte zwischen den zwei Themenfeldern, sondern auch in der Praxis scheinen sich hier zwei fremde Welten zu begegnen. In vielen Unternehmen sind Projektmanager unzufrieden mit der Unterstützung, die sie vom HRM für ihre Projekte bekommen. Projektmanager erwarten ein schnelleres Handeln, insbesondere wenn für ein Projekt die Rekrutierung externer oder neuer Mitarbeitender notwendig ist, während die HR-Manager sich an langwierige Prozesse halten müssen. Die HR-Abteilung wird von den Projektmanagern häufig als sehr weit entfernt und zu langsam wahrgenommen. Aus der Sicht der HR-Manager scheint es oftmals damit getan zu sein, Projektmanagementqualifizierung und Zertifizierungen für Projektmanager anzubieten. Beides ist wichtig, allerdings braucht es auch tiefgreifende Veränderungen in den HRM-Strategien, -Prozessen, -Rollen und -Praktiken, um der Projektorientierung Rechnung zu tragen. Sämtliche HR-Sub-Systeme wie • Karrieresystem, • Anreizsystem und • Wissensmanagement sollten die Existenz von Projekten explizit berücksichtigen, um die Projektorientierung des Unternehmens voranzutreiben. Charakteristiken Herausforderungen Potenziale Hohe Ergebnisorientierung Übertriebene Leistungsbereitschaft Burn-out Intrinsische Motivation Hohe Verantwortungs-übernahme Sinnstiftung Ungewissheit und Neuartigkeit Stress Gefühl alleine gelassen zu sein, keine Unterstützung Inhaltliche und soziale Kompetenz nicht vorhanden Lernmöglichkeit und Weiterentwicklung Horizonterweiterung Abenteuer Multirollen Trägerschaft Überlastung mit Projekten Rollenkonflikte Wechsel zwischen den Rollen als Stressfaktor Abwechslung Lernmöglichkeit Schwankende Auslastung Unterforderung oder Überforderung Flexiblere Arbeitsgestaltung Auszeiten möglich Fragmentierte Karrieren Karrieremöglichkeiten Auszeiten in Karrieren möglich Tab. 3: Herausforderungen und Potenziale der Projektarbeit [4] PM-aktuell_02-2017_InhaltV4.indd 72 10.04.17 10: 33 KARRIERE 73 projektManagementaktuell | AUSGABE 2.2017 Projektauftraggeber und Projektmanager leisten Beiträge zum Performance Management im Projekt und zur Personalentwicklung. Der Projektmanager erhält Feedback und eine Beurteilung des Projektauftraggebers für seine Leistung im Projekt. Es gilt das Zusammenspiel der Rollen in der permanenten Organisation zum Beispiel zwischen Projekt und dem jeweiligen Linienmanager (Abteilungsleiter oder Expert Pool-Manager) zu koordinieren. Sowohl der Projektmanager als auch das Projektteammitglied übernehmen stärkere Selbstverantwortung für ihr Wohlbefinden und ihre Karriere. Im projektorientierten Unternehmen existieren spezifische Rollen wie Projektportfolio Group (PPG) oder das PMO, die ebenso HRM-Aufgaben leisten. Zu HR-Aufgaben des PMO gehören etwa die Unterstützung bei der Rekrutierung von Projektpersonal, die Auswahl und Beurteilung von Projektmanagern, Erarbeitung eines PM-Karrierepfads in Abstimmung mit den anderen Karrierepfaden im Unternehmen und die Organisation Abb. 1: Modell „Projektorientiertes HRM-System“ Projekt Strategie, Strukturen, Kultur Soziales: extern Soziales: intern Zukunft Vergangenheit Soziales HRM System ten agieren. Die Ausbildung des Projektpersonals erfolgt zunehmend „on the project“. HRM-Prozesse Im projektorientierten Unternehmen finden HRM- Prozesse im Projekt und in der permanenten Organisation statt. Es gibt sowohl im Unternehmen als auch in den Projekten, HR-Prozesse wie Personal zuteilen, entwickeln, beurteilen, belohnen, freisetzen. Die Herausforderung besteht darin, die HRM-Prozesse in der permanenten Organisation mit den HRM-Prozessen im Projekt abzustimmen. In einem projektorientierten HRM sind spezifische HRM-Prozesse wie Personalzuteilung zum Projekt und Personalfreisetzung aus dem Projekt formal etabliert und berücksichtigen Zusammenhänge zu Karrieresystem und Kompetenzentwicklung. HRM wird im Projekt explizit