PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
pm
2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
121
2017
285
GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Aufbau und Entwicklung von Geschäftsbeziehungen
121
2017
Markus Dahm
Andreas Hein
Geschäftsbeziehungen haben deutlich mehr Parallelen zu sozialen Partnerschaften als vielfach vermutet. Während man bei zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen flüchtigen Bekannten, guten Freunden und einem Lebenspartner unterscheidet, reichen Partnerschaften in der Geschäftswelt von Kunde-Lieferanten-Beziehungen bis hin zu einzigartigen, strategischen Geschäftsbeziehungen. Analog dazu durchlaufen beide Parteien verschiedene Phasen, welche von einer Anfangseuphorie oder „Verliebtheit“ bei der Vertragsunterschrift bis hin zur Transition und dem tatsächlichen Tagesgeschäft reichen. Um dem Weg einer teuren Scheidung entgegenzuwirken, bietet die Relationship Alignment-Methode einen Ansatz, um beide Parteien im ersten Schritt auf einen gemeinsamen Beziehungstyp festzulegen, den Weg dorthin kontinuierlich zu begleiten und etwaigen Abweichungen proaktiv vorzubeugen.
pm2850051
WISSEN 51 projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2017 Strategische Allianzen, Joint Ventures und andere langfristige Partnerschaften sind in der Geschäftswelt allgegenwärtig. Gerade in einer immer mehr global agierenden Welt werden Kooperationen immer wichtiger, um fehlende Kompetenzen auszugleichen oder neue Märkte zu erschließen. Ein Beispiel hierfür ist die Partnerschaft zwischen Apple und IBM. Die beiden Technologieunternehmen schmiedeten eine strategische Allianz, um die marktführenden Stärken beider Seiten gewinnbringend zu vereinen. Naturgemäß hat jede Zusammenarbeit zweier Unternehmen einen starken Einfluss auf deren geschäftliche Entwicklung. Aus diesem Grund darf die gemeinsame Kooperation nicht dem Zufall überlassen werden, sondern muss sorgsam geplant, eingeführt und überwacht werden. Dies gilt besonders für langfristige Partnerschaften. Phasen einer Geschäftsbeziehung Entschließen sich zwei Unternehmen für eine Zusammenarbeit, sollte diese auf ein solides und festes Fundament gestellt werden. Dabei sollten insbesondere die Erwartungen beider Parteien an die zu gründende Allianz im Fokus sein. Stellt man sich vor, dass Unternehmen A hauptsächlich Kosteneinsparungen als Resultat der Partnerschaft erwartet und Unternehmen B eine Qualitätssteigerung in Produkten oder Prozessen, sind Probleme in der täglichen Zusammenarbeit meist vorprogrammiert. Trügerisch ist, dass diese Probleme nicht zwangsläufig von Beginn an auftreten müssen. Wie in einer zwischenmenschlichen Beziehung lernt man den Charakter seines Gegenübers und die zum Teil noch nicht offengelegten Erwartungen erst im Laufe der Zeit kennen. Ähnlich verhält es sich bei Geschäftsbeziehungen. Während man zu Beginn oft euphorisch und optimistisch auf die gemeinsame Beziehung blickt, kann sich daraus mit der Zeit eine problembehaftete Situation entwickeln. Im Allgemeinen kann man von fünf verschiedenen Phasen sprechen, die jede Beziehung, egal ob geschäftlich oder zwischenmenschlich, durchläuft. Vertragsunterschrift Ist die Wahl des Partners abgeschlossen, schwelgen beide Parteien zu Beginn in großer Vorfreude und Euphorie. Zähe Verhandlungen gehören der Vergangenheit an und der auserkorene Geschäftspartner steht fest. In zwischenmenschlichen Beziehungen spricht man auch von einer Phase der Verliebtheit, nachdem das Balzverhalten beendet ist und sich beide Partner gewiss sind. Gleiches gilt für wirtschaftliche Kooperationen, bei denen die Vertragsunterschrift die zukünftige Zusammenarbeit besiegelt. In dieser Phase neigen beide Parteien dazu, die Schwächen des jeweiligen Gegenübers auszublenden und stattdessen nur die Stärken und die Gemeinsamkeiten hervorzuheben. Üblicherweise wird diese Phase dann mit dem