PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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UVK Verlag Tübingen
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GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.Projektportfolioselektion im Multiprojektumfeld
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Tim Bierenbreier
Timo Büssing
Uwe Haneke
Klassische Standardsoftware, die zur Unterstützung von Selektionsprozessen im Projektportfoliomanagement verwendet wird, macht Anwendern starre Vorgaben und bietet meist wenige Konfigurationsmöglichkeiten, um an individuelle Anforderungen angepasst zu werden. Gemäß dem Leitgedanken „IT follows Process“ stellt der Artikel eine webbasierte Softwarelösung vor, die sich durch ein hohes Maß an Konfigurierbarkeit, Skalierbarkeit und Flexibilität auszeichnet. Nutzer erhalten eine Plattform, mit der sie die Projektportfolioselektion und die verwendeten Projektdatenstrukturen selbst definieren können. Im Anschluss unterstützt die Lösung den Anwender performant und intuitiv dabei, den abgebildeten, individuellen Prozess bis hin zur schlussendlichen Selektion des Projektportfolios durchzuführen.
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46 WISSEN projektManagementaktuell | AUSGABE 2.2018 PM-Software: Unternehmensziele mit bestmöglicher Ressourcenauslastung erreichen Projektportfolioselektion im Multiprojektumfeld Autoren: Tim Bierenbreier, Timo Büssing, Uwe Haneke Die Gesamtheit der Projektanfragen in Unternehmen übersteigt oftmals die Verfügbarkeit der Ressourcen. Daher ist es für den zukünftigen Unternehmenserfolg entscheidend, diejenigen Projekte herauszufiltern, die zum Erreichen der strategischen Unternehmensziele den größtmöglichen Beitrag leisten und die verfügbaren Ressourcen optimal ausnutzen. Dieser Prozess der Projektportfolioselektion lässt sich mit verschiedenen Softwarelösungen digital unterstützen. Dabei sind die Prozesse jedoch meist starr geregelt und es gibt wenige Möglichkeiten der Konfiguration. Der Artikel stellt eine Lösung vor, die ein hohes Maß an Flexibilität bietet und sich an die individuellen Anforderungen der Unternehmen oder sogar der einzelnen Benutzer anpassen lässt. Projektportfoliomanagement - Die richtige Auswahl treffen Um die verfügbaren personellen und finanziellen Ressourcen optimal zu nutzen, die strategischen Unternehmensziele zu erreichen und von Synergien zu profitieren, muss eine entsprechende Projektauswahl getroffen werden, die als Projektportfolio bezeichnet wird. Dies ist das wesentliche Ziel im Planungsprozess des Projektportfoliomanagements. Der Portfolioselektionsprozess wird abhängig von Unternehmen und Abteilung oft unterschiedlich durchgeführt. Er ist auf die aktuelle Unternehmenssituation und die geplante Unternehmensstrategie abgestimmt, um letztendlich das bestmögliche Projektportfolio für den individuellen Erfolg eines Unternehmens zu liefern. In der Priorisierung und Selektion von Projekten unterscheiden sich somit sowohl die Kriterien, nach denen Projekte bevorzugt und aussortiert werden, als auch die Schritte, die ein solcher Proschritte, die immer vorkommen. Diese umfassen z. B. Vorselektionen, Priorisierungen und Filterungen der Projekte. Anstatt einen starren Programmablauf durch eine Software vorzugeben, sollte es möglich sein, Komponenten als Bausteine beliebig und auf die individuelle Unternehmenssituation abgestimmt kombinieren zu können. Die