PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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2018
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Die Kraft narrativer Muster und künstlerischer Prozesse
0101
2018
Nina Trobisch
Dieter Kraft
Dieser Artikel möchte beitragen, Ungewissheit in Projekten anders wahrzunehmen und couragiert anzupacken: fühlend, spürend, analytisch, erkundend und experimentell. Er verweist auf einen Orientierungsrahmen und Arbeitsweisen, die helfen, nicht „trotz“, sondern „mit“ Ungewissheit die Herausforderungen zu bewältigen. Grundlage sind unter anderem eine Expertise für die GPM [1], in der Kreativwerkstätten für den Umgang mit Ungewissheit stattfanden, ein Forschungsprojekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung [2], wie das Experimentieren mit Ungewissheit in Projekten innerhalb der D-A-CH-Forschungswerkstätten.
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UNGEWISSHEIT IN PROJEKTEN 09 projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2018 Was wäre, wenn Projektbeteiligte sich nicht schreckhaft vor der Ungewissheit versteckten oder wie das Kaninchen vor der Schlage erstarrten, sondern sie mutig und einfallsreich an die Hand nähmen; ihr mit Offenheit und Aufmerksamkeit begegneten? Dann könnte in noch ungeübten lebendigen (agilen) Handlungs- und Spielräumen eine Vielzahl von „Ungewissheitskompetenzen“ entfaltet werden. Der Artikel geht der Fragen nach, was Projektmanager für den erfolgreichen Umgang mit Ungewissheit aus einem proaktiven und künstlerischen Zugang lernen können. Es wird aufgezeigt, dass ein Projekt als Veränderungsprozess wahrgenommen werden muss, um auch in Ungewissheit handlungsmächtig zu sein. Wir erläutern ein Prozessverständnis, das archetypische Weisheit mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und kulturellen Bildwelten zusammenführt: das Heldenprinzip ® . Diesen kokreativen Umgang mit Ungewissheit in der Projektarbeit stellen wir vor, um im Anschluss aufzuzeigen, welche Chancen und Voraussetzungen schöpferischen Arbeitsweisen für den Kompetenzaufbau innewohnen. 1 „Ich sehe was, was du nicht siehst“ Die eigentliche Ungewissheit, die „Unknown Unknowns“, werden in dem Artikel dieser Ausgabe „Ungewissheit in Projekten - neue Wege der Bewältigung“ als ein weitgehend „blinder Fleck“ im Projektmanagement sowie auch im Management insgesamt beschrieben. [3] Was wird unter einem „blinden Fleck“ verstanden? Laut der Naturwissenschaft entsteht ein „blinder Fleck“ an genau jenem Ort in unseren Augen, an dem der Sehnerv das Auge verlässt. Dort gibt es keine Fotorezeptoren, welche die Informationen der Umwelt in unser Gehirn weiterleiten; wir können also nicht alles vollständig erkennen. Das Besondere daran ist, dass wir ihn als „blinden Fleck“ nicht erfassen, weil unser Gehirn diese Lücke überbrückt. Wir fügen in der Wahrnehmung Wahrscheinlichkeiten zu einem neuen Bild zusammen und handeln danach. [4] Aus diesem Sachverhalt entwickelten die Autoren Joe Luft und Harry Ingham ihr einprägsames Modell „Johari Fenster“ zum Thema Selbst- und Fremdwahrnehmung: Darin zeigen sie unter anderem einen Bereich auf, wo der agierenden Person das eigene Verhalten nicht bewusst ist, ihrem Umfeld aber sehr wohl. Diesen Bereich nennen sie „blinder Fleck“. Er lässt sich auflösen, wenn durch transparente und ehrliche Kommunikation miteinander zusätzliche Auskünfte ein erweitertes Bild ergeben [5]. Im Alltag sprechen wir umgangssprachlich von