PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Straffer steuern
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Frank-Steffen Walliser
Wolfgang Freibichler
Sarah Kaiser
Der Erfolg von Großprojekten hängt maßgeblich von der richtigen Steuerung ab. Das gilt im klassischen Management genauso wie im Motorsport. Die beim Sportwagenhersteller Porsche eingesetzte Steuerung hat ihre Durchschlagskraft mehrfach bewiesen. Der Supersportwagen 918 Spyder wurde in der Rekordzeit von 38 Monaten entwickelt. In den GT-Rennserien gewann Porsche 2015, nur kurze Zeit nach Auflegen eines Restrukturierungsprogramms alle sechs Titel. Dahinter steckt ein straffes Steuerungssystem: Zahlreiche Führungsinstrumente - von der Strategie, über Kennzahlen und die Organisation bis hin zur Kultur - kommen systematisch und ausgewogen zum Einsatz. Führende Technologieunternehmen wie Samsung, Google und Siemens vertrauen ebenfalls auf die Vorteile solch straffer Steuerungssysteme.
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36 ERFAHRUNG projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2017 60 Prozent der Großprojekte scheitern. Die Ursache liegt oftmals in einer Steuerungslücke. Das Management setzt persönliche und strukturelle Führungsinstrumente nicht ausreichend und zielgerichtet genug ein. Wird diese Lücke nicht geschlossen, fehlt den Mitarbeitern eine wichtige Orientierung. Ihre Produktivität sinkt - und damit auch die Wahrscheinlichkeit des Projekterfolgs. Die Luft ist kühl in der Eifel im Morgengrauen des 4. September 2013. Porsche ist gleich mit drei Nordschleifenexperten an den Nürburgring gereist, um mit dem Supersportwagen 918 Spyder eine neue Bestmarke zu setzen. Das Ziel der Rennpiloten Marc Lieb, Walter Röhrl und Timo Kluck: den Rekord für in Serie produzierte Sportwagen mit straßenzugelassener Bereifung zu knacken. Die bisherige Bestzeit lag bei 7: 11 Minuten. Die Simulationen von Porsche ergaben im Vorfeld unterschiedliche Prognosen. Würde eine Zeit von unter sieben Minuten tatsächlich möglich sein? Kurz nach sieben Uhr morgens, als die Sonne noch tief steht, dreht GT-Fahrer Marc Lieb seine ersten Runden auf einer der herausforderndsten Bahnen der Welt. „Eine reine Attacke reicht nicht aus, man muss sich die Boostleistung der Batterie über die Runde gut einteilen“, hatte er erklärt, bevor er in den Rennwagen stieg. Die Uhr stoppt bei 6: 57 Minuten. „Die Fahrbarkeit ist phänomenal - trotz der hohen Systemleistung von 887 PS, trotz des Gewichts von über 1.600 Kilo und trotz des Umstands, dass wir hier mit Straßenreifen gefahren sind“, sagt Lieb euphorisch. Und an diesem Tag wird der 918 Spyder den alten Rekord mit jeder einzelnen Runde unterbieten. Ist es der fahrerischen Glanzleistung oder der genialen Ingenieurskunst zu verdanken? Beide Aspekte haben mit Sicherheit zum neuen Rekord beigetragen - doch maßgeblich für den Erfolg war insbesondere die Steuerung des Großprojekts „918 Spyder“ während der dreijährigen Fahrzeugentwicklung. Herausforderung: komplexe Großprojekte 2010 startete Porsche mit dem 918 Spyder ein Projekt von herausragender Bedeutung für die Zukunft des Sportwagenherstellers. Mithilfe eines komplexen Hybridantriebs sollte der 918 Spyder extreme Fahrleistungen, Fahrspaß und einen äußerst niedrigen Kraftstoffverbrauch in einem Supersportwagen vereinen. Begrenzte Ressourcen, ein neu zusammengestelltes Team, eine neue Fabrik sowie eine hochkomplexe Technologie mit zahlreichen Innovationen machten das Projekt zu einer Herkulesaufgabe - mit äußerst straffem Zeitplan. Ziel war es, das Fahrzeugkonzept in nur 38 Monaten serienreif zu machen. Die Weltpremiere erfolgte planmäßig auf der