eJournals PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL 29/5

PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL
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2941-0878
2941-0886
UVK Verlag Tübingen
1201
2018
295 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V.

Internationaler Projekterfolg durch effektive Gefahrenabwehr

1201
2018
Christoph Georgi
Jürgen Harrer
Das Projektvolumen in Wachstumsmärkten und risikoreichen Regionen wird in Zukunft weiter zunehmen. Damit steigt auch die Herausforderung von Projektmanagern, die Sicherheit von Menschen, Gütern und Informationen während der Projekte sicherzustellen und eine störungs- und unterbrechungsfreie Projektdurchführung zu gewährleisten. Durch die frühzeitige Erarbeitung und Implementierung von projektspezifischen Sicherheitskonzepten, die die jeweiligen Bedrohungslagen ganz- heitlich erfassen, kann die Risikoexposition von Projekten minimiert und ein hohes Niveau an Projektsicherheit gewährleistet werden. Dies ist Grundvoraussetzung dafür, dass Projekte innerhalb des definierten Projektzeitraums mit den festgelegten Projektressourcen zu dem vereinbarten Projektergebnis abgeschlossen werden können – und positive Signale an Markt und Mitarbeiter gesendet werden.
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34 ERFAHRUNG projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2018 Projektsicherheit: Internationaler Projekterfolg durch effektive Gefahrenabwehr Autoren: Christoph Georgi, Jürgen Harrer Der Begriff „Projektsicherheit“ beschreibt zwei miteinander verbundene Sachverhalte. Zum einen ist die Projektsicherheit eine betriebliche Funktion und zählt - neben klassischen Handlungsfeldern wie Objektschutz, Personenschutz und Informationssicherheit - zu den Kernprozessen vieler betrieblicher Sicherheitsorganisationen. Zum anderen ist die Projektsicherheit ein messbarer Zustand, der bei Projekten in der D-A-CH-Region häufig ohne großen Aufwand erreicht wird; in risikoreicheren Umfeldern aber als Ergebnis erfolgreicher Schadensabwehr meist erst mühsam und aufwendig erarbeitet werden muss. Dieser Beitrag soll Projektmanagern einen ersten Einblick in Aufgaben, Kosten und Nutzen der Projektsicherheit geben und anhand eines Praxisbeispiels die Komplexität der Schadensabwehr von Projekten in risikoreichen Regionen verdeutlichen. 1 Einleitung Projekte sind temporäre Organisationen, die bei definiertem Ressourceneinsatz innerhalb eines festgelegten Zeitraums ein vereinbartes Projektergebnis erreichen sollen. Projekte finden einmalig statt, zum Beispiel, wenn an einem bestimmten Standort eine Industrieanlage errichtet oder ausgebaut wird; Projekte finden aber auch turnusmäßig statt, beispielsweise Serviceprojekte, wenn wiederholt am gleichen Ort und mit vergleichbarer Zielsetzung definierte Arbeiten zu erbringen sind. Insbesondere im Maschinen- und Anlagenbau finden einmalige wie turnusmäßige Projekte häufig außerhalb existierender Infrastrukturen und zunehmend in risikoreichen Umgebungen statt, wie beispielsweise in Afrika oder dem Mittleren Osten. Hierdurch erhöht sich die Risikoexposition von Projektmitarbeitern und Projektmaterial. Die des definierten Projektzeitraums mit den festgelegten Projektressourcen zu dem vereinbarten Projektergebnis abzuschließen. In risikoarmen Regionen, wie beispielsweise Westeuropa oder Nordamerika, wo Eintrittswahrscheinlichkeit und Ausmaß eines Schadensereignisses - sprich das Sicherheitsrisiko - als eher gering eingestuft werden können, bedarf