einem „blinden Fleck“, wenn jemand etwas nicht zur Kenntnis nehmen will oder kann. Auch dort müssen Informationen und Zusammenhänge so ergänzt und verstanden werden, dass man mit ihrer Hilfe zu einem neuen Verhältnis zu sich selbst und den Sachverhalten findet. Was hat das mit unserem Thema zu tun? Führen wir im Kontext von „Ungewissheit in Projekten“ einmal zusammen, was zu einem übergreifenden Bild werden kann: • Ob es uns gefällt oder nicht, wir nehmen wahr, dass in unserer komplexen und disruptiven Arbeitswelt die Kategorien Planung, Steuerung und Kontrolle an ihre Grenzen stoßen und nicht mehr Garant für das Gelingen von Projekten sind. • Ob wir wollen oder nicht, Ungewisses, Unsicheres, Unwägbares sind prozessimmanente Faktoren der Projektarbeit und kein außergewöhnlicher Störfall. Niemandem kann dafür explizit die Schuld in die Schuhe geschoben werden. Die Quellen von Ungewissheit entspringen vielmehr vielfältigen Dynamiken oder deren Gemenge. Systemische, technische, klimatische, globale oder zwischenmenschliche Unvorhersehbarkeiten können Anstoß für ihre diversen Ausprägungen sein. • Ob wir einverstanden sind oder nicht, Ungewissheiten sind mit noch so detaillierter Vorausschau, planmäßig-rationalem Agieren und wissenschaftsbasierter Akribie nicht wegzuwi- Mit Ungewissheit Projekte meistern Die Kraft narrativer Muster und künstlerischer Prozesse Autoren: Nina Trobisch, Dieter Kraft >> Für eilige Leser Dieser Artikel möchte beitragen, Ungewissheit in Projekten anders wahrzunehmen und couragiert anzupacken: fühlend, spürend, analytisch, erkundend und experimentell. Er verweist auf einen Orientierungsrahmen und Arbeitsweisen, die helfen, nicht „trotz“, sondern „mit“ Ungewissheit die Herausforderungen zu bewältigen. Grundlage sind unter anderem eine Expertise für die GPM [1], in der Kreativwerkstätten für den Umgang mit Ungewissheit stattfanden, ein Forschungsprojekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung [2], wie das Experimentieren mit Ungewissheit in Projekten innerhalb der D-A-CH-Forschungswerkstätten. 10 UNGEWISSHEIT IN PROJEKTEN projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2018 schen und spielen in allen Phasen des Projektverlaufes mit, sowohl in der Planung, der Umsetzung als auch in der Implementierung. [6] Projektleiter könnten diese Tatsachen im Sinne des „blinden Flecks“ zusammenfügen und daraus ein neues Paradigma der Projektarbeit bilden. Denn wenn man der Ungewissheit Im Projektablauf nicht den notwendigem Stellenwert einräumt, der ihr gebührt, und sie lieber kleinredet, statt ihr auf Augenhöhe zu begegnen, kann sie tatsächlich die Büchse der Pandora öffnen. Und wer will das schon ... Die Akzeptanz der doppelten Ungewissheit, der „Unknown Unknowns“ ist der erste Schritt, die Projektrealität vertieft und erweitert zugleich wahrzunehmen - im Unterschied zu den drei heiligen Affen, die nicht sehen, nicht hören, nicht sprechen wollen. Dass eine vertiefte Wahrnehmung möglich ist, zeigen Kultur und Kunst immer wieder. Doch nicht nur Künstler, sondern auch Projektleiter können sich über schöpferische Methodiken Perspektivenvielfalt und Mehrdimensionalität aneignen. Künstlerisches Arbeiten in außerkünstlerischen Feldern, besonders in der Arbeitswelt, ist kein Neuland und hat seit Beginn des 20. Jahrhunderts Tradition [1]. Mit einem Instrumentarium von Kulturtechniken, die das Vertrauen in das eigene kreative Handeln stärken, ist ein vielfältiges Reservoir nutzbar. Dabei greift