eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 28/5

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
pm
2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
121
2017
285 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Wie ein 400-köpfiges Journalistenteam die Weltpolitik aus den Angeln hob

121
2017
Oliver Steeger
Es war ein globales Beben: Die „Panama Papers“-Investigation hat im April 2016 Politik und Wirtschaft erschüttert. Zeitungen weltweit – in Deutschland die Süddeutsche Zeitung – deckten konzertiert Finanzskandale und wirtschaftskriminelle Machenschaften auf, die in Zusammenhang standen mit Briefkastenfirmen in Panama. Die Folgen dieses Bebens reichten bis in die Spitzen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Staatschefs mussten zurücktreten, auch andere prominente Persönlichkeiten kamen weltweit in Erklärungsnot, viele wurden gerichtlich verurteilt. Bastian Obermayer von der Süddeutschen Zeitung leitete dieses Projekt – und hielt auf dem 34. Internationalen PM-Forum Rückschau auf diese Enthüllung. Im Interview berichtete er, wie 400 investigative Journalisten weltweit verteilt im Team arbeitete, wie sie über Monate unbemerkt über elf Millionen Dokumente auswerteten, wie sie sich untereinander abstimmten, ein Projektteam bildeten – und dann wie auf einen Paukenschlag die größte Enthüllung der Mediengeschichte lancierten.
pm2850009
REPORT 9 projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2017 SZ-Redakteur Bastian Obermayer über die „Panama Papers“ Wie ein 400-köpfiges Journalistenteam die Weltpolitik aus den Angeln hob Autor: Oliver Steeger Es war ein globales Beben: Die „Panama Papers“-Investigation hat im April 2016 Politik und Wirtschaft erschüttert. Zeitungen weltweit - in Deutschland die Süddeutsche Zeitung - deckten konzertiert Finanzskandale und wirtschaftskriminelle Machenschaften auf, die in Zusammenhang standen mit Briefkastenfirmen in Panama. Die Folgen dieses Bebens reichten bis in die Spitzen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Staatschefs mussten zurücktreten, auch andere prominente Persönlichkeiten kamen weltweit in Erklärungsnot, viele wurden gerichtlich verurteilt. Bastian Obermayer von der Süddeutschen Zeitung leitete dieses Projekt - und hielt auf dem 34. Internationalen PM-Forum Rückschau auf diese Enthüllung. Im Interview berichtete er, wie 400 investigative Journalisten weltweit verteilt im Team arbeitete, wie sie über Monate unbemerkt über elf Millionen Dokumente auswerteten, wie sie sich untereinander abstimmten, ein Projektteam bildeten - und dann wie auf einen Paukenschlag die größte Enthüllung der Mediengeschichte lancierten. Die „Panama Papers“-Investigation hat am 3. April 2016 weltweit Aufsehen erregt. Tagelang bestimmte diese Enthüllung die Schlagzeilen. Doch dahinter stand ein globales Projekt, eine weltweit abgestimmte Recherche - die Sie bei der Süddeutschen Zeitung geleitet haben. Wie ist es zu diesem Scoop gekommen? Bastian Obermayer: Wir haben vor mehr als zwei Jahren bei der Süddeutschen Zeitung ein Leak zugespielt bekommen - mit insgesamt 11,5 Millionen Dokumenten. Die Dokumente stammten aus dem Innersten einer Rechtsanwaltskanzlei in Panama. Wir wussten: Diese Kanzlei hat sich auf die Gründung, Errichtung und Instandhaltung von Offshore-Firmen spezialisiert … Also auf Briefkastenfirmen … Ja. Solche Briefkastenfirmen werden traditionell genutzt, um Dinge zu verstecken, die die Welt nicht sehen soll. Mit Offshore-Firmen kann man nahezu jede Art von Geschäften anonym halten und verschleiern - vom Kauf eines Öltankers über den Verkauf einer Ladung Waffen bis hin zum Nummernkonto in der Schweiz. Man kann Dinge kaufen; niemand weiß, wer sie gekauft hat. Man verkauft etwas, und über den Verkäufer dringt nichts nach außen. Diese Offshore-Firmen müssen ja nicht zwangsläufig ein Dach für Wirtschaftskriminalität oder Drogengeschäfte sein. Das nicht. Aber Offshore-Firmen sind ein Deckmantel, den Kriminelle gerne nutzen. Diese Firmen machen es Kriminellen sehr leicht - von der Steuerhinterziehung bis hin zu illegalen Waffengeschäften. Wir haben fast jede Form von Kriminalität in diesen Dokumenten gefunden. Im Fall der Panama Papers haben wir aber noch mehr gefunden - beispielsweise Spuren zu elf Staatsoberhäuptern Bastian Obermayer Bastian Obermayer, 39, ist stellvertretender Leiter des Investigativressorts der Süddeutschen Zeitung. Ihm spielte eine anonyme Quelle die „Panama Papers“ zu - das größte Daten-Leak der Geschichte des Journalismus. Obermayer holte ein internationales Konsortium und damit fast 400 Kollegen aus 78 Ländern ins Boot. Im April 2017 erhielt Bastian Obermayer mit seinen Kollegen dafür die wohl wichtigste