PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Stichtag notieren! Ab 1. Juli 2018 gilt die neue ICB 4
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Oliver Steeger
David Thyssen
Klaus Pannenbäcker
Ab 1. Juli 2018 wird die GPM nach der neuen ICB 4 zertifizieren. Die ICB – die Individual Competence Baseline – ist ein weltweiter IPMA-Standard im Projektmanagement. Er beschreibt verbindlich die Kompetenzen, die für erfolgreiche Projektarbeit benötigt werden. Ein globaler Standard: Was muss man im Projektmanagement können? Welche Fähigkeiten muss zum Beispiel ein Projektmanager bei der Zertifizierung nachweisen? Zehn Jahre lang galt die ICB 3. Mit der Einführung der ICB 4 wird sich vieles verändern. Was genau, das erklären Dr. David Thyssen und Klaus Pannenbäcker im Interview.
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46 REPORT projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2018 Augenblick! Früher hat man nur von Projektmanagement gesprochen ... DT: Das ist richtig. Bisher waren die Aufgabengebiete in der ICB vermischt. Dies hat sich mit der neuen ICB 4 geändert. Daran erkennen Sie einen wesentlichen Unterschied zwischen der bisherigen ICB 3.0 und der neuen ICB 4. Die neue ICB 4 ist deutlich breiter angelegt. Der Fokus der neuen ICB 4 liegt nicht mehr allein auf Personen mit Projektmanagementaufgaben. Es haben sich in den vergangenen Jahren andere Aufgabengebiete in der Projektwirtschaft etabliert, Programmmanager oder Portfoliomanager sind nur zwei Beispiele dafür. Dies meine ich mit Verbreiterung. So erklärt sich, weshalb es nun unter dem Titel ICB 4 mehrere Standards gibt - von denen sich einer an Personen im Projektmanagement richtet. Die ICB 4 richtet sich nicht mehr allein an Projektmanager, sondern an alle in der Projektwirtschaft Tätigen? DT: Die ICB 4 spricht ausdrücklich von Handelnden in Projekten. Dies eröffnet die Möglichkeit, dass auch andere Rollen jenseits des Projektmanagers betrachtet werden können. Im ersten Schritt wurden jetzt die Anforderungen für die drei Aufgaben Projektmanagement, Programmmanagement und Portfoliomanagement definiert. Dies bedeutet aber nicht, dass es zukünftig nicht auch Kompetenzstandards für weitere Aufgabengebiete geben kann. Wir können überlegen: Welche Kompetenzen benötigen beispielsweise Führungskräfte in projektorientierten Organisationen oder wie können Mitglieder eines Lenkungsausschusses optimal für ihre Aufgabe qualifiziert werden? Die ICB 4 ist ein Kompetenzrahmen, der schrittweise erweitert werden kann und auf andere Rollen erweitert werden wird. Es könnte in Zukunft noch mehr ICB-Standards geben? DT: Das ist sogar sehr wahrscheinlich. Die ICB ist in der neuen Version sehr flexibel geworden. Oder besser: Sie befindet sich auf einer höheren Abstraktionsebene. Sie ist modular aufgebaut und ausbaufähig. Daraus können Qualifizierungs- und Zertifizierungsangebote für weitere Rollen entwickelt werden: zum Beispiel für PMO- Mitarbeiter oder für Projektauftraggeber. ICB IST FLEXIBEL GEWORDEN Verstanden! Die neue ICB hat in den vergangenen Wochen ein breites Echo hervorgerufen, nicht nur Lob, sondern auch einige Kritik. Beispielsweise wurde kritisiert, dass aktuelle PM-Trends nicht ausreichend in die ICB 4 aufgenommen wurden, beispielsweise bestimmte agile Ansätze. Ist die ICB 4 schon jetzt nicht mehr auf der Höhe der Zeit? DT: Diese Kritik ist an mich selbstverständlich auch herangetragen worden. Sie trifft jedoch nicht zu und geht am Kern der ICB 4 vorbei. Entscheidend ist nicht, ob diese oder jene Methode im Standard genannt wird. Die ICB 4 beschreibt die Kompetenzen, über die jemand im Projektmanagement verfügen muss. Unabhängig davon, nach welchem Prozess- oder Vorgehensmodell im konkreten Fall gearbeitet wird. Im Gegenteil: Eine ganz wesentliche Kompetenzanforderung des Standards ist es, für die jeweilige Projektsituation den richtigen Projektmanagementansatz auswählen zu können. Das kann mal ein klassisches Vorgehen sein, mal eine Mischform aus verschiedenen Vorgehensweisen und hin und wieder auch ein rein agiler Ansatz. Prozessstandards oder Richtlinien wie das PMBok, Prince2 oder auch SCRUM sind ohne Weiteres mit der ICB 4 kombinierbar. Die ICB ist bekanntlich ein Kompetenzstandard - und eben kein Prozessstandard ... DT: Sie ist flexibel, da sie beschreibt, was und warum etwas getan werden muss, aber nicht, wie, und vor allem nicht, in welcher Reihenfolge die Dinge getan werden müssen. Es