man je nach Bedarf den Reichtum künstlerisch-ästhetischer Methoden auf - wie Darstellende Kommunikation, Storytelling, Creative Writing, Improvisation, musikalisches Arbeiten, Arbeit mit Alltagsmaterialien, bildkünstlerische Elemente etc. 2 Ein gemeinsames Prozessverständnis für den Umgang mit Ungewissheit Projekte sind eng mit Veränderung verknüpft. In ihnen wird ein Produkt kreiert, eine Anlage gebaut, ein neues Unternehmen etabliert, eine Organisation umgestaltet. Über Projekte wird die Zukunft gestaltet [7]. Unabdingbar für ihr Gelingen ist, dass alle Beteiligten ein gemeinsam geteiltes Prozessverständnis entwickeln, in dem Ungewissheit als stabile Komponente komplexer Projekte vorkommt. So werden ihre Dynamiken überhaupt erst thematisierbar und bearbeitbar. Projekte können also nicht mehr nur in linear planbaren Meilensteinen getaktet werden, sondern müssen in ihrem ganzheitlichen Spannungsbogen erfasst und abgebildet werden. Ein tradiertes Erfahrungswissen der Menschheit und kollektive kulturelle Muster führen zum bildhaften Prozessverständnis eines mutigen Weges durch das unwägbare Ungewisse, dem zugleich eine immer ähnliche Schrittfolge zugrunde liegt. Eine Methode, um ein gemeinsames Prozessverständnis in Projekten zu generieren, ist das Heldenprinzip ® , das folgend beschrieben wird. Das Heldenprinzip ® als Orientierungsrahmen für den Umgang mit Ungewissheit Menschen überliefern seit Generationen existenzielle Einsichten mit Veränderung in Mythen, Geschichten und Filmen. In einer typischen Story Line manifestiert sich darin die Grundstruktur von Entwicklung, Wandel und Reifung. Wir alle haben als Teil des kollektiven Bewusstseins nach wie vor einen ganzheitlichen Zugang zu diesem Wissen. Das Heldenprinzip ® verdichtet diese universelle Gesetzmäßigkeit mit neuesten Wissensständen aus Management und Psychologie zur Dramaturgie der Veränderung. Es beschreibt einerseits die Akteure des Wandels (mythologisch: Helden & Heldinnen) und andererseits das Grundmuster von Veränderungsprozessen (mythologisch: „Heldenreise“ oder der „Monomythos des Helden“ nach Joseph Campbell). [8, 9] Mit diesem Orientierungsrahmen aus alter Weisheit und neuem Wissen ist die Grundstruktur von Veränderung für die Arbeitswelt und speziell auch für Projekte und Projektmanagement zugänglich gemacht. Sowohl subjektive als auch objektive Herausforderungen lassen sich somit verorten und gestalten. Das Heldenprinzip ® minimiert zwar nicht die Dynamiken des Weges, gibt jedoch die nötige Orientierung für alle Projektbeteiligten und macht den Prozess des Gelingens mit seinen Unwägbarkeiten beschreibbar, besprechbar, gangbar. Es ermöglicht eine Balance zwischen der unvermeidlichen Instabilität in und der notwendigen Stabilität für den Projektalltag [10, 11]. Wenn wir Prozesse so verstehen, wie sie in der Narration der „Heldenreise“ in Bild, Wort und Situation gefasst sind, wird der Unterschied zwischen einer noch so detaillierten Projektplanung und einem menschenorientierten Prozesszugang deutlich. Dort wird Veränderung vorrangig auf der fachlich-sachlichen Ebene entworfen und gesteuert, hier geht es um das wechselwirkende Zusammenspiel von rationalem und schöpferischem Handeln. Es eröffnen sich Möglichkeitsräume, die Selbstvertrauen, Selbstverantwortung und Kreativität fördern. Das Wissen um diese archetypische Dramaturgie, als geteiltes Wissen im Projektteam, löst ein Paradoxon: Es generiert Sicherheit für den unsicheren Weg, indem Unsicherheit