Auszeichnung im Journalismus: den Pulitzer-Preis. Zuvor hatte Obermayer unter anderem 2014 mit seinen Recherchen den ADAC-Skandal ausgelöst. Für seine Recherchen und Reportagen erhielt Obermayer auch zahlreiche deutsche Preise, unter anderem den Henri-Nannen-Preis, den Theodor- Wolff-Preis, den Wächterpreis und den Deutschen Reporterpreis. Foto: privat REPORT 09 10 REPORT projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2017 gute Geschichten gestoßen. Findet man Spitzensportler und Staatspräsidenten, ist man natürlich gut gelaunt und vergisst den steinigen Weg, der dorthin führte. „WIR ARBEITEN NIE MIT BEHÖRDEN ZUSAMMEN“ Eine grundsätzliche Frage: Weshalb übergeben Sie solch brisantes Material nicht den Behörden? Diese Frage stellt sich gar nicht für uns. Weshalb nicht? Wir arbeiten nie mit Behörden zusammen. Wir verstehen uns nicht als verlängerter Arm von Behörden, sondern wir kontrollieren die Behörden. Wir stehen auf der anderen Seite. Im Übrigen - würden wir mit den Behörden zusammenarbeiten, so würden wir wahrscheinlich keine Informationen mehr bekommen. Wir würden unsere Informanten ja in Gefahr bringen! Die Behörden könnten sich dafür interessieren, wie der Informant an die Dokumente gelangt ist. Die Behörden einzuschalten, dies verbietet sich ganz klar - solange sich keine drastischen Einzelfälle ergeben. Drastische Einzelfälle - zum Beispiel? Wir würden beispielsweise sofort zum Telefonhörer greifen und mit der Polizei sprechen, wenn wir einen Mord verhindern könnten. Das ist aber Leak bekommt man nicht alle Informationen so aufbereitet, dass man nur noch schreiben muss. Man findet also Anhaltspunkte, Hinweise, Verdachtsmomente - mehr nicht. Wie gehen Sie mit diesen Hinweisen um? Unterschiedlich. Manchmal haben wir nur den Namen in Zusammenhang mit einer Offshore- Firma gesehen. Dann haben wir nachgeschaut, was diese Firma wirklich macht - und wem sie wirklich gehört. Aus solchen langwierigen Recherchen können sich also Geschichten - Enthüllungsberichte - ergeben. Man setzt die Puzzlesteine aus den Dokumenten in Beziehung, ergänzt sie durch eigene Informationen. Plötzlich tauchen hinter den anonymen Firmen Personen auf. Es wird erkennbar, wer mithilfe dieser Unternehmen welche Geschäfte tätigt - und was er dabei verschleiern will. Manchmal trifft man auf bekannte Politiker, Manager, Sportler und Industrielle. Ja, richtig. Aber: Hinter 90 Prozent der Recherchen stand keine Geschichte für uns. Wir sind vielen Fährten gefolgt - und mussten sie wieder verwerfen. Sie gaben nichts her für uns. Das war manchmal sehr ernüchternd. Wie gehen Sie mit dieser Frustration um? Sie ist eigentlich gut auszuhalten. Denn im internationalen Team sind wir dann doch auf viele und vielen anderen Prominenten. Sportler waren dabei, Politiker, Manager. Wir haben schnell erkannt, dass es sich bei dem zugespielten Leak um eine große, internationale Sache handelte. Dann haben wir begonnen zu überlegen, wie wir die Auswertung und die weiteren Recherchen stemmen können. LEAK MIT 11,5 MILLIONEN DOKUMENTEN Wie Sie es stemmen können - inwiefern? Das Material war viel zu umfangreich für uns. Es enthielt viel zu viele Geschichten, auch viele Geschichten, die uns als deutsche Zeitung nicht so sehr interessierten, dafür aber Zeitungen beispielsweise in Großbritannien, Angola oder Bolivien. Dann haben wir begonnen, das Material mit anderen Kollegen weltweit zu teilen und ein Team für die Recherchen aufzubauen. Ein Projekt, wenn Sie es so nennen wollen. Bei einem Leak handelt es sich meistens um einen Dateispeicher mit kopierten Dokumenten, die aus dem Innersten einer Organisation stammen: vertrauliche Papiere, Verträge, Memos, Mails, Protokolle, Urkunden und anderes mehr. Wie gehen Sie mit diesen Dokumenten um? Die Daten sind in jedem einzelnen Fall immer nur der Ausgangspunkt für eine Recherche. Bei einem Die „Panama Papers“: Weltweit 400 Journalisten werteten über 11 Millionen Dokumente aus - und kamen Finanzskandalen und Wirtschaftskriminalität auf die Spur; Foto: Goss Vitalij - Fotolia.com REPORT 11 projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2017 Das heißt - Sie haben möglicherweise nicht alle Geschichten in dem Konvolut gefunden? Wir haben höchstens ein Zehntel aller Dateien überhaupt anschauen können - und das auch nur, weil wir ein internationales Team von 400 Journalisten waren. Vielleicht haben wir die besten Geschichten nicht gefunden, vor allem dann, wenn die dazugehörigen Dokumente älter sind. Aber wir haben so viel gesucht, dass wir glauben: Die meisten wichtigen Geschichten aus den vergangenen 20 Jahren haben wir aufgedeckt. JOURNALISMUS ALS TEAMARBEIT Sie sind Investigativjournalist. Sie gehören zu