eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 29/2

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
pm
2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
0301
2018
292 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Projekte in der Krise – oder doch nicht?

0301
2018
Kai Rahnenführer
Goran Radin
Projekte in der Krise nehmen aufgrund der steigenden Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit (VUCA) zu, statt ab. Es gibt kaum ein Projekt, welches nicht im Laufe seines Lebenszyklus zumindest in Schieflage oder gar in eine handfeste Krise geraten ist. Aber wie misst man Schieflage oder Krisen? Im ersten Teil „Projekte in der Krise – oder doch nicht?“ [1] haben wir eine erste Definition erstellt, die es einem Projektleiter ermöglicht, neutral zu evaluieren, ob sich gerade sein Projekt in der Krise befindet oder nicht. In diesem Artikel machen die Autoren den logischen Schritt zu einer Checkliste, anhand derer man objektiv bestimmt, ob sich ein Projekt in der Krise befindet oder eher noch in einer Schieflage. Im weiteren Verlauf des Artikels werden die Autoren anhand eines öffentlich diskutierten Projektes die Evaluation Schieflage vs. Krise vornehmen.
pm2920037
WISSEN 37 projektManagementaktuell | AUSGABE 2.2018 „Spätestens wenn der Auftraggeber sagt, das Projekt ist in der Krise, dann ist es auch in der Krise.“ (Goran Radin) Im Teil 1 „Projekte in der Krise - oder doch nicht? - Definition und Herleitung“ haben die Autoren eine allgemeingültige Definition von Projekten in der Krise aufgestellt [1]. Weiterhin wurde eine erste Abgrenzung zwischen den Projekten in Schieflage und denen, die sich in der Krise befinden, beschrieben. Da die beiden „Projekt-Aggregatzustände“ jedoch sehr subjektiv sind, wird in diesem Artikel unter Zuhilfenahme einer Checkliste das Projekt im Kontext Schieflage vs. Krise lokalisiert. Projekte in der Krise sollten immer vermieden werden, doch nahezu jedes Projekt hat so seine speziellen Phasen, in denen es mal nicht nach Plan läuft. Damit man die Abweichungen wahrnimmt, gibt es viele Werkzeuge und Methoden, dies zu visualisieren, wie bspw. die Meilensteintrendanalyse, wenn es um Termine geht, oder aber die Earned Value-Analyse, wenn es sich zusätzlich um finanzielle Mittel handelt. Aber, obwohl viele Methoden vorhanden sind und bedingt dadurch auch die Zeit zu reagieren, werden diese Mittel zwar angewandt, aber nicht konsequent bei der Ursachenbekämpfung eingesetzt. Meist versuchen die Projektverantwortlichen die aktuelle Situation erst einmal selbst zu lösen und verschleiern teils den konkreten Zustand oder aber die Mittel werden erhöht, um die Abweichung wieder in den Griff zu bekommen. Häufig wird erst reagiert, wenn es keinen anderen Ausweg mehr gibt, dann aber hat der Aggregatzustand des Projektes sich bereits von normal in Richtung Schieflage oder gar Krise verändert. Die in Teil 1 beschriebene Definition zeigt einen ersten Schritt in die Richtung festzustellen, ob das Projekt sich verändert hat. Aber den Beleg, dass dem so ist, ist man immer noch schuldig. Es bedarf in der Konsequenz eines Beleges, dass man sich sicher ist, bevor man den Zustand (am besten durch den Auftraggeber) dem Umfeld kommuniziert und alle Beteiligten wissen lässt, dass das Projekt nicht mehr nach Plan verläuft. Eine weitere Methode zu entwickeln, wäre nach Meinung der Autoren zu aufwendig, weshalb die Wahl auf eine Checkliste gefallen ist, um eine Situation möglichst neutral bewerten zu können. Checklisten - Sinn und Zweck oder warum und wieso? Checklisten sind wichtige Helfer und dienen u. a. der Effizienzsteigerung, nahezu jeder verwendet sie im alltäglichen Gebrauch. Eine der bekanntesten Anwendungen einer