Beginn der Transition beendet. Die Transition beschreibt die Übergangsphase vom Beginn der gemeinsamen Zusammenarbeit bis hin zu einem vorher definierten Business as usual-Normalbetrieb. Transition In dieser zweiten Phase arbeiten beide Partner erstmalig intensiv zusammen. Schnell stellt man fest, dass nicht alles Gold ist, was glänzt und die rosaroten Brillen werden plötzlich abgenommen. Schwächen und vorher nicht wahrgenommene Beweggründe werden transparent. Die tägliche Zusammenarbeit zeigt, dass der Kooperationspartner die gesetzten Anforderungen nicht erfüllt. Beide Seiten fühlen sich missverstanden und sehen die Schuld beim jeweils anderen. Bei einer zwischenmenschlichen Partnerschaft spricht man auch von einer schwindenden Verliebtheit, in der man das Gegenüber mitsamt der Schwächen und Makel kennenlernt. Mithilfe der Relationship Alignment-Projektmanagementmethode Aufbau und Entwicklung von Geschäftsbeziehungen Autoren: Markus H. Dahm, Andreas Hein >> Für eilige Leser Geschäftsbeziehungen haben deutlich mehr Parallelen zu sozialen Partnerschaften als vielfach vermutet. Während man bei zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen flüchtigen Bekannten, guten Freunden und einem Lebenspartner unterscheidet, reichen Partnerschaften in der Geschäftswelt von Kunde-Lieferanten-Beziehungen bis hin zu einzigartigen, strategischen Geschäftsbeziehungen. Analog dazu durchlaufen beide Parteien verschiedene Phasen, welche von einer Anfangseuphorie oder „Verliebtheit“ bei der Vertragsunterschrift bis hin zur Transition und dem tatsächlichen Tagesgeschäft reichen. Um dem Weg einer teuren Scheidung entgegenzuwirken, bietet die Relationship Alignment-Methode einen Ansatz, um beide Parteien im ersten Schritt auf einen gemeinsamen Beziehungstyp festzulegen, den Weg dorthin kontinuierlich zu begleiten und etwaigen Abweichungen proaktiv vorzubeugen. 52 WISSEN projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2017 Post-Transition Die unterschiedlichen Erwartungen und Beweggründe treffen in der täglichen Zusammenarbeit meist unreflektiert aufeinander. Das heißt, dass sich beide Parteien nur der Schwächen und missverstandenen Erwartungen der Gegenpartei bewusst sind und eigene Fehler nicht wahrnehmen. Phrasen wie: „Das hatten wir doch so vereinbart“, oder das Bestehen auf der strikten Einhaltung des Vertrages sind an der Tagesordnung. Üblicherweise starten diese Friktionen auf der operativen Ebene und eskalieren anschließend auf die taktische und strategische Ebene. Beide Partner pochen auf ihre Sichtweise, haben grundsätzlich Recht und sehen sich und den Geschäftspartner nicht im selben Team mit einem gemeinsamen Ziel, sondern als verfeindetes Lager. Schuldzuweisungen und Sätze wie: „Unternehmen A hat schon wieder nicht rechtzeitig geliefert“, oder „Unternehmen B ist schon wieder nicht in der Lage, die Anforderungen präzise zu formulieren“, sind das Resultat. Vergleicht man diese Phase mit ihrem zwischenmenschlichen Pendant, kann man erkennen, dass es auch hier Machtspiele gibt. Diese Revierkämpfe lassen beide Partner zweifeln und stellen die langfristig geplante Beziehung in Frage. Scheideweg Nach langen kraft- und kostenintensiven Machtkämpfen steht man am Scheideweg der Partnerschaft. Tiefe Gräben und festgefahrene Sichtweisen stellen oft unüberbrückbare Hindernisse dar und lassen beide Seiten naturgemäß an einer langlebigen Zusammenarbeit zweifeln. Ein Weg wäre jetzt die Resignation und in der Folge die Scheidung. Verbunden hiermit sind hohe Trennungskosten und zumeist mühsame und lange rechtliche Auseinandersetzungen. So würde das Gegenteil der zuvor erhofften Synergieeffekte eintreten. Die Alternative ist ein aktives Steuern der gemeinsamen Geschäftsbeziehung. Beide Parteien müssen sich Zeit nehmen, um das Gegenüber und dessen Motive und Sichtweisen zu verstehen. Nur wenn beide Seiten von der Kooperation profitieren, kann