gibt nicht das eine richtige Projektmanagement, aber viele Erfolgsfaktoren für gutes Projektmanagement. Diese sind in der ICB 4 zusammengetragen. Nehmen wir das Beispiel Scope and Deliverables - im Deutschen Leistungsumfang und Lieferobjekte. Wichtig ist, dass Projektleiter in der Lage sind, den Umfang ihres Projekts eindeutig zu definieren und über den Projektverlauf im Griff zu behalten. Früher war es in den Standards der IPMA selbstverständlich, dass das Arbeitspaketformular das eine richtige Instrument zur Definition der Projektinhalte ist. Nun ist auch eingeflossen, dass Aufgaben beispielsweise in im agilen Umfeld gebräuchlichen User Stories und Epics beschrieben werden. Das richtige Instrument ergibt sich aus dem Projektumfeld und den organisatorischen Vorgaben. In den vergangenen Jahren haben wir gesehen, wie schnell das Projektmanagement vor neuen Herausforderungen und Ansätzen steht. Wir wissen nicht, vor welchen Herausforderungen Projektmanager zum Beispiel durch die fortschreitende Digitalisierung morgen stehen werden. Wir kennen nicht die Methoden der Zukunft. Deshalb: Die ICB 4 bietet ein stabiles Fundament, das Handelnden in der Projektwirtschaft die Möglichkeit gibt, in jedem dieser Felder zu arbeiten. Von klassisch-linearen Projekten bis hin zu inkrementell-agilem Arbeiten. Das heißt, die ICB 4 beschreibt eine allgemeine Kompetenzbasis. DT: Wer auf Basis der ICB 4 qualifiziert ist, ist optimal auf die zukünftigen Herausforderungen vorbereitet. Je nach individuellem Bedarf kann die Basis dann durch weitere Spezialisierungen ergänzt werden. Diese weiterführende Qualifikation muss dann auch nicht mit einem Training und einem Zertifikat verbunden sein. Vielleicht reicht es, Bücher zu einem bestimmten Thema zu lesen oder in einer Fachgruppe mitzuwirken. Die neue ICB - in drei Bänden; Foto: GPM REPORT 47 projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2018 Die ICB hat auch in der Vergangenheit die Entwicklung des Projektmanagements geprägt. Dank einer weltweit einheitlichen ICB weiß man, was Projektmanager überall auf der Welt können müssen. Und Projektmanager können ihre Kompetenzen gegenüber Unternehmen und Kunden glaubhaft belegen. Die ICB hat enorm zur Etablierung und Aufwertung des Berufs „Projektmanager“ beigetragen. Dies drückt sich auch in den Zahlen der Zertifizierungen aus: Seit Einführung der ICB haben sich allein in Deutschland fast 70.000 Personen zertifizieren lassen. Herr Pannenbäcker, als Urvater der ICB und Ur-Assessor haben Sie viele Projektmanager kennengelernt. Weshalb nehmen Projektmanager die Lehrgänge und die aufwendige Zertifizierung auf sich? Klaus Pannenbäcker (KP): Der typische Zertifikant ist zwischen 35 und 45 Jahren alt. Er hat bereits Berufserfahrung, natürlich auch Projekterfahrung. Einige Zertifikanten berichten mir, dass sie für ihr Projektmanagement viel von anderen gelernt haben und in der Praxis Erfahrungen gesammelt haben. Learning by doing ... KP: Ja! Nur wurde dieses Wissen lange nicht anerkannt. Viele, die in der Mitte ihres Berufslebens stehen, konnten deshalb ihre Karriere nicht voranbringen. Sie konnten ihre Kompetenz nicht belegen. Durch die Zertifizierung, bei der ja auch die Erfahrung zählt, haben wir diese Lücke geschlossen. Mit dem großen Vorteil: Die Zertifizierung gilt nicht nur in Deutschland oder Europa, sondern weltweit! Dies ist ein Riesenvorteil für die Projektmanager. FAST 70.000 ZERTIFIKATE ALLEIN IN DEUTSCHLAND Die weltweite Geltung - dies ist so eine Sache. Bekanntlich gab es bisher in den Mitgliedsländern sogenannte National Competence Baselines - NCBs. Einige Länder haben die Zertifizierungsrichtlinien der IPMA besonders anspruchsvoll ausgelegt, beispielsweise Deutschland. Andere haben die Ansprüche etwas geringer gehalten. DT: Sie haben es richtig gesagt - die Mitgliedsländer konnten bisher die Standards unterschiedlich auslegen. Diese Möglichkeit gibt es jetzt nicht mehr. Sowohl der Kompetenzstandard wie auch die Zertifizierungsanforderungen sind nun weltweit harmonisiert. Ein identischer Standard, der zwar in die Landessprachen übersetzt, aber nicht mehr geändert werden darf. Internationale Konzerne können sicher sein, dass IPMAzertifizierte Projektmanager überall auf der Welt das können, was von ihnen erwartet wird. Trotzdem - die Zertifizierung in Deutschland war und ist sehr anspruchsvoll. Wer hier auf dem Level D die Zertifizierung bestehen wollte, der musste sich doch sehr anstrengen. In