akzeptiert wird. Dadurch entsteht eine ganzheitliche Vielfalt, die den „blinden Fleck überbrückt“. Wie verläuft dieser Weg für einen gelingenden Umgang mit Ungewissheit in Projekten? Jedes Projekt ist eine ganz eigene Expedition in das abenteuerliche Grenzgebiet zwischen konkreter Realität und universeller Analogie. Wie ein Kompass in unwegsamen Gefilden hilft das Heldenprinzip ® beim Navigieren in Komplexität. Eine stabile Struktur öffnet kreative Freiräume für den Umgang mit der Ungewissheit. Die Essenz von gebündeltem Wissen und persönlichem Erfahren führt vor Augen, wie gelingende Veränderungsprozesse ablaufen (müssen), und sie werden zum Gradmesser des Geschehens. [10] Aufbau und Spannungsbogen lassen sich für die Projektarbeit so zusammenfassen: Zyklus: Die Projektbeteiligten (Heldinnen & Helden) durchlaufen in komplexen Projekten einen Zyklus der Veränderung, der die vielschichtigen Denk-, Gefühls- und Handlungsebenen verbindet. Somit werden die einzelnen Schritte im Kontext zum Ganzen nachvollziehbar und steuerbar. Mit Blick auf den zyklischen Charakter eines Projektes wird greifbar, dass zwischen Anfang und Ende typische Themenschritte in ihren spannungsreichen Zusammenhängen zu erwarten sind. Der projekttypische Spannungsbogen kann den „blinden Fleck“ überschreiben und minimiert Unsicherheit in der jeweiligen Projektspezifik. Ebenen: Der Projektzyklus teilt sich in zwei grundsätzliche Ebenen. Die „bekannte Welt“ bezeichnet das vertraute Terrain, das gewohnt, messbar und rational durchdrungen ist. Die „unbekannte Welt“ umschreibt unvertrautes Terrain, das ungewohnt, unvermessen und rational allein nicht erschließbar ist. In diesen Landschaften befinden sich Unbestimmtheitszonen oder Möglichkeitsräume, wo Menschen immer wieder neu urteilen und entscheiden können/ müssen. Hier entsteht das Gefühl von Unsicherheit. Beide Ebenen sind geteilt durch eine Schwelle. Schlussfolgernd für den Umgang mit Ungewissheit in Projekten geht es um die Akzeptanz der Schwelle zwischen dem klar Erkennbaren und dem kognitiv noch nicht vollständig Darstellbaren. UNGEWISSHEIT IN PROJEKTEN 11 projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2018 Es geht ebenfalls um die Akzeptanz von heterogenen Denk- und Handlungsmodi, die beide „Welten“ von Projektleitern und deren Teams zwingend fordern. Drei Akte: Die Projektbeteiligten (Heldinnen & Helden) bewegen sich durch die Phasen: „Aufbruch - Abenteuer - Rückkehr“. „Aufbruch“ aus der bekannten Welt des Handelns in eine Welt voller unwägbarer „Abenteuer“ im Ungewissen, aus denen neue Schätze (Erkenntnissen, Haltungen, Kompetenzen) erworben werden. Bei der „Rückkehr“ dient dieses Neue dazu, eine vertiefte Qualität von Problemlösungen zu verankern. Für die Projektarbeit ist wichtig, dass diese drei Phasen sowohl in ihrer differenzierten Ausprägung als auch in ihrer folgerichtigen Dynamik ernst genommen und gestaltet werden. Elf Szenen: In einer Schrittfolge von inneren und äußeren Bewährungssituationen, die gepflastert sind mit Höhen und Tiefen, Erprobungen und Bewährungen, Erfolgen, Stolpersteinen und Niederlagen, wird der herausfordernde Weg einer Projektarbeit zum Projekterfolg beschrieben. Aus den archetypischen Szenen der Heldenreise erkennen die Projektbeteiligten das Allgemeingültige und können so das für die jeweilige Situation Notwendige ableiten. Sie wissen um die typischen Protagonisten (Rollenverteilungen) und deren für den Projektablauf erforderliche Kompetenzen. Zusätzlich