Checkliste ist zum Beispiel der Einkaufszettel. Wir schreiben uns auf, was wir brauchen, um nichts zu vergessen. Ist der Einkaufszettel länger, haken wir die Dinge, die schon im Einkaufswagen sind, sogar ab, oder wir streichen sie durch. Checklisten können aber auch für andere Themen genutzt werden. So können sie helfen bei folgenden Tätigkeiten: • Bei Arbeiten, die einen präzisen Ablauf erfordern Bsp. Piloten beim Start oder der Landung eines Flugzeuges Im Leben gibt es Tätigkeiten, bei denen man es sich nicht erlauben sollte, Fehler zu machen, weil die Folgen daraus sehr schwerwiegend sein könnten. In diesem Falle geben uns Checklisten ein Gefühl der Sicherheit, dass man nichts vergessen hat. • Neue Dinge, für die wir noch keine Routine haben - um daraus Routinen zu entwickeln Bsp. Halten eines neu erstellten Seminares Manche Dinge, Themen sind neu, sodass wir versuchen, diese durch eine Checkliste zu planen. Durch die mehrmalige Anwendung entwickeln wir dann eine Routine und die Checkliste verschwindet allmählich. Auch hierbei dient die Checkliste zur Sicherheit, allerdings auch als roter Faden, an dem man sich orientieren kann. Teil 2: Checkliste zur Einschätzung der Situation eines Projektes Projekte in der Krise - oder doch nicht? Autoren: Kai Rahnenführer, Goran Radin >> Für eilige Leser Projekte in der Krise nehmen aufgrund der steigenden Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit (VUCA) zu, statt ab. Es gibt kaum ein Projekt, welches nicht im Laufe seines Lebenszyklus zumindest in Schieflage oder gar in eine handfeste Krise geraten ist. Aber wie misst man Schieflage oder Krisen? Im ersten Teil „Projekte in der Krise - oder doch nicht? “ [1] haben wir eine erste Definition erstellt, die es einem Projektleiter ermöglicht, neutral zu evaluieren, ob sich gerade sein Projekt in der Krise befindet oder nicht. In diesem Artikel machen die Autoren den logischen Schritt zu einer Checkliste, anhand derer man objektiv bestimmt, ob sich ein Projekt in der Krise befindet oder eher noch in einer Schieflage. Im weiteren Verlauf des Artikels werden die Autoren anhand eines öffentlich diskutierten Projektes die Evaluation Schieflage vs. Krise vornehmen. 38 WISSEN projektManagementaktuell | AUSGABE 2.2018 • Dinge, die selten durchgeführt werden Bsp. Maschinenbeschaffungsprozess Andere Dinge, Themen bearbeitet man eher selten. So hilft die Checkliste, sich an den Ablauf zu erinnern bzw. diesen auch getrost mal vergessen zu dürfen, denn die Checkliste bringt es dann wieder zum Vorschein. • Ausführung ist über einen gewissen Zeitraum verteilt Bsp. Abarbeiten eines Arbeitspaketes über mehrere Tage Dinge, deren Ausführung über mehrere Tage oder Wochen verteilt sind, kann man durch eine Checkliste effizienter abarbeiten. Man muss sich in diesem Falle nicht merken, an welcher Stelle man zuletzt aufgehört hat, wenn man den letzten erledigten Schritt auf der Checkliste abgehakt hat. • Besonders wichtige Dinge Bsp. objektive Auswertungen bzw. Priorisierungen von Themen Abb. 1: Typischer Projektprozess [5] Abb. 2: Checkliste im Projektprozess nach Stefan Hagen [6] Projektprozess/ -phasen 1 Definition Projekte in der Krise März 2017 Checkliste nach S. Hagen 1 Definition Projekte in der Krise März 2017 WISSEN 39 projektManagementaktuell | AUSGABE 2.2018 Dinge, die besonders wichtig sind bzw. welche man werten möchte, kann man ebenfalls per Checkliste bearbeiten. Man stellt Kriterien auf, die man als wichtig erachtet, besetzt diese mit einer Wertigkeit und stellt so sicher, dass objektiv eine Priorisierung vorgenommen wird. Entspricht etwas nicht den Kriterien, wird es gelöscht, da es keine Punkte bekommen hat. Checklisten sorgen also für • Effizienz, • Übersicht, • Kontrolle