eine langfristige Basis für eine erfolgreiche Zusammenarbeit geschaffen werden. Wichtig ist auch, persönliche Konflikte beiseite zu legen und gemeinsame Ziele zu formulieren, die ein „Wir-Gefühl“ schaffen. Gleiches gilt für zwischenmenschliche Beziehungen, bei denen die Schwächen des Partners akzeptiert und als wichtiger Bestandteil seiner Persönlichkeit gesehen werden müssen. Oft kommen hier Eheberater oder Mediatoren ins Spiel. Zusammenfassend stellt diese Phase die Weichen für die zukünftige Art der gemeinsamen Zusammenarbeit und Geschäftsbeziehung. Stabilität Phase fünf ist geprägt von Stabilität. Diese kann je nach Art der gemeinsamen Geschäftsbeziehung unterschiedliche Ausprägungen haben. Eine Aufstellung der verschiedenen Arten, welche von rein transaktionalen Beziehungen bis hin zu einzigartigen Beziehungen reichen können, werden im Kapitel „Vier Arten von Geschäftsbeziehungen nach Henderson“ näher erläutert. Eine Win-win-Situation ist in jedem Fall eine Grundvoraussetzung. Denn nur so können beide Partner langfristig von der Kooperation profitieren. Auch im zwischenmenschlichen Leben gibt es verschiedene Arten von Beziehungen. Diese unterscheiden sich zum Beispiel nach Ehe, Freundschaft bis hin zu einer Zweckgemeinschaft. Ähnlich wie Geschäftsbeziehungen, wird auch eine Ehe nicht erfolgreich sein, wenn am Ende nicht beide Seiten von der Partnerschaft profitieren. Insgesamt lässt sich festhalten, dass eine Geschäftsbeziehung viele Gemeinsamkeiten mit herkömmlichen Partnerschaften aus dem zwischenmenschlichen Bereich aufweist. Da Scheidungen teuer, langwierig und unangenehm werden können, sollte die Entwicklung einer (Geschäfts-)Partnerschaft also nicht dem Zufall überlassen werden. So können die zum Teil sehr hohen Trennungskosten, die mit Know-how- Verlust, Schadensersatzzahlungen oder langwierigen juristischen Auseinandersetzungen verbunden sind, von Beginn an vermieden werden. Abbildung 1 veranschaulicht den Verlauf der fünf Beziehungsphasen ohne ein aktives Beziehungsmanagement. Die X-Achse soll hier für den Zusammenhalt der beiden Teams stehen und somit deren Produktivität verdeutlichen, während auf der Y-Achse die fünf Phasen chronologisch aufgeführt sind. Es fällt auf, dass die Partnerschaft von einem euphorischen Hoch (Phase eins) rapide abfällt. Während der dritten und Abb. 1: Verlauf einer Geschäftsbeziehung durch alle fünf Phasen hinweg ohne Beziehungsmanagement. WISSEN 53 projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2017 vierten Etappe sinkt der Zusammenhalt und damit einhergehend die Produktivität der Teams und erreicht schließlich einen negativen Wert. Eine Erklärung für dieses Phänomen ist, dass beide Teams eher gegeneinander anstatt miteinander arbeiten, was selbstverständlich einen negativen Einfluss auf die Produktivität und den Zusammenhalt hat. Es bleibt anzumerken, dass die Phase der Stabilität in Abbildung 1 nur bei erfolgreichen Partnerschaften eintritt. Nicht selten entscheiden sich zwei Unternehmen am Punkt des Scheidewegs für eine bewusste Trennung der Geschäftsbeziehung, was den Zusammenhalt beider Teams komplett aufheben würde und monetäre und juristische Folgen hätte. Werden die Probleme trotz aller Stolpersteine gemeistert, folgt eine Phase der Stabilität, welche jeweils unterschiedliche Ausprägungen haben kann. Vier Arten von Geschäftsbeziehungen nach Henderson Eine Methodik für die Charakterisierung der verschiedenen Beziehungstypen ist das sogenannte Henderson-Portfolio. Das standardisierte Portfolio schlägt eine Differenzierung nach vier verschiedenen Beziehungstypen vor. Zudem erlaubt die Verwendung des Henderson-Portfolios eine Bestimmung des gegenwärtigen und gewünschten Beziehungstyps und dient so als strategischer Kompass der Geschäftsbeziehung. Man unterscheidet zwischen einer rein transaktionalen (T), einer wertschöpfenden (V/ A), einer spezialisierten (S) und einer