eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 28/3

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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2017
283 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Studie beweist: Multitasking ist böse

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2017
Wolfram Müller
Claudia Simon
Zu viele Projekte bei zu knappen Ressourcen verursachen in Unternehmen ungutes und unproduktives Multitasking. Dieses negative Multitasking ist eine der Hauptursachen für Probleme in der Multiprojektsteuerung, weil zu viele Aufgaben parallel laufen bzw. nicht ohne Unterbrechung abgeschlossen werden können. Darunter leiden alle, besonders die Projektmanager. Mit einem Online-Schnelltest können sie jetzt ihre Chefs überzeugen, dass es auch anders geht. Möglich macht das die repräsentative wissenschaftliche Studie „Multitasking im Projektmanagement – Status quo und Potentiale“ von Prof. Ayelt Komus, Professor an der Hochschule Koblenz, und der VISTEM GmbH & Co. KG, die diese Zusammenhänge belegt.
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projektManagementaktuell | AUSGABE 3.2017 58 KARRIERE sen sich Verbesserungsvorschläge aussprechen, die genau zum jeweiligen Problem, zur individuellen Herausforderung passen. Im Laufe der Jahre entstand so ein Katalog an Fragen, mit deren Hilfe sich Problemsituationen herauskristallisieren lassen. Es sind keine Fragen im Stile von „Setzen Sie Methode X ein? “ oder „Nutzen Sie Best Practice Y oder Z? “, sondern Fragen, die unabhängig von der angewandten Methode zeigen, ob bestimmte Symptome auftauchen. Ähnlich wie beim Arzt, wird eine Art Anamnese durchgeführt, um möglichst alle relevanten Informationen zu sammeln. Analog dazu wird eine Annahme über die Ursache getroffen und eine Lösung vorgeschlagen. Verwendet werden dafür Fragen in der Art: „An wie vielen Aufgaben arbeiten Sie gleichzeitig - einer, zwei, drei oder vielen? “, „Wie oft ändern sich die Prioritäten? “ oder „Greifen die Chefs ins Projekt ein? “. All diese Fragen können leicht und schnell beantwortet werden, lassen aber gleichzeitig viel Rückschluss darauf zu, ob ein bestimmtes Muster an Problemen vorliegt. Analysewerkzeug Diese etwa 30 Fragen erwiesen sich als ein gutes Analysewerkzeug. Die eindeutigen Ergebnisse sind für die Beteiligten sehr leicht nachzuvollziehen. Das einzige Problem: Die Gesamtanalyse erscheint für Chefs oft zu komplex, um rasch handlungsauslösend zu wirken. Denn gerade sie leiden ja besonders unter Zeitdruck und Multitasking. Wird etwas präsentiert, wollen und müssen sie schnell entscheiden, ob es interessant genug ist, um sich eingehender damit zu befassen. Nun kann man sich darüber mokieren, dass Chefs nie genug Zeit haben - das hilft aber nicht weiter. Wer etwas verändern will, muss zuerst die Situation akzeptieren und auf dieser Basis aufsetzen. Das führte zur Frage: Wie kann Die Vorgeschichte Die Notwendigkeit für diese Studie ergab sich aus der Praxis. VISTEM berät und unterstützt Unternehmen dabei, wie sie mit weniger Druck mehr aus ihrem Projektmanagement herausholen, also mehr Projekte in gleicher Zeit mit gleichen Ressourcen und glücklichen Mitarbeitern und Projektmanagern erfolgreich abwickeln können. In diesem Zuge werden die Unternehmen und ihre Abläufe ebenso detailliert betrachtet wie analysiert. Nur auf dieser Grundlage las- Zu viele Projekte bei zu knappen Ressourcen verursachen in Unternehmen ungutes und unproduktives