und • Entscheidungsfindung. Es gibt aber auch Gefahren von Checklisten: • Verhinderung von Kreativität im Umgang mit Problemen • Aufbau einer Überbürokratisierung, Instrumentalisierung/ Missbrauch • Verhindern von Flexibilität • Unvollständige Checklisten können zu gravierenden Fehlern führen Ein Beispiel gegen Überbürokratisierung gibt der Pilot Chesley Sullenberger. Beim Start vom Flughafen New York nach Charlotte, North Carolina kollidierte Flug 1549 der Fluggesellschaft US- Airways am 15. Januar 2009 in etwa 900 Meter Höhe mit einem Wildgänseschwarm. Die Folge war ein Ausfall beider Triebwerke und das zwang ihn zur Notlandung auf dem Hudson River. Dabei hat er, statt den vorgegebenen Ablauf einzuhalten, seine Erfahrung gegen die Checkliste, die für einen Triebwerksausfall in großer Höhe ausgelegt war, eingetauscht. Ihm ist es zu verdanken, dass es zu keiner Katastrophe kam. [2] Durch die Anwendung der vorgesehenen Checkliste (3 Seiten) wären womöglich Menschen gestorben. Der Pilot entschied hier, dass andere Prioritäten wie Erfahrung, sofortiges Handeln und Reagieren in den Vordergrund gerückt sind, da beide Triebwerke ausgefallen waren. [3] Checklisten in Projekten „Checklisten sind die Schnittstellen zwischen Fachwissen und Management. Sie beschreiben schrittweise einen bestimmten Prozess und dienen zu seiner Durchführung und gleichzeitigen Dokumentation“ [4]. Sie sind strukturiert und ein Tool oder Werkzeug und können einfach oder komplex sein. Innerhalb der Projektarbeit werden verschiedene Checklisten erstellt, die einen Überblick geben, welche Arbeitsschritte bereits erledigt sind und welche noch ausstehen. Eine Checkliste dient zudem der Dokumentation, Transparenz, Eindeutigkeit und dem Nachweis. Sie ist ein Hilfsmittel für Projektmitarbeiter und Projektmanagement zur Kontrolle der Vollständigkeit wie auch zur Prüfung der Qualität an festgelegten Kriterien. Checklisten können auch Fragenkataloge sein, die helfen, ein Thema, Problem oder eine Aufgabe näher zu untersuchen. Sie können bereits näher definierte Projektarbeitspakete in weitere Abschnitte einteilen, die dann abgehakt werden können. Dies dient der Überprüfung, ob wirklich alles beachtet wurde, um das jeweilige Projektziel zu erreichen. Am besten sind Checklisten im Projekthandbuch hinterlegt. Sie können viel Raum innerhalb des Projektmanagements einnehmen (Abb. 1). • • • • • M A H Management Akademie Heidelberg gGmbH Anzeige 40 WISSEN projektManagementaktuell | AUSGABE 2.2018 So kann es Listen zur • Analyse der Ausgangslage (Problemanalyse, Problembeschreibung, Ursachenanalyse), • Projektorganisation (Projektrahmenorganisation, Teambesetzung, Teamgespräch, Einzelgespräch), • Kommunikation (Projektinformationssystem), • Abschlusspräsentation (Rahmenbedingungen, Abschlussbesprechung, Teamauflösung) geben. Checklisten im Kontext zur Beurteilung von Projekten In den vorherigen Kapiteln wurde aufgezeigt, dass Checklisten in einer Vielzahl von Situationen ein stetiger Helfer sein können. Man kann Checklisten allerdings auch dazu nutzen, eine Situation objektiv einschätzen zu können. Beispiel ist hier der Prince2 Health Check [7]. In 14 Fragen wird durch eine einfache Beantwortung mit Ja und Nein abgefragt, ob man sich gut auf ein Projekt vorbereitet. Zusätzlich kann man Gründe angeben, wenn man Fragen mit Nein beantwortet, woran es gelegen hat oder was zur optimalen Vorbereitung noch aussteht. Checklisten sind somit ein systematischer Ansatz, Risiken zu minimieren durch objektive Einschätzungen von Projektsituationen oder -gegebenheiten. Im ersten Teil „Projekte in der Krise - oder doch nicht? “ [1] haben die Autoren eine allgemeingültige Definition von Projekten in der