denen, die sich auf Enthüllungen spezialisiert haben. Wie arbeiten Investigativjournalisten? Sehr unterschiedlich! Grob gesagt gibt es zwei Gruppen von Investigativjournalisten. In der einen Gruppe arbeiten Kollegen mit einem über Jahre aufgebauten und gepflegten Netz von Informanten. Das kostet viel Zeit und ist enorm aufwändig. Natürlich kann sich kaum jemand auf mehrere Wir konnten diese Daten nicht im klassischen Sinne auswerten, also einzeln lesen. Wir konnten die Daten nur durchsuchen - indem wir nach bestimmten Namen fahndeten. Unter den Dokumenten befanden sich viele verschiedene Dateiformate, etwa Mails, PDFs, eingescannte Dokumente und Bilder. Mit spezieller Software haben wir diese Dokumente elektronisch durchsuchbar gemacht. Wir konnten beispielsweise den Namen eines Staatspräsidenten eingeben. Die Software hat dann alle Dokumente aufgespürt, in dem dieser Name genannt wurde. Sofern die Dokumente lesbar waren. Lesbar waren - inwiefern? Ein Teil der Dokumente, vor allem bis 1993, bestand vor allem aus schlecht eingescannten Faxen. Die sind eigentlich nicht mehr lesbar für die Software. Besonders schwierig wird es, wenn handschriftlich Namen auf Dokumenten notiert sind. Da stehen die Chancen schlecht, dass wir mithilfe unserer Software auf diese Namen stoßen. Höchstens dann, wenn wir die Datei zufällig öffnen und lesen - was bei der Menge der Dateien sehr großes Glück wäre. ja selbstverständlich. In anderen Fällen aber gilt: Nach unserem Selbstverständnis als Journalisten kooperieren wir nicht mit Behörden. Behörden haben ja auch völlig andere Möglichkeiten für die Ermittlung. Geht der Staat gegen Offshore-Firmen vor, kann er Hausdurchsuchungen bei Banken machen, Haftbefehle ausstellen oder die Kommunikation abhören. Wenn Behörden aufgrund Ihrer Berichte gegen Personen vorgehen und ermitteln … Wir begrüßen es natürlich, wenn auf diese Weise Missständen ein Ende gesetzt wird. Aber das ist nicht der Maßstab für unsere Arbeit. DOKUMENTE „LESBAR“ MACHEN Nochmals zu den Dokumenten, den Panama Papers. Die Ihnen zugespielte Datenmenge war immens: 11,5 Millionen Dokumente. Wie kann man einen solchen „Berg“ von Dokumenten überhaupt auswerten? Vermutlich haben Sie nicht jedes einzelne Dokument lesen können. Am 3. April 2016 gingen Zeitungen weltweit mit ihren Enthüllungen an die Öffentlichkeit - und lösten ein Beben in Politik und Wirtschaft aus. Verschiedene regionale und überregionale deutsche Tageszeitungen berichteten (Symbolfoto). Foto: Björn Wylezich - Fotolia.com 12 REPORT projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2017 das Material drei Geschichten her, dreißig oder dreihundert? Bei den Panama Papers waren es am Ende weltweit 5.000 Geschichten. Das wussten wir aber erst, nachdem wir über viele Monate das Material durchsucht hatten. 5.000 GESCHICHTEN WELTWEIT Vorhin sprachen Sie von Ihrem internationalen Team, das an den Enthüllungen durch die Panama Papers beteiligt war. Wenn ich mir die Dimensionen der Datenbestände und der Rechercheaufgaben vor Augen führe - die Vermutung liegt nahe, dass Investigativjournalismus heute Teamarbeit ist. Und auch Projektarbeit. Den einsamen Wolf wird es weiterhin geben, den Investigativjournalisten, der sich auf Einzelthemen spezialisiert und mit hervorragenden Geschichten auftritt. Jedoch: Die Arbeit mit Leaks und großen Datenmengen ist heute nur durch Teamarbeit möglich. Und Projektarbeit, wie Sie sagen. Wie kommt es dazu? Auch früher gab es Enthüllungsgeschichten, ohne dass gleich ein internationales Team aufgebaut werden musste. Anders als früher ist die Wirtschaft heute durch und durch globalisiert. Dies gilt leider auch für die Kriminalität und Menschen, die Gesetze missachten. Insofern müssen wir Journalisten ebenfalls global und vernetzt arbeiten. Früher haben wir häufig an den Landesgrenzen Halt gemacht. Führte die Spur nach Luxemburg oder Island, haben wir die Geschichte weggelegt. Wie sollten wir dort weiterarbeiten - zumal in Deutschland wenig Interesse an mittelgroßen isländischen Skandalen besteht? In der globalisierten Welt sieht dies ganz anders aus. Heute haben wir ein Netz von Kollegen aus wichtigen Ländern. Dort rufen wir an, bieten an, mit zu recherchieren und die Ergebnisse zu teilen. Dies hat uns im Investigativjournalismus enorm vorangebracht. Also kollaboratives Arbeiten und gemeinsames Nutzen von Ergebnissen … Ja! Wie gerade gesagt, stoßen wir bei der Süddeutschen Zeitung beispielsweise auf einen Skandal in den Niederlanden, so mag das für uns nicht interessant sein. Aber vielleicht ist dies für Partnermedien in Den Haag eine sehr wichtige Geschichte. Zudem recherchieren wir auch Da spielt auch Glück eine Rolle? Auch, aber nicht nur. Entscheidend