einzigartigen Beziehung (U), welche jeweils unterschiedliche Aspekte der Beziehung charakterisieren (Abb. 2). Die Beziehung Kunde - Lieferant (transactional) dient vornehmlich dem Austausch von Produkten und Dienstleistungen. Gemeinsame Werte der Verbindung resultieren aus Einfachheit und einem niedrigen Preis, was eine nur sehr oberflächliche Beziehung zur Folge hat. Leitspruch dieser Partnerschaft ist „Du bekommst das gleiche wie alle anderen auch! “. Er tritt beispielsweise in Fast-Food-Ketten oder Autowäschen auf. Fühlt sich der Kunde unfair behandelt, ist Ersatz meist schnell gefunden. Eine wertschöpfende (value-add) Beziehung ist charakterisiert durch bereits bekannte Erwartungen des Geschäftspartners und einem daraus resultierenden Mehrwert aus Stabilität und Skaleneffekten. Zudem herrscht eine geringe Bereitschaft gegenüber Veränderung. Das Motto ist: „Ich werde dir bedürfnisgerecht helfen“. Diese Beziehungsart findet sich bei Dienstleistern wie Steuerberatern oder Ärzten. Tritt keine Win-win- Situation ein, muss ein adäquater Ersatz gefunden werden. Hierfür werden beim neuen Geschäftspartner zuerst die Erwartungen abgeglichen und Vertrauen aufgebaut, welches als Basis für die zukünftige Zusammenarbeit dient. Bei einer spezialisierten (specialized) Partnerschaft spielen hohes gegenseitiges Verständnis und ergänzende Synergieeffekte eine große Rolle. Mehrwerte sind Resultat individueller Marktpositionierung und gemeinschaftlicher Geschäftsziele. Der Kerngedanke: „Wir kombinieren und ergänzen unsere Stärken“. Diese Beziehungsart findet sich zum Beispiel bei Wertschöpfungsketten in der Automobilbranche. Der Wechsel des Geschäftspartners bei einer spezialisierten Partnerschaft hat meist finanzielle Einbußen und einen Know-how-Verlust zur Folge. Hierfür muss gemeinsames Fachwissen und Vertrauen bei einem neuen Partner erst langfristig aufgebaut werden. Der vierte Beziehungstyp ist die einzigartige (unique) Geschäftsbeziehung. Sie baut auf einem hohen Maß an Vertrautheit auf, welches durch die Entwicklung einzigartiger Fähigkeiten und geteilter Verantwortlichkeiten erarbeitet wurde. Es ist oft schwer zu beantworten, wer für wen arbeitet. Das Credo lautet: „Zusammen können wir die Wettbewerbsfähigkeit fundamental verändern“. Dieser Beziehungstyp tritt bei High Performance Teams, wie Profi-Fußballmannschaften, Segelteams oder auch in der Formel 1 auf. Ein Partnerwechsel in einer einzigartigen Geschäftsbeziehung ist in den meisten Fällen eine existenzielle Entscheidung, da beide Parteien tief miteinander verwurzelt sind. Einen adäquaten Ersatz zu finden, ist im Vergleich zu den anderen Beziehungstypen die schwierigste Herausforderung. Alle vier Beziehungstypen nach Henderson weisen jeweils unterschiedliche Ausprägungen in den Beziehungscharakteristika mit einhergehenden Vor- und Nachteilen für beide Parteien auf. So ist eine Kunden-Lieferanten-Beziehung meist schnell etabliert und folgt klaren Regeln. Ein individuelles Verständnis für den Partner ist nicht vorhanden, sodass lediglich standardisierte Anforderungen bedient werden können. Wichtig ist auch, dass beide Parteien den jeweils gleichen Beziehungstyp anstreben. Forciert ein Kooperationspartner eine Kunden-Lieferanten- Beziehung und der andere eine einzigartige Partnerschaft, sind Probleme vorprogrammiert. So gibt es bei einer Kunden-Lieferanten-Beziehung feste Regeln, definierte Leistungen und eine geringe Abhängigkeit. Auf der anderen Seite hat eine einzigartige Geschäftsbeziehung wenig vordefinierte Regeln, von beiden Seiten festgelegte Ziele und eine sehr hohe Abhängigkeit vom Abb. 2: Die beispielhafte Abbildung des Henderson-Portfolios zeigt die vier verschiedenen Beziehungstypen Transaktional Transactional (T) Wertschöpfend Value-Add (V/ A) Einzigartig Unique (U) Spezialisiert Specialized (S) Erste Fachkenntnisse. Erwartungen sind bekannt, Werte resultieren aus Stabilität