Krise beschrieben (Abb. 3). Die Autoren wiesen allerdings auch darauf hin, dass es bei der Einschätzung der Situation, ob ein Projekt in der Schieflage oder Krise ist, von Person zu Person oder Organisation unterschiedliche Meinungen geben kann. Die Faktoren der Einschätzung waren Obwohl Projekte einmalig sind, können Checklisten, die sich bereits früher bewährt haben, helfen, Projektmitarbeiter/ -innen auf eine Linie zu bringen und Meilensteine sogar früher zu erreichen. Waren neu erstellte oder überarbeitete Checklisten erfolgreich, sollten sie auf jeden Fall archiviert werden (Abb. 2). Checklisten unterliegen der Dokumentenlenkung eines Unternehmens. Abb. 3: Definition Projekte in der Krise [1] Abb. 4: Abgrenzung Schieflage vs. Krise [1] Stufen der Krise 1 Definition Projekte in der Krise März 2017 Projektzonen Zeitverlauf „Krise“ „Schieflage“ „normale Projektsituation“ Subjektive Zone der Krise Subjektive Zone der Schieflage In dieser Situation greifen die reinen klassischen Methoden des Projektmanagements nicht mehr. Das Projekt kann mit „klassischen Methoden“ wieder in den Normalzustand überführt werden. Stufen der Krise WISSEN 41 projektManagementaktuell | AUSGABE 2.2018 • die subjektive Wahrnehmung der Situation im Projekt, • die eigene Erfahrung in oder aus Projekten als Projektmitglied oder -leiter und • die Komplexität der Projektsituation, welche mitunter schwer einzuschätzen ist. All diese Aspekte veranlassen den Projektbetrachtenden, eine für sich gültige Meinung aufzustellen, die die Projektsituation beschreibt, also, ob es „quasi normal läuft“, ob es in der Schieflage ist oder gar in der Krise. Kann man demzufolge überhaupt eine Checkliste zur Beurteilung von Projekten erstellen? Kann es eine Eindeutigkeit geben, die von allen Beteiligten branchenübergreifend anerkannt wird? Nein, man kann nur eine Empfehlung abgeben, sind die Autoren der Meinung. Die Einschätzung selbst ist bereits eine erste Wertung in Richtung Subjektivität oder aber Erfahrung beispielsweise. Und diese führt wiederum zu einer Empfehlung, die von anderen Branchen mitunter auch anders gesehen werden kann und soll. Ein unerfahrener Projektleiter wird eine vermeintlich „kritische“ Projektsituation völlig anders bewerten als ein erfahrener Projektleiter. Die Antworten zur gleichen Frage können also unterschiedlich ausfallen und werden es auch. So subjektiv es auch sein mag. Eine gewisse Eindeutigkeit ist ebenfalls auch unübersehbar, wie bspw. das konsequente Überschreiten von Termi- Die Frage, wann das Projekt in der Schieflage und wann es in der Krise ist, beantworten die Autoren mit einer Empfehlung. Es können max. zwölf Punkte erreicht werden, wenn alle Themen komplett negativ beantwortet werden (je 3 Punkte). Den Zustand, wenn alle Fragen positiv beantwortet werden (je 0 Punkte), kann man getrost als „Normalzustand“ des Projektes beschreiben. Innerhalb dieser Grenzen muss man dann nur noch die Schieflage beschreiben, also > 0 Punkte und < 12 Punkte. Die Autoren empfehlen: • 0 bis 4 Punkte: Das Projekt befindet sich im Zustand der Planung(en). • 5 bis 9 Punkte: Das Projekt befindet sich in Schieflage. • 10 bis 12 Punkte: Das Projekt befindet sich in einer Krise. Die Autoren möchten darauf hinweisen, dass die in diesem Artikel gesetzten Grenzen einmalig im Unternehmen ausgerichtet werden müssen, da • jede Branche einmalig ist und demzufolge ihre ureigenen Herausforderungen besitzt, • jede Branche anders auf Projektabweichungen reagiert und sich demzufolge selbst überlegen und festlegen muss, ab welchem Indikator ein Projekt sich in welchem Zustand befindet. Dabei ist auch der Erfahrungsschatz der Menschen mit einzubeziehen, welche Projekte zu beurteilen sind. nen