es nur begrenzter Schutzmaßnahmen, um den sicheren Projektverlauf zu gewährleisten. In risikoreicheren Regionen, die eine höhere Eintrittswahrscheinlichkeit eines Schadensereignisses oder ein höheres Schadensausmaß aufweisen, muss die Projektsicherheit mit entsprechend aufwendigeren Schutzmaßnahmen sichergestellt werden [2, S. 129-130]. Eine implizite Beschäftigung mit der Projektsicherheit findet sich bei vielen Projekten, manchmal auch gut sichtbar: Warum werden beispielsweise auf einer Baustelle am Wochenende leicht bewegliche Maschinen von einem Kran an Stahlseilen in fünf Meter Höhe gelagert? Wahrscheinlich, weil die Bauleitung befürchtet, dass ebendiese Maschinen über Nacht einen neuen Besitzer finden könnten. Wenn wichtige Ressourcen am nächsten Tag nicht mehr ihrer produktiven Verwendung zugeführt werden können, wird die Projektarbeit gestört oder muss sogar unterbrochen werden. Dies hat mittelbare wie unmittelbare budgetäre Auswirkungen auf das Projekt: Bei der Wiederbeschaffung abhandengekommener Güter entstehen Kosten, ebenso durch Arbeitsunterbrechungen und Zeitverzögerungen im Projektplan, was sich wiederum negativ auf die Lieferfähigkeit und Reputation des Unternehmens auswirken kann. Erfahrungsgemäß fallen die indirekten Kosten deutlich höher aus, werden aber nur selten - insbesondere in der Projektplanung - berücksichtigt; der erfahrene Projektleiter hingegen sichert seine wichtigsten Assets. >> Für eilige Leser Das Projektvolumen in Wachstumsmärkten und risikoreichen Regionen wird in Zukunft weiter zunehmen. Damit steigt auch die Herausforderung von Projektmanagern, die Sicherheit von Menschen, Gütern und Informationen während der Projekte sicherzustellen und eine störungs- und unterbrechungsfreie Projektdurchführung zu gewährleisten. Durch die frühzeitige Erarbeitung und Implementierung von projektspezifischen Sicherheitskonzepten, die die jeweiligen Bedrohungslagen ganzheitlich erfassen, kann die Risikoexposition von Projekten minimiert und ein hohes Niveau an Projektsicherheit gewährleistet werden. Dies ist Grundvoraussetzung dafür, dass Projekte innerhalb des definierten Projektzeitraums mit den festgelegten Projektressourcen zu dem vereinbarten Projektergebnis abgeschlossen werden können - und positive Signale an Markt und Mitarbeiter gesendet werden. „Projektsicherheit“ - ein sowohl objektiv als auch subjektiv geprägter Zustand des „Sicherseins, Geschütztseins vor Gefahr oder Schaden; höchstmögliches Freisein von Gefährdungen“ [1] - wird beeinträchtigt. Dabei ist ein hohes Niveau an Projektsicherheit Grundvoraussetzung dafür, ein Projekt innerhalb ERFAHRUNG 35 projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2018 Project Office verbindet agiles Teamwork mit hoher Prozesssicherheit. Dynamisch anpassbare Best-Practices und Prozessvorlagen schaffen verlässliche Leitplanken. Mit leistungsstarken agilen wie Tasks, Issues, Activities und dezentraler Planung unterstützen Sie Ihre Teams direkt bei der Wertschöpfung und machen sie schneller und produktiver. Project Office ist Enterprise-Software für anspruchsvolle Projekte und Ziele wie die Ausrüstung des neuen Gotthard-Basistunnels. / / project-office.contact-software.com Erfolgreiche Projekte durch verlässliche Prozesse und bessere Teamarbeit Engineering success - the agile way energizing great minds Anzeige Eine explizite Beschäftigung mit der Projektsicherheit geht mit einer zunehmenden Projekttätigkeit international tätiger Unternehmen in risikoreichen Regionen einher: Einerseits