Multitasking. Zwar lässt sich das manchmal für kurze Zeit und lokal eingrenzen, eine nachhaltige Lösung für das gesamte Unternehmen ist es aber nicht. Projektmanager kennen dieses Dilemma nicht nur, sie müssen damit leben. Außer sie überzeugen ihren Chef, dass es auch anders gehen kann. Um tatsächlich etwas zu ändern, muss am Mindset der Führungskräfte angefangen werden. Doch diese haben - aufgrund von Multitasking - keine Zeit. Das muss nicht so bleiben. Dieser Artikel zeigt, wie Projektmanager den Kreis durchbrechen - und so das Interesse ihrer Chefs für dieses wichtige Thema wecken und fesseln können. Ständiges Kommunizieren auf allen Kanälen, Erledigen von immer mehr Aufgaben mit höchster Geschwindigkeit, Steuern von möglichst vielen Prozessen gleichzeitig … - der Ruf nach Effektivität und Effizienz ist allgegenwärtig. Negatives Multitasking auch. Und bekannt ist auch, dass dieses negative Multitasking eine der Hauptursachen für Probleme in der Multiprojektsteuerung in Unternehmen ist. Zu viele Aufgaben laufen parallel bzw. können nicht ohne Unterbrechung abgeschlossen werden. Spätestens seit der wissenschaftlich angelegten Studie „Multitasking im Projektmanagement - Status Quo und Potentiale“ von Prof. Ayelt Komus, Professor an der Hochschule Koblenz, und dem Beratungsunternehmen VISTEM GmbH & Co. KG, unterstützt von der GPM Fachgruppe Critical Chain, ist belegt: Unternehmen mit wenig Multitasking sind erfolgreicher als ihre Konkurrenz. Mit 400 ausgewerteten Teilnehmern darf die Untersuchung sicher als repräsentativ angesehen werden. Was Projektmanager dem Chef endlich einmal sagen sollten Studie beweist: Multitasking ist böse Autoren: Wolfram Müller, Claudia Simon >> Für eilige Leser Zu viele Projekte bei zu knappen Ressourcen verursachen in Unternehmen ungutes und unproduktives Multitasking. Dieses negative Multitasking ist eine der Hauptursachen für Probleme in der Multiprojektsteuerung, weil zu viele Aufgaben parallel laufen bzw. nicht ohne Unterbrechung abgeschlossen werden können. Darunter leiden alle, besonders die Projektmanager. Mit einem Online-Schnelltest können sie jetzt ihre Chefs überzeugen, dass es auch anders geht. Möglich macht das die repräsentative wissenschaftliche Studie „Multitasking im Projektmanagement - Status quo und Potentiale“ von Prof. Ayelt Komus, Professor an der Hochschule Koblenz, und der VISTEM GmbH & Co. KG, die diese Zusammenhänge belegt. KARRIERE 59 projektManagementaktuell | AUSGABE 3.2017 Vergleich: Was ist normal? Was jetzt aber noch fehlt, ist die Information - was ist normal? Wo stehen die anderen? Um sich mit anderen zu vergleichen und messen zu können, muss ein Benchmark her. Genau an dieser Stelle kommt die Studie ins Spiel. In der Praxis gab es bisher nur die Werte von den 70 Unternehmen, mit denen VISTEM in der Beratung die Auswertungen durchgeführt hatte. Diese Firmen kamen, weil sie - um in der Sprache der Medizin zu bleiben - Fieber hatten. Information über gesunde und gute Firmen fehlten gänzlich. Für die Durchführung einer fundierten Studie konnte Herr Prof. Ayelt Komus, Professor an der Hochschule Koblenz, gewonnen werden. Unter der Leitung des renommierten Wirtschaftswissenschaftlers mit hochgradigem Praxisbezug im gesamten Organisationskomplex, wurden die Fragen verfeinert und geschliffen sowie die Formeln für die Skalen überprüft. Hinzugekommen sind noch Fragen zum Umfeld des Unternehmens (Größe, Branche etc.), aber auch zum Reifegrad des Projektmanagements