spüren sie, dass ihre Performance im Prozess stetig erweitert werden kann und muss. Im Grunde sind die einzelnen Schritte im Zyklus künstlich nicht zu beschleunigen; wie das berühmte Gras, das nicht schneller wächst, wenn man daran zieht. [10] Damit kennen alle Beteiligten die „Spielregeln“ und sind potenziell mit den Gedanken, Energien und Bildern des Prinzips erreichbar. Das gilt nicht nur für das aktuelle Projekt, sondern ist zugleich auch Wissenszuwachs für alle zukünftigen Reifungsschritte. Jeder Schritt hat dabei seine ganz eigene Bedeutung und essenzielle Berechtigung für den Projektverlauf. Jede Phase trägt gleichberechtigt zum Gelingen bei und kann zum Maßstab für den Erfolg oder Misserfolg des Projektes werden. Deshalb brauchen alle Beteiligten eine große Sensibilität und volle Aufmerksamkeit. Projektleiter sollten ein Klima des suchenden Erkundens eröffnen und eine Kultur von „Try and Error“ etablieren. Diese Kriterien sind Bestandteile einer transrationalen und schöpferischen Projektumsetzung. 3 Transrationale und schöpferische Arbeitsweise als neue Kompetenz In dem anfangs erwähnten Artikel heißt es „das subjektivierende Handeln (weist) eine besondere ‚Methodik‘ und ‚Systematik‘ auf ... Die für das subjektivierende Handeln notwendigen Fähigkeiten sind zwar grundsätzlich vorhanden - ebenso wie bspw. die Fähigkeit, logisch zu denken; sie müssen jedoch in gleicher Weise wie die Fähigkeiten zu objektivierendem Handeln systematisch gefördert und zu einer besonderen professionellen Kompetenz entwickelt werden: explorativentdeckendes Vorgehen, spürend-empfindendes Wahrnehmen sowie assoziativ-bildhaftes Denken. Notwendig sind hierzu besondere handlungs- und erfahrungsbezogene Formen des Lernens sowie ein unmittelbarer Bezug zur Praxis.“ [1] Was ist das Besondere an erfahrungsorientierten Lernformen in einem schöpferischen Prozess? [12] • Sie aktivieren die Sinne. • Sie arbeiten experimentierend, erkundend, erprobend. Abb. 1: Heldenprinzip ® - Kompass für Innovation & Wandel; Abbildung: Kerstin Kais 12 UNGEWISSHEIT IN PROJEKTEN projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2018 • Sie suchen Neues und machen es bewusst. • Sie lassen sich auf das Risiko des Unbekannten ein. • Sie verbinden Intuition mit Reflexion. • Sie agieren zieloffen, aber nicht ziellos. • Sie befreien von einengenden Richtig-falsch- Rastern. • Sie rechnen Versuche und Krisen ein. • Sie schaffen Augenhöhe zwischen den Beteiligten. • Sie fördern Zusammenarbeit und Gemeinsinn. • Sie ermutigen zum ganzheitlichen Zusammenspiel. • Sie stärken die kulturelle Kompetenz aller Beteiligten. • Sie erspüren und verändern Atmosphären. • Sie vertrauen der emotionalen Komponente Übungsfeld: Künstlerisches Arbeiten für den Umgang mit Ungewissheit Für beide Lernformen bietet sich ein Übungsfeld an, das im Projektmanagement noch ungewohnt ist: die Arbeit mit künstlerischen Mitteln und Methoden. Denn Kunst kann erkunden, entdecken, emotionalisieren, erproben, provozieren, erspüren, schöpfen, dialogisieren, irritieren, versinnlichen, lösen, aktivieren, beflügeln, ankern. Praktiken aus Theater, Musik, bildender Kunst etc. sind Mittel, um Unvorhersehbares freizusetzen. Das führt zu neuen Haltungen, neuen Inhalten, neuen Ideen. [13] Als Beispiel sei hier die künstlerische Recherche zum Umgang mit Ungewissheit in der In D-A-CH- Forschungswerkstatt 2016 erwähnt, wo Projektmanager sich freudvoll erprobten. Mit Alltagsmaterialien (Styroporplatten, Luftballons, Klebeband