vorgestellte webbasierte Softwarelösung ist im Hinblick auf Prozessablauf und Datenstrukturen generisch anwendbar und wird durch eine entsprechende Konfiguration an die gewünschten Prozesse angeglichen. Dadurch lässt sich der anschließende Prozessablauf bestmöglich an die individuellen Bedürfnisse anpassen. Einordnung des Tools in den Gesamtkontext Die Software bildet im Gesamtprozess des Projektmanagements den Selektionsschritt ab (Abb. 1). Als Einstieg können bereits vorhandene Projektstammdaten unterschiedlicher Quellen dienen, mit welchen im Rahmen des Selektionsschritts in der Applikation gearbeitet wird. Das Ergebnis der Selektion und damit der Output der Anwendung ist die Portfolioentscheidung. Es wird bestimmt, ob das jeweilige Projekt in das aktuelle Projektportfolio aufzunehmen ist oder nicht. In letzterem Fall wird es nicht weiterbearbeitet und der Prozess ist somit beendet. Wird es aufgenommen, geht es in den nächsten Prozessschritt der Planung über und wird weiterhin verfolgt. Was ist Projektportfoliomanagement? „Das Projektportfoliomanagement ist ein Ansatz zum Erreichen von strategischen Zielen durch die Selektion, Priorisierung, Bewertung und das Management von Projekten, Programmen und >> Für eilige Leser Klassische Standardsoftware, die zur Unterstützung von Selektionsprozessen im Projektportfoliomanagement verwendet wird, macht Anwendern starre Vorgaben und bietet meist wenige Konfigurationsmöglichkeiten, um an individuelle Anforderungen angepasst zu werden. Gemäß dem Leitgedanken „IT follows Process“ stellt der Artikel eine webbasierte Softwarelösung vor, die sich durch ein hohes Maß an Konfigurierbarkeit, Skalierbarkeit und Flexibilität auszeichnet. Nutzer erhalten eine Plattform, mit der sie die Projektportfolioselektion und die verwendeten Projektdatenstrukturen selbst definieren können. Im Anschluss unterstützt die Lösung den Anwender performant und intuitiv dabei, den abgebildeten, individuellen Prozess bis hin zur schlussendlichen Selektion des Projektportfolios durchzuführen. zess bis zur Zusammenstellung des Projektportfolios durchläuft. Übliche Standardsoftware gibt diesen Prozess bereits vor und bietet wenige Möglichkeiten der Konfiguration. Der Anwender kann wählen, ob er die bestehenden Prozesse an die Software anpasst oder eine eigene Lösung implementiert. Dies ist jedoch sehr aufwendig. Obwohl Selektionsprozesse eines Unternehmens oder Bereichs individuell sind, gibt es Prozess- WISSEN 47 projektManagementaktuell | AUSGABE 2.2018 damit zusammenhängenden Arbeiten auf Grundlage ihrer Ausrichtung und ihres Beitrages zu den Strategien und Zielen der Organisation.“ [1, S. 5] Ein wesentlicher Teilprozess des Projektportfoliomanagements ist die Selektion und Priorisierung von Projekten, was eine permanente zyklische Aufgabe darstellt. Alle laufenden Projekte und Programme sowie alle neuen Projektanfragen werden bei der Planung des Projektportfolios beachtet. Es kann sich um ein Projektportfolio für das ganze Unternehmen handeln, aber auch für einen Geschäftsbereich oder eine Abteilung [2, S. 6]. Weiterhin kann in Konzernen, in denen die Anzahl von Projekten und Programmen meist kaum noch überschaubar ist, auch eine Differenzierung in mehrere Projektportfolios nach Projekteigenschaften wie Projektart (z. B. separates Portfolio für IT-Projekte) erfolgen [3, S. 26 f.]