und Skaleneffekten. Geringe Bereitschaft zur Veränderung. Austausch von Produkten und Dienstleistungen. Werte resultieren aus Einfachheit und einem niedrigen Preis. Die Beziehung ist nur sehr oberflächlich. Du bekommst das gleiche wie alle anderen auch! Ich werde dir bedürfnisgerecht helfen Wir kombinieren und ergänzen unsere Stärken. Zusammen können wir Wettbewerbsfähigkeiten fundamental verändern. High Performance Teams: Fußball, Segeln Steuerberater Doktor Fast Food Restaurant Telekom Autowäsche Automobile Wertschöpfungskette Hella-Volkswagen etc. Großes, gegenseitiges, Verständnis. Ergänzende Synergieeffekte. Werte resultieren aus der Marktpositionierung oder den Geschäftszielen. Gemeinschaftlich Hohes Maß an Vertrautheit. Entwicklung einzigartiger Fähigkeiten. Geteilte Verantwortlichkeiten. Werte resultieren aus den gemeinsamen Ergebnissen. Schwierig zu sagen, wer für wen arbeitet. 54 WISSEN projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2017 von Friktionen geprägte Situationen zwischen zwei Parteien aufzulösen und ein gemeinsames Fundament zu entwickeln. In diesem Beitrag soll der Fokus jedoch auf den proaktiven Ansatz gelegt werden, bei dem die Relationship Alignment-Methodik bereits zu Beginn der Partnerschaft verwendet wird und somit beim Aufbau und der Entwicklung einer gemeinsamen Geschäftsbeziehung Unterstützung bietet. Die proaktive Relationship Alignment-Methodik (Abb. 3) ist modular aufgebaut und unterteilt sich in vier verschiedene Phasen. Dabei können die einzelnen Module nach dem Baukastenprinzip auf spezifische Ausgangssituationen und Ziele der Geschäftspartner angepasst werden. Als Ergebnis jeder Phase stehen Ergebnisdokumente, die sogenannten Deliverables. Die erste Phase der Relationship Alignment- Methodik enthält vorbereitende Maßnahmen und die Analyse von Beweggründen für die gemeinsame Geschäftsbeziehung. Module sind beispielsweise vorbereitende Gespräche mit den Initiatoren, welche auch Sponsoren genannt werden. In den Interviews mit den Sponsoren geben diese wichtige Informationen über die zukünftige strategische Ausrichtung und Absichten ihrer Firmen. Anhand von Tiefeninterviews und des initialen strategischen Pulse Surveys werden zuvor von den Sponsoren nominierte Kandidaten zur gewünschten Partnerschaft befragt. Teilnehmer der beiden Umfragen haben üblicherweise strategisch oder taktisch wichtige Positionen inne. Die Tiefeninterviews umfassen einen kleineren Kreis an Personen auf beiden Seiten. Diese Personen werden in persönlichen Gesprächen mit dem Relationship Alignment- Berater mithilfe eines strukturierten Fragebogens zu Erwartungen, der gewünschten Partnerschaft oder auch zu kulturellen Hintergründen der eigenen Firma ca. 1,5 Stunden lang befragt. Im initialen strategischen Pulse Survey wird hingegen ein breiteres Spektrum an Teilnehmern anhand einer ca. 15 Minuten kurzen Online-Umfrage befragt, um Rückschlüsse auf die Beweggründe der Partnerschaft zu ziehen. Unterscheiden sich diese Motive, wie beispielsweise eine transaktionale Partnerschaft mit Ziel einer Kosteneinsparung von Partner A vs. eine strategische Beziehung zur Erweiterung des eigenen Portfolios für Partner B, sind Probleme unausweichlich. Daher sind diese Motive wichtige Indikatoren für die jeweils gewünschte Art der Geschäftsbeziehung. Das Ergebnis der ersten Phase ist ein mit den Sponsoren abgestimmtes Vorgehen zur Entwicklung einer gemeinsamen erfolgreichen Geschäftsbeziehung. In der zweiten Phase werden die Ergebnisse in ein strategisches und taktisches Relationship Alignment-Konzept gegossen. Im strategischen Konzept wird der gemeinsam gewünschte Beziehungstyp anhand der gewonnenen Informationen aus dem initialen strategischen Pulse Survey entwickelt. Für eine rein transaktionelle Beziehung müssen beispielsweise feste Regeln und SLAs (Service-Level-Agreements) implementiert werden, wohingegen eine strategische