für das Projekt als temporäre Organisation durchgeführt, das betrifft zum Beispiel insbesondere das Performance Management im Projekt. Während die HRM-Ziele im Projekt primär kurzfristig auf das Projekt bezogen sind, gehen die Interessen des Unternehmens an den Mitarbeitenden, als auch das Interesse der Mitarbeitenden an der Zusammenarbeit zumeist über das zeitlich befristete Projekt hinaus. Daher müssen die Zusammenhänge zwischen Projekt-HRM und den HRM-Prozessen in der permanenten Organisation für das Projektpersonal explizit berücksichtigt werden. Spezifische Lösungen sind auf die jeweilige Projektrolle, Projektart und Projektgröße abzustimmen. So wird etwa in einem Unternehmen, das viele kleine und mittlere Projekte durchführt, das jährliche Mitarbeitergespräch mit einem Mitarbeitenden, der in einigen Projekten gleichzeitig als Projektteammitglied tätig ist, mit dem für ihn zuständigen Linienvorgesetzten auf Basis der gesammelten Feedbacks aus den abgeschlossenen Projekten durchgeführt. In einem anderen Unternehmen, in dem ein Projektteammitglied ausschließlich in einem Projekt tätig ist, findet das Mitarbeitergespräch mit dem Linienvorgesetzten und dem Projektmanager gemeinsam statt. HRM-Rollen Die HR-Aufgaben sind in einer projektorientierten Organisation stärker verteilt und reichen bis in die Projekte, in denen Projektmanager und Projektauftraggeber HR-Aufgaben wahrnehmen. von Ausbildungen für Projektmanager, Projektauftraggeber und Projektmitarbeiter. Die Erbringung sämtlicher HRM-Leistungen des PMO ist in Zusammenarbeit mit der HR-Abteilung organisiert. Der HR-Manager bzw. die HR-Abteilung behält die Rolle, HR-Standards vorzugeben und HRMbezogene strategische Entscheidungen in Abstimmung mit dem Topmanagement, aber auch der PPG zu treffen. Dazu gehören unter anderem strategische Überlegungen, wie etwa, welche Anzahl an Projektmanagern mit welchen Kompetenzen das projektorientierte Unternehmen in Zukunft benötigen wird. 5 Projekte als Potenzial für HRM Zu Beginn des Artikels wurden die spezifischen Charakteristiken der Projektarbeit umrissen und es wurde auf Herausforderungen und Potenziale eingegangen. Hier werden nochmals die HRM- Potenziale von Projekten aufgegriffen, die mit einem passenden HRM gehoben werden können. PM-aktuell_02-2017_InhaltV4.indd 73 10.04.17 10: 33 projektManagementaktuell | AUSGABE 2.2017 74 KARRIERE Schlagwörter Human Ressource Management, Personalmanagement, Projektarbeit, Projektmanager, Projektorientierung, Projektpersonal, Unternehmensführung Kompetenzelemente der ICB 4.0 1.02 Governance, Strukturen und Prozesse, 3.05 Organisation, Information und Dokumentation, 3.08 Ressourcen Autorin Prof. Dr. Martina Huemann ist Professorin an der WU Wien, führt die Abteilung Projektmanagement im Department Strategie & Innovation und leitet den Professional MBA: Project Management der WU Executive Academy. Seit 2003 ist sie Vorstandsmitglied von pma. Als Beraterin mit mehr als 15 Jahren Erfahrung und Mitbegründerin von enable2change, einem Netzwerk an erfahrenen Experten und Expertinnen, hat sie großes Interesse am Brückenschlagen zwischen Forschung und Praxis. Anschrift: WU Wirtschaftsuniversität Wien, Abteilung Projektmanagement, Welthandelsplatz 1, 1020 Wien, Österreich, Tel: +43/ 1/ 3 13 36-55 32, E-Mail: Martina.Huemann@wu.ac.at schreiben sowie Herausforderungen und Potenziale für das Projektpersonal aufzuzeigen. Exemplarisch wurden einzelne Dimensionen des Modells „Projektorientiertes HRM-System“ dargestellt, um Lösungen für ein für eine projektorientierte Organisation passendes HR aufzuzeigen. Je wichtiger Projekte für das Unternehmen sind, desto mehr wird sich die Organisation auf Projektorientierung einstellen müssen, um erfolgreich zu sein. Projektorientierung betrifft das gesamte Unternehmen mit Bedarf an Anpassungen in sämtlichen Bereichen, HRM ist allerdings besonders betroffen und gefordert. Eine mögliche Lösung eines passenden HRM-Systems bietet ein modernes und flexibles Human Ressource Management, das selbst projektorientiert ist und Projekte als Potenzial explizit nützt. Eine vertiefende theoretische Auseinandersetzung mit dem Thema und weitere Lösungsvorschläge auf Basis von Fallstudien bietet das Buch „Human Resource Management in the Project-oriented Organization: Towards a Viable Project-Oriented HRM System for Project Personnel“, erschienen im Gower Verlag [1].  