etc.) entstanden in Kokreation Skulpturen zu konkreten Themenstellungen in Projekten. Beim Bau der Artefakte vollzog sich unter den Teilnehmenden eine schöpferische Auseinandersetzung, die auf assoziativer Ebene Unerwartetes zum Ausdruck brachte. Im Ergebnis war der Raum erfüllt mit einer anderen Art der Verbundenheit unter den Teilnehmenden, dem Erstaunen, was sich im Unbekannten entdecken lässt, und einer Zuversicht, im Ausprobieren neuer Wege zu unerwarteten Ergebnissen zu kommen. Summa summarum: doppelte Handlungsfähigkeit im Ungewissen. Abfolge einer künstlerischen Intervention: 1. Schritt: Einen künstlerischen Impuls als Inspiration für thematische Auseinandersetzungen setzen 2. Schritt: Das exemplarische Agieren im offenen Prozess des Erkundens und Erprobens anregen 3. Schritt: Die Reflexion der Erfahrung von Werk und Prozess im Austausch mit sich und anderen initiieren 4. Schritt: Zur Implementierung des Neuen in den praktischen Arbeitszusammenhang ermutigen Diese Schrittfolge umschreiben wir mit dem Begriff „transrational“. Das Besondere an der transrationalen Arbeitsweise ist, wie sich das Analytische, das Ästhetische und das Performative miteinander verknüpfen. Das Analytische verschafft uns Zugang zu den Fakten, den empirischen Daten. Es ist untrennbar verknüpft mit einem nichtwissenschaftlichen Teil, nämlich Annahmen oder Konstrukten, welche die Fakten in einen größeren Zusammenhang stellen. Das Ästhetische heißt wahrnehmbar und fühlbar machen. Es lässt ein fortwährendes Wechselspiel unserer Wahrnehmung auf unterschiedlichen Ebenen zu und unterstützt die Erkundung von Unschärfe und Unbestimmtheit. Ästhetik hilft, Zusammenhänge, Glaubenssätze und sich selbst als Teil eines ganzheitlichen Geschehens zu erfahren. Im performativen schöpferischen Tun äußert sich die transformative Kraft der Beteiligten. Kreativität entfaltet sich im kreativen Prozess. Die ihn kennzeichnende Ungewissheit müssen wir erspüren und durchleben, um einen Zuwachs an Handlungsfähigkeit zu erhalten. Im Projektmanagement können künstlerische Vorgehensweisen Übungsfelder für den Umgang mit Ungewissheit sein. Ihr gestaltender Modus entspricht dem Bedürfnis von Menschen, enge Bezüge zwischen der Projektarbeit und dem eigenen Denken, Fühlen, Erleben herzustellen. In ungewohnten Perspektiven finden sie den Ausdruck für ihre eigenen Wahrnehmungen, spüren die Kraft der Gestaltung oder den Flow der Kokreation. Die Projektbeteiligten werden nicht nur funktional gesehen, sondern als kulturelle Wesen voll Vitalität und Inspiration wertgeschätzt. 4 Zusammenfassung Da Ungewissheit einen wichtigen Parameter im Projektmanagement darstellt, sind Projektleiter aufgefordert, mit ihren Teams in einer lebendigen Wechselwirkung von rationalem und schöpferischem Modus zu arbeiten. Dies gelingt zum Ersten durch ein gemeinsames Projektverständnis aller Beteiligten für den dynamischen Spannungsbogen in Projekten. Der ganzheitliche Orientierungsrahmen, wie ihn das Heldenprinzip ® beschreibt, dient dem Erkennen, Erspüren, Verorten und Gestalten - das gibt Stabilität im Instabilen. Zum Zweiten ermöglicht die Entfaltung transrationaler Kompetenzen, wie sie in künstlerischen Arbeitsweisen erprobt wurden, eine erweiterte Kommunikation über den Projektalltag. Das Sinnbild der Held/ -innen steht für die Fähigkeit und die Bereitschaft aller Projektbeteiligten, Projekte innovativ und verantwortlich zu gestalten - mit Mut und Kraft, Klugheit und allen