gibt es Großunternehmen, die schon seit über 100 Jahren weltweit Infrastruktur- und Wartungsprojekte durchführen und in den letzten circa zehn Jahren erleben, wie jahrzehntelang stabile politische Umfelder plötzlich instabil bis fragil werden - mit Auswirkungen auf die Kriminalität und den Terrorismus vor Ort. Andererseits gibt es eine wachsende Zahl mittelständischer Unternehmen, die an den Geschäftschancen in den Wachstumsmärkten teilhaben wollen und aktiv in Regionen wie Mittel- und Südamerika, Afrika, Mittlerer Osten oder Südostasien expandieren. Wo Chancen sind, da gibt es meist auch Risiken. Und diese betreffen in den lukrativen Wachstumsmärkten fast immer die Sicherheit von Personen, Gütern und Informationen. Durch die Erarbeitung und Implementierung von projektspezifischen Sicherheitskonzepten, welche die jeweiligen Bedrohungslagen ganzheitlich erfassen, können die Sicherheitsrisiken minimiert und der Projekterfolg sichergestellt werden. Dieser Beitrag gibt Projektmanagern einen Einblick in den Themenkomplex „Projektsicherheit“, um einerseits für das Thema zu sensibilisieren, andererseits um die Komplexität der Schadensabwehr auf Projekten greifbarer zu machen. Hierzu werden im Folgenden die Aufgaben der Projektsicherheit kurz skizziert und anschließend an einem Praxisbeispiel verdeutlicht. Zuletzt wird der Blick auf Kosten und Nutzen der Projektsicherheit gerichtet. Ein Appell an das Projektmanagement, die Projektsicherheit insbesondere bei Projekten in risikoreichen Regionen frühzeitig mitzudenken, rundet den Beitrag ab. 2 Aufgaben der Projektsicherheit Zentrale Aufgabe der Projektsicherheit ist die proaktive Schadensabwehr: Sicherheitsrisiken für Menschen, Güter und Informationen werden minimiert und eine störungs- und unterbrechungsfreie Projektdurchführung auch unter schwierigen Bedingungen ermöglicht. Ziel der Projektsicherheit ist, dass Projekte unabhängig von ihrer Risikoexposition im vorgegebenen Zeit- und Kostenrahmen abgeschlossen werden können. Die Projektsicherheit analysiert zunächst die zu erwartenden Sicherheitsrisiken eines geplanten Projekts. Dabei kann analog zum Risikomanagement zwischen dem „Brutto-Risiko“, dem „Netto- Risiko“ und dem „Rest-Risiko“ unterschieden werden (Abb. 1). Das Brutto-Risiko bezeichnet das ursprüngliche Risiko einer gegebenen Situation. Dieses wird durch das Wirksamwerden von Standardschutzmaßnahmen auf das Netto-Risiko abgesenkt. Durch erweiterte, situationsspezifische Schutzmaßnahmen wird das Netto-Risiko auf ein definiertes Rest-Risiko vermindert. Ausgehend vom Brutto-Risiko eines Projekts wird seitens der Projektsicherheit ein erster Entwurf für ein projektspezifisches Schutzkonzept Abb. 1: Grundprinzipien des „Enterprise Risk Managements“ 36 ERFAHRUNG projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2018 entwickelt, um das zuvor definierte Rest-Risiko zu erreichen. Letzteres wird so gewählt, dass von einer reibungslosen Durchführung des Projekts ausgegangen werden kann. Für die Umsetzung der vorzusehenden Schutzmaßnahmen sind direkte und indirekte Kosten zu erwarten, welche in die Projektkalkulation einfließen sollten. Dabei kann sich herausstellen, dass bei einem geplanten Projekt der übliche Projekt-EBIT nicht erreicht werden kann oder dass das Projekt für den Kunden teurer wird als erwartet. Meist hängt dies mit der geografischen Verortung des Projekts zusammen und es kann sich herausstellen, dass die Wahl eines alternativen Projektstandortes aufgrund niedriger Bedrohungslagen zu signifikant geringeren Projektkosten führt. Daher ist es wichtig, interne und/ oder externe Sicherheitsexperten frühzeitig in die Projektplanung einzubinden - noch vor dem Verkauf eines Projektes. So kann verhindert werden, dass ein Projekt mit unrealistischen finanziellen Zielen verkauft und durchgeführt wird und wachsende Nichtkonformitätskosten das angestrebte Projektergebnis verderben. 