ist auch der Ruf der Journalisten. Was haben die Journalisten vorher geleistet? Wie arbeiten sie? Auch die Zeitung muss sich quasi als würdig erweisen. Ein Informant macht Ihnen die Arbeit also ein Stück weit einfacher? Einfacher ist es natürlich, wenn wir Informationen zugespielt bekommen. Dennoch müssen wir prüfen, was genau die Geschichte ist. Um ein Bild zu verwenden: Der klassische Investigativjournalist … … der einsame Wolf … … bekommt von seiner Quelle beispielsweise einen Aktenordner. Ihm wird erklärt, um was es sich handelt. Etwa, dass Menschen den Staat betrügen. Zumindest hat dieser Journalist genug Material für einen Anfangsverdacht. Er recherchiert weiter und sammelt ergänzende Informationen. Dieser Kollege wird von dem Informanten recht gut an die Geschichte herangeführt. Bei einem Leak ist dies völlig anders. Man bekommt unglaublich viele Dokumente zugespielt - mit dem Hinweis, dass sich darin viele Geschichten befinden. Mehr weiß man nicht. Handelt es sich um deutsche Geschichten? Betreffen die Geschichten überhaupt Europa - oder andere Kontinente? Gibt Themen gleichzeitig konzentrieren, beispielsweise auf Geheimdienste, Umweltthemen und Banken. Also spezialisieren sich diese Journalisten stark. Sie arbeiten zum Thema Menschenrechte oder Rüstung. Macht sich der Investigativjournalist in seiner Nische einen guten Namen, indem er Informanten pflegt, Informationen richtig einordnet und gute Enthüllungen publiziert, dann entwickelt sich der Erfolg spiralförmig aufwärts. Das Paradebeispiel dafür ist hier bei der SZ Klaus Ott, der ein sensationelles Netz von Informanten hat. Und dann gibt es das Modell, dass ein Investigativteam von Thema zu Thema hüpft - und so arbeite ich mit meinem Team. Sie sind also nicht spezialisiert auf bestimmte Themen? Nein. Wir kommen zum Beispiel zu der Erkenntnis, dass wir zu einem bestimmten Thema intensiver recherchieren wollen. Wir nehmen uns dieses Thema vor, weil wir uns sagen, dass es sich lohnt, da mal hineinzuleuchten. Wir wissen natürlich nicht, ob die Recherche etwas hergibt. Wir versuchen es. In anderen Fällen treten Informanten von sich aus an uns heran: Informanten, die wir vorher nicht gepflegt und aufgebaut haben. Ein solcher Informant hat uns auch das Leak zu den Panama Papers zugespielt. Mit spezieller Software durchsuchte das Journalistenteam die Dokumente, die ihm zugespielt worden waren (Symbolfoto); Foto: maciek905 - Fotolia.com REPORT 13 projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2017 wir sind bis heute in Verbindung. Neben unserem Kernteam haben sich dann weitere Teams und Arbeitsgruppen gebildet, etwa für die russischen oder deutschen Ergebnisse, für Sport, Banken oder spezielle Fälle. In manchen dieser Gruppen haben 30 Kollegen gearbeitet. Jeder Journalist, der mitmachen wollte, musste ein Dokument unterzeichnen: Er musste sich bereiterklären, kollaborativ zu arbeiten, seine Funde und Ergebnisse zu teilen und sich an den gemeinsam festgelegten Erscheinungstermin halten. Das hat funktioniert? Ja. Obwohl wir keinerlei rechtliche Handhabe hatten, falls jemand gegen diese Regeln verstoßen hätte. Ausschlaggebend dafür, dass sie eingehalten wurden, war der soziale Druck. Ein Beispiel: Für den Erfolg der Enthüllung war entscheidend, dass wir alle auf den Tag genau zur gleichen Zeit veröffentlichen. Diesen Termin haben wir im Kernteam bestimmt. VERÖFFENTLICHUNGS- TERMIN REGLEMENTIERT Weshalb sollten alle Medien gleichzeitig mit den Enthüllungen an die Öffentlichkeit gehen - quasi wie auf einen weltweiten Paukenschlag? Weil dann die weltweite Welle der Enthüllungen wesentlich größer ist - im Vergleich zu lokalen die Swiss Leaks - und wenig später schon die Panama Papers. Bei den Panama Papers sind wir mit 40 Kollegen gestartet. Dieses internationale Team haben Sie geleitet - es war ein Beispiel für gut funktionierende, internationale Projektarbeit. Doch Sie haben nicht im üblichen Sinne „Mitarbeiter“ geführt, sondern Kollegen auf gleicher Augenhöhe. Man sagt, dass Journalisten nicht immer einfach zu führen sind … (lacht) Sie haben Recht. Mit Journalisten zusammenzuarbeiten ist manchmal schwierig. Man hat hier und da mit großen Egos zu tun. Einige Kollegen meinen, sie wissen vieles besser - zumindest besser als die allermeisten. Ein Team mit solchen Leuten zu leiten ist nicht immer lustig. JOURNALISTEN - NICHT IMMER EINFACH ZU „FÜHREN“ Darauf wollte ich hinaus. Wie haben Sie die Leitung organisiert? Wir haben eine Art Kernteam gebildet. An der Spitze mein Kollege Frederik Obermaier und ich von der Süddeutschen Zeitung, der Direktor des ICIJ sowie seine Stellvertreterin. Wir waren in ständigem Kontakt von dem Tag an, an dem wir die