. Das Projektportfoliomanagement versucht, die „richtigen“ Projekte zur Umsetzung auszuwählen, also effektiv zu handeln, um diese anschließend unter Beachtung des gesamten Projektportfolios effizient zu steuern [2, S. 10]. Nach Lomnitz kann ein Projekt anhand verschiedener Kriterien als richtige Wahl bezeichnet werden. Die wichtigsten Kriterien lauten [3, S. 98]: • Strategische Bedeutung • Wirtschaftlicher Nutzen • Zwang • Dringlichkeit • Finanzielle und personelle Ressourcen • Risiken Ziele des Projektportfoliomanagements Resultierend aus diesen Auswahlkriterien verfolgt das Projektportfoliomanagement bei der Portfolioselektion nach Cooper drei grundlegende Ziele, um den Projektbeitrag zum Unternehmenserfolg zu maximieren [4, S. 101 f.]: • Abbildung der Unternehmensstrategie im Projektportfolio: Um Projekte anhand ihrer strategischen Bedeutung für die Unternehmensziele auszuwählen und somit das Projektportfolio an der Unternehmensstrategie ausrichten zu können, muss das Projektportfoliomanagement mit der Unternehmensführung in Kontakt stehen. Dadurch sorgt es dafür, dass aus den Unternehmensstrategien resultierend diejenigen Projekte initiiert werden, deren Umsetzung genau diese Strategien unterstützen und somit die Entwicklung des Unternehmens vorantreiben [5, S. 24]. Das Projektportfolio soll also mit der übergeordneten strategischen Zielsetzung des Unternehmens übereinstimmen. Letztendlich ist dadurch die Zukunft der Organisation von der Auswahl der richtigen Projekte abhängig. • Wertmaximierung des Projektportfolios: Diejenigen Projekte sollen ausgewählt werden, die den größtmöglichen wirtschaftlichen Nutzen für das Unternehmen in Relation zu ihrem gemeinsamen Ressourcenaufwand bieten [4, S. 102 f.]. Dieses Ziel erfordert vom Projektportfoliomanagement eine möglichst geschickte, also effektive und effiziente Allokation der begrenzten Ressourcen [6, S. 17]. • Ausgewogenheit des Projektportfolios: Die Zusammenstellung der Projekte sollte bezüglich diverser Parameter eine gewisse Ausgewogenheit aufweisen. Beispielsweise muss das Verhältnis von Projekten mit hohem und geringem Risiko stimmen. Neben sehr profitablen Projekten, die jedoch ein hohes Risiko mit sich bringen, sollten im Portfolio auch Projekte vorhanden sein, deren erfolgreiche Durchführung so gut wie sicher ist. Andere Parameter können beispielsweise Durchführungsdauer oder Projekttyp sein [4, S. 102]. Priorisierung und Selektion Kesten et al. nennen die folgenden beiden Hauptprozesse des Projektportfoliomanagements [7, S. 82 f.]: • Projektportfolioplanung: umfasst im Wesentlichen die Auswahl der „richtigen“ Projekte (vgl. Abb. 1) und eine möglichst realistische Planung; • Projektportfoliosteuerung: Das Ziel der Projektportfoliosteuerung ist die durchgehende Entwicklung des Projektportfolios, um mit der- Abb. 1: Rolle der Applikation aus Sicht des Einzelprojektmanagements; eigene Darstellung 48 WISSEN projektManagementaktuell | AUSGABE 2.2018 Unternehmenssituation gleichauf zu sein und bei Problemen rechtzeitig gegensteuern zu können. Dadurch lässt sich präventiv und vorausschauend handeln. „Im Rahmen der Planungsphase kommt der Priorisierung und der Selektion fundamentale Bedeutung zu“ [8, S. 138]. Anhand einer Auswahl sinnvoller Prüfkriterien für die Projekte soll zuerst eine möglichst objektive und realistische Grundlage zur Erstellung einer eindeutigen Rangfolge der Projekte und anschließenden Selektion geschaffen werden [9, S. 156]. Eine einheitliche Bewertung dieser Kriterien dient dazu, die