Internationalen Automobilausstellung 2013. Im Juni 2015 rollte das letzte der 918 Exemplare aus der Zuffenhausener Manufaktur - exakt nach Terminplan. Es gibt wohl kaum ein Unternehmen, bei dem heute kein wichtiges Großprojekt auf der Vorstandsagenda steht. Neue Produkte sind in Rekordzeit auf den Markt zu bringen, Unternehmen zu akquirieren sowie zu integrieren und auch der digitale Wandel will gestemmt werden. Nicht nur der zeitliche Druck, der durch die Großprojekte auf den Führungskräften lastet, ist enorm - oftmals entscheiden Erfolg oder Misserfolg auch über die persönliche Karriere. Trotz sorgfältiger Planung, zahlreicher Fortschrittsberichte und hoher Budgets werden die Projektziele aber oft nicht erreicht. Rund 60 Prozent der Veränderungsvorhaben scheitern Studien zufolge sogar komplett. Die konkreten Probleme sind vielfältig. Doch eine Gemeinsamkeit lässt sich beobachten: Die verantwortlichen Manager werden ihrer Rolle, die Großprojekte zielgerichtet und effizient zu steuern, nicht gerecht. Typische Falle: Steuerungslücke Es ist immer wieder der gleiche Fehler, der Managern bei der Steuerung von Großprojekten unterläuft: Sie vernachlässigen sowohl die persönliche Führung als auch die Gestaltung der Rahmenbedingungen (strukturelle Führung). Das Ergebnis ist eine Steuerungslücke: Die Projektmitarbeiter erlangen zu viel Freiraum, es fehlen ihnen Leitplanken zur Orientierung. So sinkt die Produktivität - und gleichzeitig steigt das Projektrisiko. Häufig lassen sich fünf typische Fallen beobachten, durch die Führungskräfte die Steuerungslücke vergrößern. >> Für eilige Leser Der Erfolg von Großprojekten hängt maßgeblich von der richtigen Steuerung ab. Das gilt im klassischen Management genauso wie im Motorsport. Die beim Sportwagenhersteller Porsche eingesetzte Steuerung hat ihre Durchschlagskraft mehrfach bewiesen. Der Supersportwagen 918 Spyder wurde in der Rekordzeit von 38 Monaten entwickelt. In den GT-Rennserien gewann Porsche 2015, nur kurze Zeit nach Auflegen eines Restrukturierungsprogramms, alle sechs Titel. Dahinter steckt ein straffes Steuerungssystem: Zahlreiche Führungsinstrumente - von der Strategie, über Kennzahlen und die Organisation bis hin zur Kultur - kommen systematisch und ausgewogen zum Einsatz. Führende Technologieunternehmen wie Samsung, Google und Siemens vertrauen ebenfalls auf die Vorteile solch straffer Steuerungssysteme. Wie Unternehmenslenker Großprojekte schneller voranbringen - und was sie dabei vom Motorsport lernen können Straffer steuern Autoren: Frank-Steffen Walliser, Wolfgang Freibichler, Sarah Kaiser ERFAHRUNG 37 projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2017 Falle 4: Es wird keine einheitliche Kultur in gemischten Teams geschaffen Mit der Größe von Projekten nimmt auch die Heterogenität der beteiligten Menschen zu. Meist sind zahlreiche Unternehmensfunktionen und -standorte weltweit involviert. Diese komplementäre, bereichsübergreifende Zusammensetzung birgt viele Chancen. Die Unternehmen versäumen es jedoch oft, gemeinsame Verhaltensnormen zu definieren und auszufüllen. Das Schaffen einer gemeinsamen Projektkultur benötigt mindestens zwölf bis fünfzehn Monate und sollte als Teilprojekt verstanden werden. Wird dieser Schritt ausgelassen, entsteht in der Zusammenarbeit sehr viel Reibung, aufgrund von Silodenken und gegenseitigem Unverständnis. Falle 5: Starres Festhalten an traditionellen Optimierungsansätzen Gemeinsame Werte zur Steuerung des Verhaltens werden als Führungsinstrument immer wichtiger. Ein Grund hierfür ist die zunehmende Relevanz von Wissensarbeit in Großprojekten. Über den Erfolg entscheidet nicht die Effizienz von Mitarbeitern, die