Partnerschaft Prozesse für gemeinschaftliche Entscheidungen benötigt. Das taktische Relationship Alignment-Konzept basiert zu einem großen Teil auf den Ergebnissen der Tiefeninterviews und sorgt für den reibungslosen Ablauf durch alle Beziehungsphasen hinweg. Inhalte können gemeinsame Regeln der Zusammenarbeit oder Prinzipien der Kommunikation sein. So sorgt das strategische Konzept für die langfristige, gemeinsame Ausrichtung und das taktische Konzept für den reibungslosen Weg dorthin. Die Phase der Realisierung beschreibt die Umsetzung der in Phase zwei definierten Konzepte. Die zuvor für die Tiefeninterviews identifizierten Schlüsselpersonen beider Teams werden zu einem zwei bis dreitägigen Relationship Launch-Strategieworkshop eingeladen. Das Programm der Veranstaltung variiert je nach Ergeb- Kooperationspartner. Somit stehen eine geringe und eine hohe Abhängigkeit genauso im Widerspruch wie fest definierte Regeln und Leistungen und dynamische Services und Regelungen. Aus diesen zum Teil sehr unterschiedlichen Erwartungen an Geschäftsbeziehungen können sich kosten- und zeitintensive Stolpersteine entwickeln. Daher sollten sich beide Parteien schon von Beginn an auf einen gemeinsamen Beziehungstyp einigen. Doch wie identifiziert man einen für beide Geschäftspartner geeigneten Beziehungstyp und entwickelt diesen effektiv durch alle fünf Beziehungsphasen hinweg? In der Praxis wird diese Frage meist gar nicht gestellt. Das ist ein Grund für das Scheitern vieler Geschäftsbeziehungen. Der Relationship Alignment-Ansatz als Leitfaden Der Relationship Alignment-Beratungsansatz wurde konzipiert, um mittels einer systematischen und klar strukturierten Methode Aufbau, Erhalt oder auch Wiederherstellung effektiver Arbeitsbeziehungen zwischen zwei Organisationen sicherzustellen. Praktische Verwendung finden hierbei zwei verschiedene Ansätze. Der reaktive Relationship Alignment-Ansatz wird bei bereits existierenden Geschäftsbeziehungen eingesetzt und hilft dabei, festgefahrene und stark Abb. 3: Modular aufgebautes Relationship Launch Framework für die Entwicklung einer neuen Geschäftsbeziehung - der sogenannte proaktive Ansatz Vorbereitung/ Analyse Konzeption Realisierung Kontinuierliche Erfolgsbegleitung Informationssammlung Identifikation von Sponsoren Zustimmung über Arbeitsumfang Tiefeninterviews Initialer strategischer Pulse-Survey Entwicklung strategisches Konzept Durchführung Launch Workshops Aktionsplan Follow-up Kommunikation der Workshop-Ergebnisse Selektives Coaching Relationship Scorecard Strategische Pulse-Surveys Taktische Pulse-Surveys Coaching Teambuilding Entwicklung taktisches Konzept Ergebnisse Aktivität Phase ✓ Zustimmung zum Vorgehen ✓ Dokumentation der Ergebnisse ✓ Status mit potenziellen Herausforderungen ✓ Relationship Launch & Governance- Konzept ✓ Planung von Aktivitäten (z.B. Workshops) ✓ Dokumentierte und kommunizierte Ergebnisse ✓ Maßnahmenplan ✓ Definition von Beziehungsprotokollen ✓ Health Check- Ergebnisse ✓ Ausgebildete Relationship Manager ✓ Überarbeitete Aktionsplanung 1 2 3 4 Ressourcenplanung, die funktioniert Projektportfolio-Management Ressourcenplanung Zeit-/ Leistungserfassung Kosten-Controlling Ihre Testinstallation in der Cloud in 1 Stunde für Sie bereit Scheuring AG CH-4313 Möhlin / +41 61 853 01 54 www.scheuring.ch / info@scheuring.ch www.ressolution.ch Anzeige WISSEN 55 projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2017 nis der Analysen und des von beiden Seiten gewünschten Beziehungstyps. Ein Element kann beispielsweise die Entwicklung einer gemeinsamen Charta der Zusammenarbeit sein, in der beide Parteien Grundregeln der Zusammenarbeit festlegen. Auch können Governance-Konzepte und Einblicke in das jeweilige Partnerunternehmen thematisiert werden. Ziel ist es, beide Seiten für den gemeinsamen Weg zu sensibilisieren und ein kollektives Verständnis über die zukünftige Zusammenarbeit