oder die Nichterfüllung von festgelegten Meilensteinen. Auch (signifikante) Budgetüberschreitungen sind als Tatsache nicht zu leugnen, ein Projekt als in der Krise zu bezeichnen. Checkliste zur Beurteilung von Projekten in der Schieflage oder Krise Checklisten zur Ermittlung eines Projektzustandes gibt es viele. Genau so viele Lösungsansätze existieren am Markt. Allerdings beschäftigen sich die wenigsten mit einer Unterscheidung zwischen den möglichen Zuständen eines Projektes (Abb. 4). Die Fachgruppe „Turnaround Management“ der GPM hat sich zur Aufgabe gemacht, nicht nur die Definition von Projekten in der Krise zu gestalten, sondern darüber hinaus auch die dazugehörige Checkliste zur Ermittlung des Projektzustandes zu entwickeln. Diese sollte der Definition folgen und einfach gehalten sein, um den Zustand für jeden Projektleiter schnell mittels Quick-Check ermitteln zu lassen. Indikatoren unterstützen die Kernfragen, die sich an der Definition orientieren: • Ziele • Methode • Team • Stakeholder (Tab. 1). Abb. 5: Empfehlung Projektkrisenbarometer (nach Meinung der Autoren) 42 WISSEN projektManagementaktuell | AUSGABE 2.2018 1. Ziele Generiert das Projekt noch Fortschritte (Meilensteine, Arbeitspakete)? Indikatoren Das Projekt hat definierte Ziele (messbar und aktuell). Das Projekt hat definierte Meilensteine. Die bisherigen Meilensteine wurden im „Wesentlichen“ erreicht. Die zukünftigen Meilensteine werden voraussichtlich in Time, Budget und Quality erreicht. Materielle und personelle Ressourcen liegen in ausreichender Menge vor. Es sind die richtigen Personen im Projektteam. Die Steuerung von Teilprojekten und Schnittstellen ist definiert (Ziele, Verantwortlichkeit und Arbeitspakete und Liefergegenstände). Es gibt eine ergebnisorientierte und effiziente Meeting-Kultur. • Ja, es werden die geplanten Fortschritte erzielt. (0) • Nein, es werden geringe/ keine Fortschritte erzielt. (3) 2. Methode Kann der Projektleiter mit (ihm) bekannten Methoden das Projekt noch voranbringen? Indikatoren Kann die Projektleitung mit gewöhnlich angewandten Methoden das Projekt noch voranbringen? Die Projektleitung hat die Erfahrung und Qualifikation, das Projekt erfolgreich zu Ende zu führen. Die Projektleitung hat den Handlungsspielraum, um notwendige Maßnahmen zu ergreifen und durchzusetzen. Die Projektprobleme können durch Maßnahmen des Projektmanagements gelöst werden und liegen nicht außerhalb des Projekts. Es gibt ein Risikomanagement, das aktiv angewendet wird und die Stakeholder einbezieht. Die Machbarkeit wurde geprüft und bestätigt. Know-how innerhalb und außerhalb des Unternehmens wurde genutzt. Projektziele werden regelmäßig überprüft. Der definierte CR-Prozess wird eingehalten. Die Kommunikation mit Projektteam und Stakeholdern ist effektiv und zielgerichtet. • Ja (0) • Nein, da der Handlungsrahmen eingeschränkt ist. (2) • Nein, keine Methode bekannt (3) 3. Team Sehen wesentliche Teile des Teams Handlungsmöglichkeiten? Indikatoren Das Projektteam ist motiviert und das Klima im Team ist gut. Das Projektteam erarbeitet zielführende Lösungsmöglichkeiten und setzt diese um. Das Know-how im Team ergänzt sich gut und ist geeignet, das Projekt erfolgreich abzuschließen. Das Projektteam ist zuversichtlich, die Projektziele zu erreichen. Krankenstand und Fluktuation im Projektteam sind auf niedrigen Niveaus. Entscheidungen finden auf Teamebene statt und werden selten eskaliert. Das Projektteam fühlt sich vom Management unterstützt und wertgeschätzt. Offene Aufgaben aus Arbeitsmeetings werden zielgerichtet angegangen und gelöst. • Ja (0) • Nein, einzelne (2) • Nein, wesentliche Teile des Teams haben das Gefühl der Blockade, Ausweglosigkeit, Ohnmacht und Resignation. (3) 