Zusammenarbeit beschlossen hatten. Und immer mehr international an einer Geschichte. Im Fall des isländischen Ministerpräsidenten, der aufgrund unserer Enthüllungen zurücktreten musste, hat ein Team aus isländischen, deutschen, amerikanischen und britischen Kollegen ein Jahr lang gearbeitet. Dadurch sind wir in dieser Sache Stück für Stück vorangekommen. GLOBALISIERUNG IM INVESTIGATIVEN JOURNALISMUS Allein hätte dies keine Zeitung stemmen können? Nein, wahrscheinlich nicht. Wir müssen im Investigativjournalismus lernen, dass man häufig im Team viel, viel weiterkommt als allein. Was ja kein Unglück ist! Es macht ja Spaß. Wir waren gemeinsam von der Herausforderung angesteckt und begeistert. Ich habe beispielsweise viele Kollegen kennengelernt, daraus haben sich auch Freundschaften entwickelt - in fast jedem Land, in dem über die Panama Papers berichtet wurde. Von jedem Kollegen lernt man noch etwas. Das internationale Team, das an den Panama Papers mitarbeitete, bestand am Ende aus 400 Journalisten. Hat sich dieses Team ad hoc für diese Recherchen gebildet? Ja und nein. Seit 20 Jahren existiert ein Netzwerk mit dem heutigen Namen „International Consortium of Investigative Journalists“, kurz ICIJ. Dieses Netzwerk bestand lange Zeit nur im Verborgenen, es funktionierte rein informell. Beispielsweise hat ein Kollege im Netzwerk mitgeteilt, dass er zur illegalen Fischerei recherchiert, und gefragt, wen das interessiert. Vielleicht haben sich zwei oder drei Kollegen gemeldet und mit ihm zusammen die Geschichte gemacht. Dann aber wurde uns eine erste Festplatte zugespielt mit 260 Gigabyte. In diesen Dokumenten ging es auch schon um Offshore-Firmen. ARBEITEN IM NETZWERK Daraus entstand die erste größere internationale Zusammenarbeit …? Ja, mit rund 70 Kollegen aus 30 Ländern. Veröffentlicht wurden die Geschichten alle am 4. April 2013 - drei Jahre vor den Panama Papers. Dieses Konsortium hat auch 2014 die Luxemburg Leaks bearbeitet, die EU-Präsident Juncker unter Druck gebracht haben. Im Februar 2015 folgten Offshore-Firmen machen es Kriminellen sehr leicht - von der Steuerhinterziehung bis hin zu illegalen Waffengeschäften. „Wir haben fast jede Form von Kriminalität in diesen Dokumenten gefunden“, sagt Bastian Obermayer; Foto: VRD - Fotolia.com 14 REPORT projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2017 ein Internet-Forum, in das alle Beteiligten ihre Ergebnisse einstellen konnten - eine Art geschlossene, verborgene Social Media-Plattform für Journalisten, die von außen nicht zu erreichen ist. Alle Beteiligten miteinander im Dialog halten - weshalb? Als Investigativjournalist neigt man dazu, eine gute Geschichte für sich zu behalten. So ist man „erzogen“ worden. Man will den Scoop für sich selbst haben - und nicht für die anderen. Mit diesem Reflex mussten wir rechnen. Deshalb sind wir von der Süddeutschen Zeitung mit gutem Beispiel vorangegangen. Wir haben alle unsere guten Geschichten in unserem Forum mitgeteilt. Die anderen Kollegen haben gemerkt: Die Süddeutsche Zeitung gibt etwas - also geben auch die Kollegen etwas. DIE KUNST DES TEILENS ... Hinter der Zusammenarbeit, wie Sie sie beschreiben, scheint ein stark selbstorganisierendes Prinzip zu stehen. Niemand hat dieses Wie haben Sie diese vertrauenswürdigen Kollegen für Ihr Team ausgewählt? Anfangs haben wir Kollegen hinzugenommen, die wir bereits kannten, mit denen wir sogar schon zusammengearbeitet hatten. Später kamen auch andere Kollegen nach Rücksprache und Empfehlung ins Team. Doch wie gesagt, jeder neue Kollege war ein potentielles Risiko. Damit mussten wir einfach klarkommen. Vertrauen muss man bekanntlich pflegen. Wie kann man Vertrauen in einem internationalen Team entwickeln, das über Länder und Kontinente verteilt ist? Wir haben versucht, Teamspirit aufzubauen. Es gab zum Beispiel zwei Treffen, eines in Washington mit 40 Kollegen, eines in München mit 100 Kollegen. Bei diesen Treffen haben wir unser Team nochmals eingeschworen etwa auf die Grundsätze unserer Zusammenarbeit, auf die Kollaboration, auf das Teilen von Ergebnissen, auch auf die Sicherheitsregeln. Was war Ihre Aufgabe in der Leitung? Eine Aufgabe war, die Kollegen in ständigem Dialog mit allen zu halten. Wir kommunizierten über Einzelveröffentlichungen. Deshalb haben wir den Termin reglementiert. Doch jeder hätte gegen diese Regel verstoßen können - ohne rechtliche Folgen. Jeder der 400 Kollegen hätte etwa schon drei Monate vor dem Termin seine Geschichte publizieren können. Wir hätten ein Medium, das früher veröffentlicht, nicht stoppen können. Es gab nicht einmal Vertragsstrafen. Die Zusammenarbeit - und auch die Führung - hat sehr stark auf Vertrauen gefußt. Sie sagen, Sie hätten