oder zum Einsatz agiler Methoden. Im Folgenden waren alle in der Multiprojektsteuerung aktiven Unternehmen im Für eine erste „Notfalldiagnose“ werden die Antworten auf Skalen von null (sehr gut) bis zehn (schwere Ausprägung) fast wie bei einem Fieberthermometer dargestellt. Dabei zeigt sich: diese fünf Symptome sind absolut ausreichend, um zu sehen, wie es „dem Patienten“ geht. Was noch fehlt, ist ein Motivator, um das Problem zu lösen. Beim Arzt ist es einfach - der Patient will wieder gesund sein. Aber was ist gesund im Projektmanagement? Nichts einfacher als das: Wenn die Symptome weg sind und der Schmerz nachlässt, wird die Kraft freigelegt, um etwas Neues anzugehen. Es drängt sich also die Frage auf: Wie viel könnte das Unternehmen mehr leisten, wenn die Schmerzen (Symptome) weg wären? Allerdings wäre diese Frage nur indirekt zu beantworten. Was funktioniert, ist die Frage: Wenn die Symptome weg wären (in einer idealen Umgebung), wie viel Aufwand könnte man sich im Projekt sparen? Über die einfache Formel: Durchsatzsteigerung = 1/ (1 - Aufwandsersparnis) lässt sich das Potenzial für die Durchsatzsteigerung und damit der Nutzen qualifizieren. Und genau diese Formel ist das perfekte Werkzeug, um das Interesse der Chefs zu wecken. man Symptome so darstellen, dass sie schnell Interesse wecken? Auch hier funktioniert es fast wieder wie beim Arzt. Ein Arzt hat ein Modell im Kopf, wie die Systeme im Menschen funktionieren. Er weiß, anhand welcher Symptome sich bestimmte Probleme zeigen. Oft reichen ihm wenige Informationen (Temperatur, Blutdruck, Zustand der Haut) aus, um zu erkennen, was Sache ist. Antworten legen Symptome offen Ganz ähnlich verhält es sich im Projektmanagement mit den Antworten und den Chefs. Der Chef nimmt die Rolle des Arztes ein - er sieht die Symptome und weiß sofort, dass er etwas tun muss. Interessant ist, dass die Symptome, auf die Chefs ansprechen, mit denen identisch sind, an welchen man erkennen kann, was im Projektmanagement schiefläuft. Diese sind: 1. viele Verzögerungen bei Arbeitspaketen 2. lange Durchlaufzeiten der Projekte 3. früher Start von Arbeitspaketen 4. negatives Multitasking 5. dünne Ressourcenverteilung projektManagementaktuell | AUSGABE 3.2017 60 KARRIERE KARRIERE 61 projektManagementaktuell | AUSGABE 3.2017 beiter werden also schon bei der Planung überlastet. Damit ist auch klar, dass bei der Projektplanung die Mitarbeiter praktisch nie so geplant werden, dass die Arbeitspakete schnell erledigt werden können. Bei Frage 4 antworten nur fünf Prozent der Teilnehmer „Arbeitspakete werden mit so viel Mitarbeitern versorgt, wie erforderlich sind, um die kürzeste Durchlaufzeit zu erzielen“. In einer Zeit, in der Time-To-Market über den Erfolg eines Produktes bzw. Projektes entscheidet, ist dieses Vorgehen unentschuldbar. Wahnsinn mit Programm Auch das Topmanagement trägt seinen Teil dazu bei. Der Effizienzwahn ist ebenso ungebrochen wie schädlich. Einer der am weitest verbreiteten Denkfehler im Management ist das Ziel der „Vollauslastung“. Aus der Produktionsplanung ist die Warteschlangen-Theorie bekannt: Die Durchlaufzeit steigt überproportional mit der Auslastung. Auslastungen über 85 Prozent sind praktisch nicht mehr beherrschbar. Am einfachsten lässt sich das mit einer Autobahn vergleichen. Würde man versuchen, alle Autobahnen vollstänlich beste Antwort lautet, aber die Realität sieht diametral anders aus. Frage 1 lautete: „An wie vielen Aufgaben (aus einem oder