eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 28/3

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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2017
283 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Wenn in (Groß-)Projekten Betrug vorkommt und wie Compliance bei der Vorbeugung helfen kann

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2017
Dietmar Prudix
Immer wieder ist zu hören, dass in schwierigen Projekten, insbesondere in „Prestigeprojekten“, bei Problemen der Projektleiter gefeuert wird. Das geschieht häufig mit der Begründung, der Projektleiter würde die Ziele nicht intensiv genug verfolgen. Welche Bedeutung haben aber dabei die umgebenden Systeme? Führungskräfte wollen manchmal so stark die Erreichung bestimmter Ziele, dass diese nicht mehr überprüft werden dürfen. Gearbeitet wird mit den Methoden der Belohnung und der Bestrafung. Helfen können hier die Erkenntnisse über Compliance und wie Compliance helfen kann. Im Beitrag wird versucht zu belegen, dass häufig systembedingte Faktoren Projekte zum Scheitern bringen – und nicht die Menschen.
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projektManagementaktuell | AUSGABE 3.2017 48 WISSEN besonders „Machtmotivation“ Hauptanreizpunkte darstellten [1]. Geld ist zwar wichtig, aber weniger als Selbstzweck, sondern eher wegen der Macht und des Status, den es ermöglichen soll. Je größer die Summen, desto größer und höher der Status. Deswegen werden einige Großprojekte eher auch als „Prestigeprojekte“ bezeichnet. Durch diese Wortwahl wird deutlich, worum es eigentlich geht. Als Erklärungshilfe kann auch der soziale Vergleich dienen (eingeführt vor 50 Jahren von dem amerikanischen Sozialpsychologen Leon Festinger). Er besagt, dass Mitglieder einer Gruppe miteinander wetteifern, um sozialen Status zu erlangen. Das hört selbst da nicht auf, wo man denkt, dass das Management bereits alles erreicht hat und deshalb jeden weiteren Wettbewerb einstellt. Und genau das ist nicht der Fall. Menschen, die innerhalb ihrer Gruppe den höchstmöglichen Status erreicht haben, suchen sich neue Vergleichsmöglichkeiten [3]. Das führt dazu, dass sich Topmanager eines Unternehmens mit Topmanagern anderer Unternehmen vergleichen. Kurz vor der Aufdeckung des Dieselskandals gab der damals noch amtierende CEO Winterkorn die Devise aus, sein Unternehmen „zum profitabelsten, faszinierendsten und nachhaltigsten Automobilhersteller der Welt“ zu führen [7]. Es darf vermutet werden, dass für Winterkorn der Vergleich mit anderen Herstellern eine übergeordnete Rolle gespielt hat. Auf dieser Hierarchiestufe (Vorstände, Geschäftsführer) wollen die Beteiligten gewinnen und die Konkurrenz besiegen. Um das zu er- Den deutschen Ingenieuren sagt man nach, sie seien zuverlässig, ehrlich und kompetent - einfach gut. Umso tiefer hat uns der Skandal um die Täuschungssoftware getroffen, die von VW in Fahrzeugen eingesetzt wurde, um so bessere Abgaswerte zu erzielen. Dieser Abgasskandal hat die gesamte deutsche Wirtschaft erfasst: Da war ja auch noch Stuttgart 21, der Flugplatz Berlin-Brandenburg, die Hamburger Elbphilharmonie und viele andere Projekte, aufgelistet in der Brand Eins im November 2015. Dazu kommt aktuell das Kartellverfahren gegen Daimler wegen Preisabsprachen im Lkw-Bereich. In diesem Beitrag möchte ich nicht auf strafrechtlich relevantes Verhalten eingehen, sondern eher die organisationspsychologischen Hintergründe erläutern. Es gibt hier so viele Erkenntnisse, dass Präventionsmaßnahmen leicht erarbeitet werden können. Die Betrachtung erfolgt aus dem Blick des Systems der Organisation, nicht aus der Sicht des Einzelbeteiligten. Ob ein