anderen Ländern war es unter Umständen leichter, ein Zertifikat des Levels D zu bekommen. DT: Wir haben in Deutschland bewusst einen hohen Standard bei der Qualifizierung und Zertifizierung gesetzt. Dies werden wir so weit wie möglich beibehalten. Wir haben jetzt aber auch die Chance, unsere Auslegung zu überprüfen. War unsere Auslegung sinnvoll? ANSPRUCHSVOLLE ZERTIFIZIERUNG Und? War sie sinnvoll aus Ihrer Sicht? KP: Uns ist immer wieder vorgeworfen worden, dass die Einsteiger ins Projektmanagement für das Level D zu viel wissen und können müssen. Sie sitzen viele Tage in Lehrgängen, sie bereiten sich aufwendig auf die Prüfungen vor. Aber: Dieses umfangreiche Wissen kann eine Level-Dzertifizierte Person in der Regel anschließend nicht anwenden. Welcher Level-D-Absolvent kommt wirklich in die Lage, ein Projekt mit der Earned-Value-Methode zu steuern? Er wird ja nicht Offizier fürs Projektmanagement, er bleibt - zunächst - Soldat. Daneben ist die Prüfung mit 119 Level A 1.943 Level B 6.277 Level C 39.496 Level D 17.982 Basis 65.817 PM-Zertifikate Die Summe der durch die PM-ZERT erteilten PM-Zertifikate, Stand: 31.12.2017 48 REPORT projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2018 einem Report, einer schriftlichen und einer mündlichen Prüfung sehr umfangreich. Wir machen es den Einsteigern im Projektmanagement nicht gerade leicht. BASISZERTIFIKAT FÜR ANGEHENDE PROJEKTMITARBEITER DT: Genau deshalb hat die GPM in Deutschland bereits vor Jahren das Basiszertifikat im Projektmanagement eingeführt. Dadurch wurde es deutlich einfacher, ins Projektmanagement einzusteigen. Der Markt hat dies honoriert: Im letzten Jahr haben mehr als 4.000 Personen die Prüfung zum Basiszertifikat abgelegt. Damit ist das Basiszertifikat zurzeit das erfolgreichste Angebot der PM- ZERT, der Zertifizierungsstelle der GPM. KP: Beim Basiszertifikat lernt der angehende Projektmitarbeiter das, was er wirklich für seine allerersten Missionen braucht. Es geht nur um Methoden - also nicht etwa um Führungsverhalten oder unternehmerisches Verhalten. Dieses Angebot hat auf dem Markt gezündet - und von den Zahlen her alle anderen Zertifizierungsangebote hinter sich gelassen. Es wäre doch unklug, daraus nicht zu lernen und dieses Angebot nicht weiter auszubauen und daraus einen Nutzen für die GPM zu erwirken. An dieser Stelle sollten wir einen kurzen Blick auf die Historie zu werfen: Das, was wir heute Level D nennen, war in den 1980er-Jahren einmal als 16-tägige Führungskräfteausbildung der heranwachsenden Disziplin Projektmanagement konzipiert worden und nicht als Einstieg für jedermann. Dazu gleich mehr. Ein Punkt interessiert mich noch: Sie sagten, es könne sich ein Nutzen für die GPM ergeben. Um welchen Nutzen handelt es sich? DT: Wer heute ein Basiszertifikat erwirbt, verschwindet wieder sehr schnell aus dem Fokus der GPM. Unser Ziel muss darin bestehen, alle Absolventen für die höheren Qualifizierungen und Zertifizierungen und natürlich auch für die GPM zu gewinnen. Angenommen, nur zehn Prozent der jährlich 4.000 Basiszertifikanten schlössen sich unserer Young Crew - der Nachwuchsorganisation der GPM - an, dies würde der GPM einen unglaublichen Schub geben. Daher wird das Basiszertifikat nun nahtlos in unser GPM Kompetenzmodell integriert. Integration bedeutet, dass jemand, der bereits ein Basiszertifikat besitzt, sich dieses bei einer Höherzertifizierung auf IPMA-Level D anrechnen lassen kann. Wer ist denn Zielgruppe für Level-D-Zertifikate? DT: Das ist sehr, sehr vielfältig. Es handelt sich zum großen Teil um Berufstätige, die bereits erste Projekterfahrungen haben und die möglicherweise vor ihrem nächsten Karriereschritt stehen. Die Level-D-Qualifizierung ist aber auch ein Instrument, um gestandene Projektleiter noch einmal in der Breite der Methoden fit zu machen oder Personen in einer Umschulungs- Zielgruppen und Kernthemen Zielgruppen Kernthemen Basiszertifkat • Schüler und Berufsschüler • Auszubildende • Studierende • Einsteiger im Projektmanagement • Grundlegende Projektmanagementmethoden Level D • Arbeitspaketverantwortliche • Studierende in Studiengängen mit ausgeprägten Projektmanagementinhalten • Auszubildende in der dualen Berufsausbildung • Berufserfahrene, die ihre bisherige Erfahrung mit fundiertem PM-Wissen unterlegen wollen • Projektmanagementmethoden • Kommunikation • Teamarbeit und Feedback Level C • (angehende) Projektleiter, Projektmanager • Teilprojektleiter von komplexen