bei Regelverstößen nichts in der Hand gehabt. Wirklich nichts? Nichts Juristisches. Über dem Team schwebte aber immer eine unausgesprochene Drohung: Wer gegen die Regeln verstößt, ist beim nächsten Mal nicht mehr dabei. Viele Kollegen haben mit ihren Geschichten Preise gewonnen. Allein wir von der Süddeutschen Zeitung haben vier oder fünf Preise erhalten. In anderen Ländern war dies ähnlich. Da will natürlich jeder beim nächsten Mal wieder dabei sein im Team. Dies motiviert, sich an Regeln zu halten. Vor allem: Die Kollegen waren vertrauenswürdig. Dies spielte eine große Rolle. Geheimhaltung war bis zuletzt oberste Pflicht: Sogar Druck und Auslieferung der Zeitungen wurden minutiös geplant (Symbolfoto); Foto: industrieblick - Fotolia.com REPORT 15 projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2017 Beurteilungen eigentlich nicht sehr weit auseinanderliegen. Aber bei den Schussfolgerungen ist bei solch einem Projekt jeder sein eigener Herr. Beschädigt nicht dieser Grundsatz das Projekt? Nein, ganz im Gegenteil. Ich halte diese Vielfalt für eine Stärke. Es gibt keine Zensur oder inhaltlichen Richtlinien. Niemand sagt, über was berichtet wird und über was nicht - oder wie über was geschrieben wird. Selbstverständlich hatten wir den Rahmen: etwa den zentralen, weltweiten Starttermin der Enthüllungen. Oder die Termine, ab denen die in den Berichten genannten Personen mit den Recherchen konfrontiert wurden. Diesen Rahmen haben wir in der Leitung entschieden - und ihn damit festgelegt. Alles andere blieb frei. Vorhin fiel der Begriff „Sicherheitsregeln“. Ein Leak auszuwerten und daraus einen Scoop zu entwickeln - dies dürfte mit Risiken behaftet sein. Wie sind Sie mit den Risiken umgegangen? Wir haben die Risiken gründlich analysiert. Wir haben mit sehr erfahrenen Kollegen zusammengearbeitet. Es gibt kaum ein Risiko, das der eine oder andere für sich noch nicht erlebt hat. Das Forum war beispielsweise technisch absolut sicher - mit einer dreistufigen Absicherung. Wie sind Sie bei der Risikoanalyse konkret vorgegangen? Die Kollegen sind nicht immer zu einem Kompromiss gekommen. Also keine heile Welt? Nein, bestimmt nicht. Allerdings mussten wir auch nicht immer einen Kompromiss herbeiführen. In solch einem Projekt hat jedes Medium in seinem Land die Hoheit darüber, welche Geschichte es wie und wann veröffentlicht - sofern der Termin hinter dem allgemeinen Stichtag lag. Wir greifen nicht redaktionell ein. Kommt der eine Kollege nach der Recherche zu einem bestimmten Bild, gelangt ein anderer Kollege aber zu einem gegenteiligen Bild, dann ist dies in Ordnung. GEMEINSAM ZU EINEM STIMMIGEN BILD KOMMEN Der eine spricht von einer illegalen Firmenkonstruktion, der andere von einer legalen? Das mag nach außen merkwürdig wirken. Aber jeder darf und muss das schreiben, was er für richtig hält. Selbstverständlich reden Journalisten miteinander. Sie fragen Kollegen, wie und weshalb sie zu ihrer Einschätzung kommen. Meistens wird so lange diskutiert, bis man wirklich zu einem gemeinsamen Bild kommt. Denn wenn man Fakten und Belege hat, können die Projekt minutiös gesteuert und quasi dirigiert - auch nicht Ihr Kernteam oder Sie als Leiter. Ja und nein. Solange die Zusammenarbeit lief und sich selbst organisiert hat, haben wir nicht eingegriffen. Haben wir allerdings gesehen, dass eine Gruppe einen falschen Weg nimmt, dass sie Hilfe braucht oder dass Uneinigkeit besteht, dann haben wir seitens der Leitung eingegriffen. Wie haben Sie bei diesem virtuellen Projekt alle beteiligten Teams im Blick behalten? Bei den großen Themen haben wir aus der Leitung ohnehin mitrecherchiert. Wir waren also in allen großen Gruppen selbst vertreten, sofern es sich nicht um rein regionale Themen handelte. Durch die Teilnahme haben wir erlebt, wie die Gruppe arbeitet. Kommen die Kollegen miteinander zurecht? Kommt die Recherche voran? Gleichzeitig hatte das ICIJ jeweils Redakteure, die für bestimmte Kontinente zuständig waren, und dort bei den Kollegen immer wieder nachgehört haben, wie es läuft. Sie haben also nicht die Gruppen und Teams ins Leben gerufen? Nein, die Gruppen haben über Eigeninitiativen zusammengefunden. Jemand hat eine gute Geschichte gefunden und im Forum gepostet. Andere Kollegen haben sich angeschlossen und an den Arbeiten beteiligt. Daraus haben sich die Teams ergeben. Niemand hat vorgeschrieben, welche Themen bearbeitet werden, wer teilnimmt und wie groß eine Gruppe werden darf. ... UND MÖGLICHE „TRITTBRETTFAHRER“? Muss man bei dieser Form der Zusammenarbeit mit Trittbrettfahrern rechnen, die sich an der Recherche kaum beteiligen, am Ende jedoch die Ergebnisse für sich verwerten? Wir hatten nur sehr wenige Trittbrettfahrer. Vieles