Einzelner sich eher unethisch, unmoralisch oder sogar strafrechtlich relevant verhalten hat, wird maßgeblich von Strukturen der umgebenden Gesamtstruktur durch Regeln, Vorgaben, Prozesse und auch von impliziten Strukturen (Hidden Agendas) bestimmt. Warum aber verhalten sich Führungskräfte so? Was bestimmt ihr Handeln? Warum verstoßen sie gegen Regeln? Ist es das Geld, das winkt? Wollen sie Stakeholder, Kunden, Vorgesetzte zufrie- Ein Erklärungsversuch aus Sicht der Organisationspsychologie Wenn in (Groß-)Projekten Betrug vorkommt und wie Compliance bei der Vorbeugung helfen kann Autor: Dietmar Prudix >> Für eilige Leser Immer wieder ist zu hören, dass in schwierigen Projekten, insbesondere in „Prestigeprojekten“, bei Problemen der Projektleiter gefeuert wird. Das geschieht häufig mit der Begründung, der Projektleiter würde die Ziele nicht intensiv genug verfolgen. Welche Bedeutung haben aber dabei die umgebenden Systeme? Führungskräfte wollen manchmal so stark die Erreichung bestimmter Ziele, dass diese nicht mehr überprüft werden dürfen. Gearbeitet wird mit den Methoden der Belohnung und der Bestrafung. Helfen können hier die Erkenntnisse über Compliance und wie Compliance helfen kann. Im Beitrag wird versucht zu belegen, dass häufig systembedingte Faktoren Projekte zum Scheitern bringen - und nicht die Menschen. denstellen? Bereits in den 1960er-Jahren identifizierte der amerikanische Psychologe David McClelland, was Führungspersonen antreibt. Er stellte fest, dass verschiedene Anreize, wie „Anschlussmotivation“, „Leistungsmotivation“, aber WISSEN 49 projektManagementaktuell | AUSGABE 3.2017 chen, sahen sie anscheinend hier nur den Ausweg, die Abgaswerte durch eine illegale Software zu manipulieren. Es kann vermutet werden, dass VW-Mitarbeiter einerseits durch die Aussicht auf Bonuszahlungen als auch andererseits durch die Furcht vor Sanktionen bis hin zur Kündigung dazu gebracht wurden, diesen Weg einzuschlagen. Das trifft nicht nur für VW zu, auch die unrealistischen Pläne für S21, BER und die Elbphilharmonie etc. führten dazu, dass die Vorgaben für die Bauzeit und das Budget unrealistisch waren. Das wiederum hatte die Konsequenz, dass sowohl die Architekten als auch die Baufirmen unrealistische Zeitpläne und Kostenvoranschläge erstellten. Dieses Verhalten wurde auch dadurch unterstützt, dass beteiligte Firmen geringe negative Konsequenzen bei Nichteinhaltung zu fürchten (fehlende Bestrafung) sowie die Aussicht auf einen großen Auftrag (Belohnung) vor Augen hatten. Die Folgen waren die bekannten Verschiebungen und Kostenexplosionen. Aus der empirischen Forschung sind drei Faktoren bekannt, die Betrug in einer Organisation vorhersagen können: • wie schon erwähnt, unrealistische Ziele • riesige finanzielle Belohnungen bei Zielerreichung • narzisstisches Verhalten des Führungspersonals Durch den deutschen Psychologen Kurt Lewin wissen wir bereits seit 1936, dass man menschtechniken zu entwickeln, die dann aber zu einem konkurrenzfähigen Preis verkauft werden sollten. Aber auch bei BER, S21 und bei der Elbphilharmonie könnte überprüft werden, ob die veranschlagten Zeitpläne und Budgets auch nur annähernd realistisch waren. Das Resultat ist ein Prozedere, das an die legendären Fünfjahrespläne der ehemaligen Oststaaten erinnert; das bedeutet das Festhalten an einem einmal entwickelten Produktionsplan anstatt auf Nachfrage, Angebot und Erkenntniszugewinn zu reagieren. In der Projektrealität wird häufig nicht ein Plan an die realen Gegebenheiten angepasst, sondern 1. den Mitarbeitern ein zu ehrgeiziger, unmöglicher (und deshalb falscher) Plan aufgebürdet und 2. keinerlei Argument akzeptiert, das zeigen würde, dass