Projekte zu unterscheiden und in Bezug auf ihren Wert für das Projektportfolio vergleichbar zu machen [8, S. 138]. Die anschließende Projektpriorisierung ermöglicht im Ergebnis die Entscheidungsbasis zur Selektion von Projekten in das Projektportfolio. Sie legt die Bedeutung der Projekte für das Unternehmen offen, sodass sich im Anschluss eine Zuweisung der verfügbaren Ressourcen auf die priorisierten Projekte durchführen lässt. Weniger wichtige Projekte kommen mangels Ressourcen möglicherweise vorerst auf eine Warteliste. Sie werden beim nächsten Zyklus der Projektportfolioplanung oder auch schon bei einer Justierung des Projektportfolios im Rahmen der Projektportfolioüberwachung neu priorisiert [8, S. 139]. Um die durchgeführte Selektion im Anschluss übersichtlich zu visualisieren, haben sich in der bleibt und zum Ausgleich viele Projekte mit geringem Risiko vorhanden sind (Abb. 2). Motivation und Zielsetzung für die Entwicklung des Tools Im Rahmen einer Bachelor-Thesis wurde eine Softwarelösung entwickelt, die eine generische Möglichkeit bietet, die Selektion eines Projektportfolios in verschiedenen Unternehmen zu unterstützen. Sie ist einfach an das fachliche Umfeld anpassbar und damit universell anwendbar. Aufgrund der generischen Anwendbarkeit stellt dies zum Beispiel für Consulting-Unternehmen, die diverse Kunden bei solchen Prozessen unterstützen, einen hohen Mehrwert dar. Diese Anpassbarkeit bezieht sich auf den Selektionsprozess, den die Software abbildet, sowie auf die Struktur der Daten, auf denen sie operiert. Die Datenstruktur eines Projekts hinsichtlich der Anzahl und Art der Attribute muss ebenfalls einfach veränderbar und skalierbar sein. Zudem darf die Software keinen starren Prozess abbilden, sondern sollte sich konfigurieren und vom Anwender auf die aktuelle Situation abstimmen lassen. Prozessmodule Die Software basiert auf einer Reihe verschiedener Prozessmodule. Diese Bausteine bilden die grundlegenden fachlichen Komponenten des Projektportfoliomanagements ab und können zur Anfertigung eines individuellen Prozesses genutzt werden. Prozessmodule stellen lose gekoppelte Softwarekomponenten dar, die jeweils eine eigene Benutzeroberfläche besitzen. Damit kann die Software mit einer entsprechenden Konfiguration unkompliziert an die Kundenanforderungen angepasst werden. Hierbei lassen sich beliebige Module zu einem Prozess kombinieren, um so diverse Operationsabfolgen zu ermöglichen. Jedes der implementierten Prozessmodule besitzt darüber hinaus eine jeweils festgelegte Menge an Parametern. Damit lässt sich die Ausprägung der verwendeten Module spezifizieren, was die Flexibilität der Software erhöht. Variabel ist beispielsweise die Menge der Projektattribute, die dem Anwender angezeigt werden sollen und für den aktuellen Prozessschritt relevant sind. Ein anderer nützlicher Parameter ist die Definition der Attribute, die für die Dimensionen bei der Darstellung potenzieller Portfolios in Form von Blasendiagrammen zu verwenden sind. Die Software ist Praxis Blasendiagramme bewährt. Dabei kann auch eine große Menge von Objekten unter Berücksichtigung von bis zu vier Dimensionen (x-Achse, y-Achse, Größe/ Farbe der Blasen) ganzheitlich bewertet werden. Daher eignet sich diese Darstellungsform gut zum Vergleich von potenziellen Projektportfolios. Beispielhaftes Blasendiagramm von Fiedler Als Beurteilungsmaßstab wird bei Fiedler das Verhältnis von Attraktivität und Risiko