3 Praxisbeispiel: Projektsicherheit im Libanon Folgendes Praxisbeispiel soll die Arbeit der Projektsicherheit und die Notwendigkeit einer frühzeitigen Einbindung von Sicherheitsexperten in die Projektplanung verdeutlichen [2, S. 122- 149]. Der Betreiber eines konventionellen Kraftwerks im Libanon beauftragte ein deutsches Unternehmen mit der Durchführung der turnusmäßig anstehenden Wartungsarbeiten. Der Projektverantwortliche erhielt den Auftrag, eine erste „Life Time Extension“ innerhalb der avisierten fünfwöchigen Projektlaufzeit zur Zufriedenheit des Betreibers und unter Einhaltung des Projektkostenrahmens abzuschließen. Das libanesische Kraftwerk befand sich nördlich einer Großstadt am Mittelmeer, unweit der syrischen Grenze (Abb. 2). Der Bürgerkrieg in Syrien und die damit einhergehenden Kampfhandlungen hatten bereits vor Projektbeginn wiederholt Auswirkungen auf die Sicherheitslage im Umfeld des Kraftwerks. Eine direkte Gefährdung der Mitarbeiter des Unternehmens durch gezielte Angriffe während der Projektlaufzeit war nicht zu erkennen; allerdings musste aufgrund möglicher syrischer Luftangriffe und spontan auftretender Unruhen vor Ort von Kollateralschäden beziehungsweise von einer erhöhten Gefährdung von Unbeteiligten ausgegangen werden. Nach Projektübernahme durch die Projektleitung - circa zwei Jahre nach Projektverkauf - wurde das Kraftwerk erstmals besichtigt. Interne und externe Sicherheitsexperten wurden eingebunden und mit dem Schutz der Projektmitarbeiter und der Aufrechterhaltung eines geregelten Projektbetriebs auf der Baustelle betraut. Primäres Ziel aller Schutzmaßnahmen war, die Eintrittswahrscheinlichkeit von Schadensereignissen, insbesondere Personenschäden, zu minimieren. Zwischen der Sicherheits- und Gesamtprojektleitung wurde vereinbart, dass die Projektmitarbeiter nur dem geringsten Rest-Risiko von 1 (auf einer vierstufigen Skala) ausgesetzt werden dürfen. Um eine grundsätzliche Gefährdung der Projektmitarbeiter vor Ort auszuschließen, wurden unter anderem folgende Standardschutzmaßnahmen implementiert: • Die Bedrohungslage wurde bewertet und eine Prognose über ihre Veränderung über die geplante Projektdauer erstellt sowie eine Risikobewertung für die vorgesehenen Projektaktivitäten durchgeführt. • Ein Basisschutzkonzept wurde erstellt, in dem unter anderem die Bewachung der projektseitig festgelegten Hotels südlich der Großstadt und die grundsätzlich vorgesehenen Transportoptionen zwischen den Hotels und dem nördlich gelegenen Kraftwerk beschrieben wurden. Gemäß den getroffenen Vereinbarungen wurde die Sicherheit vor Ort am Kraftwerk von dessen Betreiber verantwortet. • Incident-Management- und Krisenmanagementpläne wurden erstellt, in denen unter anderem das Verhalten bei Schadensereignissen, die Handlungsoptionen im Falle einer Evakuation und die Kontaktpersonen vor Ort definiert wurden. Darüber hinaus wurde täglich die Bedrohungslage analysiert und das verbleibende Netto- Risiko für die Projektmitarbeiter laufend neu bewertet. Um dieses auf das vereinbarte Rest- Risiko von 1 zu senken, wurden unter anderem folgende spezifische Schutzmaßnahmen