manuelle bzw. repetitive Tätigkeiten ausführen, sondern die Effektivität der Fachexperten und Führungskräfte. Diese wird nicht lapidar durch Vorgaben und Regeln erreicht. Wissensarbeiter müssen dabei unterstützt werden, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Ihre Produktivität hängt sehr stark davon ab, wie gut sie sich selbst steuern. Dazu zählt die Priorisierung von Aufgaben sowie die Fähigkeit, die Informationsflut durch soziale Medien, E-Mails und Internet zu beherrschen. Dabei sollten Manager ihre Projektmitarbeiter unterstützen. Lernen aus dem Motorsport Wir haben kontinuierlich die Steuerungssysteme betrachtet und analysiert, die seit 2010 in der Forschung und Entwicklung des Sportwagenherstellers Porsche sowie im Porsche Motorsport eingesetzt werden. Der Fokus lag neben der Entwicklung des Supersportwagens 918 Spyder auf der Teilnahme an den GT-Rennserien in den USA. Im Jahr 2013 entschloss sich Porsche, den seriennahen Motorsport durch den Einstieg in die renommierte Langstreckenserie World Endurance Championship (WEC) sowie die United Umsetzung des Großprojekts erreicht. Wenn die Führungskräfte ihre Aufmerksamkeit für andere Bereiche reduzieren, entsteht ein tückischer Kreislauf: Manager schließen einzelne Löcher, doch währenddessen entstehen an anderer Stelle neue. Falle 3: Das Risiko „Burn-out“ Natürlich ist vielen Managern durchaus bewusst, dass sie ihre Zeit für persönliche Führung erhöhen sollten. Setzen sie dies in die Tat um, sind die Auswirkungen auf die Mitarbeiter und den Projektfortschritt zunächst sehr positiv. Doch der persönliche Preis ist hoch. Die Nächte werden kürzer und kürzer, die Risiken für die Gesundheit - Stichwort „Burn-out“ - steigen. Studien haben zudem gezeigt, dass sich dauerhafter Schlafmangel deutlich auf die Entscheidungsqualität auswirkt. Alfred Wiater, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM), warnt: „Besteht Schlafmangel, so sind eine erhöhte Risikobereitschaft mit realitätsfernem Optimismus zu befürchten. Die Leistung eines Menschen, der 24 Stunden wach ist, ähnelt der von jemandem mit einem Blutalkoholwert von rund einem Promille. Mit einem solchen Wert dürfte sich in Deutschland niemand hinters Steuer setzen. Ich wundere mich, dass Menschen in diesem Zustand folgenschwere Entscheidungen fällen.“ Falle 1: Die Führungskräfte sind zu wenig präsent In den vergangenen Jahren hat die Führungsspanne kontinuierlich zugenommen. Lag sie vor 20 Jahren in deutschen Industrieunternehmen im Durchschnitt noch bei unter acht, so liegt sie heute rund 50 Prozent höher bei über zwölf - Tendenz steigend. Diese Veränderung ist das Ergebnis kontinuierlicher Programme zur Gemeinkostenreduzierung und Reorganisation in den Unternehmen. Hinzu kommt die weltweite Verantwortung der meisten Unternehmenslenker: Da ihre Mitarbeiter an Standorten rund um den Globus sitzen, erfolgt die Kommunikation zum Großteil telefonisch oder per E-Mail. Falle 2: Mikromanagement verlagert die Probleme Gerät ein Großprojekt ins Stottern, ergreifen Manager meist diese Maßnahmen: genauere Planung, engere Fortschrittkontrolle und eine noch tiefere inhaltliche Beschäftigung mit dem Projekt. Führt dies zum Erfolg? Auf Seiten des Managers kurzfristig schon: Er ist dem Vorstand gegenüber aussagefähig. Zudem wächst sein Gefühl, sich konstruktiv einzubringen und das Projekt voranzubringen. Doch wird zu häufig „tiefgebohrt“, wird mittelfristig keine schnelle und erfolgreiche Abb. 1: Seit der Jahrtausendwende nimmt die Steuerungslücke in Unternehmen fortlaufend zu. 38 ERFAHRUNG projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2017 bar. Für die Mannschaft des Großprojekts sind sie wie