mehreren Projekten und aufgrund des Tagesgeschäfts) arbeitet ein Mitarbeiter typischerweise gleichzeitig bzw. parallel? “ Gerade einmal zwei Prozent der Befragten geben an, kein Multitasking zu betreiben und immer nur an einer Aufgabe zu arbeiten. Damit ist es auch nicht verwunderlich, dass praktisch niemand eine Aufgabe erledigen kann, ohne unterbrochen zu werden (Frage 2). Nur zehn Prozent der Befragten kennen den Luxus, eine Aufgabe ohne Unterbrechung beenden zu dürfen. An dieser Situation tragen auch die Manager (Linie und Projekt) ihren Anteil. Alleine schon bei der Planung läuft einiges schief. Eigentlich dürfte man die Frage 9 so gar nicht stellen: „Der Projektplan berücksichtigt, dass ein Mitarbeiter nicht tatsächlich zwei Aufgaben gleichzeitig bearbeiten kann.“ In Multiprojektumgebungen ist das aber sehr oft der Fall, wie die Studie bestätigt. Mehr als zwei Drittel (69 %) der Befragten geben an, dass der Projektplan eben NICHT berücksichtigt, dass ein Mitarbeiter NICHT an zwei Aufgaben gleichzeitig arbeiten kann. Die Mitargesamten deutschsprachigen Raum aufgerufen, sich an der Umfrage zu beteiligen. Mehr als 400 Firmen/ Personen haben an der Studie teilgenommen und verwertbare Informationen geliefert. Die kompletten Studienergebnisse sind einsehbar unter https: / / vistem.eu/ studie/ Die Ergebnisse Studien zum Multitasking und wie sich dieses negativ auf die Leistung auswirkt, gibt es unzählige. Bei Google werden auf die Eingabe „Study Multitasking“ über zwei Millionen Treffer erzielt. Auf den ersten zehn Seiten erscheinen ausschließlich Studien, die die Effekte beleuchten. Im Gegensatz dazu konzentriert sich die Studie „Multitasking im Projektmanagement - Status Quo und Potentiale“ auf die Symptome und das Verbesserungspotenzial. Teil 1 - Die Symptomfragen Im Folgenden werden die wichtigsten der 29 Symptomfragen sowie deren Auswertungen vorgestellt. Die Antworten sind oft frappierend und erschreckend. Jeder weiß, wie die wahrscheinprojektManagementaktuell | AUSGABE 3.2017 62 KARRIERE Unklare Prioritäten Ein weiterer Effekt, der nicht zu unterschätzen ist, sind unklare und sich ändernde Prioritäten (Fragen 27 bis 29). 77 Prozent der Befragten geben an, dass sich die operativen Prioritäten oft ändern. Das wiederum führt zu Unterbrechungen. Wer am lautesten schreit, spielt hier wohl eine entscheidende Rolle. So ist es nicht verwunderlich, dass höhere Führungskräfte in die operative Priorisierung eingreifen müssen. Immerhin 54 Prozent der Studienteilnehmer geben an, dass dies ziemlich oft vorkommt. In diesen Fragen und Antworten sind alle auswertbaren Teilnehmer inkludiert. Das bedeutet, die Symptomatik ist weitgehend unabhängig von Branche, Reife des Unternehmens und Mitarbeiterzahl. Es spielt auch kaum eine Rolle, ob klassische Projektmethoden oder agiles Management zum Einsatz kommen. Offensichtlich ist der Faktor Mensch überall gleich. Teil 2 - Die Potenziale In einer Welt, die weitgehend von Menschen geschaffen wurde, wurden auch alle Probleme dig auszulasten, würde man dazu Stau sagen. Nichts geht mehr. Werden nun aber Manager gefragt: „Was gilt bezüglich Ressourcenauslastung in Ihrem Unternehmen? “ (Frage 10) - dann kommt fast unisono (87 %): „Jeder muss ständig beschäftigt sein! “ Selbst der erklärende Nachsatz „Arbeit wartet auf Ressourcen“ ist nicht abschreckend. Wenn Arbeit auf Ressourcen wartet, ist der Projektdurchsatz sicher suboptimal und negatives Multitasking ist hiermit vorprogrammiert. In