4. Stakeholder Glaubt der Auftraggeber noch an den Erfolg des Projekts? Indikatoren Die Auftraggeber und wichtigsten Stakeholder sind aktiv eingebunden und stehen hinter dem Projekt. Die Erwartungen der Auftraggeber sind bekannt und stimmen mit den Projektzielen überein. Der Auftraggeber ist über den wahren Projektstatus informiert, gibt konstruktives Feedback zum Projekt/ Projektverlauf. Der Auftraggeber stellt die benötigten (vereinbarten) Ressourcen bereit. • Ja (0) • Nein, Stakeholder hinterfragt das Projekt. (1) • Nein, er gesteht es sich ein, aber kommuniziert es nicht. (2) • Nein, er gesteht es sich ein und kommuniziert es auch. (3) Tab. 1: Checkliste „Projekte in der Krise“ WISSEN 43 projektManagementaktuell | AUSGABE 2.2018 Proof of Concept der Checkliste anhand eines öffentlich diskutierten Projektes Quick-Check: Der Versuch einer ersten Einschätzung anhand des Airbus-A400M-Projektes: Ziel des Projektes von Airbus Defence and Space war und ist es, in den Luftwaffen von sieben europäischen NATO-Staaten (Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Spanien, Türkei, Vereinigtes Königreich) den größtenteils veralteten Bestand an taktischen Transportflugzeugen der Typen Transall C-160 und Lockheed C-130 Hercules zu ersetzen bzw. zu ergänzen. Weitere Ziele des Projektes sind [8]: • höhere Nutzlast, • höheres Transportvolumen, • höhere Geschwindigkeit und • höhere Reichweite, • die Möglichkeit von kurzen, unbefestigten Pisten zu operieren, • die Verwendung als Lazarett- und Tankflugzeug sowie • die Möglichkeit Fallschirmspringer und Lasten aus der Luft abzusetzen. Der ursprüngliche Vertrag sah die Entwicklung der A400M vor sowie die anschließende Produk- Nach unserer Festlegung - siehe oben - befindet sich das Projekt allerdings in einer Schieflage, an der Grenze zur Krise. Der Meinung der Autoren folgend, passt das, denn die beschriebenen Indikatoren zeigen dies ebenfalls: • Es wird nicht öffentlich kommuniziert, dass sich das Projekt in der Krise befindet. Die offiziellen Meinungen der Stakeholder Airbus wie auch die Ländervertreter reden von Schwierigkeiten und nicht von Verfehlungen bzw. offenem Versagen im Projekt. • Es wird weiterhin Geld in das Projekt hineingegeben, was bedeutet, dass die Stakeholder das Projekt weiter unterstützen wollen, ob aus politischen Gründen oder aber aus rein programmatischen, dies kann man anhand der öffentlich zugänglichen Informationen nur erahnen. Fazit Neben einer Definition existiert zur Validierung nun auch eine Checkliste. Beide Instrumente sind aufeinander abgestimmt und ermöglichen es jedem im Projekt, sich den Status des Projektes aufzeigen zu lassen. In Ergänzung dazu regt die Checkliste auch dazu an, tion und Auslieferung von 180 Flugzeugen inkl. anfänglicher Wartung zu einem Gesamtpreis von 20 Mrd. EUR. Die Erstauslieferung war für Oktober 2009 vorgesehen. Nach mehrfachen Verzögerungen fand der Erstflug am 11. Dezember 2009 statt. Erst Ende Dezember 2013 erfolgte der erste operative Einsatz, ein Flug nach Mali. Während der Flugzeugtyp in mehreren Luftwaffen im Einsatzbetrieb ist, fehlen weiterhin zugesagte Teilfähigkeiten, und in der deutschen Presse wird die A400M als „Pannenflieger“ etikettiert. Die endgültige Version soll frühestens 2018 bereitstehen und die vorher ausgelieferten Flugzeuge dann nachgerüstet werden. Die Finanzen des Airbus-Konzerns werden durch das Projekt mit Rückstellungen in Höhe von über sieben Milliarden EUR belastet. „Momentan ist keine einzige der 14 A400M- Transportmaschinen der Bundeswehr einsatzbereit.