eine Etappe bei der Tour de France: Um die Kultur und Motivation zu stärken, werden die Etappensiege stets gefeiert. Operative Kennzahlen betrachtet das Porschemanagement als Handwerkszeug, um den eingeschlagenen Weg permanent zu überprüfen und bei Abweichungen gegenzulenken. Der Fokus liegt auf wertschaffendem Wachstum. Dies ist mit Blick auf die Unternehmenskultur und Mitarbeiter motivationsfördernder als eine strikte Konzentration auf die Kosten. Im Rahmen des Kostenmanagements stellt Porsche den Kundennutzen in den Vordergrund (Cost and Value Engineering): Eine Verfehlung der Zielkosten wird dann toleriert, wenn damit ein Kundennutzen geschaffen wird, dem eine höhere Preisbereitschaft gegenübersteht. Bei der Steuerung der Organisation hatte Porsche die Herausforderung, die Projekte mit fachlichen, nicht disziplinarisch unterstellten Mitarbeitern zu besetzen. Da die Experten beispielsweise dem Projekt 918 Spyder meist nicht zu 100 Prozent zugeordnet waren, ließ sich ein Gerangel um die Verfügbarkeiten nicht ganz vermeiden. Zudem wurden Mitarbeiter aufgrund verschobener Prioritäten oftmals wieder vorzeitig abgezogen: Rund 60 Prozent des Leitungspersonals wurden während des Projekts durchgetauscht. Umso wichtiger ist somit eine enge Führung und intensive Kommunikation mit den Spyder waren dies drei: ein Kraftstoffverbrauch von drei Litern, eine Rundenzeit auf der Nürburgring-Nordschleife von 7: 30 Minuten sowie eine exakte Übernahme des Designs des Showcars. Bereits zu Beginn der Fahrzeugentwicklung wurden diese Ziele auf dem Automobilsalon in Genf im März 2010 kommuniziert. Die bewusste Reduzierung auf drei Ziele wirkte intern stark motivgebend, durch die öffentliche Kundgebung stieg zudem die Verbindlichkeit. Die drei Ziele dienten zugleich als Nordstern für alle wichtigen Budgetentscheidungen: Jede technische und betriebswirtschaftliche Investition wurde streng dahingehend überprüft, ob sie auf eines oder mehrere der Ziele einzahlt. Anträge, die keines der drei Ziele positiv beeinflussten, wurden rigoros abgelehnt. Im Rahmen der Fortschrittskontrolle wurde alle sechs Monate ein konkreter Meilenstein gesetzt. Dieser war stets aus Kundensicht formuliert und visuell wahrnehmbar: Zu jedem der sechs Meilensteine für den 918 Spyder wurde beispielsweise ein „fahrbarer Sportwagen“ fertiggestellt. Der erste konnte sich nur mit WLAN-Überwachung und Begleitfahrzeug bewegen, der dritte schon eine Runde auf der Nordschleife absolvieren und der fünfte übertraf das definierte Ziel von 7: 30 Minuten auf den weltbekannten Kurven in der Eifel mit der Rekordzeit von 6: 57 Minuten. Die Meilensteine machten den Projektfortschritt sehr transparent und für alle Mitarbeiter erleb- Sportscar Championships in den USA zu stärken. Diese Rennserien bieten hohe technologische Freiheitsgrade, Motoren, Fahrwerke und Aerodynamik intensiv zu testen. Zunächst waren die Erfolge sehr überschaubar. Ein Restrukturierungsprogramm, das Ende 2014 startete, brachte die Wende: Bereits ein Jahr später, im November 2015, gewann Porsche alle sechs Titel in den Meisterschaften. Ziel der Untersuchungen war es, Erkenntnisse aus der Steuerung dieser Großprojekte auf die Unternehmensführung zu übertragen. Die Ressourcenverfügbarkeit von Rennsport und Unternehmen ist sehr ähnlich und gut vergleichbar. Die Analyse der Steuerung im Motorsport bietet darüber hinaus einen wesentlichen Vorteil: die „gnadenlose“ Ergebnisorientierung. Es geht nicht wie in der Wirtschaft um Nuancen von fünf oder sieben Prozent Unternehmenswachstum, sondern es existiert eine klare Trennung zwischen Erfolg und Niederlage. So erfolgt eine umgehende Rückkopplung zu Veränderungen in