so einem Fall hilft nur noch früher starten und losfahren, egal ob der Weg klar oder der Tank nur halb voll ist. Probleme kann man unterwegs lösen, koste es, was es wolle. Auch das ist eine beliebte Strategie (Frage 17). Mehr als die Hälfte (56 %) der Befragten gibt an, dass sie Projekte oder Projektphasen starten, ohne dass die notwendigen (! ) Vorbereitungen abgeschlossen sind. Hier geht es nicht um Detailplanung und -vorbereitung bis zum Letzten. Es geht um die „notwendigen“ Vorbereitungen, ohne die ein Start sicher zu Problemen führt, die dann aufwändig im Laufe des Projektes korrigiert werden müssen - was das negative Multitasking natürlich weiter befeuert und einen Teufelskreis auslöst. durch Menschen geschaffen! Der Umkehrschluss lässt zu, dass die Probleme meist nicht physikalischer Natur sind und damit eigentlich einfach und schnell aus der Welt zu schaffen sind. Ein Gedankenexperiment mag dies verdeutlichen: Stellen Sie sich vor, dass von den vielen Projekten in Ihrem Unternehmen auf magische Weise nur eines vorhanden wäre. Das wäre so, als würde ein Projekt die allerhöchste Priorität genießen und jeder würde sich an diese Priorität halten. Immer, wenn etwas für dieses Projekt getan werden müsste, wären ausreichend Ressourcen vorhanden. Alle Aufgaben könnten so schnell wie möglich in guter Qualität geliefert werden. In diesem fiktiven Falle wären alle negativen Symptome für das Projekt verschwunden. Optimale Arbeitsbedingungen führen zu einer optimal schnellen Projektlaufzeit. Dieses Gedankenexperiment machten auch die Studienteilnehmer. Folgende Fragen (30) wurde gestellt: „Wie viel Prozent der heutigen Projektlaufzeit könnte Ihrer Meinung nach ,eingespart‘ werden? “ 77 Prozent der Befragten können sich eine Verkürzung von mindestens 21 Prozent vorstellen. Ein knappes Fünftel (19 %) rechnet sogar mit KARRIERE 63 projektManagementaktuell | AUSGABE 3.2017 Wert. Dieser ist nur relativ und im Vergleich zu anderen Unternehmen gültig. Jedes Symptom kann als erster Indikator gewertet werden und ersetzt in keinem Fall eine validierende Analyse vor Ort. Am interessantesten ist hier der Multitasking Score. Ganz offensichtlich leiden viele Unternehmen unter starkem Multitasking. 58 Prozent der Befragten weisen einen Multitasking Score von acht oder mehr Punkten auf. In der Praxis sind Scores zwischen fünf und sieben als akzeptabel zu bewerten. In diesem Bereich merken die Unternehmen, dass sie sich verbessern könnten. Das Multitasking ist hier noch nicht so gravierend, dass es als kritisch zu bewerten ist. Aus der Beratungspraxis ist bekannt, dass Teams, die sich konsequent damit auseinandersetzen und das negative Multitasking beseitigen, auf Werte zwischen zwei und vier kommen. Das ist als perfekt zu bewerten. Leider bewegen sich in diesem Bereich lediglich 14 Prozent der Befragten und Kosten! Hier schlummern ein immenses Potenzial und ein außergewöhnlich starker Business Case für gutes Projektmanagement. Gleichzeitig ist dieses Ergebnis ein hervorragendes Argument für Chefs, sich das Thema einmal genauer anzusehen. Die Studie zeigt deutlich, welches Potenzial deutsche Firmen verschenken. Wir haben keinen Fachkräftemangel - wir haben ein Management-(Denk-)Problem! Teil 3 - Der negative Multitasking Score Im Rahmen der Studie wurden verschiedene aggregierende Scores ermittelt. Die Kalkulation erfolgte auf Basis von Formeln, die jeweils verschiedene Einzelwerte einbeziehen und gewichtet aggregiert werden. Jede