hat sich von selbst geregelt. Es kam kaum vor, dass eine Tabelle mit 10.000 Zeilen akribisch ausgewertet werden musste und ein Kollege 5.000 bearbeitet hat, ein anderer indes nur 100 Zeilen. Das faire Aufteilen der Arbeit gelang erstaunlich gut. Journalisten sind eigensinnige Menschen, und manche sind sehr streitbar. Trotzdem gab es wenig Konflikte in Ihrem Team. Wie erklärt sich dies? Globalisierung der Medienbranche: Immer häufiger arbeiten Redaktionen und Zeitungen für ihre Leser im „Teamwork“; Foto: pepe - Fotolia.com 16 REPORT projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2017 Wir haben nie durchblicken lassen, dass wir ein großes Leak und eine Riesengeschichte hatten - und der Betroffene ein Teil dieser Geschichte war. Wir haben immer nur über den jeweiligen Fall gesprochen, nie über den Gesamtzusammenhang. So ging jeder, den wir kontaktiert haben, davon aus, dass er nur ein Einzelfall war. Dass es allein um ihn ging. Diese Taktik hat uns viel Gerede erspart. Gegen Ende des Projekts mussten Sie vermutlich mehr Personen ins Vertrauen ziehen - vor allem Kollegen, vermute ich. Die Geschichten mussten geschrieben werden. Hinzu kamen Korrektur, Übersetzung, Layout, Grafiken und Fotos, juristische Prüfung. An einer solchen Veröffentlichung sind doch viele Spezialisten beteiligt! In der letzten Phase haben allein bei der Süddeutschen Zeitung rund 50 Personen an dem Projekt gearbeitet - gut eineinhalb Monate vor der Veröffentlichung. Zu dieser Zeit war jedoch klar: Das war der Point of no Return. Also Augen zu, Vertrauen haben - und durch! Diese Phase der Vorbereitung für die Veröffentlichung war in unserem Haus nochmals ein eigenes Projekt - ein Projekt, das in dieser Form neu war für die Süddeutsche Zeitung. KOMPLEXITÄT DURCH MEDIENVIELFALT Was war so schwierig an diesem Projekt? Die Komplexität. Wir haben auf Deutsch und auf Englisch publiziert. Wir wollten Print und online bespielen. Dafür brauchte es unterschiedliche Texte und Grafiken. Wir mussten Texte übersetzen - und bei nachkommenden Änderungen jeweils anpassen. Jeder Text und jede Bildunterschrift, jeder Tweet und jeder Post für Social Media musste geprüft werden - etwa inhaltlich, juristisch oder von der Chefredaktion. Wir hatten Angst, dass wir einen Fehler machen, der den weltweit konzertierten Scoop verdirbt - oder der vielleicht sogar die Zeitung finanziell ruiniert. Ein Beispiel: Wir mussten großen logistischen Aufwand leisten, damit niemand die gedruckte Ausgabe zu früh sah. Wir haben die Lastwagen spätnachmittags für drei Stunden in der Druckerei zurückgehalten. Augenblick. Weshalb genau haben Sie die Auslieferung gestoppt? Ich kann mir schlecht vorstellen, dass diese Sicherheitsvorkehrungen im eigenen Haus nicht auffallen. Hatten Sie es mit neugierigen „Stakeholdern“ zu tun? Viele Leute wären gerne eingeweiht worden. Doch ab einer gewissen Zahl von Eingeweihten spricht sich die Geschichte zwangsläufig herum - sooft man den Eingeweihten auch einschärft, strenges Stillschweigen zu wahren. Dies ist nun einmal so. Wir wussten das, und wir haben aus diesem Grund keine Rücksicht auf Neugier und Empfindlichkeiten von Kollegen genommen. Wir sind eisern nach dem Prinzip verfahren, dass nur die von den Panama Papers wissen, die unbedingt davon wissen müssen. Dies haben wir vorab analysiert, und nur exakt dieser Personenkreis wurde auch hinzugezogen - bis etwa einen Monat vor der Veröffentlichung. NICHTS SICKERTE DURCH Was war mit den Personen, über die Sie berichtet haben - die von den Vorwürfen Betroffenen? Diese Personen mussten wir vor der Veröffentlichung mit unseren Ergebnissen konfrontieren. Wir haben genau überlegt, wie viel Zeit wir diesen Personen geben. Darauf wollte ich hinaus. Direkt nach dieser Konfrontation hätte etwas durchsickern können. Ein Beispiel: In unserem Forum gab es Postings mit Warnungen. Kollegen schrieben: Wenn wir so und so vorgehen, dann könnte das und das passieren. Das wichtigste, was uns bei alledem beschäftigt hat, das war die Sicherheit. Wir mussten die Sicherheit unserer Quelle und die unserer Kollegen garantieren. Die Kommunikation mussten wir verschlüsseln, dies haben wir unseren Kollegen eingeschärft: Verwendet verschlüsselte Messenger und Mails! Redet nicht zu viel über die Arbeit! RISIKOANALYSE UND VERSCHLÜSSELTE KOMMUNIKATION Lassen sich die Arbeit und die Recherchen tatsächlich so hermetisch abriegeln von der Außenwelt? Immerhin arbeiten Sie in einer großen Redaktion. Wir haben erst wenige Wochen vor der Veröffentlichung innerhalb der Süddeutschen Zeitung offengelegt, dass es die Panama Papers gibt und was wir da überhaupt machen. Zuvor wussten davon nur der Chefredakteur, unser damaliger Ressortleiter