der Steuerung. Steuerung von Großprojekten bei Porsche Der Porsche Motorsport hat ein zentrales Geschäftsziel definiert: „Gewinnen“. Aus diesem Ziel werden die weiteren strategischen Ziele abgeleitet. Im Falle des Supersportwagens 918 Abb. 2: Ein ganzheitlicher Einsatz der vier Steuerungshebel sorgt für Sicherheit. ERFAHRUNG 39 projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2017 Mitarbeitern. Porsche institutionalisiert eine hohe Nähe in der Aufbauorganisation - durch feste Regelgremien, etablierte Kommunikationswege entlang der Hierarchien und eine hohe Präsenz der Führungskräfte. Wesentlich für die Schaffung der Projektkultur im GT-Motorsport war der Bezug eines gemeinsamen Projekthauses mit Nähe zur Werkstatt. Neben der Strategie hatte die Kultur die größte Wirkung auf den Erfolg der Großprojekte. Porsche fördert von jeher ein „Machertum“ und eine hohe Experimentierfreudigkeit in seinen Reihen. Es ist keine Seltenheit, dass ein Sachbearbeiter beim Hauptabteilungsleiter ein höheres Budget für eine bessere, leichtere Ausführung eines Bauteils einfordert. Jedes Teilprodukt wird nach bestem Wissen und Gewissen getestet, bevor es verabschiedet wird. Diese Kultur fördert die Motivation und Zielstrebigkeit jedes einzelnen Mitarbeiters. Die Führungskräfte leben das gewünschte Verhalten Tag für Tag vor. Ihre Aufgabe ist es, Innovationen zu fördern und Lösungswege für die Umsetzung sowie Finanzierung zu ermöglichen. Durch eine ganzheitliche Steuerung gewinnen sie die notwendige Zeit und Ruhe für wirklich brenzlige Situationen. Dann müssen sie entscheiden: tiefbohren oder nur die Breite betrachten? Auf Tiefgang wird vor allem bei den Themen gesetzt, die in der Organisation intensiv besprochen werden und bei denen das Team alleine nicht schnell genug vorwärts kommt. Wichtig ist, dass die Entscheidungen schnell getroffen werden: Sonntag Fehler am Heckfügel entdeckt, Montag Taskforce eingerichtet, Mittwoch Lösungsvorschlag formuliert, Donnerstag Termin beim Lieferanten - so lautet das typische Szenario. „Keine Entscheidung ist die schlechteste Entscheidung“ ist das Credo. Schließlich besitzt die Vermeidung von Zeitverzögerungen im Großprojekt hohe Priorität. Die vordefinierten Ziele erleichtern zudem die Entscheidungen. Neben dem regelmäßigen Feiern von erreichten Meilensteinen stärken Teamevents das Zusammengehörigkeitsgefühl. Die Rennmannschaft und alle Werksfahrer kommen einmal im Jahr komplett zusammen - zuletzt im Allgäu. Im Tagesgeschäft wird die Kommunikation maßgeblich durch die Büroarchitektur unterstützt. Nicht mehr alle Besprechungszimmer verfügen über Stühle, die Abstimmung erfolgt kurzzyklisch meist an Stehtischen. Informelle Gespräche werden genutzt, um frühzeitig Probleme zu hören. Nach Rennwochenenden am Nürburgring oder in Daytona findet im Entwicklungszentrum Weissach außerdem das Race Review statt. In pragmatischer Weise werden die Rennen mit allen Mitarbeitern analysiert und nachbesprochen. Ergebnis Den Erfolg der Großprojekte belegen auch die Zahlen: Der 918 Spyder wurde in einer Rekordzeit von 38 Monaten entwickelt und sicherte sich auf der Nordschleife am Nürburgring die neue Bestmarke von 6: 57 Minuten. 