Gesamtprojekten • Leiter PMO, Leiter Projektcontrolling, Leiter Qualitätsmanagement in Projekten • Projektdesign • Management von Projekten • Agile, klassische und hybride Projektmanagementansätze beherrschen Level B • Projektmanager mit langjähriger Erfahrung in der Leitung komplexer Projekte • Projektmanager, die große Vorhaben zum Erfolg führen wollen • Projektmanager, die für organisationsrelevante Projekte Verantwortung übernehmen wollen • Strategieumsetzung durch Projekte • Leadership in Projekten • Agile, klassische und hybride Projektmanagementansätze beherrschen Level A • Leiter von strategischen Großprojekten • Führungskräfte von projektbasierten Organisationen • Strategiegestaltung durch Projekte • Leadership in Projekten • Führen von Projektführungskräften • Unternehmerische Verantwortung REPORT 49 projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2018 maßnahme ohne jede Erfahrung an das Projektmanagement heranzuführen. Der größte Teil unserer Teilnehmer kommt heute aus IT-nahen Branchen. ZIELGRUPPE FÜR LEVEL-D-ZERTIFIKAT Der IPMA-Level C soll künftig das Standardzertifikat für Projektmanager werden. Bislang war der Level D das am häufigsten angestrebte Zertifikat. DT: Bisher war es so, dass fachlich Level D und Level C nicht weit auseinanderlagen. Für die Zulassung zum Level C musste man drei Jahre Erfahrungen mitbringen, für Level D keine - doch inhaltlich lagen die beiden Level recht nah beieinander. Dies wird sich mit Einführung der ICB 4 verändern. Der fachliche Abstand wird größer. Für den Level D weisen Zertifikanten im Schwerpunkt Methodenkenntnisse nach, für das Level C aber Erfahrungen und Führungskompetenz. Es liegt auf der Hand: Wer sicher Projekte leiten will, braucht Erfahrungen - und deshalb das Level C. Ein Level-D-Zertifizierter leitet noch kein Projekt? DT: Nicht unbedingt. Der Level D heißt im Englischen Project Management Associate. Wir sprechen hier vom Projektmanagementmitarbeiter oder noch breiter vom Projektmitarbeiter. Projektleitung beginnt erst ab Level C. Level D sind Projektmitarbeiter? DT: Die ICB 4 beschreibt die Fähigkeiten, die man haben muss, um erfolgreich in Projekten zu arbeiten. Wenn ich als Level-D-Zertifizierter beispielsweise die Verantwortung für eines oder mehrere Arbeitspakete übernehme, muss ich verstehen, wie Projekte gesteuert werden - wie Projektarbeit funktioniert. Führungsthemen werden künftig erst ab Level C berührt. Dort wird man sich intensiv mit Themen wie Mitarbeiterführung und Kommunikation auseinandersetzen. Auf den höheren Leveln wird das Thema „Leadership“ dann zunehmend wichtig, ab Level B aufwärts. Da geht es dann etwa um unternehmensstrategisches Denken oder auch um Führen ohne formale Macht. Richtig spannend im Sinne von gestaltendem Management wird es also ab Level B? DT: Das würde ich so nicht sagen. Auch C-Projekte können sehr spannend und herausfordernd sein. Wer im Projektmanagement strategisch arbeitet, der sollte jedoch über Level B verfügen. Besser noch Level A. Level A ist übrigens vollkommen neu. Bisher ist an einen Level-A-Kandidaten die Anforderung gestellt worden, Portfolios oder Programme zu leiten. Da blitzt ganz leicht die Grundidee - und in vielen Unternehmen auch sicherlich noch heutige Realität - durch, dass auch eine Projektmanagementkarriere letztlich in die Linie führt. Dadurch, dass Programm- und Portfoliomanagement zukünftig eigene Qualifizierungen und Zertifizierungen erfordern, ist der Level A für die wirklich herausragenden, strategischen Großprojektleiter „frei“ geworden. LEVEL A VOLLKOMMEN NEU GESTALTET Nochmals zum Level D. Wer heute das Level D hat, würde damit sozusagen zurückgestuft vom Projektmanager zum Projektmitarbeiter. Kann dies in Ihrem Sinne sein? DT: Nein, niemand wird zurückgestuft. Wer in den letzten Jahren eine Ausbildung auf dem Niveau des Levels D durchlaufen hat, ist hervorragend ausgebildet. Ganz im Gegenteil. Alle, die nach ihrer Ausbildung Erfahrungen in der Leitung von Projekten gesammelt haben, möchte ich ermutigen, sich mit breiter Brust zu ihrer Kompetenz als Projektmanager zu bekennen. Wir werden als GPM auf diese Gruppe in Kürze aktiv zugehen und ihnen ein „Update“ auf ICB 4 und ein „Upgrade“ auf den Level C nahebringen. Wir sprechen immerhin von rund 40.000 Personen. Foto: Gajus - Fotolia.com 50 REPORT projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2018 Augenblick! Dies würde für rund 40.000 Projektmanager heißen, Lehrgänge