Literatur [1] Huemann, Martina: Human Resource Management in the Project-oriented Organization. Towards a Viable Project-Oriented HRM System for Project Personnel. Gower, Aldershot 2015 [2] Huemann, Martina: Managing the projectoriented company. In: Turner, Rodney (Hrsg.): The Gower Handbook for Project Management Professionals. Gower, Aldershot 2014 [3] Huemann, Martina: HRM in projektorientierten Unternehmen: Herausforderungen und Potentiale für das HRM-System. In: Nachbagauer, Andreas/ Schirl, Iris: Human Resource Management in projektorientierten Unternehmen. Linde Verlag, Wien 2013 [4] Keegan, Anne/ Huemann, Martina/ Ringhofer, Claudia: Human Resource Management in organizational project management: Current trends and future prospects. In: Sankaran, Shankar/ Müller, Ralf/ Drouin, Natalie (Hrsg.): Organizational Project Management: Achieving Strategies through projects. Cambridge University Press [5] Paauwe, Jaap: HRM and Performance: Achieving Long Term Viability. Oxford Press, Oxford 2004 Projekte sind oft aus der Aufgabenstellung heraus motivierend und leistungsfördernd. Im Projekt können die Mitarbeitenden unmittelbar das Ergebnis ihrer Arbeit sehen, was sinnstiftend wirken kann. Die Dringlichkeit, die über das Setzen einer Befristung wie etwa des Projektendes oder über Meilensteine entsteht, ermöglicht den Mitarbeitenden eine Fokussierung auf die Aufgabenstellung. Projekte haben Teamstrukturen und ermöglichen eine Zusammenarbeit mit anderen Projektteammitgliedern. In gut geleiteten Projekten entsteht durch die Zusammenarbeit im Projektteam Energie. Projekte sind zumeist abwechslungsreich und eröffnen Lernmöglichkeiten. Sie können explizit zur Personalentwicklung angewandt werden und sind insbesondere auch geeignet, Personal in Führungsaufgaben hineinwachsen zu lassen. Die hohe Dynamik und Neuartigkeit von Projekten bietet Herausforderungen, die manche Mitarbeitende gezielt suchen, weil sie Spaß daran haben, Abwechslung suchen und die Lernmöglichkeiten nutzen wollen. Projekte stellen damit auch ein attraktives Arbeitsangebot dar. Die Tatsache, dass ein Unternehmen Projekte durchführt und dafür auch adäquat eingerichtet ist, kann im Personalmarketing eingesetzt werden, um Mitarbeitende zu finden, die gerne in einem projektorientierten Unternehmen arbeiten. Darüber stellen Projekte auch eine Option dar, HRM-Prozesse zu organisieren. Natürlich sind nicht alle HR-Aufgaben ab sofort in Projekten durchzuführen. So sollten Projekte für die Durchführung von routinemäßigen HRM-Prozessen weiterhin nicht installiert werden. Während beispielsweise die Rekrutierung von neuen Mitarbeitenden weiterhin nicht als Projekt organisiert werden sollte, sind Projekte besonders geeignet für die Organisation von Entwicklungs- und Change-Prozessen wie etwa die Etablierung eines neuen Gehalts- und Anreizsystems, eine Pilotentwicklung eines Assessment Centers für eine Personalgruppe, die Weiterentwicklung des Karrieresystems und die Etablierung einer Aus- und Weiterbildungsakademie in einem Unternehmen. HRM-Abteilungen, die selbst Projekte durchführen, zeigen ein besseres Verständnis für Projektorientierung. 6 Zusammenfassung Zielsetzung des Artikels war es, die Besonderheiten des projektorientierten Unternehmens zu be- PM-aktuell_02-2017_InhaltV4.indd 74 10.04.17 10: 34