durchgeführt: • Tägliche, zum Teil stündliche Aktualisierung der Risikobewertung und Bedrohungslage auf Basis vor Ort gewonnener aktueller Informationen • Flexible Anwendung alternativer Personenschutzkonzepte • Regelmäßige Überarbeitung, Konkretisierung und Ergänzung bestehender Schutzmaßnahmen in Abhängigkeit von der Lageentwicklung Abb. 2: Ausgangssituation im Libanon ERFAHRUNG 37 projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2018 Zu keiner Zeit wurden die Projektmitarbeiter selbst Zielscheibe für mögliche Angriffe; sowohl in den Hotels als auch vor Ort am Kraftwerk galten sie als sicher. Allerdings bestand fast täglich die Gefahr, auf der Strecke zwischen den Hotels und dem Kraftwerk - insbesondere beim Passieren der Großstadt - Kollateralschäden zu erleiden. Wenige Tage nach Projektbeginn verschlechterte sich die Sicherheitslage in der Region, sodass die Personentransporte auf dem Landweg zwischen Unterbringung und Arbeitsort nicht mehr möglich waren (Abb. 3). Eine Ausgangssperre wurde verhängt. Die Projektmitarbeiter durften ihre Hotels nicht mehr verlassen und die Arbeiten am Kraftwerk kamen zum Erliegen. Zumal die Stecke zwischen den Hotels und dem Flughafen als weniger gefährdet galt, wurde zur Verminderung der Risikoexposition und zur Entlastung des Projektbudgets beschlossen, eine Teildemobilisierung durchzuführen: Ein Teil des Personals wurde ausgeflogen. Als sich nach einigen Tagen die Sicherheitslage wieder entschärfte, wurden nicht nur die Projektmitarbeiter erneut eingeflogen; zum Ausgleich des Zeitverlusts wurde der Personaleinsatz erhöht. Geprägt von Demonstrationen und gewalttätigen Auseinandersetzungen in der Großstadt, Schusswechseln in Baustellennähe und Luftangriffen auf die für den Personentransport vorgesehenen alternativen Strecken, folgten mehrere Phasen der Entschärfung und der erneuten Verschärfung der Lage vor Ort. Abbildung 4 stellt die Volatilität der Sicherheitslage während der Projektlaufzeit dar. Nicht nur erforderte jede Veränderung des Netto-Risikos eine Anpassung der spezifischen Schutzmaßnahmen; auch bei gleichbleibendem Risikolevel konnte eine Veränderung der Bedrohungslage eine Anpassung des Schutzkonzepts erfordern, wie dies in Phase 4 der Fall war. Das Finden und die flexible Nutzung sicherer Routen und Alternativrouten auf dem Land - später auch zur See - wurden zur Hauptaufgabe der eingebundenen internen und externen Sicherheitsexperten (Abb. 5). Die lagebedingten Einschränkungen der Projektarbeit konnten reduziert werden, die Fortführung der Arbeiten am Kraftwerk sichergestellt und das Projekt letztlich erfolgreich - mit einem marginalen Überschreiten des Projektzeitplans - abgeschlossen werden. Sicherheitsrelevante Schadensereignisse, wie beispielsweise Personenschäden, traten nicht ein. Durch eine gelungene Informationspolitik und transparente Schutzmaßnahmen konnte sogar die Verunsicherung der Projektmitarbeiter gemindert und das subjektive Sicherheitsgefühl gesteigert werden. Somit war es durch eine professionelle Projektsicherheit gelungen, die Projektmitarbeiter nicht nur zu schützen, sondern sie auch wie vorgesehen einzusetzen, um damit die vorgesehenen Projektaktivitäten zu ermöglichen. Insgesamt wurde das Projekt daher sowohl von dem Wartungsdienstleister als auch von dem Kraftwerksbetreiber als erfolgreich bewertet. Aber durch eine Einbindung von Sicherheits- Abb. 3: Aufgrund der Verschärfung der Sicherheitslage wurde eine Ausgangssperre verhängt; die Arbeiten am Kraftwerk kamen zum Erliegen. Abb. 