der Projekte genutzt. Die Größe der Blasen wird anhand ihres Anteils am verfügbaren Projektbudget festgelegt. Die Attraktivität lässt sich in diesem Falle z. B. durch Umsatz- und Ertragspotenzial oder Marktvolumen bestimmen, das Gesamtrisiko durch wirtschaftliche und technische Risiken, wie z. B. die Nutzung einer bisher wenig erprobten Technologie in der Softwareentwicklung [10, S. 43]. Durch die Position der Projekte im Koordinatensystem und ihre Unterteilung in Prioritätsgruppen wird schnell ein Eindruck von der Gesamtattraktivität des Projektportfolios erlangt. „Heiße Projekte“ mit geringem Risiko und hoher Attraktivität beeinflussen das Gesamtpotenzial des Projektportfolios positiv. Bei „Vabanque- Projekten“ mit hohem Risiko und hoher Attraktivität muss hingegen darauf geachtet werden, dass das Projektportfolio insgesamt ausgewogen Abb. 2: Beispielhaftes Blasendiagramm zur Darstellung eines Projektportfolios [10, S. 42] WISSEN 49 projektManagementaktuell | AUSGABE 2.2018 so konzipiert, dass die Menge der Prozessmodule nicht absolut ist. Sie gibt eine Struktur vor, in deren Rahmen die Anzahl der Module zum Bau von Prozessen standardisiert und individuell erweitert werden kann. Bei der Umsetzung der bisherigen Prozessmodule wurde hierauf stets geachtet. Daher sind übliche Elemente wie z. B. eine Projekttabelle als einfach wiederverwendbare Einheiten implementiert. Die Software bietet in der aktuellen Version die folgenden drei Prozessmodule zur Abbildung von Prozessschritten und Definition eigener Selektionsprozesse: • Prozessmodul „Selection“: Dieser Baustein bildet die Editierung von Projektdaten, die Kategorisierung/ Selektion sowie die Priorisierung, Filterung und Sortierung von Projekten ab. Grundlage zum Durchführen dieser Aktionen ist eine Übersicht der in der Datenbank vorhandenen Projekte, die für den Selektionsprozess relevant sind. Das Prozessmodul soll dem Anwender ermöglichen, auf der in der Tabelle dargestellten Projektmenge zu operieren. Um sich einen Überblick zu verschaffen und die Menge sinnvoll einteilen zu können, sind sowohl eine Filterfunktion als auch eine Sortierfunktion Voraussetzung. Mithilfe dieser Funktionen lässt sich die Menge der Projekte nach beliebigen Kriterien eingrenzen und priorisieren. Die Bearbeitungsmöglichkeit des den Anwender bei der Zusammenstellung eines realistischen Szenarios. Je nach Auswahl der Projekte werden im unteren Teil des Bildschirms die noch verfügbaren Ressourcen angezeigt (Abb. 3). So lassen sich Szenarien erstellen, die die vorhandenen Ressourcen bestmöglich ausnutzen. Die Betrachtung der Personalressourcen erfolgt monatlich. Wenn für ein Projekt z. B. fünf Softwareentwickler in Vollzeit benötigt werden, wirkt sich dies in der Übersicht nur auf die Monate aus, in denen das Projekt läuft. Die aktuell verfügbaren Ressourcen lassen sich in der Konfiguration angeben oder direkt in der Benutzeroberfläche dieses Prozessmoduls anpassen. Abbildung 3 stellt dies anhand von Dummy-Daten exemplarisch dar. Im Beispiel wurde ein Szenario aus den zwölf Projekten mit der höchsten Gesamtpriorität erstellt. Diese Menge schöpft die vorhandenen Ressourcen im Beispiel fast optimal aus. • Prozessmodul „Comparison“: Dieses Prozessmodul dient zum Vergleich der in den vorherigen Prozessschritten erstellten Szenarien. Hierfür bietet es eine Visualisierung der Szenarien in Form von Blasendiagrammen sowie eine Darstellung des gesamten