zu besuchen und nochmals eine Prüfung abzulegen … DT: Ich wiederhole das gerne: Die heutigen Level-D-Zertifikatsinhaber sind hervorragend ausgebildet. Die neuen Inhalte der ICB 4 müssen natürlich vermittelt und die Fähigkeit zur Leitung von Projekten nachgewiesen werden. Unsere Trainingspartner werden im zweiten Halbjahr kompakte Upgrade-Trainings anbieten. Im Rahmen des GPM Kompetenzmodells werden gültige Level-D-Zertifikate als Vorleistung für den Level C anerkannt. Daher wird die PM-ZERT attraktive Angebote für ein Upgrade von Level D auf Level C machen können. UPGRADE-TRAININGS AB ZWEITEM HALBJAHR Kommen wir zurück zum historischen Kontext. Das Thema Führung aus dem Level D herauszunehmen, ist zweifellos eine massive Veränderung. Wie kommt es dazu, dass so tief in das Zertifizierungssystem eingegriffen wird? KP: Vor mehr als 30 Jahren haben wir in der GPM eine Ausbildung für Projektleiter ins Leben gerufen, dies war der „Projektmanagement- Fachmann“, kurz: PMF. In diesem Lehrgang haben wir Projektmanager rundum vorbereitet auf die Leitung von Projekten. Wir haben ihnen alles gezeigt, was sie wissen müssen, um Projekte erfolgreich ans Ziel zu führen - quasi aus dem Stand zum Projektleiter. Zu diesem Zeitpunkt war noch keine Rede von Zertifizierung und einer ICB. Dies kam später. KP: Richtig, wir hatten anfangs nur die Ausbildung zum PMF! Der PMF lief erfolgreich. Später kamen in der IPMA Ideen auf für ein mehrstufiges, international gültiges Zertifizierungssystem. Bei der Entwicklung und Gestaltung der Zertifizierung haben wir aus Deutschland eine besondere Morgengabe mitgebracht: nämlich unseren PMF. Der PMF wurde Maßstab für das Level D, dafür hat die GPM ihren Projektmanagement- Fachmann zur Verfügung gestellt. Die höheren Level waren damals nur skizziert. Die IPMA war aber froh, dass sie den PMF für das Level D verwenden durfte. Damit aber haben wir uns ein Problem eingehandelt. Als Eingangstor in der Zertifizierung hatten wir eine gut eingeführte und sehr gründliche Ausbildung mit rund 16 Lehrgangstagen. Eine sehr hohe Hürde für Einsteiger. DT: Eine so umfangreiche Ausbildung mit damals 16, heute immerhin noch 10 bis 12 Lehrgangstagen als Einstieg in das Thema „Projektmanagement“ ist am Markt schwierig zu platzieren. Dies erleben unsere Trainingspartner jeden Tag. Der Trend geht zu immer weniger Lehrgangstagen - kleine Lerneinheiten sind gefragt. Jetzt gehen wir den mit dem Basiszertifikat begonnenen Weg konsequent weiter: Selbstverständlich braucht man weiterhin mindestens zehn, besser 14 Lehrgangstage für die Ausbildung eines Projektmanagers im Sinne einer Führungskraft. Aber: Diese Ausbildung ist nicht mehr der Einstieg in die Zertifizierung, sondern der Zugang zum Level C! Mit dem Basiszertifikat und dem Level D führen wir schrittweise an die Projektleitungsaufgaben heran: Diese Ausbildungen können dann weniger umfangreich sein. KLEINE LERNEINHEITEN Offen gesagt - ich bin nicht ganz überzeugt. Die Ausbildung zum Projektmanager bleibt umfangreich. Aber jetzt wird das Pensum auf mehrere Häppchen verteilt. Hilft dies wirklich weiter? DT: Mit dem GPM Kompetenzmodell zeigen wir einen langfristigen Entwicklungspfad im Projektmanagement auf. Damit wollen wir dem Ansatz des lebenslangen und lebensbegleitenden Lernens gerecht werden. Wir haben im Rahmen der Entwicklung mit vielen Kunden und Firmenmitgliedern der GPM intensiv gesprochen. Die Unternehmen sind einer Meinung: Heute funktioniert Personalentwicklung zunehmend modular. Kaum ein Mitarbeiter durchläuft noch große Einheiten an Qualifizierung. Es wird in kleinen Einheiten für den unmittelbaren Bedarf geschult. Dies birgt natürlich die Gefahr, dass die Mitarbeiter zwischen den Modulen aussteigen, dass eine bestimmte Anzahl von Personen über das Einstiegslevel nicht hinauskommt. DT: Dieses Problem ist bekannt. In der Vergangenheit haben die meisten Level-D-Zertifikanten auf weitere, höhere Zertifizierungen verzichtet. Die Herausforderung besteht also darin, Interessenten den Einstieg in den Entwicklungspfad zu ermöglichen und sie dann möglichst dauerhaft zu binden. Level D Ihr Schritt vom Basiszertifikat zum Level D: Schriftliche Prüfung (90 Min.) Ihr Schritt vom Level D zum Level C: Report (25 Seiten), schriftliche Prüfung (120 Min.) und Interview (90 Min.) Level C ICB 4 Level D ICB 3 ICB 4 Basiszertifikat ICB 3 Upgrade-Angebote; Abbildung: GPM REPORT 51 projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2018 