Skala geht von null (keine) bis zehn (stärkste) Ausprägung. Jeder Score stellt eine gewichtete Summe aus drei bis neun Fragen dar und ist damit ein heuristischer einem Einsparpotenzial von mehr als 41 Prozent. Die Bedeutung ist nicht zu unterschätzen. Viele Produkte haben heute Marktlebenszyklen von unter 24 Monaten, während die Entwicklungszyklen beispielsweise bei 12 Monaten liegen. Eine Verkürzung um ein Viertel würde bedeuten, dass das Produkt drei Monate früher auf dem Markt wäre und damit - bei gleichen Kosten - deutlich mehr Umsatz bringt. Noch viel wichtiger ist aber die Frage nach der Verschwendung, die vermieden werden könnte. Auch hier ergibt sich ein ähnliches Bild. Die meisten Unternehmen (32 %) geben an, ca. ein Viertel Aufwand einsparen zu können. Mit der Formel Durchsatzsteigerung = 1/ (1 - Aufwandsersparnis) lässt sich abschätzen, dass dies mindestens zu einer Durchsatzsteigerung von 33 Prozent führen muss. Ein knappes Sechstel, nämlich 16 Prozent der Unternehmen, gibt an, ca. 35 Prozent Aufwand sparen zu können. Das entspricht einer Durchsatzsteigerung von 45 Prozent. Und das mit den gleichen Ressourcen projektManagementaktuell | AUSGABE 3.2017 64 KARRIERE Autoren Wolfram Müller ist Director of Sales bei der VIS- TEM GmbH & Co. KG. Neben der Gründung und Leitung des Geschäftsbereiches Speed4Projects ist er verantwortlich für die Integration agiler Projektmanagementmethoden unter Nutzung von Critical Chain auf der systemischen und auf der Softwareseite. Als Dipl.-Ing. Mechatronik und Maschinenbau lernte er die Werkzeuge des klassischen Projektmanagements als Projektmanager in der Medizintechnik und in der IT kennen. Bereits seit 1987 brennt Wolfram Müller für „schnelle Projekte“ und vermittelt inzwischen als gefragter Coach, Berater, Referent und Buchautor (Tame the Flow, The CIO’s Guide to Breakthrough Project Portfolio Performance) die neuesten Methoden des Critical Chain- und „High-Speed“-Projektmanagements. Anschrift: VISTEM GmbH & Co. KG, Von- Siemens-Straße 1, 64646 Heppenheim, E-Mail: Wolfram.Mueller@vistem.eu, www.vistem.eu Claudia Simon ist Geschäftsführerin der VISTEM GmbH & Co. KG und Spezialistin für die Potenzialerschließung durch konsequente Umsetzung der engpassorientierten Unternehmensführung. Sie hat schon früh neue Wege gesucht und innovative Methoden entwickelt, den Erfolg zu steigern - ohne „harte“ Einschnitte oder rigorosen Kahlschlag bei den Mitarbeitern. Im Rahmen des ganzheitlichen Ansatzes der Theory of Constraints (TOC) betont sie den speziellen weiblichen Blickwinkel des nachhaltigen Unternehmenserfolgs. Anschrift: VISTEM GmbH & Co. KG, Von- Siemens-Straße 1, 64646 Heppenheim, E-Mail: Claudia.Simon@vistem.eu, www.vistem.eu Grenzen - nur drei von 500 Unternehmen geben an, dass sie den Schritt „vollständige Umstellung auf agil“ vollzogen haben. Gibt es eine Korrelation zwischen Unternehmenserfolg und Multitasking? Auf diese sich zwangsläufig stellende große Frage gibt die Studie eine klare und eindeutige Aussage: Ja! Die Teilnehmer wurden befragt, wie sie den Erfolg ihres Unternehmens in den letzten drei Jahren im Vergleich zur Branche sehen. Ungeachtet dessen, dass sich die Unternehmen bei dieser Fragestellung wahrscheinlich etwas positiver darstellen, als die Realität hergibt, ist deutlich erkennbar, dass sich Unternehmen mit niedrigem Multitasking Score deutlich besser einschätzen, als Unternehmen mit ausgeprägtem Multitasking. Realistisch wurde die Einschätzung „trifft teilweise zu“ gewählt. Unternehmen mit wenig Multitasking (Score ≤ 4) geben hier mit ca. 90 Prozent an, dass sie mindestens teilweise erfolgreicher sind. Unternehmen mit mittlerem Multitasking (Score fünf bis sieben) immerhin noch mit 70 Prozent und Unternehmen mit starkem Multitasking (Score ≥ 8) fallen auf ca. 60 Prozent ab. Allein auf dieser Grundlage kann man recht sicher die Aussage treffen: „Multitasking ist schlecht für den Unternehmenserfolg.