zu schaffen. Üblicherweise werden zusätzlich spielerische Teambuilding- Events angeboten, welche das Kennenlernen auf einer persönlichen Ebene ermöglichen. Die Ergebnisse des Workshops werden anschließend je nach Absprache mit den Sponsoren mittels teamübergreifender Meetings oder in persönlichen Gesprächen in die operative Ebene getragen. In der letzten Phase findet die Erfolgsbegleitung durch die Relationship Manager statt. Gemeinsam mit den Relationship Alignment-Beratern und den Sponsoren werden Relationship Manager für beide Teams ausgewählt. Diese sind von nun an für die Entwicklung der gemeinsamen Partnerschaft verantwortlich. Wichtige Fähigkeiten für gute Relationship Manager sind beispielsweise „aktives Zuhören“, die „Vermittlung und Lösung von Problemen“ oder „sich in die Lage des anderen versetzen zu können“. Sie sind die treibende Instanz und überprüfen den Kurs beider Parteien fortlaufend. Sie erkennen Abweichungen frühzeitig und können somit mögliche Friktionen im Keim ersticken. In diesem Zusammenhang spielt die sogenannte Relationship Scorecard eine besondere Rolle und stellt ein wichtiges Messinstrument dar. Wie bei einem Navigationsgerät wird am Anfang jeder Reise das geplante Ziel ermittelt. Hierfür wird am Beginn der Partnerschaft mithilfe des Henderson-Portfolios und des initialen strategischen Pulse Surveys der von beiden Seiten gewünschte Beziehungstyp ermittelt. Ist das Ziel bekannt, fehlt lediglich der derzeitige Standort, um den optimalen Weg berechnen zu können. Dieser wird in regelmäßigen Abständen anhand weiterer strategischer Pulse Surveys ermittelt und zeigt den aktuellen Beziehungstyp zwischen den beiden Partnern. Im Idealfall bewegt man sich kontinuierlich in Richtung der beidseitig gewünschten Geschäftsbeziehung. Weicht man vom geplanten Kurs ab, können die Relationship Manager frühzeitig gegensteuern. Zusätzlich beinhaltet die Scorecard den sogenannten Key Relationship Indicator (KRI). Dieser Wert beschreibt den Zustand der Partnerschaft. Versetzt man sich in die Lage eines Kapitäns, reicht es nicht, den gegenwärtigen Standort und das Ziel zu kennen. Auch der Gemütszustand der Crew ist ein wichtiger Faktor und muss ständig kontrolliert wer- Abb. 4: Verlauf einer Geschäftsbeziehung durch alle fünf Phasen einer Partnerschaft mithilfe der Relationship Alignment-Methodik. Die X-Achse zeigt den Zusammenhalt der beiden Teams, wohingegen die Y-Achse die fünf Beziehungsphasen darstellt. 56 WISSEN projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2017 den, um ein Meutern der Mannschaft schon frühzeitig unterbinden zu können. Der KRI überprüft genau diesen Zustand und kann bei regelmäßiger Durchführung als Frühwarnsystem dienen. Ermittelt wird dieser mithilfe des taktischen Pulse Surveys. Wie auch in der strategische Variante wird beim taktischen Pendant ein breites Spektrum von Teammitgliedern beider Seiten online befragt. Die Umfrage ist in fünf Dimensionen gegliedert und behandelt beispielsweise die Kommunikation, Interaktion und das gemeinsame Problemlösungsverhalten. Als Ergebnis der Umfragen stehen detaillierte Analysen zum Zusammenhalt innerhalb der Teams, zwischen den beiden Parteien und der allgemeinen Zusammenarbeit in der Geschäftsbeziehung. Verschlechtert sich beispielsweise der Wert des Zusammenhalts innerhalb eines Teams, kann dieser gezielt und frühzeitig durch Teambuilding- Maßnahmen und einen gezielten Einsatz der Relationship Manager verbessert werden. Diese drei Kennzahlen werden im KRI gebündelt, und zeigen auf einen Blick, wie es um die gemeinsame Beziehung bestellt ist. Zusammenfassung Die Relationship Alignment-Methodik wendet alle drei Bestandteile in Kombination an. So werden die Erwartungen beider Parteien durch Tiefeninterviews und die Durchführung eines initialen strategischen Pulse Surveys transparent gemacht. Diese Erkenntnisse werden von den Relationship