der Plan nicht erfüllbar ist, und schließlich wird 3., sobald das Problem sichtbar wird, nicht der Plan verändert, sondern durch Belohnung und Bestrafung werden die Mitarbeiter angepasst. Es geht dann darum, diesen Plan auf jeden Fall durchzuziehen. Wie reagiert jedoch ein Mitarbeiter, der in dem Dilemma steckt, einen unsinnigen Plan realisieren zu müssen? In vielen Fällen lautet die Antwort: mit Betrug. In diesem Fall bedeutet das, dass das Arbeitsergebnis so manipuliert wird, bis das Ergebnis dem Plan entspricht. Es könnte sein, dass die Entwickler bei VW genau hier in der Zwickmühle waren. Da sie trotz aller Entwicklungen nicht in der Lage waren, die Ziele zu erreireichen und die Mitarbeiter mitzunehmen, werden Ziele erarbeitet, z. B. will VW mehr als zehn Millionen Fahrzeuge pro Jahr verkaufen, auf jeden Fall aber mehr als Toyota. Ein Ziel für die VW-Ingenieure war, abgasarme Dieselfahrzeuge zu bauen, die trotz der benötigten technischen Lösungen immer noch zu einem konkurrenzfähigen Preis verkauft werden können. Das sollte die Konkurrenzfähigkeit auf dem amerikanischen Markt sicherstellen. Auch für andere Großprojekte, wie z. B. beim Flughafen BER, bei der Energieversorgung Nord- Süd und bei Stuttgart 21 wurden Ziele gesetzt. Um jedoch die Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung zu erhöhen, legen Politiker häufig Wert auf geringe Kosten und kurze Bauzeiten. Wenn diese Ziele erst einmal festgelegt sind, muss sichergestellt werden, dass sie auch von allen Beteiligten verfolgt werden. Hier arbeiten die Verantwortlichen gerne mit den Mitteln der Belohnung und Bestrafung. Als Belohnung dienen Prämien oder Karriereaussichten. Wenn jedoch die Ziele nicht eingehalten oder erreicht werden, drohen Abberufung, Abschläge, Karriereknick oder am Ende sogar die Kündigung. Führungspersonen streben nach Macht und deshalb konkurrieren sie miteinander. Angestellte haben den daraus abgeleiteten ehrgeizigen Zielen zu folgen, getrieben durch Belohnung oder Bestrafung. Wenn das so funktionieren würde, hätten wir den Idealfall einer klassischen Winwin-Situation für alle Beteiligten: Wenn das Unternehmen gewinnt, gewinnen die Mitarbeiter. Doch was passiert, wenn ein überheblicher Manager Ziele setzt, die unmöglich erreichbar sind? Ein Phänomen gerade bei dieser Art von Managern ist, nicht zuzuhören, wenn andere etwas zu sagen haben oder sagen wollen. Damit blenden sie aktiv und vorbeugend jede Kritik aus. Das führt in der Führungsetage zum „Groupthink“ (genauer erläutert im PM3, Kapitel 1.07 Teamarbeit [5]). Kurz: Die Gruppe isoliert sich selbst und ihre Mitglieder bestärken sich gegenseitig in ihren Plänen und Ideen. Argumente, die von außen an sie herangetragen werden, werden einfach nicht beachtet und schon gar nicht umgesetzt. Das hat zwei wesentliche Folgen für Projekte: • Die ausgegebenen Ziele sind und bleiben unrealistisch. • Die Führungsspitze erlaubt es nicht, sie an die Realität anzupassen. Das passierte mutmaßlich bei der Zielsetzung, saubere Dieselfahrzeuge mit teuren Reinigungs- Projekt Ursprünglich geschätzt (in Mio EUR) Aktuell geschätzt (in Mio EUR) Saarbrücker Saarlandmuseum + Moderne Galerie 12 39 Duisburger Museum Küppersmühle 25 69 Dresdner Waldschlößchenbrücke 157 180 Berliner Kanzler U-Bahn 433 525 Hamburger Elbphilharmonie 77 789 Berliner Hauptbahnhof 300 1.200 Neubau Zentrale Bundesnachrichtendienst 720 1.044 Baukosten BER 2.700 5.400 Baukosten Stuttgarter Hauptbahnhof 2.450 12.600 Tab. 1: Irren in Zahlen; Die Projektwirklichkeit; Quelle: Brand Eins, Ausgabe 11/ 15 projektManagementaktuell | AUSGABE 3.2017 50 WISSEN relevanter Risikozonen in einem Unternehmen • regelmäßiges