“ Wie sag ich’s nun meinem Chef? Lassen wir einfach die Zahlen sprechen. Niemand will sich ja in ein schlechtes Licht rücken. Mit dem Finger direkt auf den Chef - als Ursache für die Probleme - zu zeigen ist auch nicht gerade förderlich. Der 1-Minuten-Schnelltest ist ein guter Einstieg. Hier lässt sich exemplarisch die eigene Situation aufzeigen. Jeder Teilnehmer erhält eine individuelle Präsentation der Ergebnisse. Diese kann den Einstieg in eine fruchtbare Diskussion bilden. Wer will schon die aufgedeckten Potenziale ungenutzt verstreichen lassen? Schlagwörter agile Methoden, Durchlaufzeiten, Einsatzmittelplanung, Multiprojektmanagement, Multitasking, Unternehmenserfolg Kompetenzelemente der ICB 4.0 1.02 Governance, Strukturen und Prozesse, 3.04 Ablauf und Termine, 3.08 Ressourcen Schnelltest zum Selbermachen Um den eigenen Multitasking Score herauszufinden, gibt es eine einfache und schnelle Möglichkeit. Die neun Fragen zum Multitasking und zum Potenzial stehen in Form eines Online- Tests zur Verfügung. Unter https: / / vistem.eu/ schnelltest/ ? mc=PMA1703 können die Fragen aufgerufen und beantwortet werden. Die Ausführung des Tests nimmt kaum mehr als eine Minute in Anspruch. Die Ergebnisse werden sofort und auch im Vergleich zur Studie dargestellt. Auf Wunsch kann auch eine individuelle Analyse angefordert werden, die alle Fragen der Studie und damit alle fünf Scores beinhaltet. Vergleich Projektmanagement und agile Methoden Ganz nebenbei hat die Studie noch die Antwort auf zwei weitere Fragen gegeben. Hilft gutes Projektmanagement, das Multitasking zu verringern und damit den Erfolg von Unternehmen zu verbessern? Und sind agile Methoden wirklich besser als gutes Projektmanagement? Wenn man den Multitasking Score mit dem Reifegrad des Projektmanagements kombiniert, erhält man einen Hinweis. Unternehmen, die kein Projektmanagement betreiben, weisen klar starkes Multitasking auf (mittlerer Score von fast acht Punkten). Leider hilft allein die Ausbildung der Projektmanager gar nichts. Erst wenn Prozesse implementiert sind, zeigt sich eine leichte Verbesserung. Sobald Portfoliosteuerung (z. B. Freigabeprozesse) und Ressourcenmanagement hinzukommen, wird es deutlich besser. Von sehr gut kann aber auch hier noch keine Rede sein. Ganz klar lässt sich festhalten: Projektmanagement ist zwar eine Verbesserung, aber noch verbesserungsfähig. Wie sieht es nun mit den agilen Methoden aus? Ohne agile Methoden muss das Multitasking natürlich genau so ausgeprägt sein wie ohne Projektmanagement. Das Ergebnis liegt auch hier knapp unter acht Punkten. Danach wird das Bild etwas verschwommen - offensichtlich sind agile Methoden aber in keiner Weise besser geeignet, das Multitasking in den Griff zu bekommen. Eine Erklärung wäre, dass Portfoliomanagement in den agilen Methoden nicht explizit vorgesehen ist und damit die Anzahl der Projekte nicht begrenzt wird. Erst wenn man das ganze Unternehmen auf Agil umstellt, wird auch dieses Thema adressiert. Hier kommt die Studie aber an ihre