Ressourcenaufwands. Um eine optimierte Portfolioselektion zu unterstützen, werden auch in diesem Modul zum Vergleich der Szenarien die zuge- Tabelleninhalts ermöglicht es dem Endanwender weiterhin, die Werte beliebiger Projektattribute anzupassen. Es bietet sich an, dieses Prozessmodul mehrmals hintereinander im Prozess zu verwenden. In der ersten Ausführung lässt sich die Menge der Projekte nach beliebigen Kriterien eingrenzen. In einer weiteren Ausführung liegt dann nur noch die ausgewählte Untermenge vor, bei der z. B. ein Quality-Check der Projektdaten durchgeführt wird. Dabei erreichen nur diejenigen Projekte den nächsten Prozessschritt, deren Datenqualität beispielsweise im Hinblick auf Vollständigkeit und Korrektheit den Anforderungen entspricht. • Prozessmodul „Creation“: Dieses Prozessmodul bietet die Möglichkeit, aus der Menge der bisher selektierten Projekte verschiedene Projektkombinationen zusammenzustellen. So lassen sich mögliche Szenarien schaffen. Die Kreation dieser potenziellen Projektportfolios soll unter Berücksichtigung der verfügbaren finanziellen und personellen Ressourcen stattfinden, um realistische Szenarien auf Basis der momentanen Ressourcensituation zusammenstellen zu können. Implizit unterstützt die Software damit die Kapazitätsplanung, indem sie abhängig von der ausgewählten Projektmenge die bei dieser Wahl vorliegende Ressourcensituation errechnet. Dies unterstützt Abb. 3: Benutzeroberfläche des Prozessmoduls „Creation“ 50 WISSEN projektManagementaktuell | AUSGABE 2.2018 hörigen Ressourcensituationen dargestellt. Dadurch stehen dem Anwender bei der Wahl des Projektportfolios die wesentlichen Auswahlkriterien zur Verfügung, ohne im Prozess einen Schritt zurückgehen zu müssen. Dabei ist zu beachten, dass in diesem Prozessmodul die absoluten Ressourcenaufwände dargestellt werden, die das ausgewählte Szenario in Anspruch nimmt, sowie Differenzen zu den vorhandenen Ressourcen, falls diese nicht ausreichen. Im Prozessmodul „Creation“ werden hingegen die verbleibenden Ressourcen dargestellt, die bei der Auswahl von Projekten verblieben sind. Dadurch wird der Anwender bei der Zusammenstellung eines Szenarios unterstützt, welches die verfügbaren Ressourcen möglichst vollständig in Anspruch nimmt. Abschließend persistiert der Anwender in diesem Prozessmodul dann Szenarien als Projektportfolio in der Datenbank für die spätere Verwendung oder lädt das erzeugte Blasendiagramm für spätere Präsentationen als PNG-Datei herunter. Das in Abbildung 3 im Rahmen des Prozessmoduls „Creation“ erstellte Szenario wird in Abbildung 4 zum Vergleich übersichtlich dargestellt. In dieser Ausprägung des Prozessmoduls wurde die Kostenschätzung bis zum Projektabschluss für die Größe der Blasen gewählt und ihre Dringlichkeit für ihre Farbe. Für die x- und y-Achse dienen der strategische sowie der wirtschaftliche Projektbeitrag. Konfiguration der verwendeten Datenstrukturen Beim Design des relationalen Datenschemas, auf dem der vorliegende Prototyp basiert, stehen Flexibilität und Skalierbarkeit im Vordergrund. Die Datenstruktur lässt sich an den Anwendungsfall anpassen und neue Attribute können hinzugefügt werden. Dadurch ist sie für verschiedene Unternehmen bzw. Abteilungen nutzbar. Unter Projektattributen werden frei definierbare, beliebige Aspekte verstanden, die für die Ausprägung der Projekte relevant sind, z. B. Prüfkriterien, Kategorien, Ressourcenabschätzungen oder beliebige andere