Training der Mitarbeiter • regelmäßige Berichterstattung über Fälle Der Betrug innerhalb öffentlicher oder auch privater Unternehmen ist also nicht, wie gezeigt, durch das Verhalten Einzelner verschuldet. Vielmehr schafft die Führung dieser Organisationen durch Belohnung und Bestrafung sowie durch unrealistische Ziele und Vorgaben erst die entscheidenden Voraussetzungen für individuelles Fehlverhalten. Die Ursachen für Desaster in großen Unternehmen stecken somit im System. Bent Flyvbjerg von der Saïd Business School, University of Oxford, setzt sich schon seit langem mit dem Scheitern und dem Ablauf von Großprojekten auseinander [7]. Seine aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse zeigen, dass es meistens schon zu spät ist, wenn die Ingenieure die Pflichten- und Lastenhefte erhalten und der eigentliche Bau beginnt. Die tatsächlichen Ursachen liegen zu einem großen Teil in der Planungsphase von Großprojekten. In einfachen Worten: Verzug und Kostenüberschreitung sind die Folge von zu aggressiven Terminplänen und zu niedrigen Kostenschätzungen, also die Symptome unrealistischer Planung und Entscheidungsfindung und nicht von Pfusch am Bau. Die Ursachen für unrealistische Pläne und Entscheidungen lassen sich in drei grobe Kategorien unterscheiden: technische, psychologische und sozio-ökonomische Erklärungsansätze. 1. Technische Erklärungsansätze dafür, dass Pläne nicht eingehalten werden, sind fehlende oder fehlerhafte Daten. Die Planungsannahmen waren unrealistisch, die Daten zur Ausgangslage waren unklar und die Planungsmodelle sind zu ungenau. Studien an der Saïd Business School in Oxford zeigen, dass dieser Ansatz das Phänomen nur bedingt erklärt, da sich in den letzten 50 Jahren keine Verbesserungstendenzen eingestellt haben. 2. Als psychologische Erklärungsansätze sind Planungsfehler zu betrachten, die entstehen, weil es eine menschliche Tendenz gibt, die Kosten und die Dauer geplanter Aktivitäten zu unterschätzen und gleichzeitig deren Nutzen zu überschätzen. Was z. B. Studenten dazu veranlasst, den benötigten Zeitaufwand für die nächste Studienarbeit zu unterschätzen, gilt gleichermaßen für Experten, die Großprojekte planen und bauen. Optimismus ist weit verbreitet: „alles geht nach Plan“, „was wir eignete Instrumente sind das Institutionalisieren ethischen Verhaltens durch Regeln und das Einsetzen von Verantwortlichen, z. B. eines Ethikrats, wie jetzt bei der FIFA geschehen. In fast jedem Fall von unethischem Verhalten und Betrug lernen die Führungskräfte auf die harte Tour, welchen immensen Schaden ihr Verhalten anrichtet. Was kann man tun, um solchem Verhalten zukünftig besser vorzubeugen? Wann immer etwas in Organisationen öffentlichkeitswirksam schiefgeht, neigen Vorgesetzte zu der Tendenz, mehr Regeln und Kontrollen durchzuführen. Betrug entsteht nicht durch das Fehlen von Regeln, vielmehr gilt es sicherzustellen, dass sich Führungskräfte mit nachgeordneten Mitarbeitern austauschen und Pläne an die Realität anpassen, anstatt Angestellte zu verführen. Offensichtlich sind Führungskräfte nicht immer ausreichend dem Informationsstrom angepasst und wenig empfänglich für Feedback. Wie schafft man es denn, Feedback bis zur höchsten Ebene zu transportieren? Hier ist in einigen Organisationen bereits das „Whistle Blowing-Verfahren“ im Einsatz, ein Schutzprogramm, das es jeder Person erlaubt, jegliche Information über unethisches Verhalten an die höheren Hierarchieebenen weiterzugeben, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen. Noch besser wäre, wenn Mitarbeiter sogar Ziele in Frage stellen können. Die Praxis zeigt jedoch, dass Mitarbeiter dafür einen hohen Preis zahlen