“ Das berichtete der Inspekteur der Luftwaffe, Karl Müllner, auf der Berliner Sicherheitskonferenz [9]. Adaptieren wir das A400M-Projekt auf unseren Fragenkatalog, so werden wir feststellen, dass dies im Sinne einer objektiven Bewertung, auf Basis der öffentlich zugänglichen Informationen, ein Projekt in der Schieflage ist (Tab. 2). Abb. 6: Einordnung A400M-Projekt (nach Meinung der Autoren) 44 WISSEN projektManagementaktuell | AUSGABE 2.2018 Tab. 2: Quick-Check Projekt A400M (interpretiert aus Presseberichten) 1. Ziele Generiert das Projekt noch Fortschritte (Meilensteine, Arbeitspakete)? Antworten Bemerkungen Punkte Indikatoren Das Projekt hat definierte Ziele (messbar und aktuell). Das Projekt hat definierte Meilensteine. Die bisherigen Meilensteine wurden im „Wesentlichen“ erreicht. Die zukünftigen Meilensteine werden voraussichtlich in Time, Budget und Quality erreicht. Materielle und personelle Ressourcen liegen in ausreichender Menge vor. Es sind die richtigen Personen im Projektteam. Die Steuerung von Teilprojekten und Schnittstellen ist definiert (Ziele, Verantwortlichkeit und Arbeitspakete und Liefergegenstände). Es gibt eine ergebnisorientierte und effiziente Meeting-Kultur. • Ja, es werden die geplanten Fortschritte erzielt. (0) • Nein, es werden geringe/ keine Fortschritte erzielt. (3) Durch die zahlreichen Terminüberschreitungen und das Abmelden von Funktionalitäten kann man diese Frage mit „Nein, es werden nur geringe Fortschritte erzielt.“ beantworten. 3 2. Methode Kann der Projektleiter mit (ihm) bekannten Methoden das Projekt noch voranbringen? Indikatoren Kann die Projektleitung mit gewöhnlich angewandten Methoden das Projekt noch voranbringen? Die Projektleitung hat die Erfahrung und Qualifikation das Projekt erfolgreich zu Ende zu führen. Die Projektleitung hat den Handlungsspielraum, um notwendige Maßnahmen zu ergreifen und durchzusetzen. Die Projektprobleme können durch Maßnahmen des Projektmanagements gelöst werden und liegen nicht außerhalb des Projekts. Es gibt ein Risikomanagement, das aktiv angewendet wird und die Stakeholder einbezieht. Die Machbarkeit wurde geprüft und bestätigt. Know-how innnerhalb und außerhalb des Unternehmens wurde genutzt. Projektziele werden regelmäßig überprüft. Der definierte CR-Prozess wird eingehalten. Die Kommunikation mit Projektteam und Stakeholdern ist effektiv und zielgerichtet. • Ja (0) • Nein, da der Handlungsrahmen eingeschränkt ist. (2) • Nein, keine Methode bekannt. (3) Die einzelnen Stakeholder geben weiterhin Geld für das Projekt, um es fortzuführen, allerdings ist es weniger, als das Projekt benötigt, um wieder in den „Normalzustand“ zu gelangen. Zuletzt wurden 3,5 Mrd. EUR zusätzlich bewilligt. 2 3. Team Sehen wesentliche Teile des Teams Handlungsmöglichkeiten? Indikatoren Das Projektteam ist motiviert und das Klima im Team ist gut. Das Projektteam erarbeitet zielführende Lösungsmöglichkeiten und setzt diese um. Das Know-how im Team ergänzt sich gut und ist geeignet, das Projekt erfolgreich abzuschließen. Das Projektteam ist zuversichtlich, die Projektziele zu erreichen. Krankenstand und Fluktuation im Projektteam sind auf niedrigen Niveaus. Entscheidungen finden auf Teamebene statt und werden selten eskaliert. Das Projektteam fühlt sich vom Management unterstützt und wertgeschätzt. Offene Aufgaben aus Arbeitsmeetings werden zielgerichtet angegangen und gelöst. • Ja (0) • Nein, einzelne (2) • Nein, wesentliche Teile des Teams haben das Gefühl der Blockade, Ausweglosigkeit, Ohnmacht und Resignation. (3) Diese Frage kann man von außen betrachtet nur beantworten, wenn man Interviews mit Teammitgliedern führt. Dies war dem Autorenteam nicht möglich, weshalb man hier davon ausgeht, dass die Wahrheit in der Mitte liegt. 