Projektinformationen. Abbildung 3 zeigt eine beispielhafte Menge von relevanten Projektattributen, die in der Praxis eingesetzt werden. Die Benutzeroberfläche gibt die definierten Projektattribute als Spalten der Projekttabelle wieder. In der Software selbst sind keinerlei spezifische Vorgaben definiert. Stattdessen ermöglicht sie die Arbeit mit beliebigen Projektdatenstrukturen, die sie dynamisch von der Datenbank lädt, abhängig von der individuellen Befüllung. Je nachdem mit welchen Attributen die Datenbank initial befüllt ist, lässt sich mit einer an die Kundenanforderungen angepassten Datenstruktur arbeiten. Diese kann auch im Nachhinein einfach um Attribute erweitert werden. Prozesskonfiguration Um einen konfigurierbaren Programmablauf der Software und damit eine dynamische Abfolge der Prozessmodule zu gewährleisten, wird eine weitere Softwarekomponente benötigt. Diese muss den vom Benutzer definierten, variablen Ablauf kennen und dient zur Koordination der Prozessmodule. Diese Komponente agiert als Process- Engine, da sie für die korrekte Abfolge der definierten Prozessschritte und damit für die Ausführung des definierten Selektionsprozesses zuständig ist. Außerdem wird sie zum Datenaustausch zwischen Prozessmodulen verwendet. Die Konfiguration wird anhand der Kundenwünsche in Textform (festgelegte JSON-Struktur) erstellt und an die Software übergeben. So lässt sich ein aus einer variablen Anzahl und Kombination von Prozessmodulen bestehender, selbst definierter Prozess starten. Diese Prozesskonfiguration wird beim Einspeisen geparst und von der Process-Engine gekapselt. Hier ist sie zentral mit hilfreichen Funktionen umhüllt, die zur Abfrage von Informationen über die nächsten Prozessschritte oder zur Kommunikation von Daten zwischen den Prozessmodulen dienen. Dies ermöglicht ein dynamisches Routing zwischen den einzelnen Prozessmodulen, um verschiedene Prozesse abzubilden und den Programmablauf nicht von vornherein statisch festzulegen. Abb. 4: Benutzeroberfläche des Prozessmoduls „Comparison“ WISSEN 51 projektManagementaktuell | AUSGABE 2.2018 Innovative, dynamische Unterstützung für den Portfolioselektionsprozess Gemäß dem Leitgedanken „IT follows Process“ wurde eine generische Lösung konzipiert und umgesetzt, die Flexibilität und Skalierbarkeit sowohl im Hinblick auf den Programmablauf der Software als auch auf die Datenstrukturen gewährleistet. Die Software ist somit auf die verschiedensten Unternehmenssituationen oder Abteilungen innerhalb einer Organisation anwendbar, ohne dass bestehende Prozesse vorher an die Software angepasst werden müssen. Das Tool bietet gegenüber in der Praxis verbreiteter Software zahlreiche Vorteile. Es agiert als modularer Baukasten, indem sich einzelne Bausteine zu individuellen Prozessen kombinieren lassen. Dies ermöglicht einen starken Fokus bei der Einführung einer Portfoliomanagement-Software auf die Kundenanforderungen. Die Anzahl der Module ist darüber hinaus nicht festgelegt, sondern standardisiert und individuell erweiterbar. Neue Module mit zusätzlichen Funktionalitäten können bei Bedarf implementiert und zur Konfiguration des abgebildeten Selektionsprozesses zur Verfügung gestellt werden. Bei der Entwicklung des vorgestellten Tools wurde großer Wert auf eine einfache und intuitive Bedienung gelegt. Des Weiteren ermöglicht die verwendete Architektur eine hohe Performance mit schnellen Reaktionszeiten, auch bei einer sehr großen