2015 gewann Porsche zudem in den GT-Serien alle sechs Titel und legte mit den Motorsportaktivitäten die Basis neuer Produkte und Dienstleistungen für seine Kunden. Dies hat in Summe zu einer Wertsteigerung durch profitables Wachstum geführt. Das straffe Steuerungssystem für Großprojekte Aus den Erfahrungen des Motorsports lässt sich ein straffes Steuerungssystem ableiten. Der entscheidende Faktor ist das Erzeugen von Hebelwirkungen in der Steuerung. Im Alltag ist es völlig normal, zum Bewegen schwerer Lasten Instrumente einzusetzen, die die eigene Kraft verstärken. Im Management vertrauen hingegen noch viele Führungskräfte alleine auf ihre persönlichen Kräfte. Diese können durch ein straffes Steuerungssystem vervielfacht werden und Manager erzielen eine deutlich höhere Wirkung. Manager sollten vier Hebel zur Projektführung einsetzen: • Strategie: „Steuern von Aktivitäten“ • Kennzahlen: „Steuern von Ergebnissen“ • Organisation: „Steuern von Verantwortlichkeiten“ • Kultur: „Steuern von Verhalten“ Die Anwendung dieser Hebel erfolgt durch die Auswahl und Gestaltung von verschiedenen Steuerungsinstrumenten. Wie sind die Zielvorgaben definiert? Welche Kennzahlen werden in den Projektberichten überwacht? Wie ist das Projektorganigramm gestaltet? Nicht nur die Qualität der einzelnen Steuerungshebel besitzt eine hohe Bedeutung, ebenso wichtig ist es, diese aufeinander abzustimmen und sie ausgewogen zu nutzen. Oft werden nur die bekannten „harten“ Instrumente (z. B. Kosten- und Terminplanung) eingesetzt. Anpassungen an die Besonderheiten Mit acht Kliniken und zwei Heimen, rund 1.700 Betten und circa 3.000 Beschäftigten sind wir eines der größten Klinikunternehmen in der Region. Wir stehen für ein qualitativ hochwertiges Versorgungsspektrum in den Bereichen Psychiatrie, Neurologie und Geriatrische Rehabilitation. Im Zuge der Weiterentwicklung unserer Unternehmensstrategie suchen wir für den Fachbereich Bau- und Projektmanagement zum nächstmöglichen Zeitpunkt Sie als Senior Projektleiter/ in Baumanagement Ihre Aufgaben Sie sind für die Wahrnehmung von Bauherrenaufgaben verschiedener Bauprojekte im Raum Mittelfranken zuständig. Sie setzen Bauprojekte von der ersten Bedarfsmeldung über die Klärung der Anforderung und Prüfung der Machbarkeit bis zur Projektfreigabe auf. Sie koordinieren und steuern Neubauprojekte, Sanierungen sowie größere Bauinstandhaltungsprojekte und stellen die Einhaltung der abgestimmten Projektziele in Bezug auf Kosten, Termine und Leistungsinhalte sicher. Sie leiten Projektteams aus internen Mitarbeitern und externen Fachleuten mit laufender Berichterstattung. Sie begleiten die Vergabe von Planungs- und Bauleistungen und geben Leistungsverzeichnisse nach Prüfung frei. Eine ausführliche Stellenbeschreibung sowie Informationen zu den Bezirkskliniken Mittelfranken und den Angeboten für unsere Mitarbeiter können Sie gerne unserer Homepage https: / / jobs.bezirkskliniken-mfr.de/ entnehmen! www.bezirkskliniken-mfr.de TOT AL E-QUAL ITY Senior-Projektleiter_Projektmanagement_4c_190717.indd 1 28.06.2017 09: 32: 11 Anzeige 40 ERFAHRUNG projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2017 nenten eines Produkts bzw. einer Dienstleistung sind wie wichtig für den Kunden? Was dürfen sie angesichts des zur Verfügung stehenden Budgets kosten? Anreizsysteme sind aufgrund der fehlenden disziplinarischen Führungsverantwortung oft nicht nutzbar. Wenn Manager aber die vorhandenen Anreizsysteme im Unternehmen kennen, verhindern sie präventiv, dass diese eine konträre Wirkung auf die Ziele des Großprojekts erzeugen. Rollen sollten im Großprojekt genau beschrieben und schriftlich festgehalten werden, um eine klare Verteilung von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten zu fixieren. Nicht zu unterschätzen ist der kontinuierliche Kompetenzaufbau - nicht nur die Mitarbeiter sollten gezielt weiterentwickelt werden, sondern auch Manager benötigen Trainings, um ihre Qualifikation zur Steuerung der Projekte auszubauen. Verhaltensnormen müssen eindeutig definiert werden. Es genügt aber nicht, sie im Rahmen der Leitlinien niederzuschreiben, sie müssen auch entsprechend vorgelebt und