müssen: Sie werden kaltgestellt oder die Karriere erfährt einen Knick. Deshalb sollten Organisationen Feedback institutionalisieren. Eine weitere Möglichkeit ist die Einführung „menschlicher Alarmsysteme“: es gibt sogar einen direkten Draht zwischen Mitarbeitern und der Leitungsebene. Führungskräfte werden diese Möglichkeiten dann unterstützen, wenn sie erkennen, dass sie so den Verlust von Geld, Prestige, Kundenvertrauen oder auch Wählerstimmen verhindern können. Transparency International weist deutlich darauf hin, dass alle betriebsinternen Regeln und Prozesse angepasst werden müssen, auch und gerade die Führungsprozesse [8]. Als Lösungsweg insgesamt empfiehlt Transparency: • klare Strukturen (one single point of control) • klare (Führungs-)Prozesse und klare Verantwortlichkeiten • die Möglichkeit von Whistle Blowing für Mitarbeiter • Self-audits zum ersten Check als Sensibilisierungsinstrument zur Erkennung korruptionsliches Verhalten erst verstehen kann, wenn man die Person selbst sowie die Umwelt, die sie umgibt, betrachtet. Damit kommt es sowohl auf die umgebende Unternehmenskultur inklusive der Führungskultur, als auch auf die Menschen an, die Verantwortung tragen [4]. Heute ist bekannt, dass sich Angestellte im Ausmaß ihrer Produktivität unterscheiden, mit der sie ihre Aufgaben erledigen. Proaktive Beschäftigte zeigen Initiative und einen starken Handlungsdrang. Sie erhalten in der Regel mehr Lohn und haben bessere Karriereaussichten. Wenn ihnen ambitionierte Ziele vorgegeben werden, werden sie tun, was nötig ist, um diese Ziele zu erreichen. Proaktive Menschen spielen das Spiel nach den Spielregeln. Wer aber überprüft die Spielregeln? Angestellte, die uneingeschränkt an den ausgegebenen Plänen festhalten, haben eine größere Chance, belohnt zu werden. Das bedeutet paradoxerweise, dass sie damit ihren Unternehmen nicht immer einen Gefallen tun. Wenn die Pläne, wie oben beschrieben, betrügerisches Verhalten erfordern, sind die Mitarbeiter, die sie am besten und bereitwilligsten umsetzen, möglicherweise diejenigen, die eine Organisation ruinieren können. So haben wohl die Topmanager bei VW dem Plan energisch Folge geleistet, das eigene Unternehmen zu hohen Gewinnen und besseren Verkaufszahlen in den USA zu führen. Dieser Plan wurde zumindest kurzfristig erfolgreich erfüllt. Früher oder später wird die Justiz zu beurteilen haben, wer hier welche Verantwortung zu tragen hat. Die Anklage von verschiedenen Mitarbeitern wird wohl durch die Justiz entschieden, aus Sicht der Psychologie erscheint das so nicht gerechtfertigt. Die entscheidende Frage sollte hier sein, ob und in welchem Maße hier Anreize zu einem Fehlverhalten geliefert wurden. Denn in diesem Fall hat die Führung genau das bekommen, wonach sie gefragt hat. Weltweit setzt sich die Organisation Transparency International zum Ziel, auf Bereiche der Intransparenz sowie Korruptionsgefahren in allen Organisationen und Unternehmen möglichst konkret hinzuweisen, hinreichende Transparenz bei allen Verwaltungsvorgängen herzustellen sowie Manipulationen und Korruption zu erschweren und aufzuklären. Der Verein ist davon überzeugt, dass Transparenz bei Kammern, Verbänden und Unternehmen diese nicht nur selbst, sondern auch die demokratischen Beteiligungsrechte der Mitglieder und Bürger/ -innen stärkt und damit allgemeiner Staatsverdrossenheit entgegenwirken kann. Ge- WISSEN 51 projektManagementaktuell | AUSGABE 3.2017 Kompetenzelemente der ICB 4.0 1.03 Compliance, Standards und Regelungen, 1.04 Macht und Interessen Autor Dietmar Prudix, MSc, geb. 1955; Studium der Wirtschaftswissenschaften und Organisationspsychologie; Master zum Thema „Betriebliches