KP: Zunächst die Frage, weshalb wir viele nicht über das Level D hinaus binden konnten. Nachdem das Level D bestanden war, mussten sie feststellen: Dieses Wissen brauchten sie größtenteils im Arbeitsalltag nicht. DT: So provokativ möchte ich das nicht stehen lassen. Aber es lenkt den Blick auf das richtige Thema: Wie können wir sicherstellen, dass die richtigen Personen vom richtigen Level angesprochen werden? Das Problem fängt aus meiner Sicht nämlich bereits schon früher an. Wir müssen uns fragen: Warum profitieren die IPMA-Level nicht von unserem massiven Erfolg beim Basiszertifikat? Und das verändert sich in Zukunft? DT: Durch die Definition des GPM Kompetenzmodells bilden wir jetzt deutlich mehr die realen Entwicklungsschritte im Projektmanagement ab. Wir entwickeln Projektmanagementkompetenz stufenweise - so, wie es der Einzelne gerade braucht. Die Karriereschritte eines Projektmanagers und unsere Zertifizierungsschritte verlaufen nun noch paralleler: zunächst ein Überblick über die wichtigsten Projektmanagementmethoden im Basislevel, dann der Überblick über alle Kompetenzen, die es im Projektmanagement braucht auf Level D. Level C der Projektmanager als Führungskraft für einfachere Projekte, Level B der Senior Projektmanager für komplexe Projekte und Level A der Projektdirektor als „Leader“ für strategische, hochkomplexe Projekte. Wir vermitteln in dem Prozess exakt das, was der Projektmanager benötigt, um auf der nächsten Stufe erfolgreich zu handeln. MIT DEM RICHTIGEN LEVEL ANSPRECHEN Der Projektmanager wird also über viele Jahre begleitet und in seiner Karrieregestaltung unterstützt? KP: Ja, wir entwickeln die Zertifizierung in diese Richtung - und auch die Qualifizierung. Was die Qualifizierung betrifft: Wir brauchen dafür Weiterbildner und Lernbegleiter. Bei der Vermittlung der Fachsprache des Projektmanagements, der reinen Wissensvermittlung, geht es um das Lehren - noch nicht in größerem Umfang um das Trainieren. Beim Einüben von Methoden und Reflektieren der eigenen Erfahrungen braucht es erfahrene „Trainer“, die die Kniffe und Tricks des Projektmanagements erklären. In den oberen Leveln stehen die Themen Nachhaltigkeit, Strategie und Leadership im Vordergrund. Auf dieser Stufe arbeitet ein „Coach“ als Lernbegleiter. Stellen Sie mit solchen Plänen nicht das gesamte Trainingssystem auf den Kopf? Die Umstellung von einem Trainingsprodukt auf einen Lernprozess dürfte nicht jedem Trainer schmecken. Die GPM hat rund 30 autorisierte Trainingspartner und 70 akkreditierte Trainer. Die Gruppe ist nicht gerade klein … DT: Unsere Trainingsanbieter sind schon heute nicht nur Anbieter eines Qualifizierungsprodukts, sondern kompetente Partner bei der Unterstützung von Lernprozessen - der Schritt zum Entwicklungspartner. Die GPM muss in der Lage sein, Unternehmen mit Beratung bei der Personalentwicklung zu unterstützen. Diese Rolle ist nicht unbekannt. Schon heute wird dies vom Markt gefordert. Nochmals zur neuen ICB 4, dem Werk, das in drei Bänden vor uns liegt. Vorhin haben Sie von einer Verbreiterung der neuen ICB gesprochen. Ich habe verstanden: Die ICB zielt nicht mehr allein auf Projektmanager, sondern potenziell auf alle in der Projektwirtschaft Handelnden. Neben dieser Verbreiterung hat die ICB auch eine Vertiefung erfahren, wie Sie sagen. Vertiefung - was ist damit gemeint? DT: Die ICB beschreibt Kompetenzelemente für Personen, die in der Projektwirtschaft handeln. Die neue ICB umfasst 28 Kompetenzelemente. Bisher wurden diese Elemente auf ein oder zwei Druckseiten beschrieben. Dies hat sich verändert. Denn nun beinhaltet die ICB je Element neben der Definition und Beschreibung auch sogenannte Kompetenzindikatoren. Übersicht zur Zertifizierung Zertifikat Ablauf Basis Basiszertifikat für Projektmanagement (GPM) Schriftliche Prüfung (90 Minuten) Level D Project Management Associate Schriftliche Prüfung (180 Minuten) oder schriftliche Prüfung (90 Minuten) Report (25 Seiten) inkl. Feedback“ Level C Project Manager Schriftliche Prüfung (120 Minuten) Report (25 Seiten) Workshop Interview“ Level B Senior Project Manager Schriftliche Prüfung (180 Minuten) Report (25 Seiten) Workshop Interview“ Level A Project Director „Report (25 Seiten) Interview“ 52 REPORT projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2018 DIE 28 KOMPETENZ- ELEMENTE DER ICB 4 Kompetenzindikatoren? DT: Diese Indikatoren zeigen für jedes der 28 Elemente, an welchen Merkmalen man die Kompetenz