kommuniziert werden. Bei der Kommunikation sind in Zeiten der Digitalisierung der Dialog sowie Schnelligkeit ein entscheidender Faktor. Mitarbeiter verlangen keine Ein-Weg-Kommunikation, sondern sie wollen schnell Feedback geben und Einfluss nehmen. Durch diese Kombination von weichen Steuerungsinstrumenten zur Verhaltensbeeinflussung und harten Steuerungsinstrumenten schaffen Führungskräfte ein straffes Steuerungssystem. Es sorgt bei allen Beteiligten für die nötige Orientierung und beschleunigt Großprojekte. Einblicke in die Praxis In der Praxis setzen einige führende Unternehmen bereits auf eine straffe Steuerung. Für den des individuellen Projekts finden seltener statt. Auch „weiche“ Instrumente (z. B. Führungsleitlinien, Kommunikation) werden nur unzureichend genutzt. Dabei können gerade diese die Umsetzungsgeschwindigkeit von Großprojekten beschleunigen. Die vier Steuerungshebel dienen unterschiedlichen Zwecken. Die Steuerung von Kennzahlen und Organisation haben in erster Linie die Ausrichtung und Kontrolle des Projekts zum Ziel. Abweichungen werden schnell transparent und es können entsprechende Maßnahmen zum Gegensteuern getroffen werden. Das Steuern über Strategie sorgt zudem für Wachstum, denn der Kundennutzen steht im Mittelpunkt. Der weiche Hebel der Kultur sollte die Verantwortung und eine Philosophie des „Machertums“ in der Mannschaft fördern. Je stärker dies von den Führungskräften selbst vorgelebt wird, desto schneller lässt sich diese Kultur in den Köpfen der Mitarbeiter verankern. Bei der Ausgestaltung ihres Systems ist es für Manager hilfreich, sich mit verschiedenen Leitfragen zu beschäftigen (Abb. 3). Bei Großprojekten sollten etwa nur wenige, aber große strategische Ziele vorgegeben werden. Dies sichert die maximale Konzentration auf das „große Bild“ und darauf dass die vereinten Kräfte effektiv und effizient eingesetzt werden. Gleichzeitig wird die bereichsübergreifende Zusammenarbeit gefördert und Silodenken abgebaut. Im Rahmen der Fortschrittskontrolle sollte nur an den wirklich erforderlichen Stellen gezielt tief gebohrt werden - wenn Abweichungen vom Sollzustand transparent werden und die Mitarbeiter alleine nicht schnell genug vorankommen. Um mit dem Kostenmanagement eine Hebelwirkung zu erzielen, empfiehlt sich der Einsatz eines stringenten Zielkostenmanagements. Welche Eigenschaften oder Kompo- Aufstieg von Samsung zum Elektronik-Weltmarktführer etwa spielte das straffe System der Unternehmensführung eine entscheidende Rolle. Besonders intensiv hat der Unternehmenschef Lee Kun Hee nach seiner Amtsübernahme an der Weiterentwicklung der Kultur gearbeitet. Im Weltkonzern finden kontinuierlich Trainings zu den Unternehmenswerten und dem gewünschten Verhalten statt, für neue Mitarbeiter genauso wie für langjährige Beschäftigte. Dies ist ein wichtiger Baustein zur Ausrichtung tausender Ingenieure und Kaufleute entsprechend der Samsung-Strategie. Die Ergebnisse sind eine verzahnte internationale Zusammenarbeit sowie eine sehr hohe Entwicklungsgeschwindigkeit bei neuen Technologien und Produkten. Google legt bereits bei der Einstellung von neuen Mitarbeitern sehr großen Wert auf den kulturellen „Fit“. Bewerber, denen die „Googliness“ nicht zugetraut wird, erhalten kein Angebot, auch wenn sie fachlich brilliant sind. Die „Verhaltenssteuerung“ ist beim Vorzeigeunternehmen aus dem Silicon Valley ein elementarer Bestandteil der Unternehmensführung. Harte Führungsinstrumente wie Budgetierung und Finanzplanung sehen die Unternehmenslenker als Bremsklotz. Dennoch existiert bei Google keine Steuerungslücke. Weiche Instrumente, wie eindeutige Verhaltensnormen und Führungsleitlinien, sorgen