2 4. Stakeholder Glaubt der Auftraggeber (noch) an den Erfolg des Projekts? Indikatoren Die Auftraggeber und wichtigsten Stakeholder sind aktiv eingebunden und stehen hinter dem Projekt. Die Erwartungen der Auftraggeber sind bekannt und stimmen mit den Projektzielen überein. Der Auftraggeber ist über den wahren Projektstatus informiert, gibt konstruktives Feedback zum Projekt/ Projektverlauf. Der Auftraggeber stellt die benötigten (vereinbarten) Ressourcen bereit. • Ja (0) • Nein, Stakeholder hinterfragt das Projekt (1) • Nein, er gesteht es sich ein, aber kommuniziert es nicht. (2) • Nein, er gesteht es sich ein und kommuniziert es auch. (3) Bedingt durch neue Finanzspritzen in das Projekt geht das Autorenteam davon aus, dass die Stakeholder das Projekt als gescheitert ansehen, es aber nicht öffentlich kommunizieren. 2 WISSEN 45 projektManagementaktuell | AUSGABE 2.2018 • die Probleme im Projekt transparent zu machen, • die Ursachen der Schieflage/ Krise zu diskutieren, • erste Lösungsansätze zu entwickeln, • eine validierte Aussage nach außen zu treffen, basierend auf einer geprüften Situationsanalyse, • eine offene und transparente Diskussionsbasis zu eröffnen. Wir möchten allerdings auch darauf hinweisen, dass es gut ist, wenn mehrere Instanzen in einem Unternehmen (Mitarbeiter vor Ort, Projektleitung, Qualitätsmanagement etc.) unabhängig voneinander diese Bewertung vornehmen, damit unterschiedliche Sichtweisen auf ein Projekt transparent werden.  Literatur [1] Rahnenführer, Kai/ Radin, Goran: Projekte in der Krise - oder doch nicht? Teil 1: Definition und Herleitung. In: projektManagement aktuell 5/ 2017, S. 57-62 [2] www.zeit.de/ wissen/ 2016-09/ chesleysullenberger-new-york-airbus-pilot-hudsonriver-notlandung, Stand: 15.1.2018 [3] www.bernhardschloss.de/ blog/ 175-casestudy-checklisten-im-risikomanagement/ , Stand: 15.1.2018 [4] www.projektmagazin.de/ glossarterm/ checkliste, Stand: 15.1.2018 [5] www.pm-handbuch.com/ assets/ PM-Metho dik_startup_euregio.pdf, Stand: 15.1.2018 PM der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. mitverantwortlich, eine Definition für Projekte, welche sich in der Krise befinden, zu entwickeln. Darüber hinaus hat Kai Rahnenführer bereits mehrere Artikel zum Thema Projektmanagement veröffentlicht. Anschrift: E-Mail: Kai.Rahnenfuehrer@ p3-group.com, www.p3-group.com Goran Radin ist bei der LEONI Bordnetzsysteme GmbH in der Business Unit BMW tätig. Hier entwickelt er gerade in einer übergreifenden Kooperation ein operativ orientiertes Lieferantenentwicklungs- und -managementkonzept. Vor dieser Aufgabe hatte er bereits mehrere Jahre Projekterfahrung in der Automobilzulieferindustrie gesammelt, unter anderem in Krisenprojekten. Goran Radin gehört zu den Gründungsmitgliedern der Fachgruppe TurnAround PM in der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. mit dem Fokus Definition, Analyse und Turnaround von Krisenprojekten. Anschrift: E-Mail: Goran.Radin@leoni.com, www.leoni.com [6] www.microtool.de/ projektmanagement/ checklisten-im-projektmanagement/ , Stand: 15.1.2018 [7] https: / / de.wikipedia.org/ wiki/ Airbus_ A400M, Stand: 15.1.2018 [8] www.wallstreet-online.de/ nachricht/ 10098878-a400m-maschinen-bundeswehreinsatzbereit, Stand: 15.1.2018 Schlagwörter Checkliste, Definition, Krise, Schieflage, TurnAround PM Kompetenzelemente der ICB 4.0 2.07 Konflikte und Krisen Autoren Kai Rahnenführer ist derzeit Geschäftsführer der P3 aviation GmbH. Vor dieser Aufgabe hat er eigenverantwortlich Projekte im Bereich der Telekommunikation durchgeführt, zuletzt als General Program Manager eines Telekommunikationsunternehmens in Norddeutschland. Zwischen 2010 und 2013 (Hochschule Bremen) war und seit 2016 (Hochschule Bochum) ist er Lehrbeauftragter für Projektmanagement. Kai Rahnenführer ist in der Fachgruppe TurnAround Anzeige