Alignment-Beratern ausgewertet und in einem Workshop mit beiden Parteien eingesetzt. Unterstützend werden regelmäßig strategische und taktische Pulse-Umfragen durchgeführt, um Abweichungen auf dem zukünftigen Weg frühzeitig erkennen und gegensteuern zu können. Durch dieses Vorgehen können etwaigen Problemen, wie unterschiedlichen Erwartungen, Revierkämpfen und Schuldzuweisungen schon von vorhinein der Wind aus den Segeln genommen werden. Kombiniert mit den anderen Modulen der Relationship Alignment-Methodik, welche beispielsweise Teambuilding und selektives Coaching umfassen, können identifizierte Probleme gezielt behoben werden. Unter Verwendung der Relationship Alignment-Methodik kann somit der schwierige Weg durch alle fünf Beziehungsphasen effizienter gestaltet werden. Anstatt ohne Navigationssystem auf ein unbestimmtes Ziel zuzusteuern, ist mit der Relationship Alignment- Methode ein gemeinsames Ziel definiert, das mittels geeigneter Navigationsinstrumente erreicht wird. Dieser Weg ist exemplarisch in Abbildung 4 skizziert und zeigt einen deutlichen Unterschied zum klassischen Vorgehen in Abbildung 1. Schlagwörter Change Management, Geschäftsbeziehungen, Projektmanagement, Relationship Alignment- Methode, Zusammenarbeit Kompetenzelemente der ICB 4.0 1.01 Strategie, 1.02 Governance, Strukturen und Prozesse, 1.04 Macht und Interessen, 3.09 Beschaffung und Partnerschaften Literatur [1] Barbini, Edward: Apple und IBM gehen weltweite Partnerschaft ein, um Enterprise Mobility zu verändern. Pressemitteilung, 2014, www.apple.com/ de/ newsroom/ 2014/ 07/ 15Apple-and-IBM-ForgeGlobal-Partnership-to- Transform-Enterprise-Mobility, Stand: 12.6.2017 [2] Eaves, David/ Weiss, Jeff/ Visioni, Laura J.: Managing Alliance Relationships Ten Key corporate capabilities: A Cross-Industry Study of how to build and manage succesful Alliances. Whitepaper, Vantage Partners, Boston 2004, www.conservationgateway.org/ Conservation Planning/ partnering/ cpc/ Documents/ Managing_ Alliances_for_Business_Results.pdf, Stand: 12.6.2017 [3] Ertel, Danny/ Enlow, Sara/ Siddall, Ben: Managing Outsourcing Relationships to Maximize Value: Evolving Relationship Management Practices. Whitepaper, Vantage Partners, Boston 2010, https: / / sig.org/ managingoutsourcing-relationships-maximize-valueevolving-relationship-management-practices, Stand: 12.6.2017 [4] Henderson, John C./ Subramani, Mani R.: The shifting ground between markets and hierarchy: managing a portfolio of relationships. In: Renewing Administration, 1999, S. 99-125 [5] Dahm, Markus H./ Hein, Andreas: Ein Kompass für die Geschäftsbeziehung. Outsourcing: Projekterfolg messbar machen. In: Personalführung 12/ 2014 [6] Dahm, Markus H./ Thorenz, Dietmar: Kooperationen erfolgreich gestalten: Teil I: Kooperationsbeziehungen, Kooperationsformen und Partnerwahl. In: ZCG Zeitschrift für Corporate Governance 6/ 2009 [7] Dahm, Markus H./ Thorenz, Dietmar: Kooperationen erfolgreich gestalten: Teil II: Kooperationsversagen, Konfliktlösung und Beziehungsmanagement. In: ZCG Zeitschrift für Corporate Governance 1/ 2010 Autoren Prof. Dr. Markus H. Dahm ist Change Managementberater, Transformationsexperte und Manager bei IBM Global Business Services, Hamburg. Ferner lehrt und forscht er an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management Hamburg/ Essen in den Themenfeldern Projektmanagement, Organisationsentwicklung, Change Management und Strategisches Management. Er hat mehr als 20 Jahre Projektleitungserfahrung. Anschrift: IBM Deutschland GmbH, Beim Strohhause 17, 20097 Hamburg, E-Mail: Markus.Dahm@de.ibm.com Andreas Hein ist ehemaliger Senior Consultant im Inhouse Consulting bei IBM Global Business Services und promoviert gegenwärtig an der Technischen Universität München im Bereich Digitale Plattformen/ Digitale Geschäftsmodelle. Anschrift: Ferdinand-Miller-Platz 14, 80335 München, E-Mail: Kontakt@Andreas-Hein.info