für eine insgesamt sehr straffe Unternehmenssteuerung. Außerdem bekommen die Mitarbeiter ständige kleine Schubser („Nudges“), die ihnen helfen, sich produktiv und zielorientiert zu entscheiden. Dies ist die Grundlage für die enorme Geschwindigkeit, mit der sich das Unternehmen weiterentwickelt und neue Großprojekte schnell und erfolgreich umsetzt. Siemens hat zur Führung eines Großprojekts zur Produktkostenoptimierung in der Kraftwerks- Abb. 3: Leitfragen eines straffen Steuerungssystems ERFAHRUNG 41 projektManagementaktuell | AUSGABE 4.2017 technik das hier beschriebene Steuerungssystem mit vier Hebeln eingesetzt. Die Ergebnisse sind überzeugend: Das Projekt wurde termingerecht abgeschlossen und die finanziellen Ziele vollständig erreicht. Beigetragen haben hierzu detaillierte Roadmaps und einheitliche Kennzahlen. Diese im Projekt definierten Messgrößen wurden auch in die persönlichen jährlichen Ziele von 200 Führungskräften übernommen. So ist sicher, dass Ingenieure und Kaufleute an einem Strang ziehen - egal ob ihr Schreibtisch in Deutschland, den USA oder Asien steht. Ebenso wurde an der Kultur gearbeitet. Teilweise durch kleine Schubser mit großer Wirkung: Veränderungsbereitschaft und Kreativität wurden etwa durch das Vorführen von kurzen Comedy- Videos vor Meetings erreicht. Das gemeinsame Schmunzeln über die ewigen „Bewahrer“ im Film erzeugte einen positiven Gruppendruck hin zu mutigen Ideen und Innovationsbereitschaft. „Dies hat Woche für Woche geholfen, neue technische Lösungen zu kreieren“, sagt Christoph Wollny, Einkaufsleiter der Siemens Kraftwerkstechnik: „Durch eine straffe Steuerung haben wir ein Umdenken bei den Ingenieuren erzielt und die Produktkosten in vielen Bereichen im zweistelligen Bereich reduziert.“ Fazit Viele Manager vernachlässigen im Alltag die persönliche und strukturelle Führung. Sobald bei ihren Großprojekten Risiken oder Verzögerungen auftreten, reagieren sie mit Mikromanagement und strenger Kontrolle. Doch entscheidend für den Erfolg und die Beschleunigung von Großprojekten ist vielmehr ein straffes Steuerungssystem. Neben dem Sportwagenhersteller Porsche setzen auch Technologiekonzerne wie Samsung, Google und Siemens die zugehörigen Steuerungsinstrumente ausgewogen ein. Dies erzeugt eine maximale Hebelwirkung. Schlagwörter Großprojekte, Persönliche Führung, Projektkultur, Projektsteuerung, Steuerungslücke, Strukturelle Führung Kompetenzelemente der ICB 4.0 1.01 Strategie, 1.05 Kultur und Worte, 2.05 Führung, 3.10 Planung und Steuerung Autoren Dr. Frank-Steffen Walliser ist Leiter Motorsport und GT-Fahrzeuge beim Sportwagenhersteller Porsche. Dr. Wolfgang Freibichler ist Partner bei Porsche Consulting. Er unterstützt Manager bei der Gestaltung von Organisationsstrukturen und -prozessen. Sarah Kaiser ist Senior Beraterin für Change Management und Kommunikation bei Porsche Consulting. Anschrift der Autoren: Porsche Consulting GmbH, Porschestraße 1, 74321 Bietigheim- Bissingen, Tel.: 07 11/ 91 11 20 01, E-Mail: Kontakt@Porsche-Consulting.com Training Beratung & Buchung 0641 98210-300 ibo Beratung und Training GmbH www.ibo.de Agiler Projektmanagement-Experte mit ibo-Zertifikat In 4 Tagen agile Kompetenz aufbauen 27. - 30.11. 2017, Marburg/ Lahn Weiterbildung für Projektmitarbeiter Kompakt, agil, pragmatisch aktuell & praxiserprobt Projektleiter/ in mit ibo-Zertifikat In 4 x 2 Tagen plus Praxistag fit für Projektverantwortung Starttermine 06.03.2018 Düsseldorf / 11.06.2018 Berlin Wir sind auf der Zukunft Personal! Bestellen Sie Ihr Ticket auf ibo.de und kommen Sie uns besuchen. Halle 2.2. Stand M.16 Weitere Termine und Infos unter www.ibo.de/ projektmanagement-seminare Anzeige