4: Die neun Projektphasen aus Perspektive der Projektsicherheit; in Anlehnung an [2, S. 126] 38 ERFAHRUNG projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2018 experten bereits bei der Projektkonzeption hätten die zu erwartenden Sicherheitsrisiken besser berücksichtigt und die unnötig hohe Risikoexposition der Projektmitarbeiter durch ein intelligentes Schutzkonzept vermieden werden können: Die maßgebliche Sicherheitsschwachstelle des Projekts - der Personentransport - hätte durch eine sichere Unterbringung der Projektmitarbeiter vor Ort am Kraftwerk nicht existiert. Zwar wären die Unterbringungskosten vermutlich höher gewesen, hätten aber die tatsächlich entstandenen Kosten aufgrund von Arbeitsunterbrechungen sowie die entstandenen Kosten zur sicheren Durchführung der Personentransporte deutlich unterschritten. Die Projektarbeit wäre vermutlich vergleichsweise geringer durch die volatile Sicherheitslage in der Region beeinträchtigt worden - und die Projektmitarbeiter wären weniger verunsichert gewesen. 4 Kosten und Nutzen der Projektsicherheit Bei der Projektsicherheit, das heißt bei der Planung und Implementierung von Schutzkonzepten im Rahmen von Projekten, lassen sich zwei Kostenarten unterscheiden: Schutzkosten und Schadenskosten. Diese entstehen jeweils direkt und indirekt. Direkte Schutzkosten ergeben sich durch die ergriffenen Maßnahmen zur Schadensvermeidung. Indirekte Schutzkosten können entstehen, wenn die Umsetzung von Sicherheitsbestimmungen zu einer Beeinträchtigung der Projektarbeit führt. Im Praxisbeispiel gab es aufwendige Fahrtrouten für den geschützten Personentransport zum Kraftwerk, wodurch eine hohe Zahl unproduktiver Arbeitsstunden verursacht wurde - ganz zu schweigen von den Arbeitsausfällen infolge der Ausgangssperren. Direkte Schadenskosten ergeben sich als Folge von eingetretenen Schadensereignissen und werden - sofern Güter betroffen sind - standardmäßig über den Wiederbeschaffungswert ermittelt. Indirekte Schadenskosten ergeben sich als Auswirkungen von Schadensereignissen auf die Geschäftsaktivitäten und können vielerlei Formen haben, wie zum Beispiel unproduktive Arbeitsstunden, Mehrarbeit, zeitliche Verzögerungen und nicht eingehaltene Verträge mit Kunden. Direkte Schutzkosten werden meist über den Einkauf eingesteuert und können daher problemlos über Standardanwendungs-Software wie SAP/ R3 abgefragt werden. Indirekte Schutz- und Schadenskosten hingegen sind in den sonstigen Projektkosten „versteckt“ und können im Projektverlauf oft nur schwer rekonstruiert werden; sie sollten zur Optimierung der Gesamtkosten daher vom Projektcontrolling von Anfang an explizit berücksichtigt werden. Der Wertbeitrag der Projektsicherheit zum Projekterfolg kann - ähnlich wie in den Bereichen Arbeitssicherheit (Safety) und IT-Sicherheit - grundsätzlich durch zwei Ansatzpunkte beschrieben werden: das Senken von Kosten und das Ermöglichen von Einnahmen (vgl. u. a. [3, 4, 5, 6]). Auf der Ausgabenseite steht eine Verminderung von Schadenskosten im Vordergrund, die durch eine Verringerung der Anzahl und der Auswirkungen von Schadensereignissen erreicht werden soll. Daneben geht es um eine Senkung - oder zumindest Stabilisierung - der Schutzkosten. Dies wird üblicherweise durch eine Optimierung der Leistungserbringung, durch günstigeren Einkauf von Dienstleistungen und eine Vereinbarung von Beistellverpflichtungen mit dem Kunden angestrebt. In den „anlagenintensiven“ Handlungsfeldern der Unternehmenssicherheit, wie zum Beispiel bei