Menge von Projekten. Das webbasierte Tool ist cloud-ready und für die Anbindung an vor- oder nachgelagerte Systeme gedacht. Durch seine hochgradige Konfigurierbarkeit und die genannten Vorteile stellt die Lösung eine innovative, sehr dynamische Unterstützungsmöglichkeit für den Portfolioselektionsprozess einer Organisation dar. Literatur [1] Project Management Institute: The standard for portfolio management. Project Management Institute, Newtown Square, PA, 2006 [2] Seidl, J.: Multiprojektmanagement: Übergreifende Steuerung von Mehrprojektsituationen durch Projektportfolio- und Programmmanagement. Springer, Berlin 2011 [3] Lomnitz, G.: Multiprojektmanagement: Projekte erfolgreich planen, vernetzen und steuern. Mi-Wirtschaftsbuch, München 2008 [4] Cooper, R. G./ Edgett, S. J./ Kleinschmidt, E. J.: Portfolio management in new product development. In: Project portfolio management: selecting and prioritizing projects for competitive advantage. Center for Business Practices, West Chester, PA, 1999, S. 97-116 [5] Rietsch, J.: Projektportfolio-Management: Strategische Ausrichtung und Steuerung von Projektlandschaften. Haufe-Lexware, Freiburg 2015 [6] Dammer, H.: Multiprojektmanagement. Gabler, Wiesbaden 2008 [7] Kesten, R./ Müller A./ Schröder H.: IT-Controlling: IT-Strategie, Multiprojektmanagement, Projektcontrolling und Performancekontrolle. Vahlen, München 2013 [8] Steinle, C./ Eßeling, V./ Mach, K.: Entwicklung einer Konzeption zur Priorisierung und Selektion von Projekten im Rahmen des Projektportfolio- Managements. In: Handbuch Multiprojektmanagement und -controlling: Projekte erfolgreich strukturieren und steuern. Schmidt, Berlin 2008, S. 137-149 [9] Lappe, M./ Eikelmann T./ Campana C. S. E.: Praxiserfahrungen und Best Practice zur Projektpriorisierung und -selektion. In: Handbuch Multiprojektmanagement und -controlling: Projekte erfolgreich strukturieren und steuern. Schmidt, Berlin 2008, S. 151-164 [10] Fiedler, R.: Controlling von Projekten, Springer Fachmedien Wiesbaden, Wiesbaden 2016 Schlagwörter Blasendiagramm, Multiprojektmanagement, Portfolioselektionsprozess, Projektportfoliomanagement, Projektportfolioselektion, Prozesskonfiguration, Prozessmodul Kompetenzelemente der ICB 4.0 1.01 Strategie; 3.14 Auswahl und Ausgewogenheit Autoren Tim Bierenbreier besitzt einen Bachelor of Science in Informatik. Seine Bachelorthesis hat der 24-Jährige in der Business Unit „Enterprise Project Management - DACH“ bei Campana & Schott erstellt. Studienbegleitend sammelte er Erfahrungen in der Software- und Prototypenentwicklung. Anschrift: E-Mail: timbierenbreier@gmx.de Timo Büssing ist Managing Consultant bei Campana & Schott und zertifizierter PMP (PMI). Er berät Unternehmen bei der Konzeption und Einführung von Projekt- und Portfoliomanagement-Software, -Methoden und -Prozessen. Anschrift: E-Mail: Timo.Buessing@campanaschott.com Uwe Haneke ist Professor an der Hochschule Karlsruhe - Technik und Wirtschaft. In der Fakultät für Informatik und Wirtschaftsinformatik vertritt er unter anderem die Gebiete Projektmanagement und Business Intelligence. Er ist Autor zahlreicher Fachbücher und -artikel und Veranstalter verschiedener Konferenzen in den Bereichen Business Intelligence, Big Data und Analytics. Anschrift: E-Mail: Uwe.Haneke@hs-karlsruhe.de Beilagen in diesem Heft • Haufe Akademie GmbH & Co. KG • Hochschule Augsburg • PLANTA Projektmanagement-Systeme GmbH Wir bitten um Beachtung.