und drei oder vier weitere Kollegen. Wir haben für die Panama Leaks einen eigenen Arbeitsraum eingerichtet, den nur vier Personen betreten durften. Wir haben einen Safe gekauft. Unser spezieller Datenserver war von außen nicht erreichbar. Die gewaltigen Datenmengen aus den „Leaks“ stellen Investigativjournalisten vor neue Herausforderungen; Foto: Stockfotos-MG - Fotolia.com REPORT 17 projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2017 Nachhaltige Veränderungen bewirken! Profitieren Sie von topaktuellen Veranstaltungen zu Prozess- und Projektmanagement: · Fundiertes Know-how und Beratung für Ihren Erfolg · International anerkannte Zertifizierungen belegen Ihre Kompetenz · Tools und Methoden, die Sie zum Ziel führen Ausführliche Informationen zu allen Veranstaltungsthemen finden Sie unter: www.haufe-akademie.de/ projekte-prozesse-change Alles wird leicht. Anz_PPC_175_270_05_2017_Layout 1 17.05.17 12: 50 Seite 1 18 REPORT projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2017 Der Veröffentlichungstermin für Deutschland war auf genau 20 Uhr festgelegt. Angenommen, jemand hätte bereits um 17 Uhr die gedruckte Zeitung gesehen, das Titelblatt gelesen - und dann die Nachricht lanciert … Offen gesagt: Wir können es bis heute noch nicht richtig fassen, dass dies weltweit so störungsfrei funktioniert hat. Bei unserem Teamtreffen im September 2015 in München haben wir die großen Geschichten diskutiert. Ich weiß noch, dass ich mit meinen Kollegen beim Essen saß - fasziniert von der Vielzahl der weltweiten Geschichten, die sich allmählich abzeichneten. Wir waren damals sicher: Wir würden drei oder vier der großen Geschichten verlieren, beispielsweise, weil vorab etwas durchsickert. Am Ende haben wir keine einzige Geschichte verloren, obwohl wir so etwas in dieser Größenordnung und Komplexität noch nie gemacht haben. Unglaublich, eigentlich. Eingangs haben wir über die Fleißarbeit des Investigativjournalismus gesprochen, über die unweigerlich mit der Recherche verbundenen Frustrationen - niemand weiß anfangs, ob er mit Gold oder Steinen handelt. Darauf möchte ich nochmals zurückkommen. Sie haben die Erfolge beschrieben, die Wellen, die ein gut gesetzter Scoop auslöst - Wellen, die die Welt in ihrem Machtgefüge verändern können. Meine Abschlussfrage: Was treibt Sie bei Ihrer Arbeit an? Ich folge dem Drang, Ungerechtigkeiten und Ungleichheit aufzeigen zu wollen. Also das, was falsch läuft. Investigativjournalisten verstehen sich als eine Art Kontrollorgan der Mächtigen. Mit Mächtigen meine ich nicht nur diejenigen, die demokratisch gewählt wurden, sondern auch Personen, die durch Geburt oder harte Arbeit zu viel Geld gekommen sind, und damit auch zu viel Macht. Ich finde, dass wir denen auf die Finger schauen müssen, die in Deutschland und in der Welt das Sagen haben und Macht über andere ausüben können. Wenn ich gefragt werde, weshalb ich in diese Aufgabe soviel Zeit stecke ... Ja, dies wäre meine Frage! … dann schlicht und einfach: Weil ich hoffe, dass es sich lohnt. Bei den Panama Papers hatten wir schon sehr früh gute Geschichten. Findet man den Premierminister eines europäischen Landes mit einer heimlichen Offshore-Firma, dann ergibt sich schon ein Gefühl für die Recherche. DEM DRANG FOLGEN, UNGERECHTIGKEITEN AUFZUZEIGEN Ihnen war also früh klar: Mit leeren Händen gehen Sie aus dieser Sache bestimmt nicht heraus. Ja. Nur: Wie groß der Scoop werden würde, wie viele Geschichten sich daraus ergeben würden, welche Folgen diese haben könnten - das alles haben wir nicht geahnt. Es gab weltweit Rücktritte, mehr als 190 Ermittlungsverfahren und Massendemonstrationen in einem halben Dutzend Länder. Im europäischen Parlament wurde eigens ein Komitee eingerichtet. Barack Obama und der russische Präsident haben Stellung genommen. Einige Zeit waren die Panama Papers eines der ganz großen Themen in der Welt. Und in manchen Regionen dauert es eben ein wenig länger, bis sich Folgen zeigen. In Island trat der involvierte Premierminister schon nach ein paar Tagen zurück. In Pakistan wurde er erst im Sommer 2017, 15 Monate nach den ersten Geschichten, aus dem Amt entfernt - nachdem das höchste Gericht eine Panama Papers-Untersuchungskommission eingesetzt hatte. Und dann haben wir auch noch den Pulitzer Preis gewonnen mit dieser unorthodoxen Recherche - das war für die Rechercheure am Ende natürlich die Krönung.  Abseits des Medienrummels - Investigativjournalisten arbeiten an Enthüllungen. Sie verstehen sich als eine Art Kontrollorgan der Mächtigen; Foto: stockphoto mania - Fotolia.com Buchtipp Bastian Obermayer, Frederik Obermaier: Panama Papers: Die Geschichte einer weltweiten Enthüllung, Kiepenheuer & Witsch, April 2016