erkennt, ganz allgemein. Zum Beispiel das Element „Strategie“. Zu diesem Element gehören fünf Indikatoren. Erstens: das Projekt mit der Strategie des Unternehmens in Einklang bringen. Zweitens: Chancen identifizieren und ausschöpfen, die Strategie der Organisation zu beeinflussen. Drittens: Rechtfertigung für ein Projekt entwickeln. Viertens: Erfolgsfaktoren bestimmen und fünftens: Performance-Indikatoren bestimmen. Die IPMA sagt nun: An diesen fünf Indikatoren ist zu erkennen, ob jemand Strategiekompetenz im Projektmanagement hat. Die Indikatoren geben also Auskunft darüber, was ein Projektmanager lernen muss? DT: Ja und nein, sie sagen nur, woran man genau Kompetenz erkennt. In der ICB 4 wird vieles präzisiert. Was die Qualifizierungen betrifft: Wir haben in einem Qualitätsstandard zu jedem Indikator verbindlich festgelegt, welche Qualifizierungsinhalte mindestens in welches Angebot gehören. Die Trainings können darüber hinausgehen, aber es herrscht Klarheit darüber, was selektiert und geprüft werden muss. 132 „KOMPETENZ- INDIKATOREN“ ERMITTELT Zum Beispiel? DT: Wer das Projekt mit der Strategie des Unternehmens in Einklang bringen will, der muss den Unterschied zwischen Strategie, Mission und Vision kennen. Der muss die Ansätze strategischen Managements und bestimmte, gängige Modelle kennen. Lassen Sie mich zusammenfassen. Aus der Kompetenz wurden Indikatoren abgeleitet, aus den Indikatoren wiederum Trainingsinhalte. DT: Richtig. Und diese können für jedes Level auf einem anderen Niveau sein. Darf ich raten? Sie haben in den vergangenen Monaten in viel Fleißarbeit die Kompetenzelemente und Indikatoren für die Qualifizierung und Zertifizierung heruntergebrochen. DT: Dazu ein paar Zahlen. Wir haben 28 Kompetenzelemente mit 132 Kompetenzindikatoren. Je Indikator folgt etwa ein halbes Dutzend Kriterien für Qualifizierung und Zertifizierung. Allein für das Projektmanagement haben wir über 550 Prüfungspunkte definiert und festgelegt, was ein Projektmanager je Level wissen, kennen, anwenden, analysieren oder beurteilen können muss. Dieses Herunterbrechen der ICB für Multiprojektmanagement und Programmmanagement steht uns noch bevor. Ich bin beeindruckt! KP: Manche Fachleute haben an der ICB 4 bemängelt, es handele sich nur um alten Wein in neuen Schläuchen. Dieser oberflächliche Eindruck verschwindet, wenn man sich näher mit der neuen ICB 4 befasst. Viele, die sich bereits in die ICB 4 vertieft haben, teilten mir mit: Je mehr sie sich damit beschäftigt haben, desto mehr Respekt haben sie vor dem neuen Standard gewonnen. Es gibt eine beträchtliche Zahl von Veränderungen. Diese Veränderungen eröffnen nach vorne hin neues Potenzial. Aber: Auf den ersten Blick werden weder diese Detailveränderungen noch dieses Potenzial sichtbar. Ein Detail an der neuen ICB ist mir aufgefallen. Eine Kleinigkeit. Nämlich der Name. Früher stand das Kürzel ICB für „International Competence Baseline“, heute für „Individual Competence Baseline“. Wie kam es dazu? DT: Wir wollen unterstreichen, dass in der ICB Kompetenzen von Individuen beschrieben werden. Die Betonung der individuellen Kompetenz bedeutet im Umkehrschluss: Es handelt sich nicht um Prozesskenntnisse. Dies wollen wir herausstellen. Mit Verlaub - ist dies nicht am Ende Haarspalterei? DT: Nein, überhaupt nicht. Die ICB 4 hat als Standard den Anspruch, dass sie undogmatisch kombinierbar ist mit allen Prozessstandards, etwa mit der ISO-Norm oder den spezifischen Standards von Unternehmen. Wer in der Lage ist, auf Basis der ICB 4 Projekte zu leiten, für den ist es auch leicht, auf verschiedene Prozesse umzuschalten. Natürlich muss er das jeweilige Prozessmodell kennen. Augenblick! Dies würde bedeuten, dass die vielen Versuche, etwa die ISO-Norm mit der ICB zu vergleichen, … REPORT 53 projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2018 DT: … am Thema vorbeigehen. Wer die ICB mit Prozessmodellen vergleicht, der vergleicht Äpfel mit Birnen. Denn im Gegensatz zu vielen PM- Standards beschreibt die ICB keine Prozesse. Die ICB gibt nicht vor, wie Projekte zu managen sind, sondern beschreibt die Kompetenzen, die ein Einzelner braucht, um Projekte zu managen. Dies macht die ICB einzigartig unter den vielen PM- Standards, die diskutiert werden. KP: Diese Einzigartigkeit war von Anfang an das Ziel bei der Entwicklung der ICB. Wir wollten die internationale Anerkennung der Weiterbildung von Projektmanagern - und dies unabhängig von den spezifischen