Sinnen, Sensibilität und Kreativität. Der aufreibende Pfad eines Heldenweges verdeutlicht, was Abb. 2: Künstlerische Intervention in der D-A-CH-Forschungswerkstatt 2016; Fotos: Raimo Hübner UNGEWISSHEIT IN PROJEKTEN 13 projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2018 notwendig ist, dieses Expertentum zu erringen. Daher sind Heldinnen und Helden für uns gleichzusetzen mit Projektteams. Komplexere Informationen, assoziative Bilder, flexiblere Handlungsoptionen überschreiben den „blinden Fleck“. So können Projekte nicht „trotz“, sondern „mit“ Ungewissheit gemeistert werden. Ziel des Artikels ist es, dies couragiert und kompetent zu tun! Literatur [1] Böhle, F./ Heidling, E./ Neumer, J./ Kuhlmey, A./ Winnig, M./ Trobisch, N./ Kraft, D./ Denisow, K.: Umgang mit Ungewissheit in Projekten. Expertise für die Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement (GPM) e. V., Nürnberg 2016 [2] www.heldenprinzip.de/ forschung, Innovationsdramaturgie nach dem Heldenprinzip [3] Böhle, F./ Heidling, E./ Kuhlmey A./ Neumer, J.: Ungewissheit in Projekten - neue Wege der Bewältigung. In: projekt Management aktuell 1/ 2018, Köln [4| www.dasgehirn.info/ wahrnehmen/ sehen/ interaktiv-blinder-fleck [5] www.wikipedia.org/ wiki/ Johari-fenster [6] Biehl-Missal, B.: Wirtschaftsästhetik. Gabler-Springer, Wiesbaden 2011 [7] Huemann, M./ Andratsch, D./ Ringhofer, C.: Ungewissheit mit System. Systemaufstellungen als Next Practice im Projektstakeholder- Management. In: projektManagement aktuell 1/ 2018, Köln [8] Campbell, J./ Moyers, B.: Die Kraft der Mythen. Artemis & Winkler, Düsseldorf/ Zürich 2007 [9] Campbell, J.: Der Heros in tausend Gestalten. Insel, Frankfurt am Main 1999 [10] Schildhauer, T./ Trobisch, N./ Busch, C. (Hrsg.): Heldenprinzip ® Kompass für Innovation und Wandel. Verlag Universität der Künste, 2012 [11] Schildhauer, T./ Trobisch, N./ Busch, C. (Hrsg.): Magie und Realität vom Heldenprinzip heute - Arbeitsbuch für Wirtschaft, Wissenschaft und Weiterbildung. Monsenstein & Vannerdat, Münster 2011 [12] Hüther, G.: Wer wir sind und wer wir sein könnten. Fischer, Frankfurt am Main 2013 [13] Sachs, S./ Hildegard, K.: Die rote Blume - Ästhetische Praxis in Zeiten des Wandels. 2013 Schlagwörter Change Management, Heldenprinzip, Heldenreise, künstlerische Interventionen, Kunst, Projektmanagement, Ungewissheit, Veränderung Kompetenzelemente der ICB 4.0 Perspective 5: Kultur und Werte; People 1: Selbstreflexion und Selbstmanagement; People 5: Führung; People 6: Teamarbeit; People 8: Vielseitigkeit; Practice 11: Chancen und Risiken; Practice 13: Change und Transformation Autoren Nina Trobisch, Dramaturgin für Change & Innovation, ist Theaterwissenschaftlerin, systemische Beraterin und Gestalttherapeutin. Sie leitete das BMBF-Forschungsprojekt „Innovationsdramaturgie nach dem Heldenprinzip ® , den Zertifikatskurs an der Universität der Künste Berlin und entwickelte daraus ein transrationales Beratungsmodell. Anschrift: Lumen GmbH, Weydingerstraße 14-16, 10187 Berlin, Tel.: 01 78/ 3 96 64 72, E-Mail: Trobisch@heldenprinzip.de Dieter Kraft ist Integrativer Kunsttherapeut (EAG) und Coach für Führungskräfte mit dem Schwerpunkt Theatrale Kommunikation sowie Gastdozent für Wissens-, Konflikt- und Changemanagement an der FH Wien. Er begleitete das BMBF-Forschungsprojekt zum Heldenprinzip ® und ist Dozent des Zertifikatskurses an der Universität der Künste Berlin. Anschrift: Tel.: 01 76/ 23 46 50 39, E-Mail: dekraft@gmx.de Anzeige