Objektschutz oder Zugangskontrollen, können Investitionen in neue Technologien eine Senkung der Total Cost of Ownership (TCO) [7, S. 18-19] und des Life Cycle Costing (LCC) [8, S. 695-696] ermöglichen. Bei der Projektsicherheit, insbesondere in Risikogebieten, steht hingegen oftmals der Personenschutz im Vordergrund, wobei es hier nicht um den Schutz von einigen wenigen Führungskräften, sondern um den Schutz aller Projektmitarbeiter geht - und das waren in dem Praxisbeispiel zeitweise über 120 Personen. In diesem „personenintensiven“ Handlungsfeld ist eine Verminderung der TCO oder des LCC nicht zu erwarten - oder diese fallen entsprechend geringer aus. Auf der Einnahmenseite steht ein positives finanzielles Projektergebnis im Vordergrund, auf das man durch die Einhaltung des Projektstrukturplans, durch die Aufrechterhaltung der Business Continuity und die Erfüllung laufender Kundenverträge und -erwartungen hinarbeitet. Bedingt durch die lokalen Sicherheitsrisiken ist dieses Business Enabling in vielen Wachstumsmärkten mit mehr Aufwand verbunden als beispielsweise in der D-A-CH-Region. Es ist eben ein Unterschied, ob ein Projekt in Bayreuth stattfindet oder in Beirut. Unabhängig von den im Projekt anfallenden Mehr- oder Minderkosten trägt ein hohes Niveau Abb. 5: Nicht nur Land-, sondern auch Seewege wurden zum sicheren Personentransport verwendet. ERFAHRUNG 39 projektManagementaktuell | AUSGABE 5.2018 an Projektsicherheit somit auch wesentlich zum strategischen Geschäftserfolg bei: Aus Marktsicht ermöglicht eine effektive Projektsicherheit dem Unternehmen zu beweisen, dass es Aufträge auch in Risikoregionen und unter widrigsten Bedingungen vertragsgemäß durchführen kann. Ein „Wir können das! “ ist gut für die Reputation und ein starkes Signal an den Markt. Es liefert einen wesentlichen Wettbewerbsvorteil in Wachstumsmärkten und unterstützt auch Jahre nach einem Projekt die Akquisition von Neu- und Folgeaufträgen [2, S. 134]. Nicht zu unterschätzen ist auch die Signalwirkung nach innen: Projektmitarbeiter können selbst bei riskanten Einsätzen Sicherheit erfahren. Dies hat positive Auswirkungen unter anderem auf die Arbeitszufriedenheit und die Produktivität. Daneben ist die erfolgreiche Schutzarbeit gerade bei Projekten in risikoreichen Umgebungen eine Möglichkeit, für die betroffenen Mitarbeiter und ihre Familien die Corporate Social Responsibility des Unternehmens zu erleben. 5 Fazit und Ausblick Das Projektvolumen in risikoreichen Regionen, zu denen auch viele der heutigen Wachstumsmärkte zählen, wird in Zukunft weiter zunehmen. Damit steigt auch die Herausforderung von Projektmanagern, die Sicherheit von Menschen, Gütern und Informationen während der Projekte sicherzustellen und eine störungs- und unterbrechungsfreie Projektdurchführung auch unter schwierigen Bedingungen zu gewährleisten. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass sich Projektmanager auch mit dem Themenkomplex der Projektsicherheit auseinandersetzen. Einerseits, um selbst eine grobe Einschätzung der Risikoexposition einzelner Projekte vornehmen zu können, andererseits, um die Perspektive von Sicherheitsexperten besser zu verstehen und einzuschätzen, wie sie ihre Kompetenz zur Unterstützung der Business Continuity effektiver nutzen können. Eine frühzeitige Einbindung von erfahrenen Sicherheitsexperten bei der Projektkonzeption führt zwar in der Kalkulation häufig zu höheren (direkten) Projektkosten, letztlich aber in der Projektdurchführung aufgrund von professionellem Management