Vorgehensweisen zum Beispiel einer Branche. Die ICB sollte sowohl auf IT-Projektmanager als auch auf Projektmanager aus dem Anlagenbau oder der Pharmazie zielen. Damit haben wir durch die ICB eine einheitliche Fachsprache, wie wir sie heute beispielsweise bei interdisziplinären Projekten in Netzwerken brauchen. ICB BESCHREIBT KOMPETENZEN, KEINE PM-PROZESSMODELLE Weit mehr als ein Drittel der Wirtschaftsleistungen werden deutschlandweit in Projekten erbracht. Projektmanagement gewinnt immer mehr an Bedeutung. Ich höre immer häufiger den Ruf nach einem von Wirtschaft und Gesellschaft anerkannten Berufsbild „Projektmanager“. Meine Abschlussfrage: Kommen wir mit der neuen ICB 4 diesem Ziel eines Berufsbilds jetzt eine Schritt näher? DT: Angenommen, es gelingt uns, den Level C als Standard für Projektmanager zu setzen und wir können durch die Öffnung der Zertifizierung noch mehr Branchen erschließen. Angenommen, wir können auch die öffentliche Verwaltung gewinnen, die bislang eine geringe Rolle bei der Zertifizierung spielt. Also vorausgesetzt, dies gelingt uns, dann kann ich mir in der Tat vorstellen, dass unser Standard eine Voraussetzung für die Vergabe öffentlicher Aufträge wird. So wie dies in Großbritannien bereits üblich ist. Dann wären wir in der Tat einen großen Schritt vorangekommen - auch in Richtung des Berufsbilds, das Sie eben nannten. Den Begriff „Berufsbild“ sprechen Sie mit einer gewissen Vorsicht aus … DT: Ich beziehe mich lieber auf einen Kompetenzstandard. Natürlich kann man über den Weg der Politik, der Gewerkschaften oder über andere Organisationen versuchen, ein Berufsbild zu etablieren. Im Dialog mit der öffentlichen Hand hat die GPM das Aktionsprogramm „Mit Projekten Deutschlands Zukunft gestalten“ entwickelt. Dort ist dieses Ziel unter anderem definiert. Ich bin aber der Meinung, dass die Welt des Projektmanagements im Moment noch zu vielfältig ist, um in Kürze ein einheitliches Berufsbild zu formulieren. Nehmen Sie als Beispiel die Begriffe: Im Bauwesen spricht man vom „Projektsteuerer“, in der Forschung vielleicht von „Forschungsleitern“, in wieder anderen Branchen hat man es mit einer völlig andern Bezeichnung zu tun. Dies zeigt die vielfältigen Facetten dieses Berufs. Der Weg ist vorgezeichnet, muss aber noch gegangen werden. Überblick über die Kompetenzelemente der ICB4 ® Kontext-Kompetenzen (perspective) Persönliche und soziale Kompetenzen (people) Methodische Kompetenzen (practice) 1) Strategie 2) Governance, Strukturen und Prozesse 3) Compliance, Standards und Regularien 4) Macht und Interessen 5) Kultur und Werte 1) Selbstreflexion und Selbstmanagement 2) Persönliche Integrität und Verlässlichkeit 3) Persönliche Kommunikation 4) Beziehungen und Engagement 5) Führung 6) Teamwork 7) Konflikte und Krisen 8) Vielseitigkeit 9) Verhandlungen 10) Ergebnisorientierung 1) Projektdesign 2) Anforderungen und Ziele 3) Leistungsumfang und Lieferobjekte 4) Ablauf und Termine 5) Organisation, Information und Dokumentation 6) Qualität 7) Kosten und Finanzierung 8) Ressourcen 9) Beschaffung 10) Planung und Steuerung 11) Chancen und Risiken 12) Stakeholder 13) Change und Transformation 14) Programm- und Projektselektion und Portfoliobalance (nur Programm und Portfolio) Kompetenzelemente der ICB 4; Abbildung: GPM 54 REPORT projektManagementaktuell | AUSGABE 1.2018 WELT DES PROJEKTMANAGEMENTS IST VIELFÄLTIG Ein Kompetenzmodell wie die ICB - dies wäre dann quasi der kleinste gemeinsame Nenner für alle? DT: Der Kompetenzstandard könnte das verbindende Glied zwischen den vielfältigen Standards werden. Offen gesagt: Die Bedeutung, die die Projektwirtschaft für Deutschland hat, spiegelt sich derzeit nicht in unseren Zertifizierungszahlen wider. Im Jahr 2016 haben wir 18 Level-A- Zertifikate ausgestellt - ein Rekord für die GPM. 750 Zertifikate gab es beim Level C. Wir wachsen stetig. Aber mit diesen Zahlen fehlt es der Zertifizierung nach meiner Einschätzung noch an Durchschlagskraft für die Projektwirtschaft. Deshalb ist es so wichtig, dass wir die Chancen ergreifen, die uns die ICB 4 bietet. Also den Markt ernst nehmen, den Einstieg in die Welt des Projektmanagements attraktiv gestalten, die Anzahl der Qualifizierungs- und Zertifizierungsteilnehmer massiv steigern und damit die Relevanz des Berufsbildes und der GPM als dessen Vertreter verdeutlichen. Dann hat die ICB 4 gute Chancen, der De-facto-Standard für Projektmanagement zu werden. Davon bin ich überzeugt.