Konfliktmanagement“; Coach und Mediator; zertifizierter Senior Project Manager IPMA Level B; zertifizierter Projektmanagement-Trainer (GPM); Mitglied bei Transparency International und dort engagiert bei der Bekämpfung von Korruption und Vorteilsnahme; ehrenamtlich engagiert bei der GPM als Mitglied des Präsidialrates; seit zehn Jahren tätig im Bereich Konzipierung und Durchführung von Trainings und Beratung in unterschiedlichen Projekten; Projektleiter der Expo 2000 Hannover, regionale Entwicklungen, Fusionen, Merger; Unterstützung von Projekten und Begleitung als Projektcoach; Projekte in Japan, Hongkong, Litauen, Polen, USA, UK, Singapur, Malaysia, Indien Anschrift: Ziegelstraße 11, 71063 Sindelfingen, E-Mail: dietmar@prudix.de Kurzum: Nicht die technische Bauausführung, sondern der politische Entscheidungs- und Steuerungsprozess bieten den größten Hebel für Verbesserungen. Das funktioniert am besten dann, wenn alle Beteiligten mitmachen.  Literatur [1] McClelland, D.: Power: The inner experience. Hoboken 1976 [2] McClelland, D.: Human Motivation. Reprint, Cambridge 2009 [3] Festinger, L. A.: Theory of Cognitive Dissonance. Harrogate, UK, 1957 [4] Lewin, K.: Feldtheorie in den Sozialwissenschaften: Ausgewählte theoretische Schriften. 2. Auflage, Göttingen 2012 [5] Gessler, M.: Kompetenzbasiertes Projektmanagement (PM3). Handbuch für die Projektarbeit, Qualifizierung und Zertifizierung auf Basis der IPMA Competence Baseline Version 3.0. GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement, 7. Auflage, Nürnberg 2015 [6] Manager Magazin, Ausgabe 9/ 2016 vom 18.8.2016 [7] Flyvberg, B.: Megaprojects and Risks. Cambridge 2003 [8] www.transparency.de Schlagwörter Anreizsysteme, Betrug in Projekten, Compliance, Kosten- und Zeitüberschreitungen, Optimismus bei Planungen jetzt investieren, holen wir später auf“, selbst „schlimmer kann es nicht mehr werden“. 3. Sozio-ökonomische Erklärungsansätze verdeutlichen, dass individuelle Fehlschlüsse nicht unbedingt zu Fehlentscheidungen ganzer Organisationen führen müssen. Großprojekte werden nicht von Einzelpersonen geplant und entschieden. Die Ursachen, warum dennoch unrealistische Pläne erstellt und befolgt werden, liegen in den Wissens-, Entscheidungs- und Verhandlungsprozessen von Großprojekten. Projektbefürworter, wie z. B. Planer, Bauunternehmen, aber auch Politiker, verdienen an Großprojekten, ohne am Kostenrisiko beteiligt zu sein. Dies führt zu systematischen und politisierten Falschdarstellungen der Planungsannahmen und -risiken. Ein unlösbares Problem? Optimismus bei Planungen kann mit einem einfachen Ansatz erkannt werden: mit der Außensicht. Statt ein Projekt als Summe vieler Kleinteile zu betrachten, kann die einfache Frage „Wie viel haben denn die letzten 20 Auftraggeber von vergleichbaren Projekten am Ende zahlen müssen? “ einen Perspektivenwechsel bieten, der individuelle Fehleinschätzungen korrigiert. Doch eine einfache Plananpassung allein ist niemals ausreichend. Entscheidungsprozesse, Verantwortungs- und Anreizstrukturen müssen jedem Projekt entsprechend angepasst werden. Im internationalen Vergleich sehen wir hier gerade in Deutschland einen deutlichen Verbesserungsbedarf. Anzeige Agil entwickeln - Verlässliche Prozesse und bessere Teamarbeit Project Office verbindet agiles Teamwork mit hoher Prozesssicherheit. Dynamisch anpassbare Best Practices und Prozessvorlagen schaffen verlässliche Leitplanken. Mit leistungsstarken agilen Elementen wie Tasks, Issues, Activities und dezentraler Planung unterstützen Sie Ihre Teams direkt bei der Wertschöpfung und machen sie schneller und produktiver. 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