der Sicherheitsrisiken und erfolgreicher Schadensabwehr zu geringeren Gesamtprojektkosten, insbesondere in Risikoregionen. Darüber hinaus senden sichere und dadurch erfolgreiche Projekte positive Signale nicht nur an den Markt, sondern auch an die eigenen Mitarbeiter. Mit diesem Beitrag hoffen wir, Projektmanagern einen ersten Einblick in den nach wie vor unterschätzten und nur selten adressierten Themenkomplex der Projektsicherheit gegeben zu haben. Gleichzeitig werden wir im Rahmen der Initiative Security@EBS unsere Auseinandersetzung mit diesem Handlungsfeld der betrieblichen Sicherheit ausdehnen, um die Projektsicherheit mit weiterführenden Erkenntnissen, Best Practice Cases und innovativen Lösungen nachhaltig im Projektmanagement zu verankern.  Literatur [1] Duden: Sicherheit. www.duden.de/ node/ 673347/ revisions/ 1680756/ view, Stand: 16.8.2018 [2] Harrer, Jürgen: Security Performance Measurement. Messung und Wertbeitragsermittlung von Leistungen der Unternehmenssicherheit. LIT-Verlag, Berlin 2017 [3] Dorman, Peter: The economics of safety, health, and well-being at work. An overview. Working Paper der International Labour Organization, Geneva 2000. www.ilo.org/ wcmsp5/ groups/ public/ ---ed_protect/ ---protrav/ ---safework/ documents/ publication/ wcms_110382. pdf, Stand: 20.8.2018 [4] Health and Safety Executive (HSE): Reduce risks - cut costs. The real costs of accidents and ill health at work. HSE Books, Suffolk 2002. www.rbkc.gov.uk/ pdf/ Reduce%20 risks%20and%20cut%20costs%20in%20 the%20workplace.pdf, Stand: 20.8.2018 [5] Johnson, M. Eric (Hrsg.): Managing information risk and the economics of security. Springer US, New York 2008 [6] Paquet, Catherine/ Saxe, Warren: The business case for network security. Advocacy, governance, and ROI. Understanding the total cost of ownership and return on investments for network security solutions. Cisco Press, Indianapolis 2005 [7] Hayden, Lance: IT security metrics. A practical framework for measuring security & protecting data. McGraw Hill, New York 2010 [8] Geissdörfer, Klaus/ Gleich, Ronald/ Wald, Andreas: Standardisierungspotentiale lebenszyklusbasierter Modelle des strategischen Kostenmanagements. In: Zeitschrift für Betriebswirtschaft 6/ 2009, S. 693-716 Schlagwörter Gefahrenabwehr, Projektmanagement, Risikoregionen, Sicherheit, Wirtschaftsschutz Kompetenzelemente der ICB 4.0 3.11 Risiken und Chancen Autoren Prof. Dr. Christoph Georgi; Juniorprofessor für Management mit Schwerpunkt Sicherheit & Innovation am Strascheg Institute for Innovation, Transformation & Entrepreneurship (SITE) der EBS Universität für Wirtschaft und Recht; Forschungsschwerpunkt: Strategisches Sicherheitsmanagement aus Perspektive der Zukunfts-, Organisations- und Verhaltensforschung Anschrift: EBS Universität für Wirtschaft und Recht, Gustav-Stresemann-Ring 3, 65189 Wiesbaden, Tel.: 0611/ 71 02 20 67, E-Mail: Christoph.Georgi@ebs.edu Dr. Jürgen Harrer; Forschungsdirektor für Security & Management am Strascheg Institute for Innovation, Transformation & Entrepreneurship (SITE) der EBS Universität für Wirtschaft und Recht; Forschungsschwerpunkt: Security Performance Measurement, Operational Excellence und Projektsicherheit Anschrift: EBS Universität für Wirtschaft und Recht, Gustav-Stresemann-Ring 3, 65189 Wiesbaden, Tel.: 0611/ 71 02 13 46, E-Mail: Juergen.Harrer@ebs.edu Corporate Quality Akademie Projektmanagement Einführungslehrgang per Fernlehre: www.cqa.de PM-Normen + Methoden info@cqa.de www.cqa.de 029161 908951 Anzeige